Uncategorized

NAGEL-Redaktion – Beiträge zur Mädchenarbeit

Mädchenarbeit – Selbstbestimmung als Bildungsziel in der Praxis eines Mädchentreffs

 Ein Beitrag von Dr. Ulrike Graff
Zum Beitrag „Mädchenarbeit – Selbstbestimmung als Bildungsziel in der Praxis eines Mädchentreffs“

 

Leitlinien zur strukturellen Verankerung von Mädchenarbeit 

Leitlinien zur strukturellen Verankerung der Arbeit mit Mädchen und jungen Frauen in der Jugendhilfe. Eine Arbeitshilfe der Landesjugendämter Westfalen-Lippe und Rheinland, Münster 2003 (317 KB, 73 Seiten)

 

Handbuch „Mädchenarbeit in der Migrationsgesellschaft“

Das Handbuch Mädchenarbeit in der Migrationsgesellschaft – Eine Betrachtung aus antirassistischer Perspektive von Güler Arapi und Mitja Sabine Lück (Girls Act-Projekt am Mädchentreff Bielefeld) kann hier geladen werden. (65 Seiten, 615 KB)

Literaturliste der LAG Mädchenarbeit NRW

Herunterladen

Landesarbeitsgemeinschaft Mädchenarbeit NRW

NAGEL-Redaktion – Geschlechterbewusste Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Der ABA Fachverband befasst sich seit etlichen Jahren mit den Ansätzen „Mädchen- und Jungenarbeit“. Aus diesem Grund gibt es auch eine gezielte Zusammenarbeit mit den nordrhein-westfälischen Verbänden Landesarbeitgemeinschaft Mädchenarbeit und Landesarbeitsgemeinschaft Jungenarbeit.

Mittlerweile hat sich auch der Sozialverein für Lesben und Schwule e.V. (SVLS) dem ABA Fachverband als Mitglied angeschlossen. In der Broschüre „Wir sind viele! Geschichten von jungen Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Trans*Menschen“ geben ein paar junge Menschen authentische Einblicke in sehr persönliche Momente aus ihrem Leben – über Coming Out, erste große Liebe und andere positiven und negativen Erfahrungen. Sie sprechen aus, was andere sich nicht trauen und beweisen damit sehr viel Mut. Sie lassen uns teilhaben an ihren Ängsten, Sorgen, Gedanken, Gefühlen und Erfahrungen.

Der ABA Fachverband und die LAG Mädchenarbeit unterstützen sich darüber hinaus durch eine gegenseitige Mitgliedschaft. Bei der LAG Jungenarbeit ist der Referent des ABA Fachverbandes, Rainer Deimel, persönliches Gründungsmitglied.

Wir haben einige Dokumente hier und auf weiteren Unterseiten eingestellt. Darüber hinaus empfehlen wir die Nutzung der Internetseiten der genannten Verbände.

Hier finden Sie Weiteres auf inzwischen separaten Seiten (Links siehe weiter unten).

Beiträge auf dieser Seite

Leitlinien zur Mädchenarbeit in der offenen Arbeit in der Schweiz

Jungen vernachlässigt: Studie kritisiert einseitige Berufsberatung in Europa

So titelt die WAZ vom 8. Juni 2010 unter Berufung auf den Bericht „Geschlechterunterschiede bei Bildungsresultaten: Derzeitige Situation und aktuelle Maßnahmen in Europa“. Der Bericht wird verantwortet vom EU-Bildungswerk „Eurydice“ und am 7. Juni 2010 veröffentlicht. Die WAZ schreibt weiter, geschlechterspezifische Berufsberatung konzentriere sich meist auch Mädchen. Diese würden ermutigt sich für einen technischen oder naturwissenschaftlichen Beruf zu entscheiden. Bei den Jungen hingegen verfüge kein Land über eine Strategie, diese in einen traditionell weiblichen Beruf zu vermitteln. Die Tatsache, dass Jungen in der Schule schlechter abschnitten, würde darüber hinaus vernachlässigt. Interessierte können sich die Studie (158 Seiten) per Mausklick über vorstehenden Titel herunterladen. 

Väter

DJI Bulletin 83/84 (Heft 3/4 2008): Wege in die Vaterschaft – Vorstellungen vom Vatersein – Kinder wünsche junger Väter – Ältere Väter – Inhaftierte Väter. Bulletin PLUS: Väterbilder – Vätertypen – Stichworte zu historischen und empirischen Variationen (56 Seiten, 2,8 MB)
Herunterladen

Mädchen und Jungen in Deutschland – Lebenssituationen, Unterschiede, Gemeinsamkeiten

Das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat gemeinsam mit dem Deutschen Jugendinstitut die gegenwärtige Lebenssituation von Mädchen und Jungen in Deutschland untersucht. Dabei zeigt sich, dass die meisten jungen Frauen und Männer heute mit Selbstvertrauen und klarem Bewusstsein für die eigene Verantwortung in die Zukunft blicken. Sie können und wollen ihre Chancen nutzen und ihre Lebenswege selbst gestalten. Die vorliegende Broschüre gewährt einen differenzierten Einblick in die vielfältigen Lebenswelten von Mädchen und Jungen. Sie stellt dabei die bestehenden Gemeinsamkeiten und Unterschiede von Jungen und Mädchen gegenüber. Außerdem werden Initiativen und Maßnahmen vorgestellt, die für junge Frauen und Männer günstige Rahmenbedingungen und gleiche Chancen für einen guten Start ins Leben schaffen. (96 Seiten, 596 KB, November 2007)
Publikation herunterladen

 

Gender – (k)ein Thema für Erzieherinnen? Typisch männlich, typisch weiblich – oder die Frage: Wer erzieht hier wie?

 Ein Beitrag von Katrin Kogel

Gilt der Beruf der Erzieherin immer noch als typisch weiblich? Ist es für manchen Mann unter seiner Würde, in einem von Frauen dominierten Beruf zu arbeiten? Sind (nur) Männer die geeigneten Personen für (Gruppen-)Leitungspositionen in sozialpädagogischen Arbeitsfeldern? Welche Faktoren machen das Genderprinzip notwendig, wenn auch schwierig in seiner Umsetzung? Diese und weitere Fragen werde ich im Folgenden diskutieren und darüber hinaus meine Erfahrungen aus Schule und Praxis einfließen lassen.
Beitrag herunterladen

 

Gender * Gleichstellung * Projekte

 Texte und Beispiele vom Zentrum polis – Politik – Herausgegeben vom österreichischen Ministerium für Unterricht, Kunst und Kultur
Herunterladen

Gender-Mainstreaming: Mädchen- und Jungenarbeit in der Kinder- und Jugendhilfe in NRW. Expertise zum 8. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW. (881 KB, 96 Seiten 

Gender – Geschlechterdebatten – Angleichung der Geschlechter – Gewalt und Geschlecht – Jungenarbeit – ein Defizit? – Gender Mainstreaming – Kinder- und Jugendhilfe – ohne Männer? (DJI Bulletin 75/2006, 40 Seiten, 2,2 MB)

Mädchen- und Jungenarbeit in Bewegung (Schwerpunkt LVR – Jugendhilfe-Report 1/2005) (19 Seiten, 558 KB)

 

Spezialseiten

Zur ABA-Seite „Jungenarbeit“

Zur ABA-Seite „Mädchenarbeit“

Fachorganisationen in Nordrhein-Westfalen

Überregionale Kontakte und Empfehlungen

Landkarte zur Chancengleichheit: Das Online-Portal zum Gender-Index zeigt den regionalen Stand der Chancengleichheit – Zum Portal: Auf das Logo klicken!

SOWIT – Sozialwissenschaftliches Institut Tübingen

Netzwerk Männergesundheit des SOWIT

Zur Newsletter-Seite des Netzwerks Männergesundheit

NAGEL-Redaktion – Archiv der Jugendkulturen retten!

Der ABA Fachverband ruft zur Rettung des Archivs der Jugendkulturen auf!

Nur noch wenige Tage, um das Archiv der Jugendkulturen zu erhalten!

Noch nie war das Archiv der Jugendkulturen so viel in den Medien wie in den letzten Wochen, so zum Beispiel der Kulturzeit-Beitrag auf www.jugendkulturen.de. In mehr als 60 Blogs wird derzeit zu Spenden aufgerufen. Doch leider schlägt sich diese Präsenz nicht in Spenden nieder: Rund 400 Euro gehen bei uns täglich ein – das ist durchaus beeindruckend, wenn zum Beispiel ein 14-Jähriger uns 10 Euro überweist und in der Mail dazu mitteilt, er würde gerne mehr spenden, „aber ich bekomme nur 20 Euro Taschengeld im Monat, vielleicht geht nächsten Monat wieder was“. Dennoch: Es wird nicht reichen!

Am 31. Oktober 2010 müssen die Verantwortlichen des Archivs der Jugendkulturen definitiv entscheiden, ob sie ihren Mietvertrag kündigen oder verlängern. Letzteres wird ohne die Perspektive einer Stiftung nicht möglich sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen es nicht mehr, jeden Monat privat das Defizit auszugleichen (derzeit rund 2.000 Euro monatlich). Und mit dem bisherigen Spendeneingang wird es am 31. Oktober leider heißen: Alles muss raus!

Dabei wäre es eigentlich so einfach: Wenn nur jeder Leser und jede Leserin des i-Punkts heute 10 Euro überweist, wäre das Ziel bereits erreicht! „10 Euro“, so Klaus Farin, einer der Engagierten beim Archiv für Jugendkulturen, „ich denke, das kann sich jede/r leisten. Und ich hoffe sehr, dass unser Engagement im Archiv der Jugendkulturen Ihnen diese 10 Euro wert sind. Helfen Sie bitte mit, dass unsere derzeit 29 MitarbeiterInnen in der Fidicinstraße 3 (davon 21 ehrenamtlich!) auch nach dem 31. Oktober hier noch einen Ort für ihr Engagement finden!“ Das Spendenkonto ist weiter unten zu finden. Klaus Farin steht übrigens gern für weitere Informationen zur Verfügung!

Kontakt:

Archiv der Jugendkulturen e.V.
Fidicinstraße 3
10965 Berlin
Telefon 030/612 03 318
Fax 030/691 30 16
klaus.farin@jugendkulturen.de
www.jugendkulturen.de
www.klaus-farin.de
www.culture-on-the-road.de

Kurzpräsentation Archiv (Film):

http://cms.cityguide.com/myvideo.jsp?movieRef=90903153947341950_ArchivderJugendkultu_de

Ust.-ID: DE203272846

Registergericht : Amtsgericht Charlottenburg, 18139 Nz

Spendenaufruf

Das Archiv der Jugendkulturen geht stiften!

Und Sie können ein Teil davon sein.

Das Berliner ARCHIV DER JUGENDKULTUREN e.V. existiert seit 1998 und hat sich zur Aufgabe gemacht, den Klischees und Vorurteilen über „die Jugend“ und ihre Lebens- und Freizeitwelten differenzierte Informationen entgegenzusetzen. Zu diesem Zweck betreibt es eine eigene umfangreiche Jugendforschung, publiziert deren Ergebnisse, aber auch autobiografische Texte und vieles mehr in seiner archiveigenen Verlagsreihe. Das Archiv der Jugendkulturen sammelt zudem Zeugnisse aus und über Jugendkulturen (Bücher, Diplomarbeiten, Medienberichte, Fanzines, Flyer, Musik etc.) und stellt diese in seiner Präsenzbibliothek der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung. Punk, Techno, HipHop, Gothic, Skinhead, Emo … von der Bravo über Punk-Fanzines, den ersten Techno-Flyern bis hin zu Schülerzeitungen – hier ist alles zu finden.

Mit dem Projekt „Culture on the Road“ wird kulturelle und politische Bildung in interaktiven Workshops mit Informationen über die Geschichte und Wurzeln der Jugendkulturen verbunden. Ziel ist es, jugendkulturelle Vielfalt fundiert und authentisch zu vermitteln, politisches Bewusstsein zu schärfen, tolerante Haltungen zu unterstützen und einen Beitrag zur Gewalt- und Rechtsextremismusprävention zu leisten. Schon mehrfach wurde das Archiv der Jugendkulturen für seine Arbeit ausgezeichnet, so zum Beispiel

2003 vom Bündnis für Demokratie und Toleranz
2007 vom Jugendforum im Berliner Abgeordnetenhaus
2009 von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“

Nun geht das Archiv stiften! Das seit 12 Jahren erfolgreich als gemeinnütziger Verein arbeitende Archiv der Jugendkulturen will nun eine Stiftung gründen. Warum das? Das Archiv erhält bis heute keinen Cent Regelförderung und arbeitet seit seinem Bestehen mit auf Zeit geförderten Stellen und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel ehrenamtliches Engagement sich dort findet. Doch auf Dauer braucht eine derartige Einrichtung wenigstens eine oder zwei hauptamtliche Stellen und die Sicherung der Grundkosten. Das ist zurzeit nicht gegeben – immer wieder müssen Vereinsmitglieder oder MitarbeiterInnen sogar privat Gelder spenden, um die laufenden Kosten zu zahlen. Damit ist die Existenz dieser in Europa einmaligen Einrichtung in regelmäßigen Abständen akut gefährdet.

Eine Stiftung bietet Sicherheit und Kontinuität im Fortbestand des Archivs der Jugendkulturen und der daraus resultierenden kulturellen und politischen Arbeit mit und für Jugendliche(n) – und das unabhängig von der Vergabe von Fördergeldern.

Wozu brauchen wir ein Archiv der Jugendkulturen?

Wir alle sind die Summe unserer Geschichte, wir alle handeln, leben und beziehen Position aufgrund unserer Erfahrungen, die wir in unserer Jugend gemacht haben; Jugendkultur, auch in all ihren Extremen, nimmt Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung – und wir alle brauchen das Wissen um unsere Wurzeln, um unseren Standort zu bestimmen, um nicht ges(ch)ichtslos zu sein – gerade in einer so schnelllebigen Zeit wie der heutigen.

Die Ziele der Stiftung

Förderung der Jugendkulturforschung – auch international! Die zu gründende Stiftung hat sich jedoch viel mehr vorgenommen als „nur“ die Erhaltung des Berliner Archivs der Jugendkulturen. In der Satzung heißt es dazu: „Gesamtgesellschaftliches Ziel der Stiftung ist stets die Förderung von Toleranz und Weltoffenheit, der Abbau und die Ächtung von Gewalt, Rassismus, Sexismus und anderen totalitären und menschenfeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen von Einzelpersonen wie auch Institutionen und der Ausbau und die Förderung demokratischer Partizipation nicht nur von Jugendlichen mit dem Ziel einer lebendigen Demokratie.“ Zweck der Stiftung ist die Sammlung, Erforschung und Vermittlung von Kenntnissen über jugendliche Kulturen und Lebenswelten bzw. die Förderung solcher Aktivitäten sowie die Förderung von Toleranz und kultureller Vielfalt in und zwischen allen Generationen.

Weitere Informationen: http://www.jugendkulturen.de/home/stiftungsaufruf/162-auszug-aus-der-stiftungssatzung

Was können Sie tun, um ein Teil davon zu sein?

Ermöglichen Sie jetzt durch Ihre Spende die Gründung der Stiftung! Helfen Sie mit, die engagierte und einmalige Arbeit des Archivs der Jugendkulturen langfristig zu sichern und auszubauen! Stiftungen sind Projekte für die Ewigkeit. Sie können ganz am Anfang dabei sein und einen der ersten Bausteine setzen für ein Haus, das auch in Jahren und Jahrzehnten noch von engagierten BewohnerInnen belebt sein wird!

Was haben Sie davon?

Neben der Tatsache, dass Sie noch Ihren Enkeln erzählen können, wie Sie dazu beigetragen haben, dieses einzigartige Projekt zu sichern, 

• sind Stiftungsgelder zu einem erheblichen Teil steuerlich absetzbar.
• Sie können Ihre Stellungnahme über die Wichtigkeit der Bewahrung von Jugendkulturen auf der Internetseite des Archivs veröffentlichen und als Stifter präsent sein.
• Sie können sich still für sich ganz alleine über Ihr Mitwirken freuen.
• Sie können die Form Ihres Engagements individuell und Ihren Bedürfnissen entsprechend mit Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen besprechen.

Was können Sie nun konkret tun?

100.000 Euro sind notwendig, um die Stiftung zu gründen. Helfen Sie uns mit Ihrer Spende – jede Summe ist ein weiterer Baustein zur Realisierung unserer Vision. Hierhin können Sie Ihre Spende überweisen:

Spendenkontonummer: 1241383853

BLZ: 500 502 01

Bank: 1822direkt Frankfurter Sparkasse

Konto-Inhaber: Klaus Farin

Zweck: Spende Stiftung

Für internationale Überweisungen:

IBAN: DE85 5005 0201 1241 3838 53

BIC: HELADEF1822

Bitte senden Sie parallel eine E-Mail über das Internet an das Archiv (http://www.jugendkulturen.de/home/spenderinnenverzeichnis/161-ihre-daten). Dann werden Sie über den Fortgang auf dem Laufenden gehalten.

Alle SpenderInnen werden (wenn Sie es möchten) im Spendenverzeichnis (http://www.jugendkulturen.de/home/spenderinnenverzeichnis) im Internet genannt.

Der ABA Fachverband ruft dazu auf, sich an dieser Gründungsaktion zu beteiligen!

 

Die „taz“ vom 16. August 2010 berichtete:

 

Archiv der Jugendkulturen vor dem Aus: Gefahr fürs Seelenheil

Das Berliner Archiv der Jugendkulturen erforscht seit zwölf Jahren den Alltag von Teenagern. Es nimmt sie ernst, statt Panikthesen zu verbreiten. Jetzt steht die bundesweit einmalige Einrichtung vor dem Aus.

Konzentrierte Stille herrscht im Raum, der bis obenhin vollgestopft ist mit Büchern und Zeitschriften. Am Tisch sitzt eine junge Frau und blättert in Büchern über Skinheads. Sie ist extra aus Österreich angereist, um für ihre Diplomarbeit zu recherchieren. Auf dem Boden wühlt sich ein Pärchen im Erstsemesteralter durch einen Stapel Street-Art-Magazine. Eine Grundschulklasse stürmt die Zeitschriftenregale – die Jungs und Mädchen wollen alles über ihre Lieblingszeitschrift Bravo erfahren. Nach der stichprobenhaften Sichtung der Jahrgänge 1956 bis 2010 („Was, so sah Madonna mal aus?!“) ziehen sie beeindruckt von dannen.

Ein normaler Vormittag im Archiv der Jugendkulturen in Berlin-Kreuzberg. Auf 700 Quadratmetern forschen Jung und Alt über die Jugend und können dabei auf rund 6.000 Bücher, 400 wissenschaftliche Arbeiten, 28.000 Zeitschriften sowie unzählige Tonträger, Presseausschnitte und Flyer zurückgreifen. Wer an einer Masterarbeit über malayischen Punk schreibt oder wissen will, ob Black Metal Gefahren fürs Seelenheil birgt, ist hier richtig.

Wie lange noch, ist aber fraglich: Das Archiv steht vor dem finanziellen Aus. Seit zwölf Jahren wurstelt man sich mit Projektgeldern, Spenden und ehrenamtlichem Engagement durch. Monatlich schießen die 28 MitarbeiterInnen nach eigenen Angaben rund 1.500 Euro aus eigener Tasche zu. Eine langfristige Perspektive erhoffen sie sich durch Gründung einer Stiftung: denn Stiftungen bringen Spendern Vorteile und bekommen leichter Fördergelder.

Am Interesse für die Arbeit der Forscher mangelt es jedenfalls nicht. „Es gibt großen Aufklärungsbedarf über die Jugend“, sagt Klaus Farin und grinst breit. Der 52-Jährige mit ergrauter Haarmatte und Muskelshirt ist so etwas wie Deutschlands oberster Jugendversteher. Im Gegensatz zu anderen sogenannten Jugendexperten – Soziologen, Kriminologen oder selbst ernannten Trendforschern – bemüht sich Farin um Nähe zu den Jugendlichen, die er erforscht.

„Der optimale Jugendforscher war selbst mal Teil einer Jugendkultur, hat aber genug Distanz zur Szene aufgebaut, um von außen draufzuschauen“, sagt er. Farin war früher Punk – schon während seiner Schulzeit in Gelsenkirchen grub er sich in die Szene ein und hortete mit Forschungseifer sämtliche Hervorbringungen, von Flyern bis zu selbst gemachten Fanzines. Später kamen andere Jugendkulturen dran, Skinheads, Hooligans, Gothics. Als Farin seine Sammlung einer Universität spenden wollte und auf Desinteresse stieß, beschloss er, ein eigenes Archiv für die flüchtigen Gegenkulturzeugnisse zu eröffnen – in Berlin, dem Treffpunkt für alle möglichen Jugendkulturen.

Vielen der 28 zumeist ehrenamtlichen MitarbeiterInnen sieht man ihre Szenezugehörigkeit an: Irokesen, Dreadlocks, Symbole auf Haut und T-Shirts. Monica Hevelke, die BesucherInnen durchs Archiv führt, trägt dicke HipHopper-Turnschuhe zu bunten Tatoos. Die 28-Jährige stieß über das Breakdancen zum Archiv. Jetzt hält sie Jugendgruppen Vorträge über HipHop-Geschichte und berät Pädagogen beim Erstellen von Kursangeboten.

„Ein bisschen Neugier auf andere Szenen muss man mitbringen“, sagt sie und zeigt auf das Regal mit den Eigenpublikationen des Archivs: Bücher über Vietnamesinnen in Deutschland, Hausbesetzer in Potsdam, Skinheads. Hevelke hat fast überall mal reingeschaut. Auch ins Schriftgut der rechten Szene, das in einem verschlossenen Schrank lagert und nur für spezifische Forschungszwecke herausgegeben wird. „Ekelhaft“, findet Hevelke. Aber: „Man muss doch wissen, worüber man redet – alles andere wäre peinlich.“

Wissen, worüber man redet – es ist diese Einstellung, die das Archiv der Jugendkulturen so besonders macht. Pauschales Gejammer über Verrohung oder Oberflächlichkeit der Jugend lässt man hier nicht gelten. Besonders Klaus Farin ist jederzeit bereit, für die Jugendlichen Partei zu ergreifen. „Wir haben die bravste Jugendgeneration seit langem“, sagt er und liefert aktuelle Entwicklungen gleich mit: Der Alkoholkonsum stagniere, der Tabakkonsum befinde sich auf einem historischen Tiefstand.

Auch die Jugendkriminalität sei in fast allen Bundesländern rückläufig. Trotzdem begegne man der Jugend mit Skepsis und Repressionen. „Der Umgang mit Jugendlichen wird immer autoritärer“, sagt Farin und berichtet von Baggy-Pant-Verboten in Freibädern. In seinen Worten klingt mit: Das hat die Jugend nicht verdient.

Teenager verdienen es, ernst genommen zu werden, das ist das Motto des Jugendarchivs. Ob eine Jugendkultur erst durch die Bravo zum Massenphänomen wurde, wie bei den androgyn auftretenden „Emos“, oder ob es wie beim „Parcours“ darum geht, über urbane Hindernisse zu hüpfen: Wenn es genug Leute tun und damit öffentliche Aufmerksamkeit erregen, handelt es sich um eine Jugendkultur, die es verdient, erforscht zu werden.

Auch wenn die Szenen immer schneller wechseln – die Motive, sich einer Jugendszene anzuschließen, sind seit der Wandervogel-Bewegung im 19. Jahrhundert gleich geblieben: Freunde finden, sich gegen den langweiligen Rest der Gesellschaft abgrenzen und zusammen etwas Eigenes schaffen. Gemeinsame Rituale, Mode, Sprache und Musik sind der Kitt dieser Gemeinschaften. Dass die heute weniger langlebiger sind als früher – Jugendliche zwischen 13 und 20 wechseln im Schnitt viermal die Szene – tue dem Gebot, sie ernst zu nehmen, keinen Abbruch, sagt Jugendforscher Farin.

Neben dem Archivieren ist das Vermitteln Hauptaufgabe der Kreuzberger Einrichtung. Workshops für Schulklassen und Projektgruppen, Wanderausstellungen zu Street Art oder den Lebenswelten von Berliner Einwanderern – die Nachfrage ist groß. Auch von Seiten der Polizei: Der jährliche Graffiti-Workshop für Beamte mit anschließendem Expertenrundgang durch Kreuzberg erfreue sich reger Beliebtheit, erzählt Farin. Lehrer und Politiker holten sich ebenso gern eine Portion Sachverstand, um sich auf dem Laufenden zu fühlen. Der Pluspunkt des Archivs – die aktive Beteiligung Jugendlicher – ist zugleich die offene Flanke der Einrichtung, die seit ihrem Bestehen ums finanzielle Überleben kämpft.

Für wissenschaftliche Fördertöpfe sind die Methoden der Jugendforscher zu unorthodox, für die Sozialarbeit zu wenig pädagogikorientiert. Außerdem reden Farin und seine MitstreiterInnen mit allen, ob Skins, Punks, Sprayer oder Hooligans. Das öffentliche Interesse ist aber nicht an allen gleich. Während Geld für MigrantInnenprojekte derzeit leicht aufzutreiben ist, haben es Forschungen im Punkmilieu eher schwer. „Vielleicht sollten wir mehr zu Linksextremismus forschen“, sagt Farin sarkastisch und bezieht sich damit auf die derzeitigen Debatten zu autonomer Gewalt und Regierungsprogrammen gegen Linksextreme.

HipHop-Expertin Monica Hevelke sieht ihre Forschungstätigkeit eher pragmatisch. Mit einem Zweitjob und viel finanzieller Bescheidenheit kommt die Slawistikstudentin knapp über die Runden. Dafür hat sie gerade Projektmittel für einen Radio-Workshop mit Jugendlichen genehmigt bekommen. „Wie viel Geld man hat, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, was Sinnvolles zu tun“, sagt sie. Und verschwindet dorthin, wo sich zwischen den „Mitteilungen der Karl May Gesellschaft“, einem Berg aus Schülerzeitungen und Magazinen aus der Technoszene noch jede Menge ungeordnetes Archivmaterial stapelt. Es gibt noch viel zu ordnen im Gedächtnis der Jugendkulturen.

Archiv geht stiften

Problem: Dem 1998 gegründeten Archiv der Jugendkulturen geht langsam die Puste aus. Seit der Gründung lebt die Kreuzberger Einrichtung von Spenden, ehrenamtlicher Arbeit und Projektmitteln. Unter anderem aus dem Bundesprogramm „Vielfalt tut gut“ und der Bundeszentrale für politische Bildung. Institutionelle Förderung gab es noch nie. Nun können die 28 MitarbeiterInnen um den Jugendforscher Klaus Farin den Unterhalt ihres auf 700 Quadratmeter angewachsenen Archivs nicht mehr zahlen: 1.500 Euro zahle man monatlich aus der eigenen Tasche für die Miete drauf.

Lösung: Das Jugendarchiv, das mit seinen 6.000 Büchern und 28.000 Zeitschriften eine weltweit einzigartige öffentlich zugängliche Sammlung besitzt, will eine Stiftung gründen. Mit der Kampagne „Das Archiv geht stiften“ sammeln die Macher die notwendigen 100.000 Euro Kapital. Bislang erhielten sie ein Drittel und außerdem jede Menge Unterstützung – unter anderem ausgerechnet von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die ist wahrscheinlich froh darüber, dass die ganzen Black-Metal-Videos, HipHop-Tonträger und Skinhead-Blättchen schön übersichtlich an einem sicheren Ort verwahrt werden. Mehr Informationen über das Archiv und seine Rettung unter www.jugendkulturen.de.

taz vom 16. August 2010 – Von Nina Apin

NAGEL-Redaktion – Virtuelles Museum: Geschichte der Pädagogik

Vieles von dem, was uns vielleicht einmal lieb und teuer, vielleicht auch unangenehm oder verhasst war, droht im Laufe der Zeit mehr oder weniger unbemerkt „unterzugehen“. Aus diesem Grunde hat suich die NAGEL-Redaktion überlegt, in lockerer Folge hin und wieder Beiträge vor dem Vergessen zu retten und in diesem „virtuellen Museum“ unterzubringen. Wir wünschen viel Spaß beim Stöbern und freuen uns, wenn Sie uns mit passenden Schätzen versorgen mögen, die Ihrer Meinung nach hierher gehören. Und raten Sie mal, wen Sie auf dem vorstehenden Foto entdecken? Und wann kann das wohl gewesen sein? Und wo?


Pieter Bruegel d.Ä.: Kinderspiele

Der Geschichte der Offenen Arbeit haben wir eigene Seiten gewidmet. Gern nehmen wir weitere Beiträge zum Einstellen auf dieser Seite entgegen.

NAGEL-Redaktion

 

Herbst 2010

Der ABA Fachverband ruft zur Rettung des Archivs der Jugendkulturen auf!

Nur noch wenige Tage, um das Archiv der Jugendkulturen zu erhalten!

Noch nie war das Archiv der Jugendkulturen so viel in den Medien wie in den letzten Wochen, so zum Beispiel den Kulturzeit-Beitrag auf www.jugendkulturen.de. In mehr als 60 Blogs wird derzeit zu Spenden aufgerufen. Doch leider schlägt sich diese Präsenz nicht in Spenden nieder: Rund 400 Euro gehen bei uns täglich ein – das ist durchaus beeindruckend, wenn zum Beispiel ein 14-Jähriger uns 10 Euro überweist und in der Mail dazu mitteilt, er würde gerne mehr spenden, „aber ich bekomme nur 20 Euro Taschengeld im Monat, vielleicht geht nächsten Monat wieder was“. Dennoch: Es wird nicht reichen!

Am 31. Oktober 2010 müssen die Verantwortlichen des Archivs der Jugendkulturen definitiv entscheiden, ob sie ihren Mietvertrag kündigen oder verlängern. Letzteres wird ohne die Perspektive einer Stiftung nicht möglich sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schaffen es nicht mehr, jeden Monat privat das Defizit aufzubringen (derzeit rund 2.000 Euro monatlich). Und mit dem bisherigen Spendeneingang wird es am 31. Oktober leider heißen: Alles muss raus!

Dabei wäre es eigentlich so einfach: Wenn nur jeder Leser und jede Leserin des i-Punkts kurzfristig 10 Euro überweist, wäre das Ziel bereits heute erreicht! „10 Euro“, so Klaus Farin, einer der Engagierten beim Archiv für Jugendkulturen, „ich denke, das kann sich jede/r leisten. Und ich hoffe sehr, dass unser Engagement im Archiv der Jugendkulturen Ihnen diese 10 Euro wert sind. Helfen Sie bitte mit, dass unsere derzeit 29 MitarbeiterInnen in der Fidicinstraße 3 (davon 21 ehrenamtlich!) auch nach dem 31. Oktober hier noch einen Ort für ihr Engagement finden!“ Das Spendenkonto ist weiter unten zu finden. Klaus Farin steht übrigens gern für weitere Informationen zur Verfügung!

Kontakt:

Archiv der Jugendkulturen e.V.Fidicinstraße 310965 BerlinTelefon 030/612 03 318Fax 030/691 30 16
E-Mail
Internet

Zur Extra-Seite

Beiträge

Zur Geschichte der Spielplätze

Dr. Daniel Rimbach, Landschaftsarchitekt aus Bad Liebenstein, ist es gelungen, im Rahmen seiner Dissertation eine tiefgründige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gesamtentwicklung der öffentlichen Freiräume für Kinder zu führen und damit einen Blick auf die Frühgeschichte der Spielplätze (bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs) zu werfen. Hieraus wurde in der „FreeLounge – Fachmagazin für kommunale Frei-Räume“ in den Jahren 2009 und 2010 eine vierteilige Serie publiziert. Im Rahmen der Kooperation zwischen dem Bundesverband für Freiraum-Gestaltung (BFG) und dem ABA Fachverband ist es gelungen, diese äußerst interessanten Beiträge zu bekommen. Wir haben daraus eine Internetseite gestaltet und wünschen erhellende Erkenntnisse. Zur Seite gelangt man über vorstehenden Schriftzug. Wir empfehlen ferner einen Besuch auf den Seiten des BFG. Neugierig? Nachfolgendes Logo anklicken!

Spielen

Erprobungsmaßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen: Verbesserung der Spielsituation für Kinder

In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre hat das Land Nordrhein-Westfalen verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zum „Spielen im Freien“ erprobt. Die Arbeiten begannen mit der Sammlung von Erfahrungen auf pädagogisch betreuten Spielplätzen. Die Ergebnisse wurden 1982 veröffentlicht (siehe weiter unten: „Pädagogisch betreute Spielplätze“). 

In der hier vorgelegten Broschüre wird deutlich, dass es nicht ausreicht, Spielplätze im herkömmlichen Sinne zu errichten; vielmehr komme es darauf an, Spielmöglichkeiten der verschiedensten Art mit unterschiedlichen Nutzungmöglichkeiten in den Wohngebieten zu integrieren. Der alltäglich Spielraum der Kinder müsse wieder bespielbarer gemacht werden; damit werde auch der Wohnwert der gesamten Umgebung positiv beeinflusst.

An der seinerzeitigen Modellmaßnahme haben sich neben den Landesjugendämtern Rheinland und Westfalen-Lippe die Jugendämter Aachen, Arnsberg, Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Gütersloh, Herne, Iserlohn, Köln, Mönchengladbach, Münster, Obverhausen und der Hochsauerlandkreis beteiligt. 

Die damaligen Bemühungen um angemessene Spielräume für Kinder ließen es uns sinnvoll erscheinen, die Dokumente hier für Interssierte unterzubringen. Wollen Sie stöbern? Dann klicken Sie auf vorstehendes Titelbild!

Pädagogisch betreute Spielplätze

Erfahrungsbericht der Mitarbeiter der Erprobungsmaßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen

1982 wurde eine mehrjährige Erprobungsmaßnahme zu den Abenteuer- und Bauspielplätzen in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen. Diese stand im Kontext zur Verbesserung der Spielsituation für Kinder im Lande. In jüngerer Zeit fand und findet das eine oder andere Jubiläum von pädagogisch betreuten Spielplätzen statt, bei dem bisweilen auch an dieses Projekt erinnert wird. Beteiligt waren seinerzeit 12 Abenteuer- und Bauspielplätze aus verschiedenen Gebieten des Landes. Seit 1971 gibt es in NRW Abenteuer- und vergleichbare Spielplätze. Im selben Jahr wurde auch der ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als „Landesarbeitsgemeinschaft Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze NRW“ gegründet. Mitbegründer war übrigens der heutige Regierungspräsident von Arnsberg, Prof. Dr. Gerd Bollermann.

1998 wurden die Abenteuerspielplätze vom 10. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (S. 222) als „besonders bemerkenswertes kinderbezogenes Angebot“ bezeichnet; hier schienen sich „am ehesten orignäre kinderspezifische Ansätze entwickelt zu haben“. Vor diesem Hintergrund empfahl die seinerzeitige Bundesregierung (unter dem Kanzler Helmut Kohl), Abenteuerspielplätze „flächendeckend zu verstärken“. Dies ist angesichts der Entwicklung kindlichen Aufwachsens in der Zwischenzeit dringender denn je.

In unserem Archiv ruhte noch eine Broschüre zur Probemaßnahme, die ca. 10 Jahre nach dem Entstehen von Abenteuerspielplätze in NRW veröffentlicht wurde. Wir fanden sie zu schade, dass sie dort ein Mauerblümchendasein fristet und haben uns dazu entschlossen, sie hier wieder zugänglich zu machen, zumal etliche der damals geäußerten Erkenntnisse und Thesen nach wie vor ihre Richtigkeit haben. Interesse? Mit einem Mausklick auf den vorstehenden Titel gelangen sie auf die Seite mit den Inhalten der Broschüre.

Nicht nur Verstaubtes …

Für die ABA-Mitglieder werden nach und nach frühere, vom ABA Fachverband veröffentlichte Schriften ins ABA-Netz gestellt. Was in diesen zu finden ist, kann gesehen werden, wenn man vorstehenden Schriftzug anklickt.

 

Kinderläden

2008 jährte sich die Gründung der Kinderläden zum 40. Male. In „Kinderläden“ konnte man nicht etwa Kinder kaufen; vielmehr handelte es sich in der Gründerzeit vielmehr um ehemalige Ladenlokale, in den antiautoritär gesinnte Eltern ihre Kinder unterbrachten. Später nannten sich derartige Einrichtungen zumeist etwas umständlich „Elterninitiativen“.

Die „taz“  lieferte eine schöne Beschreibung unter dem Titel

Die Kinderläden

Im geschwätzigen Jubiläumsjahr kamen die Kinderläden nicht oder nur in Nebensätzen vor. Oder in diesem eigenartig hysterisierten Sound wie bei Sophie Dannenberg, selbst ein ehemaliges Ladenkind. Diese behauptete auf einer Veranstaltung im Mai dieses Jahres allen Ernstes, die antiautoritäre Erziehung sei in erster Linie eine „Anleitung zum Kindesmissbrauch“ gewesen.
Bei anderen Gelegenheiten war die Autorin der Meinung, Kinderläden seien „kryptostalinistische“ Umerziehungslager gewesen, die die „Entstrukturierung der Welt“ befördern. Die Wirklichkeit war harmloser, widersprüchlicher und vergnüglicher zugleich. Die Mütter waren es, die sich am politischen Aufbruch beteiligen wollten und deshalb 1968 in Berlin begannen – wie zuvor schon in Frankfurt – die Betreuung ihrer Kinder in leer stehenden Ladenwohnungen zu organisieren. Staatliche Kindergarten und -hortplätze waren knapp, die Erziehung war dort autoritär, und die dazugehörigen Männer zeigten sich tendenziell desinteressiert. 
Während des Internationalen Vietnamkongresses im Februar 1968 galt es, das Problem der Kinderbetreuung zu lösen. Daraus entstand im neu gegründeten „Aktionsrat zur Befreiung der Frau“ die Idee der gemeinschaftlichen Kindererziehung, zunächst als eine Art Selbsthilfe. Zum aufblühenden Feminismus kamen später die Impulse der Reformpädagogik, die auf Kinderbefreiung und Selbstverwaltung setzte.
Der wenig später gegründete „Zentralrat der sozialistischen Kinderläden“ versuchte, den antiautoritären Anteil zugunsten einer „proletarischen Erziehung“ zurückzudrängen. „Der Versuch, möglichst schnell andere Bevölkerungsschichten mit unseren Kinderläden zu erfreuen, mag darauf zurückzuführen sein, dass sich die Männer nach wie vor weigern, ihre eigenen Konflikte zu artikulieren. Im Augenblick haben wir der Arbeiterschaft nichts zu bieten“, kommentierte Helke Sander dieses Ansinnen in ihrer berühmten Rede auf dem SDS-Delegiertenkongress im September 1968.
Das Kinderladenexperiment konsolidierte sich, aus den autonomen wurden staatlich bezuschusste Kinder- und Schülerläden. Man zahlte nach Einkommen, ließ sich zu Koch- und Putzdiensten einteilen und diskutierte auf wöchentlichen Elternabenden die kindliche Psyche. Was die ersten von den heutigen Läden – neben einer ausgeprägten Diskussionswut – unterschied, war vor allem, dass dort stabile Gruppen beieinander waren, die schon vor der Schule zusammenkamen und sich die Schulzeit hindurch begleiteten.
Der Laden, von dem in diesem Beitrag die Rede ist, wurde Anfang 1969 in einer ehemaligen Tischlerei in Wilmersdorf bezogen. Er funktionierte rund zwanzig Jahre lang als Kinder- und später als Schülerladen. Danach hatte ihn eine neue Initiative bezogen, die dort – wenn auch um einiges pragmatischer organisiert – noch weitere sechzehn Jahre als einer von 180 senatsgeförderten Schülerläden verblieb. 2007 wurden die Berliner Schülerläden dann geschlossen, die Kinderbetreuung wird von nun an im schulnahen Hort abgewickelt.
Neben Anna Freud, Wilhelm Reich oder Erich Fromm war vor allem der Brite Alexander S. Neill ein wichtiger Stichwortgeber der Kinderladenbewegung. Sein Klassiker über die 1921 gegründete freie Schule Summerhill wurde in Deutschland 1969 bei Rowohlt unter dem Titel „Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung“ veröffentlicht – übrigens ein Begriff, den Neill selbst gar nicht verwendete. Er bezeichnete sein Konzept vielmehr als selbstregulative Praxis.
Bei Kindern beliebter war sein Abenteuerbuch „Die grüne Wolke“, 1971 erstmals bei Rowohlt erschienen: eine tolle Gute-Nacht-Geschichte, in dem auch das eine oder andere Blutbad vorkommt. Doch als V-Effekt, die das Gemetzel auf Abstand halten, sind nach jedem Kapitel die Spontankritik der zuhörenden Kinder eingebaut. Kindliche Gewaltfantasien, so Neill, wollen erst mal – gedanklich – ausgelebt werden, bevor sie sanft entschwinden können.
taz vom 13. Dezember 2008

In derselben Ausgabe der „taz“ gab es ferner den eindrucksvollen Beitrag „Wir Ladenkinder“ von Anne Huffschmid, die aus eigener Erfahrung berichtet.
„Wir Ladenkinder“ herunterladen

Zur Wikipedia-Seite „Kinderladen“

Weiteres bei Wikipedia

Zur Wikipedia-Seite „Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung“

Zur Wikipedia-Seite „Abenteuerspielplatz“

Zur Wikipedia-Seite „Spielmobil“

Zur Wikipedia-Seite „Schülerladen“

Zur Wikipedia-Seite „Kindergarten“

Zur Wikipedia-Seite „Antiautoritäre Erziehung“

Zur Wikipedia-Seite „Schwarze Pädagogik“

Echte Museen

Spielzeugmuseen


Deutsches Historisches Museum, Berlin

Die Spielzeugsammlung des Deutschen Historischen Museums besteht als eigenständiger Sammlungsbereich innerhalb der Alltagskultur erst seit 1992. Inzwischen umfasst die Sammlung rund 4.000 Objekte.


Spielzeugmuseum Nürnberg

Die umfangreiche und außergewöhnlich qualitätvolle Sammlung des Spielzeugmuseums Nürnberg umfasst den Zeitraum von der Antike bis zur Gegenwart mit dem Schwerpunkt auf den beiden letzten Jahrhunderten.


Deutsches Spielzeugmuseum Sonneberg

Auf drei Etagen finden Sie hier Spielzeuge von der Antike bis zur Gegenwart: Ein tönernes Räderpferd, eine ratternde Dampfmaschine, Karussell, Achterbahn und eine große Modelleisenbahnanlage fesseln die Aufmerksamkeit. Im Reich der Puppen trifft man auf zarte Gebilde aus Papiermaché und Porzellan jeden Alters und aller Art.

 
Spielzeugmuseum Trier

 

Im Herzen der ältesten Stadt Deutschlands präsentiert das Spielzeugmuseum Trier auf über 500 qm, verteilt auf zwei Etagen,Spielzeugträume von der Antike bis zur Neuzeit: Blechspielzeug, Eisenbahnen, Zinnfiguren, Puppen, Puppenstuben, Plüschtiere, Dampfmaschinen und vieles mehr. In den verwinkelten Räumlichkeiten des Museums erzählen die Spielzeuge Geschichten aus über hundert Jahren, erfreuen die kleinen Besucher und lassen die großen von der eigenen Kindheit träumen; denn viele der mehr als 5.000 Exponate werden den älteren unter unseren Besuchern bekannt erscheinen.

Kindergartenmuseum, Bergisch Gladbach

Schulmuseen


Schulmuseum Hamburg

Westfälisches Schulmuseum in Dortmund

Die Seite wird fortgesetzt.

NAGEL-Redaktion – Literaturhinweise

Eine Auswahl

Gerhard Aick: Die Befreiung des Kindes. Kleine Kulturgeschichte des Spiels und des Kinderspielplatzes. Schriftenreihe der Internationalen Gartenbau-Ausstellung Hamburg (IGA). Hamburg 1963

Götz Aly: Wofür wirst du eigentliche bezahlt? Berlin (Rotbuch) 1977

Amt für industrielle Formgestaltung (AIF) der DDR/Finnischer Designerverband (ORNAMO): Plätze zum Spielen. Berlin/Helsinki 1985

Michael Andritzky/Kai J. Friedrich (Hg.): Klappholttal/Sylt 1919-1989 – Geschichte und Geschichten. List/Sylt (Nordseeheim Klappholttal e.V.) o.J.

Arbeitskreis Jugendarbeit der Fachhochschule für Sozialwesen, Mannheim: Das Kulturopfer, in: Sozialmagazin 5/1987

Autorengruppe ASP/MV: Abenteuerspielplatz. Wo Verbieten verboten ist. Reinbek (Rowohlt) 1973

Autorenkollektiv: Spielanlagen für Kinder und Jugendliche (Hg.: Bauakademie der DDR, Institut für Städtebau und Architektur). Berlin (VEB Verlag für Bauwesen) 1979

Autorenkollektiv am Psychologischen Institut der FU Berlin: Sozialistische Projektarbeit im Berliner „Schülerladen Rote Freiheit“. Frankfurt am Main (Fischer) 1971

Dieter Baacke et al.: Lebenswelten sind Medienwelten (2 Bd.). Opladen (Leske & Budrich) 1990

Wolfgang Bauer: JugendHaus. Geschichte, Standort und Alltag Offener Jugendarbeit. Weinheim und Basel (Beltz) 1991

Edith Barow-Bernstoff et al. (Hg.): Beiträge zur Geschichte der Vorschulerziehung. Berlin (Volk und Wissen VEB Verlag), 3. Auflage 1971

Bauakademie der DDR/Institut für Städtebau und Architektur (Hg.): Spielanlagen für Kinder und Jugendliche. Berlin (VEB Verlag für Bauwesen) 1979

Nando Belardi: Probleme von Berufsanfängern in der offenen Jugendarbeit. Die „Wende“ auf dem Arbeitsmarkt für soziale Berufe. In: deutsche jugend 5/1986

Baldo Blinkert: Kinder wollen draußen spielen. Die Bedeutung des Wohnumfeldes für das Heranwachsen junger Menschen – Städte brauchen außerhäusliche Aktionsräume, in: DER NAGEL 57 (ABA Fachverband), Dortmund 1995

Baldo Blinkert: Aktionsräume von Kindern in der Stadt. Eine Untersuchung im Auftrag der Stadt Freiburg. Pfaffenweiler (Centaurus-Verlagsgesellschaft) 1996

Baldo Blinkert: Aktionsräume von Kindern auf dem Land. Eine Untersuchung im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz. Pfaffenweiler (Centaurus-Verlagsgesellschaft) 1997

Lothar Böhnisch: Historische Skizzen zur offenen Jugendarbeit I. In: deutsche jugend 10/1984

Karl-Heinz Boeßenecker: Das Neue Steuerungsmodell. In: DER NAGELKOPF 21 „Steuerungsmodelle – Verplanung des Marktes oder Vermarktung des Plans? Dortmund (ABA Fachverband) 1995

Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.): Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Bonn 1990

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Neunter Jugendbericht. Bericht über die Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern. Bonn 1994

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zehnter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland. Bonn 1998

Rainer Deimel: Abenteuerspielplätze, in: in: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker: Hanbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit (VS Verlag für Sozialwissenschaften) Wiesbaden, 3., völlig überarbeitete Auflage 2005

Rainer Deimel: Spielmobile, in: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker: Hanbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit (VS Verlag für Sozialwissenschaften) Wiesbaden, 3., völlig überarbeitete Auflage 2005

Rainer Deimel: Offenheit nicht nur in Häusern. Die Positionen von Abenteuerspielplätzen, Spiel- und Jugendmobilen in den aktuellen Konzeptionsdebatten. In: deutsche jugend 3/2001

Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Jugendarbeit. Münster (Votum) 1998

Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg:): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften), 3., völlig überarbeitete Auflage 2005

Ulrich Deinet: Sozialräumliche Jugendarbeit. Eine praxisbezogene Anleitung zur Konzeptentwicklung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Opladen (Leske + Budrich) 1999

Ulrich Deinet: Die Jugendarbeit ist überaltert. In: deutsche jugend 12/2000

Deutsche Shell (Hg.): Jugend 2000. 13. Shell Jugendstudie in zwei Bänden. Konzeption und Koordination: Arthur Fischer, Yvonne Fritzsche, Werner Fuchs-Heinritz, Richard Münchmeier. Opladen (Leske + Budrich) 2000

Deutsches Kinderhilfswerk et al. (Hg.): Das Spielmobilbuch. Berlin (FIPP Verlag) 1990

Sabine Doll: Wir lassen uns nicht verdrängen. Mädchenarbeit in Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen In: DER NAGELKOPF 9. Unna (ABA Fachverband) 1988

Jutta Ecarius/Cathleen Grunert: Verselbständigung als Individalisierungsfalle, in: Jürgen Mansel (Hg.): Glückliche Kindheit – Schwierige Zeit? Über die veränderten Bedingungen des Aufwachsens. Reihe Kindheitsforschung im Auftrag des Zentrums für Kindheits- und Jugendforschung der Fakultät für Pädagogik der Universität Bielefeld. Opladen (Leske + Budrich) 1996

George Eisen: Spielen im Schatten des Todes. Kinder und Holocaust. München/Zürich (Piper) 1993

Johannes Fromme/Wolfgang Nahrstedt/Regine Eggert/Klaus Lindemann: Aktivspielplätze im Selbstverständnis der Mitarbeiter. Bielefeld/Wuppertal (Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplatz-Verlag/LAG ABA NRW e.V.) 1984

Hermann Giesecke: Jugendarbeit und Emanzipation, in: Lothar Böhnisch: Jugendarbeit in der Diskussion. Pädagogische und politische Perspektiven. München (Piper) 1973.

Hermann Giesecke: Die Jugendarbeit. München (Juventa), 3. Auflage 1975

Hermann Giesecke: Politische Bildung in der Jugendarbeit. München (Juventa) 1980

Holger Grabbe et al.: Zur Situation der offenen Kinderarbeit in der BRD, in: Freizeitpädagogik – Zeitschrift für kritische Kulturarbeit, Freizeitpolitik und Tourismusforschung (FZP) 3-4. Frankfurt am Main 1981

Gustav Grauer: Jugendfreizeitheime in der Krise. Weinheim/Basel (Beltz) 1973

Matthias Horx: Aufstand im Schlaraffenland. Selbsterkenntnisse einer rebellischen Generation. München (Hanser) 1989

Allen of Hurtwood: Planning for Play. London (Thames & Hudson) 1969

Erwin Jordan: Jugendarbeit. In: Dieter Kreft und Ingrid Mielenz: Wörterbuch Soziale Arbeit. Weinheim (Beltz) 1980

Erwin Jordan/Reinhold Schone: Jugendhilfeplanung – Aber wie? Eine Arbeitshilfe für die Praxis. Münster (Votum) 1992

Peter Kohrs: Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland. Stuttgart 1985

Franz-Josef Krafeld: Geschichte der Jugendarbeit. Weinheim (Beltz) 1984.

Margot Krecker (Zusammenstellung): Quellen zur Geschichte der Vorschulerziehung. Berlin (Volk und Wissen VEB Verlag) 1971

Manfred Liebel: Aufforderung zum Abschied von der sozialintegrativen Jugendarbeit, in: Martin Faltermeier (Hg.): Nachdenken über Jugendarbeit. Kommentierte Dokumentation der Zeitschrift „deutsche jugend“. München (Juventa) 1983

Jean Liedloff: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit. München (C.H. Beck) 1980

Ulrich Mähnert/Gerd-Rüdiger Stephan: Blaue Hemden – Rote Fahnen. Die Geschichte der Freien Deutschen Jugend.Opladen (Leske + Budrich) 1996

Christian Marzahn/Christel Schütte/Hans Kamp: Konflikt im Jugendhaus. Fortbildung für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer. Reinbek (Rowohlt) 1975

Hans Mayrhofer/Wolfgang Zacharias: Aktion Spielbus. Weinheim (Beltz) 1973

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: Pädagogisch betreute Spielplätze. Erfahrungsbericht einer Erprobungsmaßnahme. Düsseldorf (MAGS) 1982

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen: Spielen. Erprobungsmaßnahme: Verbesserung der Spielsituation. Düsseldorf (MAGS) 1989

Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Bericht Kinder- und Jugendkulturarbeit in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf (LKD-Verlag) 1994

Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Kinder und Jugendliche an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Chancen, Risiken, Herausforderungen. /. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW. Düsseldorf 1999

Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Politik für Kinder und Jugendliche: Landesjugendplan NRW. Düsseldorf 1999

Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Kinder und Jugendliche an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Kinder und Jugendliche in Nordrhein-Westfalen. Kommentierter Datenband zum 7. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW. Düsseldorf 2000

Richard Münchmeier: Was ist Offene Jugendarbeit? – eine Standortbestimmung. In: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Jugendarbeit, Münster (Votum Verlag) 1998

C. Wolfgang Müller: Wozu dient das Freizeitheim und wie muss es aussehen? In: Der Rundbrief. Mitteilungsblatt des Senators für Jugend und Sport 5/6. Berlin 1962

C. Wolfgang Müller, Helmut Kentler, Klaus Mollenhauer, Hermann Giesecke: Was ist Jugendarbeit? München (Juventa). 7. Auflage 1975

Wolfgang Nahrstedt/Johannes Fromme: Strategien offener Kinderarbeit (Reihe Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen). Opladen (Westdeutscher Verlag) 1986

Norbert Ortmann/Peter Rohwedder (Bearb.): Die Planung und Entwicklung der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Oberhausen. Oberhausen (Stadt Oberhausen) 1994

Ralf-Erik Posselt: Die Geschichte der Offenen Arbeit. Schwerte (Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft der Offenen Tür/ELAGOT NRW, Amt für Jugendarbeit der EKvW) 2003

Ulrich Preis: Bleibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf der Strecke? In: ABA TexteDienst 12, Dortmund (ABA Fachverband), 3. Auflage 1996

Ria Puhl: „Wir können ja niemanden zwingen …“. In: Sozialmagazin 4/1982

Redaktionskollektiv: Erziehung und Klassenkampf. Zeitschrift für marxistische Pädagogik 10-11/1973, Themenheft „Jugendzentren“. Frankfurt am Main (Verlag Roter Stern) 1973

Wilhelm Reich: Die sexuelle Revolution. Frankfurt am Main (Fischer), 8. Auflage 1979

Lutz Rössner: Jugend in der offenen Tür. Zwischen Chaos und Verartigung. München (Juventa) 1962

Eckhard Schiffer: Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde. Anstiftung gegen Sucht und Selbstzerstörung bei Kindern und Jugendlichen. Weinheim und Basel (Beltz) 1993

Eckhard Schiffer: Warum Hieronymus B. keine Hexe verbrannte. Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen erkennen – Gewalt vorbeugen. Weinheim und Basel (Beltz) 1994

Eckhard Schiffer: Der Kleine Prinz in Las Vegas. Spielerische Intelligenz gegen Krankheit und Resignation. Weinheim und Berlin (Beltz Quadriga) 1997

Eckhard Schiffer: Wie Gesundheit entsteht. Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung. Weinheim und Basel (Beltz) 2001

Otto Schweizer/Donata Elschenbroich: Das Jahrhundert des Kindes im Jahrhundert des bewegten Bildes. Videoproduktion des Zentrums für Fernstudienentwicklung der FernUniversität Hagen. Hagen 1998

Otto Schweizer/Donata Elschenbroich: Das Rad erfinden. Kinder auf dem Weg in die Wissensgesellschaft. Videoproduktion des Deutschen Jugendinstituts im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. München/Frankfurt am Main 1999

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel. Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster (Votum) 1997

Klaus Spitzer/Janne Günter/Roland Günter: Spielplatzhandbuch. Ein kritisches Lexikon. Berlin (VSA-Verlag) 1975

Rainer Treptow: Stärkung der Kulturarbeit. Thesen zur aktuellen Suchbewegung in der Jugendarbeit. In: Neue Praxis 1/1986

Hanne Tügel: Tiere als Therapeuten. In: GEO 3/2001 (Fotos von Walter Schmitz), S. 86 ff.

Hans-Jürgen von Wensierski: Freie Deutsche Jugend? Zur integrativen und desintegrativen Funktion der FDJ für die Jugend und die Jugendarbeit der DDR. In: deutsche jugend 4/1998

Lutz von Werder: Sozialistische Erziehung in Deutschland 1848-1973. Frankfurt am Main (Fischer) 1974

Das Standardbuch zum Thema

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

NAGEL-Redaktion – Die 1990er-Jahre

1990 wurde der 8. Jugendbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Mit diesem Bericht wurden einige Paradigmenwechsel in der Jugendhilfe eingeleitet mit anderen Worten: die Sicht auf junge Leute begann sich „offiziell“ zu verändern. (1)


Foto: Bundesarchiv (Jugendliche in Bonn)

Im Kontext einer zeitgemäßen Jugendhilfeplanung fassen Jordan und Schone diese diese neuen fachlichen Maßstäbe folgendermaßen zusammen:

● Sozialraumorientierung statt quantitativer Flächendeckung
● Problemorientierung statt Institutionsorientierung
● Offene Prozessplanung statt statischer Festschreibungen der Zukunft
● Einmischung statt Abgrenzung der Jugendhilfe
● Pädagogischer (fachlicher) und politischer Diskurs statt statistischer Formelsammlungen
● Partizipation statt Direktion
● Gegenstromplanung statt Einwegplanung
● Entspezialisierung statt Spezialisierung (2)

Diese Postulate zeigen deutlich die Bemühungen der Jugendhilfe auf, in der Postmodernen „mitzuhalten“. In Anlehnung an den 8. Jugendbericht werden in der Folgezeit – sowohl in der institutionalisierten Praxis und bei Fachverbänden als auch in Politik, Administration und Wissenschaft Leitmotive bzw. Prinzipien für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen formuliert. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen nennt: Prävention, Integration, Partizipation und Emanzipation als Handlungsparadigmen. (3) Im Landesjugendplan Nordrhein-Westfalen wird hierzu ausgeführt: „Den Prinzipien der Emanzipation, der Prävention, der Integration und der Partizipation entsprechend sollen die Bemühungen der Träger, vor allem sozialbenachteiligte Gruppen mit ihren Regelangeboten zu erreichen, unterstützt werden.“ (4)

Am 1. Januar 1991 wurde das bisherige Jugendwohlfahtsgesetz (JWG) durch das Kinder- und Jugendhilferecht, das als Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) verfasste Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) ersetzt. Damit wurde jungen Menschen in Deutschland eine deutlich verbesserte Rechtsstellung zugebilligt. So wird etwa formuliert, dass junge Menschen an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen sind. (5) Ferner sind die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes bzw. Jugendlichen zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln sowie die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Bedürfnisse junger Menschen und ihrer Familien wie die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus gelte es, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung für Mädchen und Jungen zu fördern. (6)

Vor dem Inkrafttreten des SGB VIII galten die Einrichtungen der Offenen Arbeit als sogenannte „freiwilligen Leistungen“. Diese Interpretation kann dem SGB VIII definitiv nicht mehr entnommen werden. So heißt im 2. Kapitel  (7) im § 11 (Jugendarbeit):

● Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

● Jugendarbeit wird angeboten von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfasst für Mitglieder bestimmte Angebote, die offene Jugendarbeit und gemeinwesenorientierte Angebote.“ (8)

Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören

● außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller und technischer Bildung,
● Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit
● arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
● internationale Jugendarbeit
● Kinder- und Jugenderholung
● Jugendberatung

Demnach kann das Vorhalten Offener Arbeit für die öffentliche Jugendhilfe nicht mehr beliebig sein, vielmehr handelt es sich nun dabei um eine pflichtige Leistung. Gleichzeitig wurde allerdings die kommunale Planungshoheit gestärkt. Nach § 80 SGB VIII sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zwar verpflichtet, eine Jugendhilfeplanung durchzuführen, wobei sie den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen junger Menschen und deren Eltern zu befriedigen haben, allerdings wird ihnen ein relativ hoher Ausgestaltungsrahmen zugebilligt.

In den 1990er-Jahren ist kein Verwaltungsgerichtsurteil bekannt geworden, wonach ein Träger verpflichtet worden wäre, ganz bestimmte Leistungs-Angebote vorzuhalten. Dieser Umstand, gepaart mit einer zunehmenden ungünstigeren Haushaltslage der Kommunen hat trotz einer verbesserten Rechtsstellung erneut zu einer stellenweise bedrohlichen Lage für die Offene Arbeit geführt.


Einer der ersten Abenteuerspielplätze nach der „Wende“ in der DDR, der ASP Mühle in Magdeburg-Olvenstedt um 1990, Träger Spielwagen e.V. ( Foto: Spielwagen)

Diese Situation wurde auch von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens wahrgenommen und als günstige Stimulans wurde der Landesjugendplan zeitweise abgesichert; dies unter teilweisem Widerstand der Finanzpolitik. Unter der Voraussetzung, dass die Kommunen ihre Jugendhilfeplanung erledigt und die zu fördernden Einrichtungen dort ausgewiesen haben, konnten sie bis zu einem Drittel der Kosten vom Land bezuschusst bekommen. Seinerzeit war diese Situation vermutlich einmalig in Deutschland. In den anderen Bundesländern gab es meines Erachtens über die Länder in erster Linie Projektförderungen.

Ansonsten schienen die Kommunen die Einrichtungen der Offenen Arbeit – sofern vorhanden – aus „eigener Tasche“ zu finanzieren.

Erneut auf das Beispiel Nordrhein-Westfalen zurückkommend, kann festgestellt werden, dass der seinerzeitige Landesjugendplan im Bereich der Offenen Bereich als strukturell förderfähig nannte:

● Offene Formen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit
● Mobile Jugendarbeit (womit auch Spielmobile förderfähig geworden sind)
● Angebote der Spielplatzarbeit (hier war eine gezielte Förderung der Abenteuerspielplätze und Kinderbauernhöfe angesprochen)

Einer Auskunft (1999) des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW zufolge haben seinerzeit die Kommunen von dieser Fördermöglichkeit von Spielmobilen und Spielplätzen keinen, allenfalls nur einen marginalen Gebrauch gemacht.

Werfen wir noch einen Blick auf die Personalentwicklung, wieder am Beispiel Nordrhein-Westfalens. (9) Insgesamt ist hier in der Jugendhilfe die Zahl der Fachkräfte von knapp 86.000 im Jahr 1990 auf knapp 112.000 im Jahr 1998, also um etwa 26.000, angestiegen. „Naturgemäß“ machen auch hier die Tageseinrichtungen für Kinder den größten Anteil aus (1990: 39.000; 1998: 73.232). Der Stand des Fachpersonals in der Jugendarbeit – also den Bereichen verbandlicher, Offener und kultureller Kinder- und Jugendarbeit – entwickelte sich von 9.410 im Jahr 1990 auf 10.788 im Jahr 1998, also ein erklecklicher Zuwachs von gut 1.300 Stellen. (10)

Leider kann der Statistik nicht entnommen werden, um welche Stellen innerhalb der Jugendarbeit (etwa Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigte, Qualifizierungsgrad usw.) es sich handelt und auf welche Bereiche sie konkret entfallen. Zur Entwicklung des Personals liest sich der entsprechende Kommentar im Datenband der Landesregierung dann folgendermaßen: „Die Kinder- und Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen ist im Rückblick auf die 80-er Jahre bis heute ein wachsendes Segment sozialer Dienstleistungen. Wird dies an der Entwicklung der Einrichtungen von rund 13.600 auf 15.600 zwischen 1986 und 1998 noch nicht übermäßig deutlich, so dokumentiert die Entwicklung der beschäftigten Personenden Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe. … Kamen 1990 rein rechnerisch auf einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin in der Kinder- und Jugendhilfe 37 unter 18-Jährige, so sind dies 1998 noch 31 Minderjährige. Berechnet man diese Angaben auf Vollzeitstellen in der Jugendhilfe, so heißt dies, dass 1998 auf 36 Minderjährige eine Vollzeitstelle entfällt. Im Gegensatz dazu weisen die Ausgaben für 1990 noch 43 Minderjährige pro Vollzeitstelle in Nordrhein-Westfalen aus.“ (11)

Wir haben gesehen, dass der Bereich der Tageseinrichtung überdeutlich expandiert. Wir konnten feststellen, dass die Offene Arbeit immer wieder wie ein Verschiebebahnhof genutzt wird. Gegen Ende der 1990-er Jahre gerieten die Kommunen immer stärker unter Finanzdruck; ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar. Insofern ist die Gefahr, dass das Kinder- und Jugendhilfegesetz, insbesondere die Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, auf der Strecke bleibt, wie Ulrich Preis von der FernUniversität Hagen es 1993 warnend formuliert hat (12), nicht vom Tisch.

1998, kurz vor dem Ende der Ära Kohl, wurde der Zehnte Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Die seinerzeitige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frau und Jugend, Claudia Nolte, war eine zeitlang bemüht, der Öffentlichkeit gegenüber diesen Bericht vorzuenthalten; dies vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Verarmung von Kindern, dem „Lebensrisiko Kind“, dem Paare sich aussetzen, wenn sie sich entschließen, Nachwuchs „in die Welt zu setzen“. Der Bericht machte deutlich, dass die Kluft zwischen Wohlhabenden und Habenichtsen immer größer wird. Diese Zurückhaltestrategie sorgte – kurz vor der Bundestagswahl 1998 – noch einmal für erheblichen „Stress“ in der Bundesregierung. Eigentlich wäre er nicht nötig gewesen, können wir doch erleben, dass erwähnte Kluft zwischen Arm und Reich auch unter der neuen – rot-grünen – Bundesregierung nicht kleiner geworden ist, im Gegenteil scheint sie sich weiter zu vergrößern.

Der Zehnte Kinder- und Jugendbericht befasste sich mit der Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland. Bezüglich der Offenen Arbeit mit Kindern kommt die Sachverständigenkommission, die den Bericht erstellt hat und deren Vorsitzender Prof. Dr. Lothar Krappmann (Berlin) war, zu ähnlichen Auffassungen, wie sie beispielsweise auch vom ABA Fachverband als Positionen vertreten werden. Demnach ist es erforderlich, für Kinder „kinderspezifische Ansätze“ zu entwickeln. Wie erwähnt haben sich zahlreiche Jugendfreizeitstätten der Arbeit mit Kindern gegenüber geöffnet. Allerdings „steht die offene Arbeit mit Kindern im Schatten der Jugendarbeit und ist bis heute ein eher randständiges Gebiet geblieben mit wenig eigenständigen pädagogischen Elementen. Von Spiegel (1997) notiert: ´Spielen und Basteln, kulturelle Angebote, ein offener Bereich mit Kicker, Billard und Tischtennis, Kindercafé und Kinder- bzw. Teeniedisco – alles wie gehabt“. (13) „Dennoch gibt es – wenn auch nicht flächendeckend – bemerkenswerte kinderbezogene Angebote, z.B. Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze sowie Kinderbauernhöfe. … Bei Ferienangeboten und Abenteuerspielplätzen scheinen sich am ehesten originäre kinderspezifische Ansätze entwickelt zu haben. (14) Die Bundesregierung folgt dieser Feststellung in ihrer Kommentierung. Dort heißt es: „Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass es eine sehr große Differenzierung und unterschiedliche Intensität bei den Angeboten und Wahrnehmungsmöglichkeiten für Kinder in der Kinder- und Jugendarbeit und in der Kinderkulturarbeit gibt. Diese Arbeit ist von einer unterschiedlichen Dichte und einem unterschiedlichen Niveau geprägt. Die Bundesregierung sieht jedoch als wünschenswert an, die kinderbezogenen Angebote wie unter anderem Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze, musikalische Früherziehung, Kinder- und Jugendkunstschulen, Kinderkinos, Kindermuseen, Spielmobile flächendeckend zu verstärken.“ (15)


ASP Mühle in Magdeburg-Olvenstedt um 1990, kurz nach der „Wende“ (Foto: Spielwagen)

**********

Fußnoten

(1) Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.): Achter Jugendbericht. Bericht über die Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe, Bonn 1990
(2) Erwin Jordan/Reinhold Schone: Jugendhilfeplanung – aber wie? Münster 1992, S. 21 f.
(3) vgl. Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW (Hg.): Kinder und Jugendliche an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Chancen, Risiken, Herausforderungen. 7. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW, Düsseldorf 1999, S. 12 f.
(4) Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW (Hg.): Politik für Kinder und Jugendliche: Landesjugendplan NRW, Düsseldorf 1999, S. 9
(5) vgl. SGB VIII § 8
(6) vgl. SGB VIII § 9
(7) 2. Kapitel SGB VIII: Leistungen der Jugendhilfe
(8) Hervorhebung von R.D.
(10) vgl. Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit … 2000, a.a.O., S. 85 f.
(11) ebenda, S. 84
(12) Ulrich Preis: Bleibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf der Strecke?, in: ABA TexteDienst 12, Dortmund (ABA Fachverband), 3. Auflage 1996
(13) Zehnter Kinder- und Jugendbericht des Bundesregierung, Bonn 1998, S. 222 f.
(13) ebenda, Seite 223
(19) Hervorhebungen von R.D.
(20) Zehnter Kinder- und Jugendbericht , S. IX

 

NAGEL-Redaktion – Die 1980er-Jahre

Anfang der 1980er-Jahre wurde die Offene Kinder- und Jugendarbeit insgesamt von einer „Sparwelle“ in den Kommunen sowie anderen öffentlichen Haushalten ergriffen. Die Offene Arbeit firmierte damals noch unter dem Begriff der sogenannten „freiwilligen Leistungen“ und war insofern ein leicht zu erreichendes „Rotstift-Opfer“. Zahlreiche Einrichtungen mussten Federn lassen, einige gar schließen.

Wider besseres Wissen immer wieder bedroht: Die Offene Arbeit. Hier eine Demo vor einem Kasseler Jugendhaus 1987 (Foto: Richard Majewski, in: Wolfgang Bauer: JugendHaus, Weinheim/Basel 1991)

Offene Kinder- und Jugendarbeit kann und wird niemals „marktfähig“ werden; sie ist mittelbar und unmittelbar von öffentlichen Zuwendungen abhängig. Das hat sie immer wieder in Legitimationsdruck gebracht. Der „kommerzielle Druck“ auf die Offene Arbeit hat vor allem in den 1980er-Jahre erheblich zugenommen. Wurden zuvor Kommerz und Konsum expressis verbis entschieden abgelehnt, so musste sich die Offene Arbeit nunmehr zunehmend damit auseinandersetzen, um Gegengewichte zu schaffen.

Demo von Jugendlichen aus Kasseler Jugendzentren vor dem Rathaus 1987 (Foto: Richard Majewski, in: Wolfgang Bauer: JugendHaus, Weinheim/Basel 1991)

Aus dieser Situation heraus ist auch eine Zunahme von „Kulturangeboten“ (1) zu verzeichnen. „Kulturelle Jugendarbeit“ vermag die bisherige sozialpädagogische Praxis effektiv und sinnvoll bereichern. Dies erfordert einerseits vermehrte Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den MitarbeiterInnen; andererseits bestand mit der zu starken Akzentuierung einer kulturellen Ausrichtung eine duale Gefahr:

● Hinsichtlich der Klientel kann es zu Veränderungen kommen; diejenigen Kinder und Jugendlichen, für die die bestehenden Angebote nach einem gängigen Selbstverständnis der Offenen Arbeit „am nötigsten“ haben, werden können zugunsten eines mobileren Publikums angedrängt werden, das in erster Linie daran interessiert ist „kulturelle Highlights“ zu erleben. Der reklamierte Stadtteilbezug geht auf diese Weise häufig verloren.

● Die Umgestaltung einer Offenen Einrichtung mit dem Schwerpunkt Kulturarbeit setzt sich verstärkt der Gefahr aus, sich als soziale Einrichtung selbst überflüssig zu machen; so ist zu beobachten, dass PolitikerInnen sich bisweilen – möglicherweise berechtigt – fragen, ob eine solche Einrichtung sich nicht auch ohne Subventionen tragen kann, sich also am Markt orientiert.

Kulturelle Ausdrucksformen gehören seit jeher in eine zeitgemäße Offene Arbeit. Kassel 1986 (Foto: Richard Majewski, in: Wolfgang Bauer: JugendHaus, Weinheim/Basel 1991)

Hiltrud von Spiegel berichtet, dass es nach „einem jahrelangem Nebeneinander“ von Sozial- und Kulturpädagogik seit Mitte der 80-er Jahre zu verstärkter Konkurrenz gekommen sei, vor allem in der Offenen Jugendarbeit scheine die Sozialpädagogik in die Defensive geraten zu sein. Sie vermutet, viele Häuser der Offenen Tür hätten auch deshalb ihre Konzeptionen in Richtung Kulturpädagogik geändert, da sie mit den „Problemen, die die traditionellen Besuchergruppen aus den unteren Schichten“ mitbrächten, nicht mehr zurecht kämen. (2) „Die ‚sozialpädagogische Fraktion‘ kritisiert an dieser Tendenz, dass sich dadurch Kinder und Jugendliche der unteren Schichten nicht mehr angesprochen fühlen und auf andere Formen der Sozialen Arbeit angewiesen sind, wie zum Beispiel Streetwork.“ (3) Sie bezieht sich dabei auf den „Arbeitskreis Jugendarbeit“, Nando Belardi und Ria Puhl. „Die ‚Kulturfraktion‘ hält dagegen, dass es ohnehin nicht die Aufgabe Offener Kinder- und Jugendarbeit sein dürfe, Sozialpädagogik zu betreiben. Erstens sei sie aufgrund ihrer Infrastruktur überfordert, zweitens sei es auch aus politischen Gründen falsch, sich für die integrativen Ziele des Sozialstaates vereinnahmen zu lassen.“ (4)

Dieser für die 1980er-Jahre charakteristische Konflikt wird meines Erachtens in der Darstellung relativ stark akzentuiert. Meines Dafürhaltens war der Konflikt regional begrenzt und nicht selten mit bestimmten Personen und Organisationen in Verbindung zu bringen. Seitens des ABA Fachverbandes beispielsweise wurde recht früh die Position vertreten, dass sich Sozial- und Kulturpädagogik hervorragend ergänzen. Es handelt sich hierbei nicht um zwei konträre Disziplinen, sondern sich gegenseitig befruchtende methodische Ansätze. Diese moderatere Position wird allerdings auch von von Spiegel bestätigt. (5)

Münster 1981 (Foto: K. Wohlgemuth, Essen, in: Lutz Niethammer et al.: Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst, Essen 2006)

Auffallend in den 1980er-Jahren war ferner der Trend, dass sich die bisherigen Jugendfreizeitstätten zunehmend gegenüber der Arbeit mit Kindern öffneten; dies zum Teil infolge von Hinweisen und Forderungen aus der Politik, zum Teil aber auch vor dem Hintergrund, mit Kindern ließe sich angeblich „leichter arbeiten“.

Bezogen auf die Offene Jugendarbeit war an etlichen Stellen ein kontinuierlicher Besucherrückgang feststellbar. Er blieb dort eher aus, wo die Jugendlichen die größten Chancen haben, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, sprich Partizipation nicht an der Schwelle zum Jugendzentrum halt macht. Ulrich Deinet erklärte diese Betulichkeit später in der „deutschen jugend 12/2000“ auch mit der These, die Jugendarbeit sei überaltert. Dementsprechend müsse das Personal nach kürzerer Zeit ausgetauscht werden. (6) (7)

Blicken wir noch einmal auf Entwicklungen der Offenen Arbeit mit Kindern in den 80-er Jahren. In dem Forschungsvorhaben „Strategien offener Kinderarbeit“ beschreiben Wolfgang Nahrstedt und Johannes Fromme 1986 drei Ebenen, die die Offenheit der Arbeit charakterisieren. Sie sprechen zum einen „das Einwirken und Beeinflusst-Werden des gesellschaftlichen Teilsystems der offenen Kinderarbeit auf und von andere(n) Teilsysteme(n)“ (8) an.

Broschüre „Pädagogisch betreute Spielplätze“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW), Düsseldorf 1982.(9)

Eine weitere Ebene ist Offenheit, erfahrbar als Zugänglichkeit, Freiwilligkeit, Einsehbarkeit, räumliche Offenheit, pädagogische Offenheit, soziale Offenheit sowie Offenheit in dem Sinne, dass die BesucherInnen nicht irgendwo Mitglied sein müssen, etwa in einer Kirche oder bei der Verbandsjugend. (10) Als dritte Ebene stellen sie die Zukunftsoffenheit heraus und beziehen diese auf die pädagogisch-praktische Arbeit, deren Inhalte und natürlich auf die Partizipanten. Das genannte Forschungsvorhaben war das umfangreichste, das seinerzeit stattgefunden hat.


Für Mädchen auch in den 1980er-Jahren nichts besonderes, sofern vorhanden: Der Abenteuerspielplatz. Das Foto stammt wahrscheinlich von Gerhard Mlynczak. Entstanden ist es auf dem Abenteuerspielplatz Scharnhorst in Dortmund (aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze).

In einem Gespräch berichtete Professor Wolfgang Nahrstedt einmal von „seinem Ottawa-Effekt“, will sagen, seine Teilnahme an einer internationalen Konferenz über Abenteuerspielplätze, die in der kanadischen Stadt organisiert wurde, „öffnete ihm die Augen“, wie stark der Nachholbedarf in Deutschland noch war. Nicht ohne guten Grund wurden von Nahrstedt und Fromme vor allem die Konzepte „Abenteuerspielplatz“, „Jugendfarm“ und „Spielmobil“ gefordert. Diese Forderung scheint gegenwärtig aktueller denn je.


Abenteuerspielplatz Eller in Düsseldorf (Foto aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze)

Bereits ein paar Jahre zuvor hatte man sich in der Pädagogischen Fakultät der Universität Bielefeld mit dem „Niedergang“ der Abenteuerspielplatzbewegung beschäftigt (vgl. Fußnote 9 auf der Seite Die 1970er-Jahre: Holger Grabbe u.a.). Fromme, Nahrstedt et al. führen 1984 hierzu aus: „Der Elan der ersten Stunde ist … verflogen, die Aktualität des Themas ist durch Aktuelleres überholt. Die zunehmende Finanzenge der kommunalen Haushalte verlagerte das Interesse auf die finanzielle Absicherung der Plätze. Die ‚erste‘ Generation der ‚ASP-Kinder‘ hatte die Plätze verlassen, das Interesse der ‚ersten‘ Eltern-Generation, zumeist ehrenamtlich auf den Plätzen tätig, erlahmte: Zunehmend wurden den Kommunen die zunächst überwiegende Zahl der durch Bürgerinitiativen geschaffenen ASP angetragen. Die ASP-Bewegung wurde ‚kommunalisiert‘, dann exekutiert.“ (11) In der Folge dieser Entwicklung ist es dann nur noch zu einzelnen Neugründungen von Plätzen gekommen. Es kann vermutet werden, dass den meisten Verantwortlichen die Notwendigkeiten hinsichtlich einer gelingenden außerfamiliären und außerschulischen Sozialisation nicht deutlich gemacht konnte bzw. sie mehr oder weniger bewusst ihre Augen vor erfolgreichen Konzepten verschließen. (12)

Begeisterung, Erlernen von Fähigkeiten, gemeinsames Tun: Abenteuerspielplatz Scharnhorst in Dortmund in den 1980-er Jahren. Das Foto stammt vermutlich von Gerhard Mlynczak (aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze)

Bis in die jüngere Zeit hinein hat es ebenfalls kommunal Verantwortliche gegeben, die nach Jahrzehnten etwa hinter Abenteuerspielplätzen „rote Kaderschmieden“ witterten und dementsprechend das „Park-Tanten-Konzept“ (siehe auf der Seite „Bewegungen“) vorzogen. (13) Viele Vorbehalte gegenüber Abenteuerspielplätzen und Jugendfarmen speisten sich auch aus dem Reservoir „erwachsener Ästhetik“, einem überzogenen Sicherheitsdenken u.ä. Dies ist bei heute der Fall. Diese Kritik richtet sich nicht nur an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, sondern gleichsam auch an die Ausbildung von Pädagog(inn)en sowie an Mitarbeiter(innen) in Einrichtungen, die sich seit langem „eingerichtet“ bzw. „festgefahren“ haben.

Kleine Revolutionäre – gut versteckt! – auf dem Abenteuerspielplatz Scharnhorst in Dortmund. Das Foto stammt vermutlich von Gerhard Mlynczak. (aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze, Düsseldorf 1982)

Gegen Ende der 80-er Jahre – kurz vor und nach „der Wende“ wurden die ersten Abenteuerspielplätze und Kinderbauernhöfe in der „Noch-DDR“ gegründet. Der erste wurde von der erwähnten Gruppe des „Spielwagens Berlin I“ im Bezirk Prenzlauer Berg in Berlin initiiert.

Der Abenteuerspielplatz „Kolle 37“ im Prenzlauser Berg in Berlin, der erste seiner Art in den damals noch existierende DDR. (Foto: Kolle 37)(14)

Es folgten weitere Gründungen in Ost-Berlin, Dresden, Magdeburg, Leipzig, Cottbus, Hoyerswerda und an anderen Orten. In den ersten Jahren war bei diesen Plätzen durchaus eine ähnliche „Aufbruchstimmung“ erlebbar, wie sie zuvor in den 70-er Jahren im Westen beobachtet werden konnte.

Das alte Haus des Abenteuerspielplatzes „Kolle 37“ war in der benachbarten Immobilie untergebracht. (Foto: Kolle 37)

**********
Fußnoten

(1) Wolfgang Nahrstedt/Johannes Fromme: Strategien offener Kinderarbeit. Zur Theorie und Praxis freizeitpädagogischen Handelns, Opladen 1986, S. 91
(2) vgl. Hiltrud von Spiegel 1997, S. 14
(3) ebenda
(4) ebenda
(5) vgl. ebenda
(6) vgl. Ulrich Deinet: Die Jugendarbeit ist überaltert, in: deutsche jugend 12/2000
(7) Anm. R.D.: Interessanterweise gehörte vor allem in den 1970-er- und 1980-er Jahren eine kontinuierliche Tätigkeit des hauptberuflichen Personals zu den hervorgehobenen Qualitätsmerkmalen in der Offenen Arbeit. Ein rascher Wechsel in andere Tätgikeitsfelder wurde eher kritisch betrachtet, da er vor allem zu Lasten der Besucher(innen) ginge, für die feste Beziehungen allerdings elementar seien.
(8) Wolfgang Nahrstedt/Johannes Fromme: Strategien offener Kinderarbeit. Zur Theorie und Praxis freizeitpädagogischen Handelns, Opladen 1986, S. 91
(9) Veröffentlicht wurde hier ein Erfahrungsbericht über eine Erprobungsmaßnahme des Landes NRW. Das Gesetz, in dem die Abenteuerspielplätze als förderfähig ausgewiesen wurden, das Jugendförderungsgesetz, wurde 2005 – nach einer erfolgreichen Volksinitiative – realisiert. Allerdings hatten die Kommunen bereits einige Jahre zuvor die Möglichkeit, für Abenteuerspielplätze, Kinderbauernhöfe und Spielmobile eine Landesförderung in Anspruch zu nehmen. Von dieser Möglichkeit wurde allerdings nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht, da die Fördergelder bereits verteilt waren. In der Broschüre findet sich der (hochaktuelle!) Hinweis: „Unter den Angeboten der Jugendhilfe bietet der pädagogisch betreute Spielplatz eine gute Chance, auf Bedürfnisse der Kinder im Schulalter einzugehen und ihnen Erfahrungen zu ermöglichen, die sie sonst kaum noch machen können, die aber für ihre Entwicklung unerlässlich sind.“
(10) Anm. R.D.: Die in den 1980-er Jahren konstatierten Qualitätsmerksmale der Offenheit und Freiwilligkeit haben meines Erachtens gerade auch gegenwärtig – zum inzwischen fast zehn Jahre alten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts – keinen Deut ihrer Aktualität verloren, im Gegenteil: Gerade diese Qualitätsmerkmale kommen den Bedürfnissen und Gewohnheiten gegenwärtiger junger Menschen in hervorragender Weise entgegen. Insofern ist die Offenen Arbeit inzwischen bedeutsamer denn je. Da wir es aus pädagogischer Sicht nicht mit einem Erkenntnisdefizit zu tun haben, bleibt im Grunde nur festzustellen, dass es häufig am politischen Willen fehlt. Dieses Phänomen wird häufig mit „leeren Kassen“ kaschiert.
(11) Johannes Fromme et al.: Aktivspielplätze im Selbstverständnis der Mitarbeiter, Wuppertal/Bielefeld 1984
(12) Die „Quittung“ hierfür ist bei gegenwärtig aufwachsenden Kindern immer deutlicher erfahrbar. Auch auf diesen Aspekt werde ich an späterer Stelle erneut zu sprechen kommen.
(13) Anm. R.D.: Über einen ähnlichen gedanklichen Hintergrund schienen auch jene zu verfügen, die den Begriff „Aktivspielplatz“ zu etablieren versuchten. Während der Begriff „Bauspielplatz“ direkt vom dänischen „Byggelegeplads“ abgeleitet wurde, haben wir es bei „Aktivspielplatz“ nicht nur formal, sondern auch inhaltlich mit einer Tautolgie zu tun: Kinderspiel ist immer aktiv, auch wenn Kindern nur „träumen“. Vor dem Hintergrund einer möglichen historisch bedingten politischen Abgrenzungsstrategie kann man nicht anders, als zu der Auffassung zu gelangen, das hier schlicht zum Ausdruck gebracht wird: „Die spielen ja nur! Das muss man nicht so ernst nehmen!“ Erinnert sei in diesem Zusammenhang noch einmal daran, dass der Begriff „Abenteuerspielplatz“ von englischen „adventure playground“ übernommen wurde (siehe hierzu die Seite Die Etablierung der Offenen Arbeit mit Kindern). „Abenteuer“ beschreibt präzise, worum es geht: Abenteuer ist ein Prozess mit vorläufig unbekanntem Ausgang. Solche Prozesse ermöglichen Abenteuerspielplätze mit einem wohl durchdachten Konzept: Sie sorgen für hochwertige Entwicklungsunterstützung, für unschätzbar wichtige Bildungsprozesse und wirken im Sinne von Gesundheit auf vorbildliche Weise salutogenetisch. Detaillierte Hinweise hierauf können auf unserer Seite Lerngesundheit durch Resourcenorientierung von Dr. Eckhard Schiffer nachgelesen werden.
(14) Auf dem Bild ist noch der alter Spielwagen zu sehen (vgl. Seite Spielmobile).

Weiterführende Links

Die 1980er-Jahre (Wikipedia)

Kulturpädagogik (Wikipedia)

 

Hinweise

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel. Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster 1997, Votum Verlag.
Das Buch wurde hier mehrfach zitiert bzw. gibt es Hinweise auf dieser Seite darauf. Es ist inzwischen vergriffen. Unser Fachbeiratsmitglied Prof. Dr. Hiltrud von Spiegel hat uns das Manuskript dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise können wir es Ihnen hier anbieten. Zum Buch gelangen Sie, wenn Sie vorstehenden Titel anklicken.

In einer weiteren Erprobungsmaßnahme befasste sich eine Arbeitsgruppe des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit der Fragestellung, wie die Spielsituation für Kinder im Land insgesamt zu verbessern sei. Vorstehend sehen Sie den Titel der hierzu 1989 erschienenen Dokumentation.

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

NAGEL-Redaktion – Spielmobile

Gegen Ende der 70-er Jahre kam für die Offene mit Kindern verstärkt ein weiterer Einrichtungstyp hinzu: das Spielmobil. Das von der UNO ausgerufene Jahr des Kindes 1979 führte zu „einem Boom“ von Neugründungen derartiger Einrichtungen. Spielmobile gab es ab Ende der 60-er/Anfang der 70-er Jahre in Deutschland, die ersten in Köln, München (1) und Berlin. Bekannt waren Spielmobile ab 1949 in Australien, später in den USA und Schweden.

Spielmobile, die sich häufig in kommunaler Trägerschaft befinden, sind unterschiedlich konzipiert. Das betrifft sowohl den Fahrzeugtyp, der vom Tieflader über ausgediente und entsprechend ausgebaute Linienbusse bis hin zum Bollerwagen und Velomobil reicht, als auch den „Fahrplan“ und die inhaltlich-methodische Ausrichtung.

Spielmobil „Tobedüse“ aus Herne (ca. 1986). Das Foto erschien in der Broschüre „Spielen. Erprobungsmaßnahme des Landes NRW: Verbesserung der Spielsituation für Kinder“. Düsseldorf 1989 (2)

Manche Spielmobile fahren regelmäßig dieselbe Route; hierbei ist der Aspekt der Verlässlichkeit hervorzuheben. Andere begnügen sich mit der Durchführung einmaliger Aktionen, Beteiligung an Festen und dergleichen. Eine der ursprünglichen Intentionen des Spielmobils war es, Lücken in der Versorgung durch Angebote der Jugendhilfe – zumindest vorübergehend – zu schließen. Bestehende konventionelle Spielplätze und Schulhöfe erfahren durch das Spielmobil eine kreative Aufwertung.

Rollmobs, Spielmobil der Stadt Bottrop 2008 (Foto: Rainer Deimel)

Aus eigener Sicht begreifen sich Spielmobile als mobile Spielplätze mit Geräten, als Spielothek mit verschiedenen Materialien wie Gesellschafts- und Großspielen, Stelzen, Seifenkisten u.ä. und als rollende Kinderhäuser mit Bastel- und Werkangeboten u.a.m. (3)

Projektarbeit – vor allem auch mit einer stark kulturpädagogisch ausgerichteten Intention – spielt bei vielen eine bedeutende Rolle; so finden z.B. langfristig geplante Aktionen statt, deren Durchführung ebenfalls eine längeren Zeitraum (z.B. ein bis zwei Wochen) beanspruchen, z.B. Zirkus- und Jahrmarktprojekte. Baacke beschreibt das Spielmobil als „Gegeninszenierung“ (4), als „inszenierte Begegnung von Pädagogen und Kindern versucht es, zwischen Gegenseitigkeit, Körperlichkeit, Ganzheitlichkeit (und) Rhythmus zu vermitteln und das Gefühl für Freiheit und Bewegung (…) wieder hineinzuholen in seine eigenen Angebote.“ (5)


Falkenflitzer aus Hamburg (Foto: Verein zur Förderung der Jugendarbeit)

Spielmobile sahen sich in der Vergangenheit bisweilen der Kritik ausgesetzt, dass sie trotz ihrer Vorzüge immer ein Notbehelf blieben, da sie weder hinsichtlich des Standorts ausreichend verlässlich noch in der Lage seien, regelmäßige Beziehungen zwischen den Kindern zu ermöglichen. (6) Aus Sicht der Abenteuerspielplatzbewegung wurden Bedenken dahingehend erhoben, das Spielmobil fördere primär eine Konsumhaltung bei Kindern. Ferner wurde befürchtet, die mobile und möglicherweise preiswertere Variante der Offenen Arbeit mit Kindern könne sich existentiell gefährdend auf bestehende stationäre Einrichtungen auswirken, zumal das Spielmobil sich als medienwirksamer „Werbeträger“ für PolitikerInnen gut eigne. (7)

Das feuerrote Spielmobil in Berlin (Foto: Bezirksamt Neukölln)

Diese Konkurrenzsituation konnte ab Mitte der 80-er Jahre zugunsten einer friedlichen Koexistenz weitgehend entschärft werden. An manchen Orten ist es auch zu einer sinnvollen Kooperation und zu Vernetzungsansätzen zwischen Spielmobilen und stationären Einrichtungen gekommen. (8)

  Das feuerrote Spielmobil in Berlin (Foto: Bezirksamt Neukölln)

Seit Ende der 70-er Jahre gab es auch in der DDR eine sogenannte „Spielwagen-Bewegung“, entstanden quasi als Gegenbewegung zur allseits präsenten FDJ.


Foto: Kolle 37

Die AktivistInnen kamen häufig aus Oppositionsgruppen, z.B. waren sie in kirchlichen Zusammenhängen aktiv. Die Bemühungen wurden von „offizieller Seite“ stets misstrauisch betrachtet. „Die Offene Arbeit mit Kindern wurde also auch in der DDR gegen den Widerstand der ‚offiziellen‘ Politik durchgesetzt.“ (9) Es gab „Probleme ideologischer Art, denn die Arbeit musste immer mit Blick auf das einheitliche ‚Bildungs- und Erziehungsziel‘ in der DDR und mit Rücksicht auf die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung legitimiert werden“. Die ausschließlich ehrenamtlichen „Mitarbeiter(innen) ‚verkauften‘ ihre ‚volkskünstlerische Tätigkeit‘ als ‚betreutes musisches Kinderspiel‘. (10)

Kontakt zu westlichen Organisationen und Einrichtungen wurde staatlicherseits bis Ende der 80-er Jahre konsequent unterbunden. Neben den „offiziellen“ Schwierigkeiten mussten zahlreiche Alltagsprobleme bewältigt werden. Bis auf den „Spielwagen Berlin I“, aus dem später übrigens der erste Abenteuerspielplatz in der DDR hervorging, hatten die meisten Gruppen nur unzureichende Fahrzeuge und oft wenig Material.


Auf der Abbildung ist ein Modell eines alten DDR-Bauwagens zu sehen. Solche Modelle können bei der Fa. Daniel Kürschner Modellbau (dkmb) erworben werden. Die Anleihe des Bildes gestatten wir uns, damit sich Interssierte eine möglichst realisitsche Vorstellung machen können. 

Ehemalige Spielwagen-MitarbeiterInnen berichteten, wie sie sich zeitweise mit einem Bauwagen „per Anhalter“ – indem sie nämlich einen Lastwagen zum Ziehen anhielten – fortbewegten. Die MitarbeiterInnen des Spielwagens in Magdeburg gründeten nach der Wende den Abenteuerspielplatz „Mühlstein“ in Olvenstedt, der größten Plattenbausiedlung außerhalb Berlins. Ähnliches geschah in Berlin-Prenzlauer Berg: Dort gründeten die Bauwagen-Leute den ersten Abenteuerspielplatz auf DDR-Boden: den Kolle 37.

**********
Fußnoten

(1) Vor allem die Pädagogische Aktion in München war bereits in der ersten Hälfte der 70er sehr bemüht um die konzeptionelle Verbreitung der Spielmobil-Idee; vgl. Hans Mayrhofer/Wolfgang Zacharias: Aktion Spielbus, Weinheim 1973
(3) vgl. MAGS NRW (Hg.): Bericht Kinder- und Jugendkulturarbeit in Nordrhein-Westfalen, Düsseldorf 1994, S. 96
(4) vgl. Baacke, Dieter u.a.: Lebenswelten sind Medienwelten (2 Bd.), Opladen 1990, in: MAGS 1994, a.a.O., S.95
(5) ebenda
(6) vgl. Klaus Spitzer/Janne Günter/Roland Günter: Spielplatzhandbuch. Berlin 1975, S. 192
(7) Anm. R.D.: Aus heutiger Sicht lässt sich fachlich konstatieren, dass es sich bei Spielmobilen um eine hochaktuelles Konzept handelt, dass die Landschaft der Offenen Arbeit auf konstruktive Weise bereichert.
(8) Weitergehende Informationen zur Arbeit des Spielmobils können meinem Beitrag „Spielmobile“ entnommen werden. Dieser ist erschienen im „Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit von Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg.), 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, Wiesbaden 2005
(9) Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel, Münster 1997, S. 15
(10) ebenda, zitiert nach Nilson Kirchner: Spielwagen in der DDR, in: Deutsches Kinderhilfswerk et al. (Hg.): Das Spielmobilbuch, Berlin 1990

Weiterführende Links

Spielmobil (Wikipedia)

Bundesarbeitsgemeinschaft Spielmobile


Die Fernsehserie „Das feuerote Spielmobil“ lief zwischen 1972 und 1981 im Fernsehen.

Hinweise

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel. Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster 1997, Votum Verlag.
Das Buch ist inzwischen vergriffen. Unser Fachbeiratsmitglied Prof. Dr. Hiltrud von Spiegel hat uns das Manuskript dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise können wir es Ihnen hier anbieten. Zum Buch gelangen Sie, wenn Sie vorstehenden Titel anklicken.

NAGEL-Redaktion – Die 1970-er Jahre

In der 1970-er Jahren gab es zahlreiche Versuche, Jugendarbeit neu zu definieren. So war Giesecke der Auffassung, Jugendarbeit bezeichne „diejenigen von der Gesellschaft Jugendlichen und Heranwachsenden angebotenen Lern- und Sozialisationshilfen, die außerhalb von Schule und Beruf erfolgen, die Jugendliche unmittelbar, also nicht auf dem Umweg über die Eltern, ansprechen und von ihnen freiwillig wahrgenommen werden.“(1)


Grenzenlose Freiheit – begrenztes Leben (Filmfoto. Quelle: Deutsches Filminstitut – Sozialgeschichte des bundesrepublikanischen Films)

Weitere Kriterien sind der „Verzicht auf Leistungskontrollen, Altersheterogenität, Flexibilität der Angebote, Methoden und Kommunikationsformen, Orientierung an den Bedürfnissen der Jugendlichen, erfahrungsbezogene Lernfelder mit Offenheit zur Aktion (und) Gruppenorientierung.“ (2) (3)


Disco in den 1970er-Jahren (Das Foto entstammt der Internetrezension von Katja Preissner zum Buch „Die 70er – einmal Zukunft und zurück“ von Markus Caspers, Ostfildern 1999)

Die 1970er Jahre waren für die Weiterentwicklung der Offenen Kinder- und Jugendarbeit eine wesentliche Periode. Sie ermöglichten sowohl ein enges zeitliches Aufeinanderfolgen von fortschrittlichen Entwicklungen – auch in wissenschaftlicher Hinsicht – als auch das Ende dieser Ideen und Bewegungen. Bauer (4) dokumentiert die Arbeitsansätze dieser Episode. Hier seien sie schlagwortartig wiedergegeben: „Sozialintegrative Jugendarbeit“, die kompensatorische Erfahrungen in der Gruppe durch Kommunikation und Interaktion, begleitet durch einen partnerschaftlichen Erziehungsstil, ermöglicht. (5)

Ferner werden unter der Begrifflichkeit „Emanzipation“ der individualkritische Aspekt, der ideologiekritische Aspekt und der systemkritische Aspekt thematisiert. Darüber hinaus definiert Bauer die Ansätze „antikapitalistische“ und „progressive“ Jugendarbeit.

In dem Bändchen „Die Geschichte der Offenen Arbeit“ (6), herausgegeben 2003 von der ELAGOT NRW, liefert Ralf-Erik Posselt eine hilfreiche Übersicht der diversen Ansätze. (7)


Trendig (Foto: cosmopolitan.de)

„1975 läuft die Jugendzentrumsbewegung aus.“ (8) So pragmatisch formulieren es Ortmann und Rohwedder. Die Universität Bielefeld konstatierte für den gleichen Zeitraum eine Stagnation der Abenteuerspielplatzbewegung. (9) Teil der Begründung war die „Kommunalisierung der Plätze“. Zunehmend hatten nämlich die Kommunen die Abenteuerspielplätze aus den Händen der Initiativen in eigene Trägerschaft übernommen oder sie gewährten neu gegründeten Trägern Zuschüsse. Teilweise gingen sie selbst daran, eigene Plätze zu installieren. Faktisch sind Einrichtungen in kommunaler Trägerschaft (dies unterscheidet Abenteuerspielplätze nicht von Jugendzentren) Teil der Administrative und damit eingebettet in die fünf von Mayntz genannten Merkmale der Verwaltungshierarchie:

● „eine festgelegte Autoritätshierarchie
● ein System vertikaler Kommunikationslinien
● eine geregelte, klar umrissene Aufgabenteilung
● ein System von Regeln und Richtlinien, das die Rechte und Pflichten von Organisationsmitgliedern festlegt
● ein System von klar definierten Verfahrensweisen für die Aufgabenerfüllung“. (10)


Buchtitel (Götz Aly: Wofür wirst du eigentlich bezahlt? Möglichkeiten praktischer Erziehungsarbeit zwischen Ausflippen und Anpassen, Berlin 1977) (11)

Es soll nicht unterstellt werden, dass Kommunen Einrichtungen nur deshalb übernahmen oder gründeten, um auf sie lediglich eine Kontrolle auszuüben. Vielmehr gewann die Einsicht über den Nutzen von Einrichtungen der Offenen auch zunehmend Raum in der öffentlichen Verwaltung. Richard Münchmeier bestätigt, Offene Arbeit sei zu jener Zeit zu einem anerkannten, öffentlich finanzierten Regelangebot der kommunalen Jugendarbeit geworden. (12)


Abbildung aus Götz Aly: Wofür wirst Du eigentlich bezahlt? Berlin 1977

Dennoch sind kommunale Einrichtungen infolge ihrer zuvor skizzierten Merkmale in Abhängigkeiten eingebunden, die ihren Handlungsspielraum und ihre ursprünglichen Ziele entscheidend beeinträchtigten. Genau diese Abhängigkeit schafft selbstverständlich auch konzeptionelle Grenzen. Hinzu kam, dass es in den Einrichtungen – unvermeidbar – zu Generationswechseln beim Personal kam. Und Ideen sind immer auch mit Personen verknüpft, wie neue Personen neue Ideen (oder auch keine mehr) mitbringen. Große freie Träger – wie etwa die Kirchen oder die AWO – erlebten und erleben aufgrund gewisser Strukturparallelen ähnliche Effekte.


Im Jugendhaus der 70er-Jahre (Quelle: Götz Aly: Wofür wirst du eigentlich bezahlt?)

Ein weiterer Aspekt der 70-er Jahre soll aufgegriffen werden: neben dem Politisierungs- und dem kreativen Anspruch ist – zusammenhängend mit der zunehmenden Professionalisierung Offener Kinder- und Jugendarbeit – eine zunehmende „Sozialpädagogisierung“ feststellbar. „In jeweils lokal spezifizierbaren Mischformen, die sich teils aus dem Nachklang einer romantischen Randgruppenpolitisierung, teils aus einem humanitär-sozialarbeiterischen Hilfeverständnis speisten, bildete die Orientierung auf eine Arbeit mit Auffälligen, Gefährdeten und Benachteiligten … (ein weiteres) Element im Konzeptionsspektrum offener Jugendfreizeitstätten.“ (13)


Foto: Lienhard Wawrzyn in: Kursbuch 59 – Bilderbuch, Berlin 1980

Die Rolle der mehr und mehr ernüchterten zweiten und dritten Generation der MitarbeiterInnen „nach dem Aufbruch“ skizzierte Götz Aly: „Die Verworrenheit der sozialpädagogischen Diskussion hat dazu geführt, dass heute (Anm. R.D.: 1977) statt der bastelnden Fröbelkindergärtnerin, die die Mädchen Puppen spielen ließ und den Jungen das Weinen abgewöhnte, sehr junge Erzieher und Sozialpädagogen die Akademien und Schulen verlassen, die weder singen noch basteln können. Die davon auch nichts halten. Sie beschränken sich zwangsläufig auf philantropisch-sozialistische Sprüche über die beschissene Welt. Sie widerstehen dem Anpassungsdruck einer Behörde kaum ein halbes Jahr und meinen dann: ‚Unter diesen Umständen kann man eben nichts machen.’“ (14)


Foto: Lienhard Wawrzyn in: Kursbuch 59 – Bilderbuch, Berlin 1980

**********
Fußnoten

(1) Hermann Giesecke: Jugendarbeit und Emanzipation, in: Lothar Böhnisch: Jugendarbeit in der Diskussion. München 1973, S. 84 f.
(2) Erwin Jordan: Jugendarbeit, in: Dieter Kreft und Ingrid Mielenz: Wörterbuch Soziale Arbeit, Weinheim 1980, S. 234 f.
(3) Anm. R.D.: Mancherorts scheinen auch gegenwärtig noch  „Konzeptionen“ zu existieren, die die 70-er Jahre auf bisweile skurill anmuende Weise in ihrer Alltagspraxis widerspiegeln.
(4) vgl. Bauer, a.a.O., S. 35 ff.
(5) Dieser Ansatz hat nach wie vor einen erheblichen Anteil in der Jugendarbeit. Der Autor stimmt der Kritik Manfred Liebels (Bauer a.a.O., S. 36) zu, wenn dieser feststellt, dass sozialintegrative Jugendarbeit ein Instrumentarium sei, „das grundsätzlich die bestehende Herrschaftsordnung zu stabilisieren helfe“.
(6) Anm. R.D.: Wie problematisch es ist, zusammengestellte historische Dokumente und eine Auseinandersetzung mit ihnen als „die Geschichte“ zu titulieren, habe ich u.a. auch bei dieser Arbeit festgestellt. Deshalb haben die Leser(innen) es hier auch nicht mit „der Geschichte“ der Offenen Arbeit zu tun. Bewusst heißt der Titel hier „Zur Geschichte der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen“. Dies berücksichtigt auch, dass bestimmte Blickwinkel bei der Dokumentierung nicht verhehlt werden können und sollen.
(7) Ralf-Erik Posselt: Die Geschichte der Offenen Arbeit, Schwerte 2003. Hier ist das Kapitel „Die Profis kommen …“ verlinkt. In dem Beitrag werden auch Ansätze berücksichtigt, die zu späteren Zeiten entwickelt und relevant wurden.
(8) Norbert Ortmann/Peter Rohwedder (Bearbeitung): Die Planung und Entwicklung der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Oberhausen, Oberhausen (Stadt Oberhausen) 1994, S. 37
(9) vgl. Holger Grabbe et al.: Zur Situation der offenen Kinderarbeit in der BRD, in: Freizeitpädagogik – Zeitschrift für kritische Kulturarbeit, Freizeitpolitik und Tourismusforschung (FZP) 3-4, Frankfurt am Main 1981
(10) Renate Mayntz, zitiert nach Karl-Heinz Boeßenecker: Das Neue Steuerungsmodell, in DER NAGELKOPF Nr. 21 „Steuerungsmodelle – Verplanung des Marktes oder Vermarktung des Plans? Dortmund (ABA Fachverband) 1995 (11) Anm. R.D.: „Wofür wirst du eigentliche bezahlt!“ Eine vergleichbare Frage kennen Abenteuerspielplatzmitarbeiter(innen) aus jener Zeit auch noch: „Wo arbeitest du eigentlich, wenn du hier nicht spielst?“
(12) vgl.: Richard Münchmeier: Was ist Offene Jugendarbeit? – eine Standortbestimmung, in: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Jugendarbeit, Münster 1998, S. 13
(13) Treptow, a.a.O.
(14) Götz Aly: Wofür wirst du eigentliche bezahlt? Berlin 1977, S. 8

Weiterführende Links

Die 1970er-Jahre (Wikipedia)

Jugendarbeit (Wikipedia)

Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung (Wikipedia)

AGOT-NRW

Hinweise

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

Auch das waren die 1970er-Jahre

NAGEL-Redaktion – „Bewegungen“


Demonstration Ende der 1960-er Jahre in Biberach (Foto: weberberg.de, Archiv Heilig)

1967 kam es – im Vergleich zu anderen Ländern sehr spät – zur Gründung des ersten Abenteuerspielplatzes in Deutschland. Er wurde durch Studenten in Berlin im Märkischen Viertel initiiert.


Der erste Abenteuerspielplatz in Deutschland: Märkisches Viertel (ASP MV) in Berlin (Foto: Autorengruppe ASP/MV 1973)

Der Berliner Senat verhielt sich zunächst sehr zurückhaltend und ablehnend. Erst ein Besuch der damaligen Jugendsenatorin Ilse Reichel in Großbritannien („adventure playgrounds“) sorgte dann für politisches Wohlwollen. Dieser Zeitpunkt kann getrost als „die Geburt der Offenen Arbeit mit Kindern“ begriffen werden, wenngleich es sich hierbei nicht um den ersten pädagogisch betreuten Spielplatz handelte.


ASP MV: Wo Verbieten verboten ist (Foto: Autorengruppe ASP/MV 1973)

Zuvor gab es hier und da – vornehmlich in Hamburg – sogenannte „Park-Tanten-Plätze“ (1), im Grunde konventionelle Spielplätze, auf denen man die Kinder kostenlos „abgeben“ konnte, „da eine Beaufsichtigung ohne spezielle, einheitliche pädagogische Absichten durch Kindergärtnerinnen, Erzieherinnen, zum Teil aber auch durch unausgebildete Mütter“ (2) stattfand. Derartige Plätze gibt es zum Teil bis heute, obschon durchgehend mit stark modernisierten und kindgerechter ausgerichteten Konzepten. Den Begriff „Park-Tanten-Plätze“ halte ich aus heutiger Sicht zumindest für zweifelhaft. Ich möchte ihn trotz seines möglicherweise verunglimpfenden Charakters beibehalten, hilft seine Verwendung eventuell mit, antiquierte Ansätze im Sinne einer qualitativen Weiterentwicklung günstig zu stimulieren.


(Foto: Autorengruppe ASP/MV 1973)

Die Gründung des ersten Abenteuerspielplatzes im Märkischen Viertel (ASP MV) wirkte sich auf die Abenteuerspielplatzbewegung stark motivierend aus. In der Folge gab es in Westberlin und in Westdeutschland etliche Nachahmer. Das Ziel der Abenteuerspielplätze war, Kindern eine Veränderbarkeit ihrer Umwelt und ihres Umfeldes zu verdeutlichen.

Die kindliche Phantasie sollte gefördert und ausgelebt werden. Kinder sollten im außerschulischen und außerfamiliären Bereich Möglichkeiten erhalten und praktische Solidarität erfahren und begreifen. So wurde versucht, auf den „Ur“-Abenteuerspielplätzen ein Konzept der – bereits erwähnten – „proletarischen Kinderarbeit“ umzusetzen. Dahinter steckte die Absicht, die Sozialisation, den Sprachkodex und proletarische Verhaltensweisen und Kulturen „salonfähig“ zu machen, d.h. Zusammenhänge, die bis dahin als defizitär galten, sollten die bisher gültigen Mittelschichtnormen ersetzen, was mit einem entsprechenden politischen Bewusstsein eng gekoppelt war. Reflektierend bleibt festzustellen, dass das Proletariat sich mit „proletarischen Werten“ eher marginal identifizierte; war es vielmehr eine Schicht von Intellektuellen, die sich proletarische Inhalte, Methoden und Ziele auf ihre Fahnen geschrieben hatte.


Georg-von-Rauch-Haus Berlin (Foto: Jutta Matthess, Georg-von-Rauch-Haus)

Parallel zur Abenteuerspielplatzbewegung gedieh die Jugendzentrumsbewegung. Dass diese durch die Nähe der „rebellierenden“ Studenten an den Universitätsstandorten ihren Ausgang nahm, scheint nicht verwunderlich. Eine Standortbestimmung für „den Jugendlichen“ lieferte der französische Philosoph André Glucksmann: „Der Jugendliche haust in der Gesellschaft, ohne in ihr zu wohnen, er wird von ihr ausgebeutet, ohne in sie ‚integriert‘ zu sein. Die kapitalistische Wirtschaft und die staatliche Verwaltung errichten ihren partikularen und variablen Größen entsprechend Grenzpfähle, wobei das umstrittene Gebiet mal größer, mal kleiner wird.“ (3)

Die Selbstorganisation der Freizeit ist die wesentliche Forderung der Jugendzentrumsbewegung. Und mit einem – gegenwärtig möglicherweise erstaunlich klingenden – Selbstbewusstsein und Selbstverständnis wird deutlich gemacht, dass das Initiativwerden keineswegs „als altersbedingtes, d.h. zeitweiliges jugendliches Aufbegehren gegen die ‚Welt der Erwachsenen‘ (Hermann Giesecke) zu verstehen (wäre), das mit der Erreichung eines bestimmten Alters und der erfolgten ‚Emanzipation gegenüber den erwachsenen Autoritäten‘ sich in ein Nichts auflösen und ‚vergessen‘ würde. Mit einer solchen verharmlosenden ‚Erklärung‘ würden die gesellschaftlichen Zusammenhänge und politischen Implikationen unterschlagen.“ (4)


(Foto: Georg-von-Rauch-Haus, Berlin)

Aufgrund der relativen Abwesenheit von Kontrolle sei der Freizeitbereich für die jungen Leute derjenige, der am ehesten geeignet zu sein schiene, sich ihrer Situation klar zu werden und revolutionäre Strategien zu entwickeln. Außerdem würden sich die Jugendlichen zunehmend darüber bewusst, dass auch der Freizeitbereich dem Verwertungsdrang des Kapitals unterworfen sei. Das anfängliche Gefühl von „Befreiung“, als Konsument ernstgenommen zu werden, sei der Erkenntnis gewichen, junge Leute würden „an der Nase herumgeführt“, und die „Befreiung“ entpuppe sich als Schein. Jugendarbeit war vor diesem Hintergrund eine klare politische Botschaft.

Freilich wäre es unangebracht, anzunehmen, es hätte sich dabei um schlichte Indoktrinierung gehandelt. „Politische Bildungsarbeit im Jugendfreizeitheim muss diese beiden Seiten (Anm. R.D.: nämlich Arbeit und Freizeit) in ein richtiges Verhältnis zu setzen versuchen: im Entspannungs- und Zerstreuungsverhalten der Jugendlichen müssen auch die Probleme und Konflikte außerhalb des Heims (Familie, Arbeitsplatz, Stadtteil) aufgedeckt und zugänglich gemacht werden; umgekehrt muss das ‚Bildungsangebot‘ des Jugendfreizeitheims, das sich auf die Konflikte der Jugendlichen bezieht, in eine Atmosphäre eingebettet sein, die Spaß, Freude und Entspannung nicht ausschließt. Die starre Trennung beider Bereiche muss aufgehoben werden. (…) Die Erstellung eines solchen Konzepts von politischer Bildungsarbeit im Jugendfreizeitheim ist nicht ein einmaliger Akt, sondern ein Prozess. Sie vollzieht sich entsprechend der genauen Untersuchung des Verhältnisses von Lebens- und Freizeitsituation der jeweiligen Heimbesucher und durch das schrittweise Begreifen des Zusammenhangs von subjektiven Interessen und der objektiven Klassenlage. Dieser Prozess kann nur gemeinsam von Jugendlichen und Mitarbeitern vollzogen werden, nicht aber stellvertretend von den Mitarbeitern für die Jugendlichen. Deshalb kann und darf dieser Prozess auch niemals die Form einseitiger ‚Indoktrinierung‘ annehmen. Allerdings haben die Mitarbeiter bei der Entwicklung einer solchen Konzeption die Aufgabe, ihre spezifischen Kenntnisse und Fähigkeiten den Jugendlichen beratend zur Verfügung zu stellen, sodass z.B. in der Frage der didaktischen Umsetzung von Ideen, in der Nutzung ihrer Kontakte und der Bereitstellung bzw. Erkämpfung der materiellen Bedingungen, die für eine solche Arbeit erforderlich sind (Elternarbeit, Lehrgänge, Kontakte zu anderen Institutionen etc.). (…) Der so beschriebene Ansatz von Jugendfreizeitheim-Arbeit geht nicht von einem statischen Begriff der Freiwilligkeit aus, sondern davon, dass Erkenntnisprozesse und Einsichten in die gesellschaftlichen Verhältnisse auch zur Veränderung der eigenen Interessenlage führen.“ (5) (6)


(Foto: Gerorg-von-Rauch-Haus, Berlin)

Es kann nicht übersehen werden, dass es vor allem in der Jugendzentrumsbewegung gelungen ist, den Bedarf an Kommunikations- und Geselligkeitsbedürfnissen stärker zu befriedigen, als dies bis dahin der Fall war. Dies gilt nicht nur für die Großstädte, sondern auch für ländliche Gegenden, in denen sogenannte selbstverwaltete bzw. autonome Jugendzentren noch bis in die Gegenwart existieren.

Seinerzeit wurde seitens der Jugendlichen auch häufig versucht, sich an die kommunale Politik zu wenden. Forderungen fielen vor allem bei Sozialdemokraten auf fruchtbaren Boden, zumal die Jungsozialisten der Jugendzentrums- und der Abenteuerspielplatzbewegung positiv gegenüber standen. Ähnliche Entwicklungen gab es demgemäß auch in Bezug auf Forderungen nach Abenteuerspielplätzen und ihrer Durchsetzung. Eine große Zahl solcher Plätze existiert bis heute erfolgreich.

Nie vollständig gelöst werden konnte der Konflikt, in dem haupt- bzw. nebenamtliche Mitarbeiter(innen) im Zusammenhang mit Selbstverwaltungsstrukturen steckten. Die Kommunen als Zuschussgeber sahen in ihnen Kontrollorgane, und sie selbst wollten deutlich parteilich für die Jugendlichen sein.

Unterstützt wurde der Kampf der Jugendzentrumsbewegung durch die Besetzung leerstehender Gebäude, die als Freizeiteinrichtungen dienten bzw. dienen sollten. Hierbei ging die Intention zum Teil über den Regenerationsaspekt hinaus: konnte man in den besetzten Häusern auch leben, ergo zwei Lebensbereiche integrieren.


Erich-Dobhardt-Haus in Dortmund (oben links im Bild: Portrait des getöteten Erich Dobhardt)

Einige derartiger „Projekte“ sind weit über ihre kommunalen Grenzen hinaus bekannt geworden, wie z.B. das Georg-von-Rauch-Haus und das Tommy-Weisbecker-Haus in Berlin, das Erich-Dobhardt-Haus in Dortmund  (7) und das Markus-Haus in Düsseldorf  (8). Übrigens überlebte die Hausbesetzer-Szene die Jugendzentrumsbewegung um einige Jahre. Noch bis in die achtziger Jahre hinein wurden leerstehende Häuser besetzt; größtenteils ging es dabei in erster Linie um autonom gestalteten Wohnraum. Allerdings spielte derart gewonnener Wohnraum auch in Bezug auf Kommunikation und Geselligkeit immer eine bedeutendere Rolle als eine auf normalem Weg gemietete Wohnung.

Einige „Relikte“ aus dieser Zeit bestehen immer noch bzw. existierten bis in die jüngere Zeit, z.B. die Hamburger Hafenstraße oder ein sogenanntes „Punkerhaus“ in Dortmund, was allerdings nunmehr auch seit Jahren abgerissen ist. (9)

Zeitgleich mit der Jugendzentrumsbewegung gelang es der Abenteuerspielplatzbewegung die meisten der – nach wie vor bestehenden – Abenteuerspielplätze als Örtlichkeiten für die Offene Kinderarbeit zu installieren. Auch die konzeptionellen Auseinandersetzungen waren in den ersten acht Jahren vergleichbar vehement. Abenteuerspielplätze entstanden vornehmlich in Berlin, Hamburg und Nordrhein-Westfalen. In anderen Bundesländern gab es verschiedene „Enklaven“, in denen derartige Einrichtungen ebenfalls gegründet wurden, z.B. in Niedersachsen, Hessen und Bayern. In Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und im Saarland kamen sie nur noch vereinzelt vor. Gleichsam wurden in einigen Bundesländern Verbände gegründet, um Abenteuerspielplätze zu fordern und um diese – zunächst – vor allem politisch zu unterstützen. (10)

Eine etwas abweichende Entwicklung war in Baden-Württemberg festzustellen. Dort wurde primär der Typus der „Jugendfarm“ als Einrichtung der Offenen Arbeit mit Kindern geschaffen. Ausgehend von der Idee des langjährigen Vorsitzenden des „Bundes der Jugendfarmen“ (später: Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze, gegründet 1971), Edgar Böhm, das weitläufige Grundstück seiner Familie im Elsental in Stuttgart auch für andere Kinder (außer seinen eigenen) zugänglich zu machen, stand Patin bei der Gründung der ersten Jugendfarm. Eines der wichtigsten Elemente der dortigen Pädagogik waren – im Gegensatz zu den Abenteuerspielplätzen, auf denen Hüttenbau, Feuer, Wasser, Sand (die vier Urelemente) und eben die geschilderten pädagogisch-politischen Überlegungen leitend waren – Tiere, in erster Linie Pferde. Hinzu kam, dass die Gründer des Bundes der Jugendfarmen und Aktivspielplätze nicht mit den Motiven der Abenteuerspielplatzbewegung übereinstimmten, wohl aber mit der Erkenntnis, Offene Kinderarbeit sei erforderlich.

Dies führte in der Folge zu Konflikten, die allerdings ab Mitte der achtziger Jahre konstruktiv gelöst werden konnten. Der Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze gilt gegenwärtig als anerkannter Bundesverband der pädagogisch betreuten Spielplätze.

Der Typus „Jugendfarm“, in deren „klassischer“ Variante Tiere ein zentrales pädagogisches Mittel sind (11), verbreitete sich über Baden-Württemberg hinaus mehr oder weniger stark, z.B. in Berlin, Bayern, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. In Berlin heißen die Jugendfarmen (vielleicht treffender) „Kinderbauernhöfe“. (12)

Auch im europäischen Ausland konnte sich die „Jugendfarm-Idee“ etablieren. Es existieren Einrichtungen in Großbritannien, Schweden, Norwegen, Belgien (dort vor allem in Flandern), den Niederlanden und vereinzelt in Frankreich (13), Italien sowie Spanien.

Die Idee und das Konzept „Jugendfarm“ vermischte zu zunehmend mit dem des Abenteuerspielplatzes. So gibt es Einrichtungen in Baden-Württemberg, die sich Jugendfarm nennen, aber von einem Abenteuerspielplatz in Düsseldorf oder Berlin kaum zu unterscheiden sind; ähnlich gibt es Abenteuerspielplätze (aus der Gründerzeit) in Norddeutschland, die Tierhaltung als selbstverständliches Element in ihr Konzept aufgenommen haben.

**********
Fußnoten

(1) vgl. Autorengruppe ASP/MV: Abenteuerspielplatz. Wo Verbieten verboten ist. Reinbek (Rowohlt) 1973, S. 33
(2) ebenda
(3) André Glucksmann: Strategie und Revolution (1968), zitiert in: Erziehung und Klassenkampf. Zeitschrift für marxistische Pädagogik 10-11/1973, Themenheft „Jugendzentren“, Frankfurt am Main 1973, S. 9
(4) Erziehung und Klassenkampf 10-11/1973, a.a.O., S. 10
(5) Christian Marzahn/Christel Schütte/Hans Kamp: Konflikt im Jugendhaus. Fortbildung für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer. Reinbek 1975, S. 118 f.
(6) Aus heutiger Sicht kann festgestellt werden, dass etliche der in der Jugendzentrumsbewegung aufgestellten Forderungen selbstverständlicher Bestandteil von Konzeptionen sind. Allerdings werden gegenwärtig Klassenlagen oder Probleme, die sich aus Deklassierungsprozessen ergeben, regelmäßig ignoriert bzw. gekonnt mit verschönenden Begriffen umschrieben.
(7) Das Erich-Dobhardt-Haus wurde allerdings wenige Tage nach der Besetzung aufgrund der Intervention des (katholischen) Besitzers gewaltsam geräumt.
(8) Die Namen wurden häufig nach „Märtyrern“ der Szene ausgewählt.
(9) Die Hamburger Hafenstraße und die Düsseldorfer Kiefernstraße könnten des Weiteren als Synonyme dieser Bewegung begriffen werden.
(10) Weitergehende Informationen zur Arbeit von Abenteuerspielplätzen können meinem Beitrag „Abenteuerspielplätze“ in dem „Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit“, herausgegeben von Ulrich Deinet und Benedikt Sturzenhecker, sowie den Abenteuersspielplatz-Seiten im ABA-Netz entnommen werden (zum Handbuch siehe hier am Seitenende unter „Hinweis“). Die Abenteuerspielplatzseiten in den Verzeichnissen Ressorts im ABA Fachverband sowie NAGEL-Redaktion erreicht man per Klick auf die jeweiligen vorstehenden Links.
(11) Der Autor ist der Überzeugung, dass Tiere in der Pädagogik in der Tat eine ganz hervorragende Rolle einnehmen; sind sie explizit geeignet, Verantwortungsgefühl heranzubilden und Vertrauen zu schaffen. Gleichzeitig machen sie Grenzen sehr einfühlsam deutlich. Bei Bedarf und entsprechender Sachkenntnis sind sie durchaus auch in therapeutischer Hinsicht auf heilsame Weise verwendbar.
(12) Nach der deutschen Wiedervereinigung entstanden Jugendfarmen auch in den neuen Bundesländern wie anderenorts.
(13) Dies ist umso bemerkenswerter, da in Frankreich vor allem die Schule das Leben der Kinder und Jugendlichen bestimmt. Insofern ist es nicht erstaunlich, dass diese Einrichtungen stark von einer Kooperation mit Schulen abhängig sind.

Weiterführende Links

Autonomes Jugendzentrum (Wikipedia)

Jugendzentrumsbewegung (Wikipedia) – Literaturliste zur Jugendzentrumsbewegung

Soziale Bewegungen in der Folge der 1968-er Bewegung (Wikipedia)


Die Serie „Krempoli“ lief in den 70er-Jahren im Fernsehen.


(Foto: Georg-von-Rauch-Haus, Berlin)

Hinweis

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen


(Bild: Georg-von-Rauch-Haus, Berlin)

NAGEL-Redaktion – Die 1960-er Jahre

Die Entwicklung der Offenen Jugendarbeit bis Anfang der 60er Jahre führte diese in eine „Krise“: Das „Publikum“, das sich die Jugendfreizeitstätten herangezogen hatte, Jugendliche aus der Mittelschicht, blieben vermehrt den Häusern fern, da sie sich zunehmend andere Freizeitmöglichkeiten leisten konnten. Für die Rock’n Roll-Jugend waren die Häuser bisher nicht empfänglich. Auf diese Weise wurden sie gezwungen, sich anderen Gruppen gegenüber zu öffnen. Die Offene Jugendarbeit bekam inhaltliche Impulse durch C.W. Müller, den seinerzeitigen Leiter des „Hauses am Rupenhorn“, einer Bildungseinrichtung des Berliner Senats, sowie durch Lutz Rössner. Ihre Thesen konnten als Antwort auf die „Gautinger Beschlüsse“ aufgefasst werden.

Für C.W. Müller waren sowohl der Kommunikations- als auch der Emanzipationsaspekt von herausragender Bedeutung (1), ferner das Gesellungsbedürfnis der Jugendlichen. Jugendarbeit habe sich an den Bedürfnissen der Jugendlichen zu orientieren. Dies wurde auch von Rössner so gesehen. Darüber hinaus vertrat dieser die Meinung, dass Jugendarbeit den Kontakt zwischen den Geschlechtern (erotische Beziehungen) nicht verhindern dürfe. (2) Hermann Giesecke warf diesen Ansätzen vor, sie kaprizierten sich zu stark auf den Freizeitbereich und seien in dem Sinne systemimmanent, als sie „Versagung und Unterdrückung im Arbeits- und Schulsektor“ (3) ausblendeten.

Empirisches Material wurde 1966 von Gustav Grauer gesammelt. (4) Hieraus geht hervor, dass sich die Zahl der Jugendfreizeiteinrichtungen von 110 im Jahre 1953 auf 1.148 erhöht hatte. Weiterhin geht aus der Studie hervor, dass die meisten Jugendfreizeiteinrichtungen in Nordrhein-Westfalen angesiedelt waren. In dieser Erhebung wurde erneut deutlich, dass die Zielgruppe der Offenen Jugendarbeit in erster Linie Jungen bzw. junge Männer waren (1/4 Mädchen, 3/4 Jungen). Unter 50 Prozent der Einrichtungen verfügten über hauptberufliche Mitarbeiter(innen); das Schlusslicht hinsichtlich des Personals bildeten die konfessionellen Einrichtungen. Grauer kritisierte ebenfalls – wie zuvor schon C.W. Müller – die zu starke funktionale Festlegung der Gebäude, die den Jugendlichen angeboten wurden, die dem festgestellten Gesellungsbedürfnis keineswegs entsprachen. Sie ähnelten im Angebot noch eher Volkshochschulen als Einrichtungen, in denen Jugendliche tatsächlich ihren Bedürfnissen nachkommen konnten.

Die politische und gesellschaftliche Situation in Westdeutschland charakterisierte während dieser Zeit die Regierung der großen Koalition unter dem Kanzler Kiesinger; Kennzeichen waren der kalte Krieg, die Notstandsgesetzgebung, immer noch vorhandener Wohnungsnotstand und die politische Unmündigkeit großer Teile der Bevölkerung.

Die sogenannte Studentenbewegung der 1960-er Jahre läutete das Ende der großen Koalition ein. Mit Beginn der sozial-liberalen Regierung in Bonn wurden die Weichen gestellt für eine Entspannungspolitik nach außen hin. Innenpolitisch wurden Hoffnungen geweckt auf ein „Mehr-Wagen-von-Demokratie“ (Willy Brandt). Eine Ankoppelung bzw. ein Einfließen studentischer Emanzipationsversuche an bzw. in die Interessenvertretungen der Arbeiternehmer, die Gewerkschaften, kam nicht zustande, zumindest nicht in der Zeit dieses „Aufbruchs“, wenngleich die Bedeutung der späteren Lehrlings- sowie der Schülerbewegung außer Zweifel stehen sollte.


Rudi Dutschke, eine der Leitfiguren der deutschen Studentbewegung in den 1960-er Jahren im März 1968 (Foto: Archiv der Frankfurter Rundschau)

Gleichsam können wir heute feststellen, dass die später oft geklagte Ich-Bezogenheit, die Suche nach Sinn, die Individualisierung und Pluralisierung der Gesellschaft, Symptome der sogenannten „Postmoderne“, eine Folge jenes emanzipatorischen Aufbruchs ist. „Der Politfreak, der nichts so sehr hasste wie die Normalität, hat die Normalität der deutschen Gesellschaft erst entwickelt.“ (5)


Attentat auf Rudi Dutschke am 11. April 1968 (hier sein Fahrrad) – reaktionäre Hetze war ein möglicher Hintergrund. Nach den neuen Erkenntnissen um den ehemaligen Polizisten Kurras, der mit der Erschießung des Studenten Benno Ohnesorg am 2. Juni 1967 erheblich zu den sogenannten Studentenunruhen beitrug, scheint nicht auszuschließen, dass möglicherweise auch die Stasi ihre Finger im Spiel hatte. (Foto: Archiv Frankfurter Rundschau)

Waren es zunächst die Halbstarkenkrawalle deklassierter Jugendlicher, die sich von den in der Nachkriegszeit etablierten kulturellen Mittelschichtstandards ausgegrenzt sahen, die Druck auf die Jugendhäuser, sich verstärkt zu öffnen, ausübten (6), so kamen in der zweiten Hälfte der 60er Jahre deutlich formulierte Emanzipationsbestrebungen, die auch Lehrlingskreise ergriff, hinzu. „Der Schub, der mit der Studentenbewegung ab 1968 einsetzte, differenzierte das Bild entscheidend.“ (7)


Plakat 1968: Aufruf zur Demonstration gegen die die seinerzeitige Notstandsgesetzgebung (Quelle: Haus der Geschichte, Bonn)

Begriffe wie „emanzipatorische Jugendarbeit“ und „proletarische Kinderarbeit“ wurden geprägt. Jugendarbeit sollte ein zentrales Politisierungsfeld werden. In dieser Zeit formierten sich die „Jugendzentrumsbewegung“ ebenso wie die „Abenteuerspielplatzbewegung“. Schüler und Lehrlinge initierten und erkämpften sich Jugendzentren, Studenten forderten und errichteten Kinderläden – dies vorwiegend in Westberlin – (8) und Abenteuerspielplätze.

Der fürsorgerische Aspekt wurde zugunsten emanzipatorisch-politischer Strömunen zurückgedrängt. Probleme sollten gewissermaßen „im Schlepptau“ miterledigt werden. (9) Weitere Funktionen lagen in der „Befriedigung ästhetisch-kultureller Bedürfnisse – vor allem nach Musik … Politisierung und mediale Produktionsformen gingen teils in neuen Synthesen zusammen – z.B. ‚Rock gegen Rechts‘ – oder grenzten sich voneinander ab.“ (10)


Plakat des Sozialistischen Deutschen Studentenbundes 1986

**********

Fußnoten

(1) vgl. C. Wolfgang Müller, Helmut Kentler, Klaus Mollenhauer, Hermann Giesecke: Was ist Jugendarbeit? München, 7. Auflage 1975, S. 11 ff.; auch: C. Wolfgang Müller: Wozu dient das Freizeitheim und wie muss es aussehen? In: Der Rundbrief. Mitteilungsblatt des Senators für Jugend und Sport 5/6. Berlin 1962, S. 20
(2) vgl. Lutz Rössner: Jugend in der offenen Tür. Zwischen Chaos und Verartigung. München 1962
(3) Hermann Giesecke 1980, a.a.O., S. 57
(4) vgl. Gustav Grauer: Jugendfreizeitheime in der Krise. Weinheim/Basel 1973
(5) Matthias Horx: Aufstand im Schlaraffenland. Selbsterkenntnisse einer rebellischen Generation, München 1989, S. 198. Auf Seite 199 heißt es dort: „Wir müssen uns wohl damit abfinden, dass jenes gesellschaftliche Konglomerat, mit dem wir in die 90er Jahre gehen, jenes Wirrwarr aus netten Polizisten und vernagelten Fundis, kriselnden Familien und einsamen Singles, aus sich widersprechenden Strömungen der Kälte und Nähe, der Ignoranz und Aufmerksamkeit, der dummen und der klugen, der lauten und der leisen Töne, diese Demokratie-Baustelle, auf der um die Moral des Geldes heftig gestritten wird, dieser weder richtig europäische noch amerikanische, aber auch nicht mehr im originären Sinn ‚deutsche‘ Gesellschaft, dass diese abenteuerliche Konstruktion auch auf unser Konto, auf das Konto der rebellischen Generation geht. Ob das alles ist, was wir erreicht haben? Man muss andersherum fragen: Ist das etwa nichts?“
(6) vgl. Rainer Treptow: Stärkung der Kulturarbeit. In: Neue Praxis 1/1986
(7) ebenda
(8) vgl. hierzu: Autorenkollektiv: Schülerladen Rote Freiheit
(9) vgl. Treptow, a.a.O.
(10) ebenda

Weiterführende Links

Die 1960er-Jahre (Wikipedia)

APO (Außerparlamentarische Opposition) (Wikipedia)

Benno Ohnesorg (Wikipedia)

Lehrlingsbewegung (Wikipedia)

Rudi Dutschke (Wikipedia)

Studentenbewegung der 1960-er Jahre (Wikipedia)

Hinweis

Der Kölner Philosoph und Autor Richard David Precht (Jahrgang 1964) beschreibt in seinem sehr persönlichen Buch „Lenin kam nur bis Lüdenscheid“ sein Aufwachsen in einer linken Familie. Stellenweise muten die geschilderten Erlebnisse kurios an. Unter dem Strich allerdings verhehlt er nicht, dass er die Zeit nicht missen will. Eine Kurzrezension gab es im i-Punkt 1/2009 auf den Seiten 36 f.

NAGEL-Redaktion – Zur Geschichte der Offenen Arbeit mit Kindern

Offene Arbeit mit Kindern gibt es in Westdeutschland seit Mitte der sechziger Jahre. Den Anfang machten Initiativgruppen (Eltern, PädagogInnen, StudentInnen), die die soziokulturellen Lebensbedingungen in ihrem Wohnbereich verbessern wollten. Die erste Jugendfarm entstand 1962 in Stuttgart-Elsental, der erste Abenteuerspielplatz 1967 im Märkischen Viertel Berlins nach dem Vorbild der Gerümpel- und Bauspielplätze in Dänemark (1943), in England (1946) und den Robinsonspielplätzen der fünfziger und sechziger Jahre in der Schweiz. Ähnliche Initiativen errichteten weitere Abenteuerspielplätze, Robinsonspielplätze, Jugendfarmen und Kinderbauernhöfe, so daß in kürzester Zeit die Rede von einer „Abenteuerspielplatz-Bewegung“ gerechtfertigt war. Es folgten weitere Differenzierungen der Formen Offener Arbeit mit Kindern, etwa ab 1970 die Spielmobile, aber auch Kinderspielclubs und stadtteilbezogene Arbeit mit Kindern.

Diese Arbeitsbereiche Offener Arbeit mit Kindern entstanden im Zusammenhang einer Vielfalt von sozialen Experimenten der siebziger Jahre (Kinderläden, Alternativschulen, Wohngemeinschaften, Stadtteilarbeit und viele andere mehr). Alle entstanden im Zusammenhang der westdeutschen StudentInnenbewegung, also in einer Zeit, in der bis dato anerkannte Erziehungskonzepte und darüber hinaus die Soziale Arbeit insgesamt und die gesellschaftlichen Verhältnisse in ihrer Gesamtheit radikal hinterfragt wurden. Man kritisierte die vorfindbaren phantasielosen Spielplätze und die zunehmende Funktionalisierung der öffentlichen Lebensräume, in denen für spontanes Kinderspiel wenig Platz blieb. Man fand (und findet), die Möglichkeiten sinnlicher Erfahrung für Kinder seien eingeschränkt, die Kindheit insgesamt wäre kolonialisiert und kommerzialisiert und die zunehmende Verbreitung des Fernsehens hätte eine verheerende Wirkung auf Kinder. All diesen negativen Einflüssen sollte (und soll) Positives entgegengesetzt werden. StudentInnen, PädagogInnen und Eltern diskutierten Neills „Antiautoritäre Erziehung“ (1969), v. Braunmühls „Antipädagogik“ (1975), Makarenkos „Kollektiverziehung“ (1958) und andere alternative Konzepte, und sie versuchten, diese in ihren Initiativen und Projekten praktisch umzusetzen. Ihr Ziel war, die gesellschaftlichen Verhältnisse kurzfristig durch politische Aktion und langfristig durch eine alternative Kindererziehung zu verändern. 

Von Anfang an ließen sich die Fachkräfte der Offenen Arbeit mit Kindern durch die Diskussionen zweier verschiedener Arbeits- und Denkrichtungen inspirieren, durch die „Sozialpädagogik“ und die „Kulturarbeit“. Das Nebeneinander hat sich zeitweise zu einem Gegeneinander entwickelt und die Kontroverse der beiden Sichtweisen taucht in der Fachdiskussion immer wieder auf. KulturarbeiterInnen werfen den SozialpädagogInnen vor, sie würden „Defizitbearbeitung“ betreiben und die Kinder ausschließlich auf ihre Probleme reduzieren; die SozialpädagogInnen ihrerseits vermuten, daß die KulturarbeiterInnen lediglich Dinge tun, die ihnen selbst Spaß machen und ihre Angebote denjenigen unterbreiten, die pädagogisch ohnehin gut „versorgt“ sind. Um ein Verständnis für den Hintergrund dieser Vorwürfe zu wecken, zeigen wir kurz Entwicklungslinien beider Traditionen auf:

● Die sozialpädagogische Arbeit mit Kindern war – wie der gesellschaftspolitische Impetus der 70er Jahre insgesamt – alles andere als auf Defizitbearbeitung ausgerichtet (zum Beispiel die Kritik der kompensatorischen Erziehung). Seit den achtziger Jahren setzte in den Arbeitsfeldern der Sozialpädagogik die sogenannte „pragmatische Wende“ zur Alltagsarbeit und zur Lebenswelt der Kinder und Jugendlichen ein. Je stärker die Lebenswelt in den Focus genommen wurde, desto deutlicher wurden auch Phänomene, die aus der Sicht sozialpädagogisch ausgebildeter Fachkräfte als „Probleme“ diagnostiziert wurden. Gemessen an den Zielsetzungen von Autonomie und Partizipation war und ist es naheliegend, die Kinder durch „Defizitbearbeitung“ erst einmal in die Ausgangsposition zu bringen, von der aus sie diese Ziele angehen können.Denn wem es aufgrund seiner persönlichen Ausstattung an Handlungskompetenzen mangelt, der kann schwerlich an einer gesellschaftlichen Entwicklung zu mehr Humanität et cetera teilhaben. Daher unterscheidet zum Beispiel Giesecke fein zwischen „Politik“ und „Pädagogik“. Letztere soll die Grundlagen und Fähigkeiten entwickeln, die für eine politische Tätigkeit notwendig sind, nämlich „grundlegende menschliche Fähigkeiten der Urteilskraft, Toleranz, Engagement für den Schwächeren, Solidarität, Kooperationsfähigkeit usw.“ (Giesecke 1980, 452).Viele Fachkräfte versichern glaubwürdig, daß immer mehr „problembelastete“ Kinder und Jugendlicher in die Offenen Einrichtungen kommen, weil sie hier erleben, daß die PädagogInnen auf ihre Bedürfnisse eingehen. 

● Die Kulturarbeit mit Kindern entstand in der gleichen politischen Aufbruchsituation wie die Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Arbeitskreis Jugendarbeit 1987, 43). Der „soziokulturelle Ansatz“ richtet sich gegen den bürgerlichen Kulturbegriff und die „Kultur der Herrschenden“. Kultur soll „für alle“ da sein, sie soll nicht mehr die „zum Konsumieren“, sondern die „zum Selbermachen“ und „ästhetisch-sinnliche Praxis“ sein. Die ersten soziokulturellen Zentren wollten Zentren ästhetisch-politischer Stadtteilkultur sein. Als KulturarbeiterInnen verstanden sich KünstlerInnen aller Sparten, MedienarbeiterInnen, LehrerInnen, FreizeitpädagogInnen, HandwerkerInnen, aber selten SozialarbeiterInnen oder SozialpädagogInnen. Kulturelle Angebote für Kinder entstanden zunächst in der Museumspädagogik oder in Jugendmusik- und -kunstschulen, und man gründete Bezirks- und Landesarbeitsgemeinschaften für kulturelle Jugendbildung, die als „kulturelles“ Pendant der Jugendverbände gelten können. Die „Pädagogische Aktion“ München, ein Zusammenschluß von KulturarbeiterInnen, der auch heute für Kulturarbeit innerhalb der Offenen Arbeit mit Kindern steht, führte zu Beginn der siebziger Jahre die Spielmobilarbeit ein, die heute einen wesentlichen Arbeitsbereich der Offenen Arbeit mit Kindern darstellt. KulturpädagogInnen bieten den Kindern „Raum, Zeit und Zeug zum Spielen“ an, um ihnen damit umfassende sinnlich-ästhetische Lernprozesse zu ermöglichen. Sie arbeiten punktuell und/oder projekthaft und betonen die Lust und den Spaß der gemeinsamen Sache. Problembearbeitung steht nicht im Vordergrund und auch spezifische Zielgruppen im sozialpädagogischen Sinne werden meist nicht berücksichtigt. Kultur ist „für alle“ da. 

Nach einem jahrelangen Nebeneinander beider Schwerpunkte kommt es seit Mitte der 80er Jahre zu verstärkter Konkurrenz. Vor allem in der Offenen Jugendarbeit scheint die „Sozialpädagogik“ in der Defensive. Viele Häuser der Offenen Tür ändern ihre Konzeption in Richtung „Kulturarbeit“, wahrscheinlich auch, weil sie mit den Problemen, die die traditionellen BesucherInnengruppen aus den unteren Schichten mitbringen, nicht mehr zurecht kommen. Die „sozialpädagogische Fraktion“ kritisiert an dieser Tendenz, daß sich dadurch Kinder und Jugendliche der unteren Schichten nicht mehr angesprochen fühlen und auf andere Formen der Sozialen Arbeit angewiesen sind wie zum Beispiel Streetwork (etwa Arbeitskreis Jugendarbeit 1987; Belardi 1986; Puhl 1982). Die „Kulturfraktion“ hält dagegen, daß es ohnehin nicht die Aufgabe Offener Kinder- und Jugendarbeit sein dürfe, Sozialpädagogik zu betreiben. Erstens sei sie aufgrund ihrer Infrastruktur überfordert, zweitens sei es auch aus politischen Gründen falsch, sich für die integrativen Zwecke des Sozialstaates vereinnahmen zu lassen (Treptow 1986). 

In der Offenen Arbeit mit Kindern gibt es moderatere Positionen und Diskussionsergebnisse. In Arbeitsgruppen des ABA Fachverbandes (Der Nagel 1986/87, 7 ff.) und der Fachtagung „Spiel- und Lebensraum Großstadt“ (1987) wurden eher Gemeinsamkeiten herausgestellt und eine Zusammenarbeit propagiert, denn „eine Aktion wird nicht dadurch schlecht, weil ein anderer sie veranstaltet …“ (vergleiche dazu auch den vermittelnden Aufsatz von Lukas 1989).

Im Jahre 1975 gab es schon 70 bis 80 Abenteuerspielplätze und ca. 5000 Initiativen, die einen solchen Platz einrichten wollten (Aurin-Schütt 1992, 28). Um 1980 existierten etwa 350 Einrichtungen mit ca. 2000 MitarbeiterInnen (Nahrstedt 1981). Damit war die „Abenteuerspielplatz-Bewegung“ jedoch auch schon auf ihrem Höhepunkt angelangt. In den folgenden Jahren lösten sich die meisten Initiativen wieder auf, und/oder die Kommunen übernahmen die Trägerschaft der Plätze, eine Entwicklung, die als zunehmende „Institutionalisierung“ und „Kommunalisierung“ bezeichnet wird. In Nordrhein-Westfalen befanden sich beispielsweise gegen Ende der achtziger Jahre etwa 70 % der Einrichtungen Offener Arbeit mit Kindern in kommunaler Trägerschaft (vergleiche Deimel 1987, 13; vergleiche dazu auch Kapitel 8). 

Zur Zeit gibt es in der Bundesrepublik etwa 300 Abenteuerspielplätze (Krauss 1994). Die Verbreitung von Spielmobilen wurde 1994 auf etwa 400 geschätzt (BAG Spielmobile 1994). Zum Umfang der Offenen Arbeit mit Kindern in Jugendzentren gibt es kaum Zahlen. In Nordrhein-Westfalen gab es Anfang der neunziger Jahre in 90 % der Offenen Jugendeinrichtungen Angebote für Kinder; und diese stellten im Durchschnitt 40 % der BesucherInnenzahlen – Tendenz steigend (Hubweber 1990).

Zum „Absterben“ der Initiativen sei gesagt, daß Bürgerinitiativen prinzipiell eine begrenzte Lebensdauer haben. Sie engagieren sich, solange es um ihre persönlichen Belange geht und da, wo innerhalb einer begrenzten Zeitspanne die eigenen Kinder unter optimalen Bedingungen aufwachsen sollen. Institutionen hingegen – dazu noch besetzt mit professionellen PädagogInnen (mit dem Interesse an einer langfristigen Sicherung ihrer Arbeitplätze) sind auf „ewiges Bestehen“ ausgerichtet. Die beklagte Kommunalisierung bietet für die Belange von Professionellen die beste Garantie, wenn auch um den Preis der bürokratischen Organisation der Arbeit. 

Auch in der ehemaligen DDR gab es eine gewisse „Bewegung“: Seit 1979 gründeten sich sogenannte „Spielwagen“-Gruppen (in Berlin, Dresden, Halle, Leipzig, Magdeburg, Potsdam, Rostock u.a.). Den Anfang machte die Gruppe „Spielwagen Berlin I“, die auch als einzige Gruppe gezielt Kontakt mit der politischen Administration aufnahm und mit ihr verhandelte. Die Initiativen setzten sich aus den verschiedensten technischen, künstlerischen und pädagogischen Berufen und quer durch die Altersgruppen zusammen. Sie führten in ihrer Freizeit Spielnachmittage, Spielaktionen und Spielfeste mit teilweise großen Kindergruppen durch. Problematisch war immer die Frage des Transportes der Spielgeräte; bis auf die Gruppe „Spielwagen Berlin I“ verfügte keine Initiative über ein angemessenes Fahrzeug. Um 1984/1985 gab es die ersten Versuche der Selbstdarstellung: die engagierten MitarbeiterInnen „verkauften“ ihre „volkskünstlerische Tätigkeit“ als „betreutes musisches Kinderspiel“ (Kirchner 1990, 83). 1986 knüpfte man die ersten internationalen Kontakte. 

Die Offene Arbeit mit Kindern wurde also auch in der DDR gegen den Widerstand der „offiziellen“ Politik durchgesetzt. Hinzu kamen Probleme ideologischer Art, denn die Arbeit mußte immer mit Blick auf das einheitliche „Bildungs- und Erziehungsziel“ in der DDR und mit Rücksicht auf die Belange der öffentlichen Sicherheit und Ordnung legitimiert werden. Die MitarbeiterInnen zogen ähnlich wie im Westen zunächst viele Kinder an; in neuerer Zeit scheint die Offene Arbeit mit Kindern jedoch in eine „Krise“ zu geraten: die Kinder bleiben aus (Kirchner 1990, 81). Kirchner meint, daß der Neuigkeitswert der Spielwagen nachgelassen hätte und daß Elemente der Spielwagen-Pädagogik im Laufe der Zeit in die offiziellen Kinderprogramme der DDR eingegangen seien. Er beklagt, daß es bisher kaum betreute Spielplätze auf dem Gebiet der ehemaligen DDR gäbe. Ein anderer Punkt sei, daß sich die ostdeutschen Kinder im Verlauf der „Wende“ der gesamtgesellschaftlichen Entwicklung angepaßt und eher konsumorientierten Freizeitangeboten zugewandt hätten. Auch in Ostdeutschland gibt es eine ausgeprägte Theoriediskussion, die Umsetzung der konzeptionellen Überlegungen scheitert aber oft an Finanzierungsbarrieren. Angesichts der immensen Aufgaben des „Aufbau Ost“ bleiben Angebote Offener Arbeit mit Kindern Luxus.

In Westdeutschland ist schon lange „Krisenstimmung“ angesagt: Zunächst hatten die ProtagonistInnen ihre Arbeit intensiv dokumentiert, wie Nahrstedt mit einer umfangreichen Literaturliste für die erste Hälfte der 70er Jahre beweist (Nahrstedt 1981, 5). Aber schon seit Ende der 70er Jahre attestieren BeobachterInnen vor allem der Abenteuerspielplatz-Pädagogik und viele MitarbeiterInnen sich selbst eine schwere Krise. Ein „Zeitzeuge“, der seit über 10 Jahren auf einem Abenteuerspielplatz arbeitet, schreibt: „Man wollte den – vorgeblichen – Muff und Staub dieser ‚geschlossenen‘ Arbeit abschütteln und zu neuen Ufern aufbrechen. … Die Offene Arbeit mit Kindern sollte ihre Adressaten klüger, begabter, reicher usw. machen, kurzum: Die Unterdrückung der Kinder sollte aufgehoben werden. Auf diesem Wege könne im Laufe der Zeit, so die Hoffnung, Emanzipation insgesamt auf eine breitere Basis gestellt werden. Am Anfang schien auch alles bestens zu laufen. Die alten Bastionen erzitterten. … Doch dann, weiß der Teufel warum, geriet der Emanzipationszug ins Stocken. Das, was wie eine Alternative zum Herkömmlichen aussah, erwies sich als mangelhafte Kopie. Denn im Grunde machte Offene Arbeit mit Kindern dasselbe, was schon immer lief, bisweilen sogar noch etwas dürftiger“ (Thilke 1987, 10). Thilke deutet damit an, daß das neue Arbeitsfeld nach einem hoffnungsvollen Start in andere als die geplanten Bahnen geriet: 

Mit der „politischen Wende“ von der sozial-liberalen Koalition zur CDU-Regierung wandelte sich das „Reform-Klima“ und auch die Abenteuerspielplatz-Bewegung „ermüdete“. Teilweise hatten die engagierten WegbereiterInnen der Offenen Arbeit mit Kindern die politischen und institutionellen Bedingungen unrealistisch eingeschätzt, und sie machten nun die Erfahrung, daß sie ihre Vorstellungen nicht so einfach umsetzen konnten. In der konkreten, kontinuierlichen Alltagsarbeit stellten sich zum Beispiel andere Probleme als die konzeptionell angedachten. Es ging um Alltagskonflikte, mühsame Materialbeschaffung usw.. Auch die Objekte der Bemühungen, nämlich die Kinder selbst, widersetzten sich so manchen Wünschen der MitarbeiterInnen nach Veränderung. Darüber hinaus haben sich auch die Interessen und Zielsetzungen von PädagogInnen gewandelt und die „neue Generation“ bezieht sich kaum auf die (noch so jungen) „Wurzeln“ der Offenen Arbeit mit Kindern. Als Hauptursache der Dauerkrise wird jedoch zu allen Zeiten und in Ost und West die restriktive Sparpolitik im Sozialbereich ausgemacht. 

Man kann den Wandel vom politischen „Aufbruch“ zur pädagogischen Arbeit in den Institutionen jedoch auch als „Wandel im Verständnis der Praxis“, als „pragmatische Wende“ und einen „Prozeß bewußter Pädagogisierung, der die methodischen und didaktischen Voraussetzungen dauerhafter Lernprozesse ihrer Bezugsgruppen in den Vordergrund rückt“ verstehen, wie es Barabas u.a. schon 1978 taten (Barabas u.a. 1978, 492 ff.). PädagogInnen, die die Lebenswelten der Kinder und Jugendlichen in den Mittelpunkt stellen, kommen nämlich manchmal zu einer ganz anderen Praxis, als sie selbst zunächst gedacht haben. 

Darüber hinaus wandelt sich dieses Arbeitsfeld wie alle anderen Arbeitsfelder auch im Laufe der historischen Entwicklung. Die politischen Bedingungen ändern sich und damit auch die der Offenen Arbeit mit Kindern zugedachten Funktionen (vergleiche Kapitel 3). Auch die Ansprüche und Bedürfnisse aller Beteiligten müssen ständig neu ausgehandelt werden. Es ist gut möglich, daß einige PädagogInnen diesen Wandel nicht wahrhaben wollen, oder daß deren Richtung ihnen nicht behagt – was immerhin (persönliche) Krisen auslösen kann. Unserer Meinung nach hat das nun schon annähernd 15 Jahre andauernde Gerede von einer Krise diesen Begriff entwertet. Das Arbeitsfeld der Offenen Arbeit mit Kindern ist das Kind einer sozialen Bewegung. In dem Moment, in dem sie sich institutionalisiert, erreicht sie ein neues Stadium ihrer Entwicklung. Neue Probleme und Perspektiven stellen sich, die nicht mit einem weinerlichen Rückblick auf vergangene Zeiten zu bewältigen sind. Wir plädieren daher dafür, dieses Arbeitsfeld unter didaktischen Gesichtspunkten neu zu vermessen – in Kenntnis der Geschichtlichkeit der Offenen Arbeit mit Kindern und unter Berücksichtigung der zeitgenössischen gesellschaftlichen Herausforderungen. 

Neue Abenteuerspielplätze werden zur Zeit fast ausschließlich in Ostberlin und den neuen Bundesländern gegründet (etwa in Dresden, Berlin, Magdeburg, Hoyerswerda) und die durch den Vereinigungsprozeß und die wirtschaftliche Rezession zunehmende Finanznot der Kommunen bedroht derzeit viele Einrichtungen der Offenen Arbeit mit Kindern. Doch trotz „finanzieller Krise“ und „Krise des Selbstverständnisses“ gibt es heute eine Vielfalt von Ausprägungen Offener Arbeit mit Kindern. Auf dem „Grauen Markt“ kann man eine unübersehbare Anzahl von Praxisdokumentationen finden, die Trends und Arbeitsprinzipien abbilden. 

Weiterführende Literatur

Als „geschichtliche“ Dokumente bieten sich an: 

● Autorengruppe ASP/MV: Abenteuerspielplatz: wo Verbieten verboten ist. Reinbek 1973 (leider vergriffen, wird möglicherweise demnächst vom ABA Fachverband nachgedruckt)

● Autorengruppe Westberliner Volkstheaterkooperative: Blumen und Märchen. Stadtteilarbeit mit Kindern im Märkischen Viertel Berlin. Reinbek 1974 (leider vergriffen)

● Mayrhofer, Hans; Zacharias, Wolfgang: Aktion Spielbus. Spielräume in der Stadt – mobile Spielplatzbetreuung. Weinheim und Basel 1973

Neuere Aufsatzsammlungen, die auch die bisherige geschichtliche Entwicklung dokumentieren, sind: 

● Bund der Jugendfarmen und Aktivspielplätze (Hg.): Abenteuerspielplätze und Kinderbauernhöfe. Eine Arbeitshilfe. Bezugsadresse: Haldenwies 14, 7000 Stuttgart 80

● Deutsches Kinderhilfswerk e.V.; Landesfachgruppe Spielmobil NRW; IPA – Recht auf Spiel e.V. (Hg.): Das Spielmobilbuch. Berlin 1990 (FIPP Verlag)

Mit der Offenen Arbeit mit Kindern unter den derzeitigen „Krisenbedingungen“ beschäftigen sich:

● Bähnisch, Dieter u.a.: Frostige Zeiten für die Kinder- und Jugendarbeit. Ein Gespräch In: Verbandskurier, 1. Quartal 1993, S. 4 – 15

● Fromme, Johannes: Perspektiven Offener Kinderarbeit. In: Harms, Mannkopf (Hrsg.): Spiel- und Lebensraum Großstadt. Berlin 1989; S. 95 – 102

● Hafeneger, Benno: Offene Kinder- und Jugendarbeit unter Krisenbedingungen. Zwölf Thesen zu neuen Herausforderungen. In: deutsche jugend, Heft 4, 1994, S. 181 – 184

● Hubweber, Norbert: Offene Kinder- und Jugendarbeit in NRW. Entwicklungen, Konzepte – Angebote – Daten. Expertise zum 5. Jugendbericht der Landesregierung. Kath. LAG Heim der Offenen Tür NRW, Marzellenstr. 32, 50668 Köln (Dokumentation der jugendpolitischen, institutionellen, personellen und konzeptionellen Entwicklungen in der Kinder und Jugendarbeit in den vergangenen 10 Jahren; Norbert Hubweber hat darüber hinaus eine Literatursammlung zur Offene Kinder- und Jugendarbeit für die Jahre 1955 – 1990 zusammengestellt.

● Kupfer, Hartmut: Liebe Antje (Ein Leserbrief). In: Verbandskurier, 1. Quartal 1993, S. 34 – 36 (Einschätzungen zum „Weg“ und zur Akzeptanz der Abenteuerspielplätze heute)

● Kupfer, Hartmut: Zur Situation der Offenen Arbeit mit Kindern. Einige kritische Anmerkungen. In:  Der Nagel, 56/1994, S. 63 – 66

● Schottmayer, Georg: Der betreute Spielplatz: Pädagogisches Relikt, zeitgemäßer Spielraum oder unverzichtbarer Lebensraum für Kinder? In: Verbandskurier. 2. – 4. Quartal 1993, S. 27 – 35

NAGEL-Redaktion – Die Etablierung der Offenen Arbeit mit Kindern

Ohne dass Deutschland bis dahin davon tangiert wurde, hatte sich im europäischen Ausland eine Variante Offener Arbeit für Kinder etabliert. So hatte der dänische Gartenbauarchitekt, Künstler und Kunstprofessor Carl Theodor Sørensen (1893-1979), der in Kopenhagen zeitweilig zuständig für die Errichtung von Spielplätzen war, bereits im Kriegsjahr 1943 den Prototypen des pädagogisch betreuten Spielplatzes geschaffen. Dieser entstand auf einer Fläche von 6.000 qm in Emdrup, einem Kopenhagener Vorort. Sørensen schlussfolgerte aufgrund seiner Beobachtung, dass die Kinder seine „schönen“ und erwachsenengerechten Spielplätze nicht bzw. nur wenig annahmen, diese müssten sich anderenorts Spielgelegenheiten erobern. Und er entdeckte sie auf Schrotthalden, Brauchflächen, Trümmergrundstücken und Baustellen. Hieraus konzipierte er in Zusammenarbeit mit dem Architekten D. Fink zunächst die Idee der „skrammellegepladsen“ (Gerümpelspielplätze). Das Spielangebot bestand aus Gerümpel, Schrott und Schutt jeglicher Art. Aus den Gerümpelspielplätzen entwickelten sich in Folge in weiten Teilen Dänemarks die „byggelegepladsen“ (Bauspielplätze).


Skrammellegeplads in Kopenhagen (Foto: Königlich Dänisches Ministerium des Äußeren, Kopenhagen, gefunden bei Gerhard Aick: Die Befreiung des Kindes, Schriftenreihe der IGA 1963 Hamburg – Repro: Rainer Deimel)

Auffallendes Merkmal der dänischen Bauspielplätze war die Intention, Kindern die Welt der Erwachsenen auf kindgemäße Art und Weise zugänglich zu machen: im Grunde wurde hier das Leben der Erwachsenenwelt auf Kinderterritorien nachgespielt, um den Umgang damit zu vermitteln. In diesem Kontext sollte erwähnt werden, dass Kinderinteressen in Skandinavien schon wesentlich länger eine wichtigere Rolle als beispielsweise in Deutschland spielen.


Bellhøj Skammellegeplads (Foto: abm.nu, ABA Fotobutikke)


Früher Byggelegeplads 1949 (Foto: Willy F. Hansen)


Byggelegeplads (Foto: Bymuseum Kopenhagen, Kulturministerium Dänemark)

Die britische Gartenbauarchtektin Lady Allen of Hurtwood verschaffte sich gegen Ende der 40er Jahre in Skandinavien einen Eindruck über diese Form Offener Arbeit mit Kindern. Sie nivellierte jenen konzeptionellen Ansatz, indem sie besagten offenen Einrichtungstypus ab 1948 in Großbritannien vornehmlich in verdichteten industriellen Ballungsgebieten (London. Manchester, Leeds usw.), in denen Kindern natürliche Spielräume in besonderem Maße abhanden gekommen waren, einführte, ein „künstliches Abenteuer“ sozusagen. Hier taucht dann auch erstmalig der Begriff „adventure playground“ (Abenteuerspielplatz) auf. (1)

Ein erster Abenteuerspielplatz entstand ebenfalls Anfang der 50er Jahre in den Niederlanden, nämlich in Amsterdam. Sein anfänglicher Name „Jongensland“ deutete bereits auf seine ursprüngliche konzeptionelle Intention hin: dieser im Amsterdamer Osten auf einer Halbinsel im Ijsselmeer gelegene Platz sollte präventtiv und interventiv wirksam werden. Seine Zielgruppe waren Jungen, die durch die Kriegs- und Nachkriegswirren stark gefährdet waren und als Straßenkinder ihr „Unwesen trieben“. Dieser über 40.000 qm große Platz existiert nach wie vor; seit geraumer Zeit ist er ein „normaler“ Abenteuerspielplatz, nennt sich „Jeugdland“ (Jugendland) und ist eingebettet in die Jugendhilfelandschaft der „Stichting Amsterdam-Oost“.


Jongensland in den 1950-er Jahren (Foto: Het Geheugen van Oost, Amsterdam)

In den Niederlanden hat sich die Idee der betreuten Spielplätze als Einrichtungen der Offenen Kinderarbeit seit Anfang der 50er Jahre verbreitet. Schwerpunkte bilden die Städte Utrecht und Arnheim. Seit Anfang der siebziger Jahre sind diese Plätze meist formell in Bouw- bzw Avontuurenspeelplatsen bzw. -tuins (Bau- bzw. Abenteuerspielplätze bzw. -gärten) umgewandelt worden. Die unterschiedlich starke Verbreitung ist dadurch erklärbar, dass es sich bei der Einrichtung derartiger Angebote um „freiwillige“ kommunale Aufgaben handelt. (2)

1956 wurde in der Schweiz, in Zürich, mit Unterstützung der Stiftung „Pro Juventute“ (3) der erste „Robinsonspielplatz“ eingerichtet, weitere im ganzen Land folgten. „Pro Juventute“ vertrat die Ansicht, ein Spielplatz müsse eine gewisse „Spieldramatik“ besitzen. (4) Der Begriff „Robinsonspielplatz“ wurde in Deutschland anders interpretiert. Hierzulande wurden etwa ab Anfang der 60-er Jahre sogenannte Robinsonspielplätze ohne die auf Abenteuerspielplätzen typische Eigenaktivität der Kinder installiert. Ausgehend von der „IGA 63“ (der Internationalen Gartenbau-Ausstellung, die 1963 in Hamburg stattfand), handelte es sich nicht selten dabei um groß dimensionierte und entsprechend kostspielige Projekte mit (starren) Geräten aus Holz und anderen Materialien: Hängebrücken, Forts, Blockhütten, Aussichts- und Klettertürmen. (5)


Planten un Blomen in Hamburg. Der abgebildete Spielplatz entstand zur IGA 1963. Das Foto stammt aus dem Jahr 2005 (Foto: Wolfgang Feld, eingestellt bei Wikipedia)

Ein vergleichbarer Spielplatztypus wurde auch in der DDR entwickelt. Obwohl diese Einrichtungen im offiziellen Sprachgebrauch „Spielanlagen“ (6) hießen, wurden sie häufig von der Bevölkerung als „Abenteuerspielplätze“ bezeichnet. Dieser Umstand erklärt, weshalb sich die AktivistInnen vor und auch nach „der Wende“ mit dem Begriff „Abenteuerspielplatz“ zunächst schwer taten.


Spielplatz in der DDR: Bewegungsmöglichkeiten für Kinder spielten seinerzeit in der DDR eine große Rolle (Quelle des Bildes: Spielanlagen für Kinder und Jugendliche, Bauakademie der DDR, 1979 – Repro: Rainer Deimel)

Im Gegensatz zu den ursprünglich in Westdeutschland als „Robinsonspielplatz“ und in der DDR als „Abenteuerspielplatz“ bezeichneten Anlagen fand und findet auf den Schweizer Robinsonspielplätzen Offene Arbeit statt. Sie sind betreut und verfügen über typische Bereiche wie Feuerstelle, Wasser, Tierhaltung usw. Der Bauspielplatz ist häufig ein separater Bereich innerhalb des Robinsonspielplatzes. Zeitweilig war oder ist der Bauspielbereich für Erwachsene, die nicht auf dem Platz arbeiten, nicht zugänglich ist, damit die Kinder ungestört sein können.

In Schweden wurde ab 1964, zunächst in Göteborg, ein weiterer offener Einrichtungstypus für Kinder geschaffen, die „Spielparks“, eine Idee, die auch in Finnland und Jahre später in Deutschland, nämlich in Hannover aufgegriffen wurde. In Finnland gibt es für Bauspielplätze auch die Bezeichnung „Konstruktionsspielplätze“.Obwohl Fachleute in Deutschland immer wieder auf die Bedeutung derartiger offener Angebote hingewiesen hatten, konnte bis zu den ausgehenden 60er Jahren diesbezüglich nichts bewegt werden.

Zeitgenössische Bilder


Spielplatz in Hamburg 1963 (Repro: Rainer Deimel)

Das Foto, das Gerhard Aick in der Schriftenreihe zur IGA 1963 unter dem Titel „Die Befreiung des Kindes – Kleine Kulturgeschichte des Spiels und des Kinderspielplatzes“ veröffentlichte, wurde von ihm folgendermaßen untertitelt: „In Deutschland sucht die Spielplatzgestaltung neue Wege. Hier ein Spielplatz in Hamburg mit Geräten in filigraner Stahlröhrenkonstruktion.“


Spielplatz in Zürich 1963 (Repro: Rainer Deimel)

Auch dieses Bild veröffentlichte Gerhard Aick in dem genannten Bändchen. Hier ist folgende Bildunterschrift zu finden: „Die Schweiz ist führend in der Spielplatzgestaltung: Kriechröhren, Pilzhütten, Schaukelbretter und Kletterturm mit Schutzdach auf einem Spielplatz in Zürich.“

**********

Fußnoten

(1) Großbritannien verfügt über ein dichtes Netz von adventure playgrounds; allein in London gibt es ca. 100.
(2) Ferner gibt es in den Niederlanden gegenwärtig zwischen 300 und 400 „Kinderboerderijen“ (Kinderbauernhöfe). Diese befinden sich in sehr unterschiedlicher Trägerschaft; oft sind die Betreiber Privatpersonen oder private Personenzusammenschlüsse (Hausfrauen, Rentner usw.), aber auch Gemeinden, Kirchen usw. Diese Kinderboerderijen haben eher den Charakter von Streichelzoos. Für diesen Einrichtungstypus tauchte in Belgien vor Jahren zutreffenderweise zeitweilig der Begriff „Vitrine-Zoo“ auf. Die Avontuuren- und Bouwspeelplatsen verfügen regelmäßig auch über eine Kinderboerderij.
(3) Die Stiftung „Pro Juventute“ fungierte längere Zeit als Dachverband für die Schweiz. Für einige Jahre existierte ein weiterer Dachverband für die Offene Kinderarbeit, „SpeuX“. Der Verband hat zwischenzeitlich seien Arbeit wieder eingestellt. „SpeuX“ war ein Kunstwort und wurde aus dem deutschen Begriff „Spiel“ und der französischen Analogie „Jeux“ zusammengesetzt.
(4) Gerhard Aick: Die Befreiung des Kindes, Hamburg 1963, S. 40
(5) Das zuvor genannte Bändchen von Gerhard Aick weist auf die seinerzeitige Entwicklung hin.(6) vgl.: Bauakademie der DDR/Institut für Städtebau und Architektur (Hg.): Spielanlagen für Kinder und Jugendliche, Berlin 1979

Hinweis

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel. Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster 1997, Votum Verlag.
Das Buch ist inzwischen vergriffen. Unser Fachbeiratsmitglied Prof. Dr. Hiltrud von Spiegel hat uns das Manuskript dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise können wir es Ihnen hier anbieten. Zum Buch gelangen Sie, wenn Sie vorstehenden Titel anklicken.

Das Kapitel „Zur Geschichte der Offenen Arbeit mit Kindern“ können Interessierte von hier aus auch direkt laden.

NAGEL-Redaktion – Gautinger Beschlüsse

Die Arbeitsgemeinschaft für Jugendpflege und Jugendfürsorge fasste 1953 die sogenannten Gautinger Beschlüsse (1). Hierbei handelte es sich um eine erste Orientierung für die neu entstehende Offene Jugendarbeit. Die hier formulierten Aussagen machen die damalige Sichtweise auf junge Menschen deutlich. Dort heißt es u.a.:

Die Aufgaben des Heims der offenen Tür

Das Heim der offenen Tür ist eine Freizeit- und Begegnungsstätte im freien Erziehungsraum und ergänzt die Erziehung im Elternhaus, in der Schule und im Beruf. Es dient der gesamten Jugend und muss allen offen stehen. Im Heim der offenen Tür soll der junge Mensch der sozialen Gesamheit begegnen; deshalb muss das Heim der offenen Tür die soziale Struktur der Gemeinde oder Nachbarschaft widerspiegeln.

Das Heim der offenen Tür vermittelt dem jungen Menschen das Gemeinschaftserlebnis und weist ihm Wege zur Welt der Erwachsenen. Dadurch lernt er, dass mit dem Erwerb von Rechten auch die Übernahme von Pflichten verbunden ist. Diese Erkenntnis bildet die Grundlage für die staats- und mitbürgerliche Pflicht.

Das Heim der offenen Tür hat die Aufgabe, im jungen Menschen die Kräfte zu wecken, die zu einer freien, selbstständigen und selbstverantwortlichen Persönlichkeit führen.

Durch Interessengruppen und Arbeitsgemeinschaft werden brachliegende Fähigkeiten und Neigungen erkannt und entwickelt. Damit wirkt das Heim der offenen Tür ausgleichend und fördernd zur Tätigkeit in der Schule und im Beruf.

Die Erziehungsarbeit im Heim der offenen Tür findet da ihre Grenze, wo es um die Formung der Persönlichkeit unter weltanschaulicher oder parteipolitischer Zielsetzung geht. 

Neben diesen allgemeinen Aufgaben ergeben sich aus der jeweiligen sozialen und politischen Situation besondere Aufgaben, für die das Heim der offenen Tür geeigneter Träger sein kann.

Quelle: Willy Klawe: Arbeit mit Jugendlichen, Juventa Verlag 1996, Seite 87 (zitiert nach Hermann Giesecke: Handbuch Kinder- und Jugendhilfe, 1983)

**********
(1) Nach der Tagungsstätte, dem Institut für Jugendarbeit des Bayerischen Jugendrings in Gauting, benannt.

 

NAGEL-Redaktion – Nach 1945

Nach 1945 wurde in der Jugendarbeit teils an den Traditionen der Weimarer Republik angeknüpft. Das Fundament für die Offene Jugendarbeit wurde in der Besatzungszeit nach dem Zweiten Weltkrieg – zunächst in der amerikanischen Zone – gelegt. Den Amerikanern kam es darauf an, junge Deutsche zu „demokratisieren“: Ehemaligen Faschisten bzw. faschistisch Erzogene sollten zu Demokraten nach US-Vorbild umerzogen werden; wesentliche Inhalte und Prinzipien der GYA-Heime (German Youth Activities) waren Offenheit (Freiwilligkeit), Mitbestimmung, „weltanschauliche Neutralität“ (1) und „staatspolitische Erziehung“, die spätere „politische Bildung“. In der britischen Zone war ein „demokratischer Grundkonsens“ konzeptionell leitend, in der französischen Zone sollte es zu einer Verbindung von Jugendarbeit und Volksbildung kommen und in der russischen Zone (der späteren DDR) wurde antifaschistische Jugendarbeit postuliert. (2)


Ehemaliges GYA-Heim (Anne-Frank-Haus) in Karlsruhe (Quelle: Stadt Karlsruhe – Stadtgeschichte, Foto: Schlesiger)

Die Jugendpolitik der Allierten wirkt bis in die Gegenwart hinein. Während sich die Briten in ihrer Besatzungszone deutlich „laxer“ in Bezug auf staatliche Einflussnahme als die Amerikaner verhielten, entstanden adäquate Trägerstrukturen: So ist nachvollziehbar, dass es bislang bezüglich der Trägerschaft (in der alten Bundesrepublik) ein deutliches Nord-Süd-Gefälle gab und gibt: Im Norden ist nach wie vor ein Übergewicht der kommunalen Träger feststellbar, während im Süden fast ausschließlich freie Träger vorzufinden sind. (3)

Während die FDJ (Freie Deutsche Jugend), die Jugendorganisation der KPD, in Westdeutschland durch die Adenauer-Regierung 1951 verboten wurde (4), erhielt die 1946 gegründete Organisation in der DDR den Status eines staatlichen – monopolistischen – Verbandes mit der Untergliederung der „Jungen Pioniere“ für Kinder von sechs bis 14 Jahren. Die Wertigkeit der FDJ als staatliche Organisation war insofern immens, als „Erziehung und Bildung“ in der DDR unter das Staatsmonopol fielen. Die Strukturen in der DDR waren mit denen in der BRD kaum vergleichbar. (5)


Gründungsfeier der FDJ im Berliner Friedrichstadtpalast in der DDR 1947 (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-T1017-326)

Symptomatisch für die Jugend nach dem zweiten Weltkrieg war sowohl in den drei Westzonen als auch in der Ostzone die immense Zahl von Arbeitslosen und generell katastophale Lebensverhältnisse: viele Väter waren gefallen bzw. noch in Kriegsgefangenschaft, es herrschte absolute Wohnungsnot und Schulnotstand; es mangelte an Nahrung, Kleidung usw. Verschärft wurde dieser Zustand durch ein hohes Maß an Vertriebenen aus dem Osten, die häufig in provisorischen Massenunterkünften untergebracht waren.

Parallel zu den entstehenden Strukturen der Offenen Jugendarbeit nahmen in der 50er Jahren in Westdeutschland auch die Jugendverbände ihre Aktivitäten wieder auf. Diesen gelang es zunehmend, Einflüsse auf die entstehende bzw. entstandene Offene Jugendarbeit zu nehmen, sodass oftmals die Differenzierung zwischen verbandlicher und Offener Arbeit verwischt wurde: wenngleich das Postulat der freiwilligen Teilnahme nach außen hin erklärt wurde, stellte sich der Absicht, weltanschauliche und religiöse Tendenzen in die Offene Arbeit einzubringen, als nicht unproblematisch dar. Vor allem nach dem Rückzug der Amerikaner (GYA) führte dies zu einer Beschneidung der bisherigen Angebote, gepaart mit Jugendfürsorgeabsichten. Die Jugendfreizeitheime mussten „den Jugendverbänden ideologisch ihre Referenz erweisen, … möglichst viele ihrer Besucher zu einer (…) Mitgliedschaft zu animieren“. (6) Diese Intervention ging zu Lasten von Mitbestimmung und Freiwilligkeit; die Träger definierten in der Regel, was für die Jugendlichen „sinnvoll“ war. In der Folge dominierten dementsprechend „angepasste“ (Mittelschichts-)Jugendliche die Heime.


Gewagte Jugend (Foto: Chargesheimer, veröffentlicht in: Lutz Nierhammer et al.: „Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst“, Essen 2006)

Ferner war festzustellen, dass sich die Träger bis in die 50er Jahre koedukativen Freizeitmöglichkeiten widersetzten; dies nicht etwa in der heutigen Absicht, den Geschlechtern in emanzipatorischer Hinsicht Hilfestellungen zu gewähren, sondern um vermeintliche Gefährdungen, die vom anderen Geschlecht ausgingen, zu vermeiden. So findet sich noch in einem Tagungsbericht des Landesjugendamtes Rheinland aus dem Jahre 1960 der Hinweis, Mädchen würden in gemischten Heimen einen störenden Einfluss dadurch ausüben, indem sie „mit ihren Stöckelschuhen und Petticoatröcken durch das Heim gehen und es nach kurzer Zeit verlassen mit dem Ergebnis, dass die Jungen mit ihren Motorrädern hinterherjagen.“ (7)


Mädchen in gemischten Heimen stören (Quelle: Universität Ulm)

Die „Heime der teiloffenen Tür“, die ab 1950 in Nordrhein-Westfalen gegründet wurden, sind ein Ergebnis dieser Verschiebungen; waren es die Verbände, in deren Trägerschaft diese Variante „Offener Arbeit“ sich befanden. Giesecke vermisste hinter diesem Vorgang ein pädagogisches Konzept. Seiner Meinung nach ging es nicht darum, Angebote für nicht organisierte Jugendliche zu schaffen, sondern sich öffentliche Subventionen in die Verbandskasse einzuverleiben. (8)

1953 gab es 110 Freizeitheime, davon die meisten in Großstädten. Der überwiegende Teil (70 %) wurde kommunal getragen, ferner fungierten die Kirchen (9 %) und separate Vereine als Träger. (9)

Die ersten Richtlinien für die Offene Jugendarbeit wurden 1953 in Gauting, in Form der sogenannten Gautinger Beschlüsse gefasst. Hierin wurde eine Definition der Einrichtung sowie die Festschreibung bestimmter Standards vorgenommen, z.B. über die Öffnungszeiten. Ferner wurden konzeptionelle, programmatische und methodische Vorgaben gemacht. Wenngleich gewisse inhaltliche Analogien zu den GYA-Ansätzen nicht zu übersehen waren, blieben etliche Kritikpunkte bestehen, z.B. die sehr starke Orientierung an einer Mittelschichtsklientel, die Traditionsverhaftung in überkommenen Ansichten, die Ausklammerung des schwierigen Verhältnisses zwischen Offener Arbeit und der Verbandsjugendarbeit sowie die völlige Ausklammerung des (unverarbeiteten) Nazivermächtnisses. (10)

Die Praxis dieser betulichen Offenen Jugendarbeit sorgte dann dafür, dass ein Großteil der Jugendlichen sich anderweitig orientierte, nämlich in Szenen, in denen Raum für ihre Interessen vorhanden war. Ihren Ausdruck fand diese Kultur im Rock’n Roll und (1955/56) in den sogenannten „Halbstarkenkrawallen“. „Der Rock’n Roll war die Musik der Halbstarken in Blue Jeans und Lederjacken, die gegen Muff, enge und erotische Enthaltsamkeit zu rebellieren begann.“ (11)


„Halbstarke“ 1956 (Quelle: Bildarchiv Preussischer Kulturbesitz)

Wie erwähnt war in der DDR als einzige Jugendorganisation die FDJ offiziell zugelassen. Ihr wesentliches Ziel war es, Parteikonformität gegenüber der SED zu erreichen. Sie diente als Kaderreserve nicht nur für die Partei, sondern suchte den Anschluss an alle relevanten Instanzen im Staat, etwa die Wirtschaft, das Militär, Schulen, Hochschulen und Betriebe. Ferner war die FDJ für eine systemkonforme Freizeitgestaltung verantwortlich. Sie war als Karrieresprungbrett für junge Menschen erforderlich (12). Jutta Ecarius und Cathleen Grunert beschreiben Kindheit und Jugend in der DDR als gegenüber der seinerzeitigen westdeutschen Sozialisation als „viel stärker institutionalisiert“. (13)


FDJ-Delegation beim Festumzug bei den 2. Weltjugendspielen im August 1949 in Budapest (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-R78424)

***********

Fußnoten

(1) vgl. Lothar Böhnisch: Historische Skizzen zur offenen Jugendarbeit I, in: deutsche jugend 10/1984, S. 461
(2) vgl. Wolfgang Bauer: JugendHaus. Geschichte, Standort und Alltag Offener Jugendarbeit. Weinheim/Basel 1991, S. 28
(3) Seit Inkrafttreten des SGB VIII/KJHG (ab dem 1.1.1991) und mehr noch in Folge jüngerer Haushaltskonsolidierungsbemühungen seitens der Kommunen scheint es zu einer stärkeren Anpassung zu kommen: Es kann eine Art „Privatisierungstrend“ beobachtet werden; ehemals kommunale Einrichtungen werden in freie Trägerschaft überführt.
(4) vgl. Lutz von Werder: Sozialistische Erziehung in Deutschland 1848-1973, Frankfurt am Main 1974, S. 253
(5) Gleichwohl mag es erstaunen, dass in den über 40-Jahren BRD- und DDR-Geschichte die Interessenlagen der Jugendlichen sich nicht eklatant unterschieden. Dies kann beispielsweise auch dem Film „Das Jahrhundert des Kindes im Jahrhundert des bewegten Bildes“ entnommen werden, den Otto Schweizer und Donata Elschenbroich vom Deutschen Jugendinstitut im Auftrage der FernUniversität Hagen produziert haben, Hagen 1998.
(6) Hermann Giesecke: Die Jugendarbeit. München, 3. Auflage 1975, S. 91
(7) Sabine Doll: Wir lassen uns nicht verdrängen. Mädchenarbeit in Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen (DER NAGELKOPF Nr. 9/1988), Unna (ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern) 1988, S. 7
(8) vgl. Hermann Giesecke 1975, a.a.O., S. 91 f.
(9) vgl.Franz-Josef Krafeld: Geschichte der Jugendarbeit, Weinheim 1984, S. 151
(10) vgl. hierzu auch: Wolfgang Bauer, a.a.O., S. 30 f; Hermann Giesecke: Politische Bildung in der Jugendarbeit, München 1980, S. 47; Lothar Böhnisch, a.a.O., S. 466; Peter Kohrs: Jugendliche in der Bundesrepublik Deutschland, Stuttgart 1985, S. 31
(11) Wolfgang Bauer, a.a.O., S. 31
(12) vgl. Ulrich Mählert/Gerd-Rüdiger Stephan: Blaue Hemden – Rote Fahnen. Die Geschichte der Freien Deutschen Jugend, Opladen 1996. Weitere Informationen zu dieser Thematik können entnommen werden aus: Hans-Jürgen von Wensierski: Freie Deutsche Jugend?, in: deutsche jugend 4/1998 sowie: Neunter Jugendbericht der Bundesregierung, Bonn 1994
(13) vgl. Jutta Ecarius/Cathleen Grunert: Verselbständigung als Individualisierungsfalle, in: Jürgen Mansel (Hg.): Glückliche Kindheit – Schwierige Zeit? Über die veränderten Bedingungen des Aufwachsenens, Opladen 1996, S. 196

Weiterführende Links

Zweiter Weltkrieg (Wikipedia)

Die 1940er-Jahre (Wikipedia)

Die 1950er-Jahre (Wikipedia)

Mitglied werden

ABA-Mitglieder begreifen sich als Solidargemeinschaft. Sie setzen sich in besonderer Weise für die Belange der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein.

Aktuelle Projekte

Was macht der ABA Fachverband eigentlich? Hier stehts´s! Besuchen Sie die derzeitigen ABA-Baustellen.

Der i-Punkt Informationsdienst: handverlesene Infos aus der ABA-Welt, regelmäßig und kostenlos, direkt in Ihr Postfach.
Hinweis: Ihre E-Mail Adresse wird gespeichert und verarbeitet, damit wir Ihnen eine Bestätigungsmail schicken können. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Nach oben scrollen