Christopher Roch

NAGEL-Redaktion – Wir leben vom Judentum und vom Griechentum

„Seit ein Gespräch wir sind …“ (Hölderlin) 

Die Besinnung auf die Herkunft unserer Kultur anhand einiger Fragen an das Labyrinth von Knossos in Kreta, das für die pädagogische Umsetzung im Erfahrungspark des SJC Hövelriege Verwendung fand, ist Teil eines größeren Werkes über „Produktionsfaktoren und Lernen“ von Prof. Willy Bretschneider. Die Bilder sind von Nikolaus Vollmer


Mit Lévinas können wir sagen: Wir leben vom Judentum, und wir leben von den Griechen, und das Leben von beiden ist unser Genuss.

Es ist unser Genuss nicht erst, wenn wir ihre Schriften studieren und ihre Sprachen beherrschen, wenn wir also die antiken Lern- und Lehrstoffe in uns aufgenommen haben. Wir leben vielmehr jederzeit von den jüdischen und griechischen Kulturen; und das kann nur heißen: Wir atmen jüdischen und griechischen Geist in einer Atmosphäre, die durch und durch von ihren Bemühungen, die Welt zu verstehen, getränkt ist. Das Weltverständnis der Griechen und Juden ist unser Milieu. Ob wir es eingestehen wollen oder nicht, ob es uns bewusst ist oder wir nur unbewusst in ihrem Geist dahindämmern, ob wir besondere Anstrengungen unternehmen, ihre Gedanken zu erschließen, oder nur Opfer ihrer schlimmsten Auswirkungen sind, wir leben von ihnen, von ihren Geschichten und Mythen, von ihren Ideen und der Art ihres Denkens, von ihren Worten und Begriffen und von der Art, sie miteinander zu kombinieren. „All dies sind keine Gegenstände der Vorstellung. Wir leben davon.“ (1) 

Das, was wir uns von beiden Denkansätzen vorstellen und vorstellen könnten, wenn wir ihre Texte lesen und studieren, ist bei allem ernsthaften Bemühen um Wiederholung ihres Weltverständnisses wenig im Verhältnis zu dem, wovon wir leben. Jede Geschichtsepoche erschließt Anderes und Neues und sorgt so für immer radikalere Renaissancen der vorchristlichen Kulturen, Renaissancen von Tiefenschichten, die dem alltäglichen Bewusstsein unbekannt waren und sind. 

Anders ausgedrückt: Es gibt Tiefenschichten im geistigen Leben der Juden und Griechen, die unserem bewussten Umgang mit ihnen verborgen sind, die aber erschlossen werden können oder müssen, wenn wir deren Potentiale für die Bewältigung der gegenwärtigen Krisen nutzen wollen. 
Wir leben vom Judentum und von den Griechen in einer Weise, die über das hinaus geht, was bei der bewussten Übernahme ihrer Gedanken in der abendländischen Geschichte angestoßen worden ist. Aus beiden Kulturbereichen hat sich das christliche Abendland so gebildet, dass es sich mit seinen Erkenntnissen von dem, was ist, und mit seinen Vorschriften für ein ideales Leben noch längst nicht all dem genähert hat, was im Judentum und in der griechischen Philosophie angefangen wurde und deren Entwicklung in der Zukunft noch möglich ist. Die unterschwelligen Potentiale aus beiden Kulturkreisen müssen und können in der Gegenwart erschlossen werden, wenn die Isolation des Menschen im elementaren Lebensbereich, der in der Gegenwart vor allem durch die Herrschaft des Geldes angezeigt ist, aufgehoben werden soll.

Judentum und Griechentum beginnen in ihrer wesentlichen, die spätere Geschichte prägenden Form mit alltäglichen Gesprächen, und deshalb kann die Dimension dessen, was für die Gegenwart aus ihrem Denken neu geschöpft werden kann, nur durch Alltagsgespräche erreicht werden. Alles studierende Umgehen mit antiken Texten muss aus den akademischen Gefilden in die Alltagsgespräche der Straßen und Plätze und Märkte verlagert werden und muss in verständlichen Formen den Mann und die Frau auf der Straße erreichen. Schließlich ist die Kategorienlehre des Aristoteles auf der Agora, dem Marktplatz der Städte, vor allem Athens, entstanden.

Dort hat Sokrates die Jugend der Polis mit seinen rhetorischen Disputen erreicht und sie durch Vorbild und Ermahnung vom übermäßigen Alkoholkonsum befreit, ohne nüchtern zu werden. Er hat sie gelehrt, auf philosophische Fragen Antworten zu geben, die ihrem Leben Sinn verleihen. Für die Juden geben die Rabbiner ihren Schülern Rede und Antwort, damit ein ethisch geregeltes Leben in Israel möglich ist. In beiden religiös-politischen Bereichen sind es die Lehrer im Gespräch mit Schülern, die aus unmittelbarer Nähe die Kulturen stiften und sich nicht in Elfenbeintürmen verbarrikadieren. Es muss heute an den Schulen eine Lernatmosphäre entstehen, von der ethische Einflüsse auf die Gestaltung des alltäglichen Lebens ausgehen. Nicht die Forschungsergebnisse der Universitäten und Institute, die über Fachleute und Medien, vermittelt durch die Werbung, in die Straßen und Wohnungen der Menschen gelangen, dürfen die Lebensgewohnheiten der Menschen beeinflussen, sondern das Lernen an Schulen und außerschulischen Instituten, z. B. in Vereinen, muss sich auf jüdische und griechische Themen so konzentrieren, dass die politischen Verhältnisse aus deren verborgenen Schätzen leben. 

In der Zweite(n) Lektion, Asylstädte (2) tritt E. Lévinas mit einer selten geäußerten Radikalität für kollektive Gespräche ein, indem er ebenso radikale Texte der Rabbiner zitiert: „Das wahre Denken ist kein ‚stiller Dialog der Seele mit sich selbst‘, sondern Diskussion zwischen Denkern. … ‚ Schwert über (oder Krieg gegen) die Lügenhändler (Geschichtenerfinder), sie verlieren den Kopf‘“ (3). Die Einzelgänger werden verurteilt und mit dem Schwert bestraft; wer für sich alleine studiert, wird ein Feind Israels genannt oder, schlimmer noch, als töricht und närrisch entlarvt. Als Lügenhändler und Geschichtenerfinder, Eigenbrötler und Lügner werden die Einzelgänger bezeichnet. Und dann wird ein Vers formuliert, der wie ein Schwert niedersaust: „Hütet euch vor den Verstiegenheiten der für sich Bleibenden, die ihre ‚genialen‘ Ideen nicht durch Diskussionen mit anderen überprüfen!“ Lévinas fügt hinzu: „Vorsicht vor dem Stumpfsinn des Isolierten und vor seinem sündhaften Hochmut!“ (4) 

Denken ist nur als Dialog möglich. Auch wenn wir keine Gesprächspartner haben, formulieren wir unsere Gedanken in Sätzen und Aussagen, die Antworten und Gesprächspartner suchen. Denken ist nie sprachlos, und Sprache ist immer Gespräch. Deshalb muss das studierende Lernen in Gesprächen stattfinden und nicht in Bachelor- und Masterkursen. 

Weil wir von den Griechen und Juden leben, leben wir von Gesprächen, und wenn wir nicht sprechen, leben wir nicht und zerstören das Leben der Anderen. Wir leben vom jüdischen und griechischen Denken, und wenn wir uns deren Denken nicht im Gespräch erschließen, verspielen wir ein gutes Stück unseres gemeinsamen Lebens, das eben jüdisch und griechisch ist. 

Darum müssen sichtbare Monumente in allernächster Umwelt geschaffen werden, die zu Gesprächen anregen und die alle Sinne der Kinder und Jugendlichen ansprechen und sie darauf stoßen, was jüdisch und griechisch in unserem Leben ist. Es müssen Räume gestaltet werden, deren Herstellung und Gebrauch griechisches und jüdisches Leben erschließen. Durch die Arbeit an den kulturellen Zyklen der Geschichte wird sowohl der antike Hintergrund als auch der Untergrund des gegenwärtigen Lebens erschlossen. Der Umgang mit Geschichte ist nicht nur in den Schulen zu pflegen, sondern muss auf jedem Kinderspielplatz selbstverständlich sein, damit er in den Gesprächen präsent wird und die Schulwirklichkeit verändert. Die Schulen müssen sich wandeln und statt des lehrer- und datenzentrierten Unterrichts kollektives Erarbeiten von Sinnzusammenhängen durch Schüler ermöglichen.

Für den Unterricht in griechischer Kultur könnte das folgendermaßen aussehen:

Minoische Kultur ist von mykenischer, mykenische von klassischer Kultur zu unterscheiden. Deren Merkmale, Geschichten und Namen sind von den Schülern zu erarbeiten und zu benennen, so dass für das unterschiedliche Wesen dieser Epochen Verständigungsweisen zu wecken sind. Alle Ergebnisse können von den Schülern im Unterricht selbständig vorgetragen, bildlich dargestellt und in Gebäuden errichtet werden. Die Schüler haben die Möglichkeit, in dem, was sie von den Griechen lernen, umher zu gehen, es zu bestaunen und zu verändern. Schüler sind dann wieder Peripatetiker im griechisch-aristotelischen Sinn (5). Solche Lerngänge (6) können zur Produktion von Wissen und Einsicht vorbereitet werden. 

Das Labyrinth des Dädalus und seine mögliche Bedeutung für die Pädagogik 

Durch einen Exkurs über das, was die Griechen mit der Vorstellung vom Labyrinth und der Euklidischen Geometrie für das abendländische Denken entworfen haben, soll erklärt werden, was solche Lerngänge bewirken können, wenn sie in die Gebiete vordringen, von denen wir leben. 

„Alle drei Formen des L(abyrinths) lit.(erarisch); visuell; tänzerisch gehen wahrscheinlich auf eine bisher nicht erklärte Urform des L(abyrinths) zurück, die nach unterschiedlichen Deutungen den menschlichen Körper, insbesondere den weiblichen Uterus, die Unterwelt (verbunden mit initiatorischen Riten) oder die stilisierte Form eines Stadtplans oder gar eine Nachbildung der Laufbahn von Himmelskörpern darstelle.“ (7) 

Die bisher nicht erklärte Urform des Labyrinths muss eine Nachbildung der Irrwege in die Natur sein, die ein Irren als Verirren in Urwäldern und Wüsten kennt, aus denen Rückwege schwer zu finden sind. Die Ableitung von Labrys, Streit- oder Doppelaxt, muss ja nicht erst kriegerischen Ursprungs sein, sondern kann auf ein bahnendes Werkzeug in die undurchdringlichen Waldbestände in einer lange vergangenen Urzeit verweisen.

Der Verweis auf den weiblichen Uterusdie Unterwelt oder in anderen Zusammenhängen die Vorstellung eines weitverzweigten Bergwerks oder von unterirdischen Höhlen erhärtet die These vom Ursprung des Labyrinths aus der primären Begegnung des Menschen mit der menschlichen und außermenschlichen Natur. Die stilisierte Form eines Stadtplans oder gar eine Nachbildung der Laufbahn von Himmelskörpern lassen auf einen Zusammenhang mit der minoischen Kultur schließen, die vom Marktplatz oder vom unregelmäßigen Grundriss der Städte aus die Vorstellung eines Labyrinths entwickelt haben. Beides sind Bauformen, die keinem von oben (von den Burgen aus) entworfenem Plan folgen, sondern agglutinierender (verklumpender)  Bauweise folgend Stand an Stand und Haus an Haus fügen und so ein Zurechtfinden im Wirrwarr von Angeboten äußerst erschweren. 

Das Labyrinth des Dädalus in Knossos, dem Mittelpunkt der Minoischen Kultur, kann als Anfang des geordneten geometrischen Denkens, das von oben (den Burgen) oder von den Sternen aus Orientierungshilfen geschaffen hat, deutlich gemacht werden. Wenn es auch nicht das erste Labyrinth ist, von dem Spuren gefunden worden sind, so erfahren wir doch durch den Mythos das Wesentliche von ihm: Zunächst sind es weit verzweigte Gänge, die wie Höhlen von Dädalus, dem kundigen Baumeister, in den Fels gebaut wurden, damit in seinem Mittelpunkt ein Gefängnis für den Minotaurus entstand. Der Minotaurus konnte nicht entkommen, weil er den Weg zum Ausgang nicht fand. Die Ausweglosigkeit des Labyrinths erinnert an die Schwierigkeit, der Natur zu entkommen, wenn man sich in ihr in einer Zeit verlief, in der noch kein Orientierungssystem gefunden war, das sicheres Weiterkommen garantierte. 

Der Gesichtspunkt von oben, von der Burg oder von den Himmelskörpern aus, ist die Voraussetzung dafür, dass Landkarten oder geometrische Zeichnungen für die Orientierung zu Wasser und zu Land oder für das Bauen entworfen werden konnten. Die Handelsbeziehungen mit Babylonien und Ägypten sprechen dafür, dass deren astronomische Erfahrungen Einfluss genommen hatten auf die Kenntnisse der Kreter. 

Durch beides: die ausweglose Ordnung des Labyrinths und die Entwicklung des geometrischen Denkens als Orientierungshilfe, für das Euklids more geometrico eine entscheidende Wegmarke bedeutete, kommt die Natur in den vermessenen Griff. 

Vom Irrgarten, der die tatsächlichen Irrgänge in der menschlichen und außermenschlichen Natur beschreibt, zum Labyrinth, das die Irrgänge mythologisch überhöht oder geometrisch vermisst, geht die Entwicklung, nicht umgekehrt. Die zahlreich im 16. Jahrhundert entstandenen Irrgärten zur Unterhaltung der reicheren Bürger und des Adels könnten das Gegenteil nahelegen. Das irrende Gehen im Garten verbindet das Herumirren in fremder Natur, das zum Unterhalt des Lebens und zur Sicherung der Lebensbedingungen notwendig war, mit dem Lustwandeln in einem verwandelten Stück Land zur riskanten und aufregenden Unterhaltung von Menschen, die sonst in gesicherten Verhältnissen leben. Das Risiko des zu verpassenden Ausweges ist die Bedingung für das prickelnde Abenteuer der Bürger, das darin besteht, nicht zu wissen, wo es lang geht (8). Ein raffiniertes System aus Hecken und Zäunen schafft immer wieder neue Möglichkeiten zu entscheiden, welche Richtung man gehen will. Das lebt von der Erinnerung an ursprüngliche Natur, in der das Irren tödlich enden konnte, und an die Labyrinthe der frühen Geschichte, in denen die im Labyrinth irrenden Gefangenen aus Theben vom Minotaurus gefressen werden konnten. Doch das ist schon Mythos. 

Die Berichte unter dem Stichwort Labyrinth im Kleinen und Neuen Pauly und in Wikipedia schildern das Wesen der Labyrinthe in Analogie zur menschlichen, unter- oder überweltlichen oder menschlich gestalteten Natur: drei Formen des Labyrinths gibt es: literarisch, visuell, tänzerisch. Sie stellen den menschlichen Körper, insbesondere den weiblichen Uterus, die Unterwelt oder die stilisierte Form eines Stadtplans oder gar eine Nachbildung der Laufbahn von Himmelskörpern dar. 

Literarisch sind die Texte selber, die vom Labyrinth in Knossos u.a. in mythologischer Sprache berichtet werden. Visuell sind die Labyrinthe auf den Fußböden der Tempel und Kathedralen, der Fürsten- und Geschäftshäuser des Adels, und tänzerisch sind die zur Beschwörung der Geister, wie der „Jungfrauentanz in Trojaburgen“ oder „Labyrinthtanz zum Ostersonntag von Geistlichen in den mittelalterlichen Kathedralen“ (Wikipedia). Auch der „von Theseus gestiftete Kranichtanz der Delier“ (Der Kleine Pauly) hat kultischen Charakter. 

Wenn der menschliche Körper, insbesondere der weibliche Uterus, als Labyrinth bezeichnet wird, spiegelt das die Angst der vor allem männlichen Interpreten vor dem Inneren des Menschen und dem Uterus der Frau wieder, in das einzudringen Wissenschaft und Empirie sich lange Zeit nicht trauten, obwohl ihre Praxis ebenso lange schon eine andere war. 

Die Unterwelt kann man nicht kennen, man stellt sie sich vor als Labyrinth von Höhlen und Bergwerken, die unterirdische Schätze verbargen, zu deren Bergung und Erkundung erfahrene Bergleute und Ärzte die geheimen Wege kennen lernen mussten.

Die verschlungenen Straßen und Wege der Städte waren solange ein schwer zu durchdringendes Labyrinth, wie noch keine Stadtpläne und Karten zur Orientierung in ihnen vorhanden waren. Auch die Vorstellung der Laufbahnen der Himmelskörper als labyrinthisches Durcheinander zeigt die Ohnmacht der frühen Menschen, das Durcheinander zu durchschauen, bis es auch als magische Bezeichnung (Labyrinth) oder später als Zeichnung (der Sterne) der Beginn des Sichzurechtfindens am Himmel, auf den Meeren und bei Wanderungen auf der Erde war. 

Das Finden des Namens Labyrinth ist, wie die Götternamen für Kräfte der Natur im Mythos, der Anfang von wissenschaftlichen Enthüllungen der Geheimnisse der Natur. Wenn ein Wort gefunden ist für das, was man fürchtet, ist schon der Schrecken gebannt und der Weg gefunden, der weiteres Forschen möglich macht.

Vom Irrgarten zum Labyrinth schildern die mythologischen Berichte einen Umgang des Menschen in und mit der Natur, der die Not des Menschen, die Natur zu bewältigen, nachempfinden lässt: Im Irrgarten bleibt die Ausweglosigkeit des Menschen angesichts von unüberwindbaren Hindernissen der Naturbewältigung noch erhalten. Der Mensch, der sich in der Natur verirrt, weiß nicht, nach Hause zu kommen und braucht begehbare Wege für Füße und Augen, damit das Wissen sich einstellt, wo der Ausweg gefunden werden kann. Hier herrscht die tatsächliche Not des rastlosen Sammlers und forschenden Jägers noch vor, der Natur die Mittel zum Leben durch Praxis und Wissenschaft abzuringen und sie nach Hause zu bringen.

Sobald der Mensch sesshaft geworden ist, muss er für sein Bauen und Wohnen die ungeregelte Natur in ein parzelliertes Land verwandeln, das eben und gleichmäßig ist. Der Irrgarten wird zum Labyrinth, das Labyrinth wird zur Karte und die Natur zu ebenen Flächen auf den Böden, den Wänden und auf dem Papier. So sind die Landkarten und Stadtpläne entstanden. Das Labyrinth kann als in Fläche oder Ebene gewandelte Natur betrachtet werden. Wege in die Natur werden zu Linien und Strecken mit Winkeln und Proportionen, die fürs Berechnen und Planen der Wissenschaftler und Bauherren Voraussetzung sind. Die Höhen und Tiefen der Natur werden zur ebenen Fläche auf dem Papier. Flüsse und Wege werden zu Linien. Das umherirrende, aussichtslose vorwärts Drängen durch Wüsten und Wälder, Ebenen und Gebirge erleichtert eine Aufsicht von Oben, die jede Einzelheit der Natur auf Landkarten registriert und einer sofortigen Orientierung die Wege weist, die den Fortschritt ermöglichen. 

Es ist so, als ob vor zigtausenden von Jahren die Vielfalt und Unübersichtlichkeit der Natur umgekippt wären – oder verflacht worden sind – auf eine Fläche, die im Labyrinth ihren frühen Ausdruck fand. Das Umklappen der Ausbuchtungen der Natur in eine ebene Fläche hat magischen Charakter, der vor allem in der Höhlenmalerei zum Ausdruck kommt. Die Wände in Höhlen und Grotten waren vielleicht die ersten glatten Flächen, auf denen die Menschen der Urzeit malen konnten. Der magische Charakter dieser Zeichnungen hatte einen Bezug zur Jagd und diente dazu, die Tiere in ein Bild zu bannen und zum Stillstand zu bringen, wenn man es erlegen will. 

Deutlich hat die Malerei in Höhlen einen Bezug zur übernatürlichen Welt:

„Die Menschen haben damals aufgrund ihres Glaubens in Höhlen gemalt und graviert. Höchstwahrscheinlich glaubten sie einfach, dass die unterirdische Welt eine übernatürliche Welt ist. In den Grotten glaubten sie Geistern, Göttern, ihren Vorfahren, Verstorbenen zu begegnen. Die Bilder sollten als Mittler zwischen der hiesigen und der jenseitigen Welt dienen.“ (9) 

So kann das Labyrinth dazu dienen, Macht über die Unterwelt zu bekommen, oder die übernatürliche Welt zu beschwören oder allgemein, die Natur zu bewältigen, indem man sie auf Linien reduziert: Flüsse werden zu Linien (z. B. im Mäander), Berge je nach Höhe zu mehrfachen Parallelgebilden, Städte und verabredete Treffen zu Punkten, Landschaften in verschiedenen Farben dargestellt, und, viel später vielleicht, verabredete Grenzen zur Trennung der Nationen. Die gewohnten Wege, die zu Geraden geworden sind, erscheinen im Labyrinth so verschlungen, weil die Natur eben verschlungen ist. Die Ausweglosigkeit erinnert daran, dass jeder Weg in die Natur ein Ziel und einen Ausgangspunkt hat, den es (wieder) zu erreichen gilt, die manchmal schwer und manchmal überhaupt nicht zu finden sind.

Vom Labyrinth als Fläche ist die Entwicklung nicht weit zur Vermessung der Welt: 

„Manchmal war ihm, als hätte er den Landstrich nicht bloß vermessen, sondern erfunden, als wäre er erst durch ihn Wirklichkeit geworden. Wo nur Bäume, Moos, Steine und Graskuppen gewesen waren, spannte sich jetzt ein Netz aus Geraden, Winkeln und Zahlen. Nichts, was einmal jemand vermessen hatte, war noch oder konnte je sein wie zuvor. Gauß fragte sich, ob Humboldt das begreifen würde.“(10) 

Man muss begreifen, dass die Geometrie, die mit Geraden, Winkeln und Zahlen operiert, nichts Natürliches begreifen lässt, sondern die Natur überzieht mit geometrischen Daten, die in sich stimmig sind. Sie suchen vergeblich, die Natur in den Griff zu bekommen. Die Euklidische Geometrie ist ein Vermessen der Erde, das wie das Labyrinth eine Ebene voraussetzt. Schon Gauß wusste, dass die Summe der Winkel eines Dreiecks nur 180° in einer planen Ebene bilden. Wenn man die Krümmung der Erde berücksichtigt, stimmt diese Rechnung nicht. Es ist die abstrakte Bestimmung einer ebenen Fläche, die mit Punkten, Geraden, Längen, Winkeln, Kongruenzen, Ähnlichkeiten auszumessen ist. Die Geometrie ist die notwendige Voraussetzung für das Bauen der Städte und deren Zivilisation. Sie ist aber auch eine Vergewaltigung der Natur, die Schaden anrichtet. 

Zur angestrebten Messbarkeit der zu berechnenden Fläche musste die Natur auf eine gleichmäßige Ebene reduziert werden. Wie das Leben der Stadt sich auf der Agora zentriert und in den Kategorien des Aristoteles seinen Ausdruck im Denken gefunden hat, kann das Labyrinth die Irrwege in der Natur symbolisieren, so dass es als Ornament oder als künstlerische Zeichnung erscheint. Die Kategorien beschwören das Denken beim Erfassen des Seins, das Labyrinth die realen Wege des Menschen in der Natur und die Höhlenmalerei die guten und bösen Geister der Unter- und Oberwelt. Das eine ist Logik in der Metaphysik, das zweite ist Geometrie in der Mathematik und das dritte Magie im Mythos.

Das Labyrinth war die Reduktion der Natur auf Irrgänge und verschlungene Wege, in denen der Mensch sich verlaufen konnte, weil er keine Auswege fand. Es kann als ein Versuch verstanden werden, eine menschlich verständliche Ordnung in die Naturerfahrung zu bringen, eine Ordnung, in der das Irren auf die Dimension der Fläche beschränkt ist. Wenn es im Labyrinth schwierig ist, den Ausweg zu finden, ist das eine Schwierigkeit, die in der Natur tausendfach größer ist. So muss man vom Ausgeliefertsein an die Natur über das beschwerliche Irren im Garten und über die Ausweglosigkeit der labyrinthischen Wege bis zum Faden der Ariadne eine Wegfindung erkennen, die in der Euklidischen Geometrie ihre für das Abendland typische Berechenbarkeit gefunden hat. Schon die Geometrie der Ebene und des dreidimensionalen Raumes, also das Wesen dieser Euklidischen Geometrie, sind Maße nach Regelmäßigkeiten, die es so in der Natur nicht gibt. 

Das Labyrinth ist der Versuch, die unübersichtlichen natürlichen Räume durchsichtig, begehbar und verstehbar zu machen, und zwar durch ein Bild, dessen Ausgang auch auf dem Papier schwer zu finden ist. Das Labyrinth in seinem Wechsel von Irrgarten und ornamentaler Zeichnung kann als Vorstufe der Ebene und der Fläche, die von Linien durchzogen sind, verstanden werden. Da Labyrinthe zunächst höhlenartige Räume zum Gehen und Kriechen gewesen sind, mussten sie, um Übersichtlichkeit herzustellen, in Flächen auf Fußböden der Herrenhäuser reduziert werden. Dort erst erfüllten sie den Zweck, Übersicht für die Augen zu schaffen. Die Labyrinthe wurden auf einen Sinn, den Sinn des Sehens, beschränkt. Um Messbarkeit, Berechenbarkeit und Beherrschbarkeit zu garantieren, mussten die Flächen, den Linien gemäß, in Quadrate und Rechtecke, in Kreise und in die dritte Dimension der perspektivischen Räume erweitert werden. 

Was vor zigtausenden von Jahren den Fortschritt von Wissenschaft und Forschung ermöglichte, das Verflachen der undurchsichtigen Natur auf eine Ebene und eine Fläche und damit aufs Papier, muss heute umgekehrt werden, damit das entwickelte Lernen wieder ein Fortschreiten mit den Füßen wird. Warum spricht man vom Fortschritt? Warum gibt es Lehrgänge? (11) Warum spricht man von Erfahrung, wo doch das Fahren nur ein beschleunigtes Gehen und Wandern ist? Man muss in die Natur hineingehen, wenn man sie erfahren will. Wenn das Lernen in Verbindung mit gehen und schreiten, mit fahren und wandern verbunden würde, würde es Erfolg und Freude sichern. Es ist nicht die Frage, welche Formen von Labyrinth zu welchen Zeiten es gegeben hat und was sie im Zusammenhang der jeweiligen Kulturepochen bedeutet haben, sondern wie durch ihre neue Sichtweise bahnbrechendes und Sinnlichkeit veränderndes Verstehen der Natur sich durchgesetzt hat. Wenn es den Schülern vermittelt werden könnte, wenn sie konkret erfahren würden, dass es ein Riesenschritt auf unsere abendländische Vorstellungen und Erfahrungen hin gewesen sein muss, auf Papier schreiben zu können, dass riesige Gebäude aus Mauern und Kellern, Zimmern und Dächern in den winzigen Buchstaben h a u s auf Tafeln und Heftseiten dargestellt werden können, würden sie nichts mehr selbstverständlich hinnehmen, was ihnen in den ersten Schuljahren angeboten wird. Sie würden in ihrer nächsten Umgebung das Wundern und Staunen wieder lernen, dass man Schriftliches entziffern kann. Im Labyrinth können auch Erwachsene wieder lernen, dass es ein Riesenfortschritt ist, Natur auf Papier zu bringen. Doch ist das Labyrinth nicht das einzige Beispiel für den Wechsel und Wandel der menschlichen Sicht auf die Welt.

Im Labyrinth des Minos, das Dädalus in Knossos gebaut hat, wird in der Zeit der minoischen Kultur die Verstrickung in die Irrwege der Natur und die Folgen der Inzucht von Tieren und Göttern (Minotaurus) durch den Faden der Vernunft von Theseus und Ariadne, die in Liebe vereint sind, aufgehoben. Im Palast des Agamemnon in Mykene wird das Blut der Familien in stammesgeschichtlicher Verblendung vergossen und aus blutsverwandtschaftlicher Irre auf dem Areopag in Athen durch Rechtsprechung befreit, und auf der Agora des Perikles in Athen werden die Kategorien des Denkens aus verschlungener Sophistik zum Sokratischen Ethos des Abendlandes erhoben. In allen drei Kulturen wandelt sich die Bewältigung des vergangenen gesellschaftlichen Zustandes mithilfe von ethischen Grundsätzen zu einer Durchdringung der Welt mithilfe rationeller Vernunft, und jede Stufe der Entwicklung ist eine andere Weise, das politische Leben ethisch zu gestalten. 

Naturbewältigung durch Vernunft und Sprache, Überwindung des Blutzusammen-hanges durch gerichtliches Handeln und Befreiung des sophistischen Rationalisierens durch kategoriales Denken sind die Stufen einer Zivilisierung, von der wir heute noch leben, und von der wir immer wieder feststellen, dass sie noch längst nicht gelungen ist. 

Der Faden der Vernunft führt Theseus und Ariadne zurück zur Heimkehr an den Ausgangspunkt der Reisen von Theben ins Innere des Labyrinths. Die Sehnsucht des Odysseus treibt ihn nach den Irrfahrten in die Fremde durch die Abenteuer zurück in die Heimat. Das von Orest vergossene Blut findet Versöhnung vor der Göttin Athene am Gerichtshof in Athen, dem Areopag. Das geordnete Denken in kategorialen Bahnen durch Aristoteles begründet die Philosophie und die Wissenschaft. 

Befreiung durch die Euklidische Geometrie aus der ungeregelten Natur, Befreiung aus stammesgeschichtlichen Blutsverhältnissen durch Vernunft und Richterspruch und Befreiung aus zu nichts verpflichtender bloßer sophistischer Kasuistik, führen zu Naturerforschung, Jurisprudenz und zu geordnetem Denken in der Philosophie. Sie führen zum Abendland, das immer noch nicht genug von diesen Befreiungen lebt. 

Solche oder ähnliche Sinnzusammenhänge zu lernen, ist den Schülern möglich, wenn sie selber diese in mühevoller, selbstständiger Forschungsarbeit mit Freude und Begeisterung erschließen. Durch Lehrervortrag und Schülernacharbeit bleibt alles Vermitteln von Stoffen bloße Kenntnisnahme, bloßes auswendig lernen ohne inwendige Veränderung der Voraussetzungen für eigene Erfahrung. Schüler, die nur paukendes Lernen in der Schule kennen gelernt haben, bleiben willen- und vernunftlose Opfer der Medienkultur. Sie bewältigen keine Ansprüche, die freiwillige Anstrengung erfordern und durch Gespräche zu meistern sind. 

Sie kennen den Genuss nicht, der sich einstellt, wenn plötzlich ein neuer Sinn sich offenbart. Die erhellende Erkenntnis z. B., dass der Mythos ein Wort ist, das der Natur eine Stimme verleiht, mit der der Mensch sprechen kann und dass damit der Mythos der Anfang der Wissenschaft ist und nicht ein Glaube an Vielgötterei, ist ein Sprung des Denkens, der Flügel verleiht und der den Genuss bereitet, der zum weiteren Lernen anspornt. 

Nicht die Chronologie von Jahreszahlen muss auswendig gelernt werden, sondern dem Sinn von historischen Epochen muss der Schüler auf der Spur sein. Es muss Hand und Fuß haben, was den Sinn ergreifen will und muss in Gesprächen zuhause sein. Durch selbstständiges freiwilliges Arbeiten mit Hand und Hirn (12) sind Lernprozesse des Schülers möglich, die den Geschichtsepochen ähnlich verlaufen, wenn sie grundsätzlich ethisch und politisch sind. Die kulturellen Wandlungen im Denkhaushalt der Völker, von deren Gedankengut wir heute noch leben, lösen im Schüler ähnliche Sinneswandlungen aus, die ihn auf immer höhere Denk- und Verhaltensstufen katapultieren. 

Im Griechischen hieß es noch anthropos zoon logon echon, der Mensch ist ein (Lebe)Wesen, das verständige Sprache oder sprachliches Denkvermögen hat. Logos ist das Wesen der Welt, in das der Mensch sich denkend versenken kann oder an dem er Teilhabe gewinnt, indem er sich durch arbeitendes Lernen dem Logos gemäß macht. Aber wenn das im Lateinischen nur noch heißt animal rationale, ist der Logos zur Vernunft und zur Eigenschaft des Lebewesens Mensch geworden, die im Kopf  jedes einzelnen Menschen zuhause sind. Die Schulen wandeln sich demgemäß zu reinen Kopfschulen, in deren Mittelpunkt vor allem theoretisches Wissen vermittelt wird, anstatt dass der Logos den ganzen Menschen ergreift. 

 Man kann besser davon ausgehen, dass das, was bei den Elementen Vorgänge, Vollzüge und Kräfte sind, sich in den Lernprozessen der Schüler wiederholt. Dann muss man ein didaktisches Lehren entwerfen, das dem Logos der Welt entspricht: Ein sinnengemäßes Produzieren kann sich mit dem verbinden, was der Logos den Epochen zu sagen versprach. 

Wenn Karl Marx in den Frühschriften geschrieben hat: „Die Bildung der fünf Sinne ist eine Arbeit der ganzen bisherigen Weltgeschichte.“ (13), lässt sich in unserem Zusammenhang hinzufügen: „Die Bildung in jeder Generation muss die Bildung der bisherigen Weltgeschichte wiederholen, um sie weiterzubilden.“ Das ist die Arbeit von Schulen und Kindergärten, aber auch die von Erwachseneninstitutionen, die nicht für den Nachwuchs an Industriearbeitern und Büroangestellten sorgt. Sie gibt jedem Menschen die Chance, an der Bildung der Sinne ein Leben lang weiter zu arbeiten. In einem solchen Prozess werden Lernen und Arbeiten austauschbare Begriffe, die als Tätigkeiten austauschbar sind. 

Lernen ist ein Eingraben in das Wesen einer Epoche, ein Hervorbringen dessen, was Logos genannt werden kann. Der Logos wiederholt sich im arbeitenden und lernenden Sprechen der Menschen, die so menschliche Fortsetzungsformen der Kräfte und Mächte, der Elemente, sind. Arbeiten und Lernen im Medium des Sprechens sind elemental, weil sie uns mit den Epochen verbinden, von denen wir leben, und weil das Verbinden Genuss ist und Glück. 

Das Aus- und Zueinander des Wirkens der Elemente kehrt in den Auseinandersetzungen der Menschen als lebendiges Sprechen wieder, das durch kein noch so geniales Denken ersetzt werden kann. Sprechen ist wie das Blut in den Adern oder das Wasser in den Röhren, wie der Boden unter den Füßen oder die Luft in den Kapillaren, vor allem aber wie das brennende Feuer in den Zellen das wichtigste Element, von dem das Kollektiv der Menschen lebt. Wenn wir nicht sprechen, herrscht in unseren Begegnungen das Schwert der Gewalt, die stumm und stumpf am schlimmsten ist. 

Das Gespräch ist das Erste, das im Miteinander der Menschen oder im Leben von … jüdischem und griechischem Denken in der abendländischen Geschichte nur noch als Untergrund präsent ist. Seit die Gespräche des Sokrates, seine philosophischen Dialoge, ihre Unruhe im Ideenhimmel Platons und in den Vorlesungen des Aristoteles verloren haben, und seit das Gespräch nur noch mit Gott die Unterhaltungen der Gläubigen in den Kirchen dominierte, ist der Mensch schweigsam und sein kulturelles Verhalten ist still oder schriftlich geworden. Der Mensch ist eine schweigende Monade, die zum Gespräch immer wieder angestoßen werden muss. Wenn er redet, kommen nur Monologe aus seinem Mund. Monologisieren für Prüfungen und Noten lernen die Schüler schon früh in der Schule. Sonst müssen sie in den Klassen still sitzen und schweigen. In der Freizeit unterhalten sie sich nur noch mit Geräten. 

Ein gelungenes Gespräch ist wie das Atmen der Luft und wie das Brennen des Feuers ein Hin und Her des Geistes, der von Einem zum Anderen (über-)springt und der beide inspiriert. Gute, vom Geist und vom Geist des Miteinander beflügelte Gespräche sind schon ein Kunstwerk zwischen Meister und Lehrling, zwischen Lehrer und Schüler, mehr noch als Gespräch zwischen Kollegen, aber am meisten, wenn der Lehrer lernend mit seinen Schülern spricht. 

So Lévinas: „Ravina erklärte: ‚Wer gerne unter Vielen studiert, fährt die Ernte ein.‘ Das hat auch Rabbi gesagt: ‚Ich habe viel Tora von meinen Lehrern gelernt, mehr noch von meinen Kollegen, am meisten aber von meinen Schülern.‘“ 

Er fügt hinzu: 

„Der Pluralismus besteht also nicht nur im Lehren unter Gleichen. Noch besser als ein Kollege befruchtet der Schüler die Gedanken des Meisters. Lehren ist eine Art Forschen. Es gibt das Wort von Rabbi Jehuda HaNasi, Rabbenu HaKadosch, unserem Heiligen Lehrer, dem Redakteur der Mischna: ‚Ich habe viel von meinen Lehrern gelernt, mehr von meinen Kollegen, am meisten von meinen Schülern.‘“ (14)

Warum lernt der Lehrer am meisten von seinen Schülern? Warum ist Lehren eine Art Forschen? 

Der Rabbi ist davon überzeugt, dass er viel von seinen Lehrern gelernt hat, und auch Lévinas hat als Schüler viel von seinen Lehrern gelernt. Und so lernen alle Schüler zu allen Zeiten viel von ihren Lehrern. Das ist der normale Vorgang des Lernens, der in den Schulen vor sich geht: 

Die Schüler lernen von den Lehrern zunächst durch Rezipieren des Stoffes, den der Lehrer präsentiert. Das Dargebotene des Lehrers fällt mit seiner ganzen neuartigen Schwere in ein passives und nicht immer lernbereites Gemüt, das wenig anzubieten hat, mit dem sich das Neue verknüpfen kann. Im Schüler finden sich wenige Voraussetzungen für neue Unterrichtsstoffe und deswegen ist das, was die Schüler von den Lehrern lernen: viel, aber eben nicht das Meiste. 

Mehr lernt der Lehrer von seinen Kollegen:

Das kollegiale Gespräch ist selten und nur auf Tagungen üblich. Darum muss der Lehrer aus den Schülern Kollegen machen.

Dem Geschick des Lehrers ist es überlassen, Anknüpfungspunkte zu finden und Aufnahmebereitschaften zu schaffen, damit das zu lernende Neue sich mit Altem verbindet und nicht wieder verloren geht. Dabei ist jede mitgebrachte Initiative des Schülers, selber lernen zu wollen, wertvoller als das erzwungene Lernen, für das der Lehrer die Motivation erst noch schaffen muss. Wenn der Schüler immer mehr vom Lehrer lernen kann, muss er immer mehr Initiativen ergreifen, das heißt, selber lernen wollen: vom Lehrer, aus Büchern und aus Gesprächen über die Bücher. 

Das ist die Stufe des Lernens durch Kollegen oder durch kollegiales Verhalten, wie es in wenigen neuen Schulversuchen schon gestartet ist: Das Lehrer-Schüler-Verhältnis wird durch das Ergreifen der Initiative des Schülers aus der vertikalen Unterordnung zur horizontalen Nebenordnung befreit. Lehrer und Schüler sind als Kollegen dem Stoff gegenüber in der gleichen hochinteressierten Haltung des Fragens und Forschens, des Wissen- und Verstehenwollens, und deshalb lernen die Schüler und die Lehrer, ebenso wie die Rabbiner, mehr, wenn sie Kollegen sind. 

Aber Lévinas sagt mit den Rabbinern noch mehr: Er habe zwar viel von den Lehrern, mehr von den Kollegen, aber das Meiste von den Schülern gelernt. Das kann nur heißen, dass das Lehren die allerbeste Form des Lernens ist. 

Der Lehrer stellt sich, wenn er den Unterricht vorbereitet, auf die Schüler ein und präpariert das zu Lernende so, dass es der Fassungskraft der Schüler entspricht. Er muss den Lernstoff unter vielerlei Hin- und Rücksichten so durchdenken, dass er dem unterschiedlichen Verständigungshorizont jeden Schülers entgegen kommt. Dadurch hat der Lehrer die Chance, viele neue Perspektiven im Stoff zu entdecken, die das Lernen der Schüler erleichtern, aber auch das eigene Verständnis des Stoffes um eine Vielzahl von Aspekten erweitern. Immer wieder, Jahr für Jahr, muss der Lehrer, neue Seiten an den Stoffen entdecken, damit der Unterricht nicht unfruchtbar und langweilig wird. Das ist echte Forschertätigkeit, die das noch berücksichtigen kann, von dem wir im Umgang mit dem Lehrmaterial leben und von dessen Aneignung der Lehrer das Meiste profitiert. Weil er immer mehr Aspekte des Stoffes kennt und erarbeitet und sie mit den Verständnismöglichkeiten des Schülers vermittelt, lernt der Lehrer im Umgang mit seinen Schülern am meisten, von den Schülern, die noch Schüler und nicht schon Kollegen sind. 
 

Weil Jugend Zukunft bedeutet, und sich das Neue der Zukunft, wenn es nicht modediktiert beeinträchtigt ist, im Verhalten der Jugendlichen konzentriert, ist auch die Jugend ein Forschungsprojekt, das sich durch Lehren erschließt. Lehren heißt, Erschließen der Vorstellungswelt der Jugendlichen für die Vermittlung des Stoffes, in dem sich das verbirgt, wovon wir leben. 

Schulen könnten wieder Orte revolutionierender Gedanken werden, wenn sie nicht nur traditionelle Stoffe vermitteln, sondern mehr noch die Vermittlung der Stoffe mit den Schülern bedenken; schärfer formuliert heißt das, wenn das Lernen der Stoffe selber Gegenstand des Lernens als Fragen und Forschen mit den Schülern ist. Das Lernen und nicht nur der Stoff muss der Gegenstand der Aufmerksamkeit von Lehrern und Schülern in der Schule sein, wenn die Schulen sich öffnen sollen für den politischen Raum. Die Schüler können sich mit und ohne den Lehrer durch eigenes Arbeiten die Fragen stellen, die der Lehrer sonst während der Vorbereitung auf den Unterricht als Anknüpfungsmöglichkeit bei den Schülern vermutet. 

Warum sollen die Schüler nicht die Fragen an die Stoffe stellen, die ihrer eigenen Aufnahmebereitschaft entsprechen? Warum sollen sie nicht die Fragen stellen dürfen, die den Stoff infrage stellen: Was hab ich davon, wenn ich das lerne? Was hat der Stoff mit dem, was ich schon weiß, zu tun? Wie kann ich es schaffen, dass ich den Stoff verstehe und ihn besser behalte? Wenn das, was gelernt werden soll, lernenswert ist, fallen die Antworten schon richtig aus. Schüler sollten fragen dürfen mit der Konsequenz, dass der Zeitpunkt, die Reihenfolge und auch die Priorität der Stoffauswahl ihren Antworten anheimgestellt ist. 

Sie müssen die Fragen stellen dürfen, die ihre Zukunft betreffen: Wie kann ich durch welchen Stoff das lernen, was meine Arbeitslosigkeit verhindert oder die Zeit der Arbeitslosigkeit sinnvoll macht? Das wäre nur eine der möglichen Fragen. 

Von den Zivilisationstechniken: Lesen, Schreiben, Rechnen in den Grundschulen bis zu den Themen der Atomphysik und den antiken Sprachen in den Oberstufen der Gymnasien muss es Schülern möglich gemacht werden, Auswahl zu treffen, Dringlichkeiten zu bestimmen und Vorlieben zu kreieren, wenn Lehren und Lernen Forschen und politisches Handeln möglich machen sollen. Zwang und Drill werden in den Schulen überflüssig, wenn der Eifer und die Begierde, die in der Vorschulzeit selbstverständlich sind, nicht durch die Praxis des Schulunterrichts vertrieben werden. Wenn nicht für die Schule, sondern für das Leben gelernt werden soll, dann muss das Leben in der Schule anwesend sein. Und das ist es nur, wenn die Schüler die Fragen in den Schulunterricht mitbringen dürfen, die ihnen das Leben stellt. 

Der Schulunterricht wird dann zu einem lebendigen Gespräch zwischen Schülern, wenn die Lehrer zugeben, dass sie nicht alles wissen, und dass durch die Schülerselbstarbeit Schüler mehr wissen können und dürfen als die Lehrer. Dann eben lernen die Lehrer das Meiste von ihren Schülern, weil Lehrer zugeben, dass in den Schülern das Leben pulsiert, das auch das Leben der Griechen und Juden ist, von dem wir immer noch leben. Wo sonst als in den Schulen können die Gespräche das Leben lebendig machen, das immer noch das Leben der Griechen und Juden ist?

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Fußnoten 
(1) E. Lévinas, Totalität und Unendlichkeit, … a. a. O. S. 152
(2) E. Lévinas, Jenseits des Buchstabens. Frankfurt am Main: Verl. Neue Kritik, 1996, S. 51ff
(3) E. Lévinas, Jenseits des Buchstabens, … a. a. O. S. 72
(4) E. Lévinas, Jenseits des Buchstabens, … a. a. O. S. 73
(5) „Bezeichnung für die Schüler des Aristoteles;“ Allerdings ist das Herumgehen des Aristoteles vor sitzenden Schülern eine Aufsehen erregende Sache gewesen, die neu und nicht üblich war. Vgl. Der Kleine Pauly unter Peripatetiker.
(6) Wenn es schon Lehrgänge gibt, warum sollte es nicht auch Lerngänge geben?
(7) Der Neue Pauly unter Labyrinth
(8) Alle Brettspiele: Mensch-ärgere-Dich-nicht und Malefiz, Mühle und Halma, selbst Dame und Schach, leben von den Abenteuern früher Geschichte, weil sie von Gängen und Wegen leben, deren Bewältigung vom Esprit der Spieler oder vom Zufall des Würfels abhängt. Ihr Reiz besteht, durch vielfältige Vermittlung hindurch, in der Erinnerung an urzeitliche Bewältigung der Wege in der Natur oder in die Wälder.
(9) Jean Clottes, Kunst im Morgenlicht der Menschheit. In: Reinhard Breuer u. a.: Moderne Archäologie (Spektrum der Wissenschaft Spezial, Jg 12, H2). Spektrum der Wissenschaft VG, Heidelberg 2003, S. 6 – 9. Vgl. Wikipedia
(10) Daniel Kehlmann, Die Vermessung der Welt. Rowohlt Verlag, Hamburg 2005, S. 268
(11) Interessant der Hinweis im Duden unter lehren: „Man geht von einer Grundbedeutung ‚gehen’ aus und vergleicht l.(ehren) lira ‚Furche’, doch ist diese Annahme in allen Punkten unsicher.“ Trotzdem gibt es Lehrgänge, das von lateinisch cursus (lat.: currere) abgeleitet ist. Kurse gibt es in Spezialgebieten des zu Lernenden. Aber oft kommt man vom Kurs ab.
(12) George Thomson, Frühgeschichte Griechenlands und der Ägäis. Forschungen zur Altgriechischen Gesellschaft I, deb verlag das europäische Buch 1974: „… nachdem sich die Hände einmal herausgebildet hatten, wurde dadurch das Gehirn vor neue Aufgaben und neue Möglichkeiten gestellt. Somit bestand von Anfang an zwischen Hand und Hirn eine innige Wechselbeziehung.“ S. 373
(13) Karl Marx, Die Frühschriften, hrg. von Siegfried Landshut, Stuttgart 1955, S. 242
(14) E. Lévinas, Jenseits des Buchstabens, … a. a. O. S. 73

Weiteres zum Thema „Jugend in Aktion“ auf den Seiten des SJC Hövelriege 

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NAGEL-Redaktion – April 2005: Sport- und Jugendclub Hövelriege

Der Fußballverein Sport- und Jugendclub Hövelriege e. V. ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Sports (vorwiegend Fußball: 10 Kinder- und Jugend- und 6 Seniorenmannschaften, 1 Volleyballmannschaft und 3 Tanzgruppen) sowie zur Förderung der Jugend- und Altenhilfe (Abenteuerspielplatz, Kinder- und Jugendfreizeiten, Soziale Trainingskurse, Flexible Erziehungshilfe). Der SJC ist korporatives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Kreisverband Gütersloh sowie des ABA Fachverbandes Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen e.V. Eng mit dem Fußballclub verbunden arbeitet seit 13 Jahren der Verein „Jugendwohnheim Hövelriege e. V.“, der ein eigenes, familienorientiertes Heimerziehungsmodell entwickelt hat und 17 Kinder und Jugendliche in 5 Familiengruppen betreut. Das Jugendwohnheim Hövelriege unterhält in enger Kooperation mit dem Sportverein eine Auto- , eine Holz- und eine Kunstwerkstatt. In der Holzwerkstatt bildet ein Tischlermeister mittlerweile den ersten Lehrling aus und in der Kunstwerkstatt arbeitet halbtags eine Kunsttherapeutin.

Anliegen

In seiner Vereinssatzung hat der Sportverein unter „§ 2 Vereinszweck“ neben der Sportförderung ausdrücklich eine soziale und pädagogische Ausrichtung festgeschrieben: „Zweck des Vereins ist die sportliche Betätigung seiner Mitglieder und eine Jugendarbeit, die die Mitglieder befähigt, sich kritisch und selbstbewusst mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Die Fähigkeiten des Einzelnen, seine Bereitschaft zur Hilfestellung und die Verständigung der Mitglieder untereinander sollen gefördert werden.“

Ein besonderes Anliegen ist dem Verein, neue Formen sozialen Lernens zu entwickeln. Er versteht darunter mindestens zweierlei:

1. das Soziale lernen und

2. im sozialen Zusammenhang lernen.

Das Soziale Lernen bedeutet eine „neue Aufmerksamkeit“ für die Belange des täglichen Lebens, und im sozialen Zusammenhang lernen bedeutet, aus dem Zusammenhang von Lebensabschnitten und lebendigen Beschäftigungen das Mögliche und Beste machen, da, wo es sich anbietet. Das Beste und Mögliche machen, da, wo es sich anbietet! Hier hat der Sportverein mit unendlicher Geduld für die Kleinigkeiten am Rande und mit konsequentem Weiterverfolgen des einmal eingeschlagenen Weges in 30 Jahren ein anderes Vereinsleben, eine andere „Alltagskultur“ geschaffen, in dem das Lernen der erste Zweck aller produktiven Tätigkeit ist. So wurde aus einer Weihnachtfeier eine Weihnachtswoche, aus Pokalen bei den Vereins-Fußballturnieren Gutscheine oder Freikarten für Theater- oder Museumsbesuche, aus dem normalen Trainingsbetrieb eine Fußballschule und ein Sporthotel, aus Kinder- und Jugendfahrten ein internationales Begegnungszentrum in Griechenland und aus einem Blumenbeet im Vorgarten ein künstlerisch gestaltetes Sport- und Waldgelände (der Erfahrungspark).

Kontakt: Sport- und Jugendclub Hövelriege e. V., Alte Poststraße 113, 33161 Hövelhof, NRW, Kreis Paderborn
Telefon: +49 (0)5257-5693, Fax: 05207-923120

Vereinskennziffer 4606003 LSB, Amtsregister 0133 Amtsgericht Delbrück
Freistellungsbescheid: 13.11.2002 FA PB
Der Verein wurde 1973 gegründet und hat 450 Mitglieder.

Der ABA Fachverband vergibt für die Aktivitäten des Vereins SJC Hövelriege die Höchstanzahl von fünf Sternen (*****). Ein Besuch in Hövelhof kann äußerst lehrreich sein. [1]

April 2005

Nachtrag September 2006

Für den Erfahrungspark Hövelriege ist ein neues Kunstprojekt mit dem Namen „Drachen aus Holz und Plexiglas“ in Arbeit. Eine Jugendfußballmannschaft und eine bekannte Künstlerin bauen 10 bis 15 Drachen aus Holz und Plexiglas, die anschließend nach einem ästhetischen Plan in der „oberen Etage“ des Waldgeländes montiert werden sollen. Der SJC Hövelriege sucht zur Realisierung nach Mäzäne und Sponsoren. Interessierte können sich hier ein Beteiligungformular herunterladen. Der ABA Fachverband empfiehlt eine Unterstützung der vorbildlichen Arbeit des Vereins ausdrücklich.

Nachtrag Dezember 2010


Foto: SJC Hövelriege

In den letzten Jahren hat sich in Hövelriege traditionsgemäß eine Menge getan. Hätte der Verein nicht bereits 2005 bei Aufnahme in diese Rubrik fünf Sterne bekommen, wäre diese Höchstzahl jetzt auf jeden Fall fällig. Der SJC Hövelriege hat uns in diesem Jahr erneut überzeugendes Material zur Verfügung gestellt. Das wollen wir Interessierten nicht vorenthalten und haben uns dazu entschlossen, hier weitere Seite anzuhängen. Viel Spaß beim Stöbern, hilfreiche Erkenntnisse und hoffentlich animierende Inspirationen für die eigene Arbeit! Um auf die Seiten zu gelangen, bitte das Löwentor-Foto anklicken: Hereinspaziert!

Nachtrag 2012

Wir leben vom Judentum und vom Griechentum – „Seit ein Gespräch wir sind …“ (Hölderlin)

Wie die Kinder- und Jugendarbeit in Bezug auf Bildung und Lernen verortet werden kann

Veröffentlicht wird hier eine Position des SJC Hövelriege, Ausführungen, die auch für Schule relevant sein könnten/sollten. Unter anderem heißt es in dem Beitrag von Prof. Willy Bretschneider: „Schulen könnten wieder Orte revolutionierender Gedanken werden, wenn sie nicht nur traditionelle Stoffe vermitteln, sondern mehr noch die Vermittlung der Stoffe mit den Schülern bedenken; schärfer formuliert heißt das, wenn das Lernen der Stoffe selber Gegenstand des Lernens als Fragen und Forschen mit den Schülern ist. Das Lernen und nicht nur der Stoff muss der Gegenstand der Aufmerksamkeit von Lehrern und Schülern in der Schule sein, wenn die Schulen sich öffnen sollen für den politischen Raum. Die Schüler können sich mit und ohne den Lehrer durch eigenes Arbeiten die Fragen stellen, die der Lehrer sonst während der Vorbereitung auf den Unterricht als Anknüpfungsmöglichkeit bei den Schülern vermutet. Warum sollen die Schüler nicht die Fragen an die Stoffe stellen, die ihrer eigenen Aufnahmebereitschaft entsprechen? Warum sollen sie nicht die Fragen stellen dürfen, die den Stoff infrage stellen: Was hab ich davon, wenn ich das lerne? Was hat der Stoff mit dem, was ich schon weiß, zu tun? Wie kann ich es schaffen, dass ich den Stoff verstehe und ihn besser behalte? Wenn das, was gelernt werden soll, lernenswert ist, fallen die Antworten schon richtig aus. Schüler sollten fragen dürfen mit der Konsequenz, dass der Zeitpunkt, die Reihenfolge und auch die Priorität der Stoffauswahl ihren Antworten anheimgestellt ist.“

Die Seite ist mit eindrucksvollen Fotos aus der Arbeit des Sport- und Jugendclubs Hövelriege versehen. -> Zur Seite

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NAGEL-Redaktion – Spielplatz Finkenweg, Bonn: Handwerk fördert Jugend


Foto: Jugendfarm Bonn

Der betreute Spielplatz Finkenweg ist seit seinem Bestehen Mitglied im ABA Fachverband und befindet sich in Trägerschaft des Vereins Jugendfarm Bonn e.V. Nachfolgend wird ein nachahmenswertes Projekt dokumentiert, das gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft Bonn • Rhein-Sieg durchgeführt wurde.


Foto: Jugendfarm Bonn

Handwerk fördert Jugend: Der langersehnte Umbruch

Alte Bahnwaggons mit Holzöfen als Heizung haben ihren Charme – auch noch nach acht Jahren intensivster Nutzung unter jeder Wetterbedingung. Dennoch reicht dies leider langfristig bei weitem nicht aus, um ein nachhaltiges und adäquates pädagogisches Angebot als offener Jugendtreff für den sehr hohen Bedarf zu stellen. Der Jugendtreff des Spielplatzes Finkenweg hat daher in einem beispielhaften Projekt seinen Treff um ein festes Gebäude erweitert.


Foto: Jugendfarm Bonn

Abdallah und Denis kuscheln sich in ihre Jacken und halten ihren heißen, süßen Apfeltee ganz nah – es ist nämlich besonders kalt heute im Jugendtreff. Besser gesagt, im Bahnwaggon. Der Offene Treff des Spielplatzes Finkenweg in Bonn-Holzlar besteht nämlich seit seiner Gründung im Jahre 2001 aus zwei alten, gespendeten Bahnwaggons. Diese dienen seither als Offener Jugendtreff, der hier entstanden ist, um dem dringenden Bedarf entsprechen zu können.

In den Jahren hat sich dort so einiges getan, und viele Besucherhände haben ihren Treff gestaltet und erweitert – so kamen Wege und Beete, Gartengestaltung und eine Werkstatt, zuletzt eine Beach-Area und Basketballfeld dazu. Im Sommer wird immer intensiv der Außenbereich genutzt, im Winter rücken alle näher zusammen, um die Wärme zu halten. Die Waggons werden mit einfachen Holzöfen geheizt – um den Holzbestand kümmern sich die Jugendlichen natürlich auch. Fließendes Wasser gibt es nicht, das wird vom 400 Meter weiter vorne gelegenen Kindertreff geholt, dort werden auch bei Bedarf die Toiletten genutzt.

Die Besucherinnen und Besucher des Treffs haben zu 80 Prozent Migrationshintergrund. Sie wohnen meist in der näheren Umgebung und den umliegenden Stadtteilen – der Treff ist absichtlich mitten im bevölkerungsreichen Stadtteil Holzlar an einem allgemeinen Platz angesiedelt und der einzige Anlaufpunkt mit Angeboten für die Jugendlichen. Delinquenz, Gewalt und Cliquenrivalitäten sind für die Jugendlichen Alltag, neben Zukunftsängsten, Lethargie und Schulmüdigkeit sowie der Dauerberieselung verschiedenster neuen Medien bewegen sie sich in ihren eingeschworenen Gruppierungen, in der Sicherheit des ihnen Vertrauten.

Verantwortung übernehmen und Gestaltungsmöglichkeiten durch Selbstbestimmung 

Jugendliche haben ein Recht auf Raum und Platz, in dem sie ihre Freizeit ausleben können und sich – sowohl in der Gruppe als auch individuell – geschützt und bei Bedarf angeleitet entwickeln und entfalten dürfen. Der Jugendtreff ist nach den Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher ausgerichtet – das Programm wird nach ihren Wünschen und Ideen gestaltet und mit ihnen zusammen durchgeführt.


Foto: Jugendfarm Bonn

Der Offene Treff baut auf erlebnis-, natur-, bewegungs- und freizeitpädagogischen Ansätzen. Gerade die Bahnwaggons und eben auch die Tatsache, dass die Bedingungen in ihnen jahrelang mangelhaft waren, haben doch auch ihren Charme und sind wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit. In einer Welt, in der die Jugendlichen (ob sie nun wirklich wollen oder nicht) sich dauerhaft mit verschiedensten neuen Medien auseinander setzen müssen, sich ihnen anpassen, von ihnen berieselt und beherrscht werden, stellt der Jugendtreff einen ruhigen Ort dar, der in starkem Kontrast zu dieser Welt steht. Hier wird auf Natur sowie auf ein ehrliches, offenes und respektvolles Miteinander gebaut, in der einer auf den anderen achtet.

All diese sinnvollen und guten Vorsätze, Konzepte und alltägliche Praktiken können aber sehr erschwert werden – so vor allem durch chronische räumliche Enge, fehlende räumliche Alternativen, die je nach pädagogischem Bedarf genutzt werden könnten. Auch die Jugendlichen selbst bemerkten die Mängel –  nicht der marode Zustand der Waggons selbst war ihnen ein Dorn im Auge – sie äußerten vielmehr das Bedürfnis nach mehr Platz, um mehr schaffen, initiieren und gemeinsam erreichen zu können. 

Handwerk fördert Jugend – Jugend fordert Handwerk!

Im Sommer 2008 schrieb die Kreishandwerkerschaft einen Wettbewerb aus: „Handwerk fördert Jugend“. Im Rahmen dieses Projektes sollte gemeinsam mit Jugendlichen etwas erbaut, saniert, erweitert werden, eingebettet in Nachwuchsförderung für die beteiligten Innungen. Der Bereich „Offene Arbeit Spielplatz Finkenweg“ der Jugendfarm Bonn e.V. sah seine einmalige Chance und bewarb sich – aber direkt auch mit einer eigenen Rückforderung: Jugend fordert Handwerk!


Foto: Jugendfarm Bonn

Mit diesem Konzept, das nicht nur die Sanierung unserer inzwischen maroden, vollkommen überholten und lange nicht mehr dem Bedarf und der Nachfrage entsprechenden Waggons vorsah, sondern vor allem auch die Verknüpfung mit einer Berufsförderung der Besucherinnen und Besucher vorsah, stachen wir heraus. Im Laufe der Bewerbungsphase kristallisierte sich heraus, dass sich eine Sanierung allein nicht lohne – eine Erweiterung der Räumlichkeiten musste notwenig hinzugefügt werden. Der ursprüngliche Antrag wurde dementsprechend verändert und angepasst.


Foto: Jugendfarm Bonn

Am Ende überzeugte das Konzept, das mit den ungewöhnlichen örtlichen und baulichen Begebenheiten durchaus auch für die Handwerkerinnungen eine Herausforderung darstellte, und der gesamte Bereich Offene Arbeit Spielplatz Finkenweg jubelte im Herbst 2008, als die Nachricht kam, dass die Ausschreibung mit 100.000 Euro in Sach- und Dienstleistungen gewonnen worden war – ohne die Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft wäre das gemeinsame Projekt aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen nicht durchführbar gewesen. Wie damals schon im Anschreiben so schön formuliert wurde: „Der Spielplatz Finkenweg möchte die Träume der Jugendlichen wahrmachen!“

Folgend sind auszugweise die pädagogischen Ziele des Projektes, welche im Mittelpunkt stehen, dargestellt:

•    Unterstützung bei der Entwicklung einer selbstbewussten Identität
•    Förderung der Verständigung zwischen Jugendlichen unterschiedlicher kultureller Hintergründe
•    Verbesserung der sozialen Kompetenz
•    Initiierung und Begleitung von Gruppenprozessen zur Förderung von Kommunikationskultur, Solidarität, emotionaler Verbundenheit und Konfliktfähigkeit
•    Vertrauen auf eigene Gefühle 
•    Auseinandersetzung mit traditionellen Geschlechterrollen, Erweiterung des persönlichen Horizontes und Unterstützung von Chancengleichheit
•    Einblicke in unterschiedliche handwerkliche Berufsfelder
•    Praktische Erfahrungen im Handwerk, Freude am Handwerk
•    Kreative Gestaltung der Räumlichkeiten
•    Berufliche Perspektiven entwickeln
•    Öffentlichkeitsarbeit

 


Foto: Jugendfarm Bonn


Höhen und Tiefen – wie Theorie und Praxis aneinandergeraten

Nun ging es an die eigentliche Arbeit: mit den Jugendlichen gemeinsam begann im Januar 2009 die Planungsphase. Es gab vieles zu besprechen, denn schließlich waren auch etliche Innungen beteiligt – von Hoch- und Tiefbau über Elektrik, Kfz und vielen weiteren bis hin zu den Frisör-, Goldschmiede-, Fleischerei- und Informationstechnik-Innungen – alles war mit im Boot.

Gemeinsam wurde nicht nur erörtert, wie die Bauarbeiten selbst vor Ort ablaufen könnten, was alles ansteht und was für Vorstellungen, Wünsche und Möglichkeiten die Jugendlichen selbst haben; wichtig war auch die Arbeit „hinter den Kulissen“, allem voran der Bauantrag an die Stadt und der politische Prozess, der damit verbunden war, den Antrag bewilligt zu bekommen.


Foto: Jugendfarm Bonn

Ein wichtiger und langer Prozess war es vor allem auch im Hinblick auf den Naturschutz. Das neue Gebäude sollte auf einem Teilstück der großen Wiese des Geländes erbaut werden, die als Ausgleichsfläche dient. Hintergrund war hierbei nicht primär ein pädagogischer, sondern vielmehr einer dem Naturschutz verbundener – die optimale und sinnvolle Nutzung eines großen, weitgehend nicht gepflegten Geländes zu erreichen; durch die Erweiterung des Jugendtreffs konnte ein großes Stück sowohl der brachliegenden Wiese als auch des Naturstückes entlang des benachbarten Teiches für den Treff gewonnen werden. Diese offenen, frei zugänglichen Flächen wurden bisher zwar immer intensiv von Kindern, Jugendlichen und Familien in ihrer Freizeit genutzt, jedoch kaum gepflegt und gewartet.

Nunmehr können innerhalb des Treffs im Rahmen regelmäßigen Naturangebotes Büsche und Bäume, Grünflächen und Wege sinnvoll gepflegt und von vielen gemeinsam und im Einklang mit der Natur selbst genutzt werden. Mit den Jugendlichen gemeinsam kann man den Fragen nach der gerechten Nutzung von Natur und Umwelt, von ökologischem Gleichgewicht und Naturschutz nachgehen sowie die Antworten und Ideale hautnah und praktisch anwenden und ausleben.


Foto: Jugendfarm Bonn

Im Juli 2009 kam nach etlichen Gesprächen, Besichtigungen und Absprachen endlich die langersehnte Bewilligung des Bauantrages. Ab Herbst war der Spielplatz Finkenweg dann auch von vorne bis hinten Baustelle, und bis in den kalten Winter hinein wurde unter ungünstigsten Wetterbedingungen geschuftet. Und, wie es leider bei vielen Bauvorhaben so ist, kamen immer wieder unvorhergesehene Hürden in den Weg, deren man sich – meist mit erhöhten Kosten – annehmen und die man bewältigen musste.

Vor allem in den aktiven Bauphasen kamen dann die Tücken eines gemeinsamen Projektes von Jugendlichen und Handwerkern zum Vorschein – alleine das zeitliche Arrangieren gestaltete sich schwierig. Die Jugendlichen gingen vormittags zur Schule, die Handwerker begannen meist um 7 oder 8 Uhr morgens und beide Seiten trafen sich meist nur im Vorübergehen am frühen Nachmittag – die Jugendlichen beim Ankommen, die Handwerker auf dem Weg in den Feierabend.

So wurde der Schwerpunkt mit den Jugendlichen auf die Nachbearbeitung und Nachbesprechung der Bauarbeiten gelegt. Und Kontakte gab es dennoch zu Genüge, denn die Neugierde der Jugendlichen, gerade der Älteren, war groß – mitten in der Suche danach, wie ihre Zukunft aussehen soll, was sie interessieren könnte und wo sie Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten,  war dieses Projekt – wie erhofft – eine hilfreiche Stütze für sie.

So konnte z.B. auch Daniel konkreter werden: „Ich weiß, dass ich eine Ausbildung machen möchte und dass ich auch eine machen muss, um eine Zukunft zu haben. Ich wusste aber nicht wirklich, was das für eine Ausbildung sein sollte – Handwerker ist ja ein sehr allgemeiner Begriff. Nun kann ich mir etwas unter den verschiedenen Möglichkeiten vorstellen und gezielter um Praktikumsplätze und einen Ausbildungsplatz kümmern.“

Und was kommt als nächstes?

Am 22. Januar 2010 war es endlich soweit – das neue Gebäude, leider bisher nur innen fertig und außen herum noch umgeben von Baustelle, konnte eröffnet werden. Im Rahmen der deutschlandweiten Imagekampagne des deutschen Handwerks kamen zahlreiche Interessierte, unter ihnen auch der Kölner Regierungspräsident, Hans Peter Lindlar, der Schirmherr unseres Projektes.

Fertig ist jedoch noch lange nicht alles: Vor allem der Außenbereich benötigt noch einiges an Arbeit – jedoch sind dies Arbeiten, die mit den Jugendlichen wieder gemeinsam angegangen werden können. Von Plattenverlegung über Grünanlagenpflege bis zur Verschönerung der Außenwände durch einen Graffiti- und Künstlerworkshop, – alles Dinge, die die Jugendlichen ohne Probleme „drauf haben“. Denn schließlich sind genau dieses die Dinge, die schon seit Jahren gemeinsam im Jugendtreff gemacht werden und bei denen die BesucherInnen ihren Treff gestalten, sich selbst verewigen und den Treff für die nächsten Generationen vorbereiten können.

Alles in allem sind wir alle sehr stolz auf unseren Mut, dieses Projekt gemeinsam anzugehen. Die vielen Hochs und Tiefs haben keinen davon abgehalten, ehrgeizig die gesetzten Ziele zu verfolgen und erfolgreich, gestärkt und mit einigem an neuem Wissen daraus hervorzugehen. Und die nächsten Ideen, wie der Stadtteil und vor allem seine BewohnerInnen, Eltern, Kinder und Jugendliche unterstützt werden können, gären schon.

In den nächsten Monaten widmen wir uns dem „Feinschliff“, um Ende Mai mit unserem gemeinsamen Finkenweg-Sommerfest einen gebührenden Abschluss des Projektes zu gestalten. Gemeinsam mit den Handwerkerinnungen, der Kreishandwerkerschaft und der Politik wird es einen Handwerkermarkt geben, Spiel und Spaß für Groß und Klein, ein Fußballturnier und ein allgemeines fröhliches Fest für alle BesucherInnen, Familien und Freunde und den gesamten Stadtteil.

Weitere Informationen und Kontakt 

Autorin: Elisabeth Koppitz

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NAGEL-Redaktion – Großes Mini-Beuel, Filzblumen und jede Menge Freiraum

Kinder brauchen Platz. Sie brauchen Raum und Zeit zum Spielen und zum eigenen Handeln, und sie brauchen Erwachsene, die für sie diese Rechte einfordern und ihnen Räume bieten. Die erste Bonner Kinderstadt „Mini-Beuel“ ermöglichte rund 400 Kindern zwei Wochen lang im Juli 2009 genau dies.

Um aus dem Konzept zu zitieren: „Die Kinderstadt Mini-Beuel ist ein Kooperationsprojekt von Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen im Beueler Raum, der Kirche und der Stadt Bonn, ein Sommerferienangebot für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren, ein erlebnisorientiertes Planspiel, das die Partizipation der Kinder in den Mittelpunkt stellt, eine Spielstadt von Kindern und für Kinder, in der die alltäglichen Abläufe einer Stadt spielerisch erfahren und gelebt werden.“

Dies beschreibt sehr genau, worum es in Mini-Beuel, der „Stadt der Kinder“ des Bonner Stadtteils Beuel, eigentlich ging. Innerhalb des Stadtteilarbeitskreises Offener Türen, in dem sich die Leiter der Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen in regelmäßigen Abständen austauschen, entstand im Jahr 2007 der Wunsch, das Ferienprojekt „Kinderstadt“ nach Bonn zu holen, das ja in anderen Städten schon seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Zu diesem Zweck haben sich einige Träger zu einer Projektgruppe zusammengeschlossen, die den Wunsch hatte, sich der Herausforderung eines solch faszinierenden, innovativen und pädagogisch fundierten Projektes zu stellen. Nach rund zwei Jahren Vorbereitungszeit gelang es nun, in zwei Sommerferienwochen im Juli dieses Jahres eine erfolgreiche und spannende Kinderstadt durchzuführen.

Verantwortung, Selbstbestimmung und Demokratie

Hier regieren wir! Die Bürgerinnen und Bürger von Mini-Beuel waren selbstbestimmt. Den Kindern wurde nicht dazwischengefunkt, wenn es um ihre Stadt ging. Und sie bewiesen es allen mit erstaunlicher Schnelligkeit und Einfallsreichtum, wie kompetent Kinder wirklich sind, wenn sie die Möglichkeit und den Freiraum bekommen.

Schon ab dem ersten Tag ging das Konzept der Kinderstadt auf und bildete die Abläufe einer Stadt bestens ab. Von Wahlplakaten über Werbung einzelner Betriebe an Taxis bis hin zu alltäglichen Problemen wie Materialbesorgung für die Produktion und langen Schlangen bei der Arbeitsagentur: alles war „geboten“. Während der beiden Wochen verwandelten sich das Gelände der Bonner Jugendfarm und der gegenüberliegende und für die Kinderstadt eigens umzäunte städtische Bolzplatz mehr und mehr in eine Stadt mit Eigenleben. Die Kinder hatten Freiraum, um selbst zu denken und zu entwickeln, für Auseinandersetzungen mit Konflikten, für die selbstständige Erarbeitung eigener Kommunikationsprozesse und für eigenes Erfahren von Demokratie. Sie erlebten Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten und die Veränderbarkeit der letzteren durch das Erarbeiten von Regeln und Normen.

Einschränkungen sollte es nach Möglichkeit nicht geben. Voraussetzung waren Anmeldung am Morgen und Abmeldung am Abend. Betreut wurden die Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren von vorab geschulten Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren, die die Kinder in den insgesamt 55 Bereichen, „Betriebe“ genannt, unterstützten. Wichtig hierbei waren primär zwei Dinge: Kinder in ihrem eigenen Handeln zu begleiten und für Sicherheit zu sorgen.

Wann greift man ein, wann lässt man es laufen, und wer ist überhaupt zuständig?

Mini-Beuel bot unendlich viele Möglichkeiten zum Lernen sowohl für die Kinder als auch für die Jugendlichen und für das Projektteam. Auf verschiedenen organisatorischen Ebenen konnten wichtige Erfahrungen gemacht werden, die sich als über Mini-Beuel hinaus nutzbringend und als auf andere Felder übertragbar erwiesen.

Die Kinder selbst lernten, wie es ist, vollständig eigene Verantwortung über einen bestimmten Bereich (= Betrieb) zu haben, und was es heißt, ein vollwertiger und wichtiger Teil einer Gesellschaft (= als Bürger/-in der eigenen Stadt) zu sein.

Es tauchten viele Fragen auf, deren Antworten sich den Kindern durch das Spiel häufig von selbst erschlossen: Wie kann mein Betrieb erfolgreich laufen, und wovon hängt das ab? Welche internen und externen Faktoren spielen eine Rolle? Welche Verantwortung habe ich innerhalb meiner Stadt, meinem Stadtteils – habe ich überhaupt welche? Was passiert sonst noch in der Stadt? Gehe ich wählen oder nicht? Habe ich zu Polizeigewalt, rasenden Taxis oder einem teilweise chaotischen Bastel- und Baustoffladen etwas zu sagen, und wenn ja, was?

Lange, komplexe Handlungsabläufe gab es zur Genüge – und die Kinder konnten mit den unterschiedlichsten Situationen durchaus umgehen, da sie unterstützt vom Planspiel diese leichter nachvollziehen konnten. Sie hatten die Ressourcen, Sicherheiten und den Freiraum bekommen, wodurch sie sich ausreichend unterstützt wussten. Dabei zeigte sich Tag für Tag der hohe Bildungswert des freien gemeinsamen Spielens von Kindern in Natur und in offener, anregender Umgebung.

Auch die Arbeit mit den Jugendlichen hatte für alle viel Erfahrungswert. Zwei Wochen lang für jeweils 250 Kinder verantwortlich zu sein, war eine große pädagogische und gute Nerven erfordernde Aufgabe, die die Jugendlichen sehr erfolgreich meisterten. Die abendlichen Besprechungsrunden zeigten die jeweils aktuellen Brennpunkte auf: Welcher Betrieb läuft erfolgreich und warum? Liegt es an dem Material, den pädagogischen Ideen, den Kindern, oder vielleicht dem Standort, der Nachfrage? Klappt es, dass alle eine Mittagspause haben? Wie funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb des Teams von Betreuern und Betreuerinnen?

Die größte Herausforderung aber war sicherlich, dass sich sechs Einrichtungen der Offenen Arbeit zusammenfanden zu einer gemeinsame Planung und Durchführung durch die Einsetzung eines gemeinsamen Projektteams. Die durchaus anstrengende gemeinsame Arbeit zeigte jedoch wieder sehr klar, wie viele Vorteile Kooperation für jeden einzelnen und somit auch die Offene Arbeit insgesamt hat. Der Pool an Ressourcen konnte effektiv genutzt werden; der gemeinsame Nenner „Offene Kinder- und Jugendarbeit“ verband die durchaus unterschiedlichen Einrichtungen, und durch die damit gegebene Vielfalt konnten viele Ideen und Inputs in maximalem Nutzen für die Teilnehmer/-innen umgewandelt werden.

Alles Gold, was glänzt?

Die Reaktion der Öffentlichkeit und der Medien zeigte deutlich, dass Mini-Beuel und damit das Konzept einer Kinderstadt durchweg positiv auf- und angenommen wurde. Ob nun Lokalzeitung, Radio und Fernsehen oder die lokale Politik und Fachkollegen und -kolleginnen, alle begleiteten das Projekt mit Freude. Die Unterstützung durch zahlreicher Sponsoren, Firmen und Privatpersonen sind ebenso Belege dafür, dass die Wichtigkeit und Besonderheit dieses Projektes allgemein anerkannt wurde.

Aber ist das auch alles? Natürlich nicht, es gibt einige Baustellen, an denen man noch nachbessern kann. In der Organisation und Aufgabenverteilung innerhalb des Projektteams können in Zukunft Aufgaben noch genauer und spezifischer verteilt werden, um die Arbeitskraft optimal über die mit Auf- und Abbau insgesamt vier Umsetzungswochen hinweg zu verteilen.

Im Nachhinein kann man feststellen, dass die Vorbereitung durch das Projektteam geprägt war von einer einzigen Leitfrage, nämlich der, welcher Grad an Durchplanung für das Projekt optimal sein würde: Was wird vorab festgelegt, was wird geplant? Wieviel soll vorgegeben sein, und wieviel sollen bzw. können die Kinder selbst innerhalb der beiden Wochen entwickeln? Was kann ihnen zugetraut werden? Mit wieviel Verantwortung können die jugendlichen Betreuer/-innen umgehen? Und was möchten wir überhaupt, dass die Kinder erleben? Chaos, Unklarheiten und Unsicherheiten gehören schließlich auch zu dem Aufbau einer Stadt dazu, und auch damit muss man umgehen lernen (können).

Diese grundlegenden Fragen waren und sind schwer generell zu beantworten, und vieles zeigt sich wirklich erst in der Praxis. Es zeigte sich aber doch, dass, wenn bei der gemeinsamen Grundidee Konsens herrscht, es die Stadt der Kinder sein soll, man zu einer klaren gemeinsamen Linie findet.

Ein Beispiel: Den Abschluss jeder Woche bildete der gemeinsame Familiensamstag. Der Idee nach sollte dieser in der Woche davor von den Kindern selbst mit vorbereitet und präsentiert werden, vor allem auch dem Stadtrat. Wenn dieser Kinderstadt-Grundidee streng gefolgt wird, kann dies durchaus einen etwas unsortierten Samstag ergeben.

Ein weiteres Beispiel: Der Umgang mir Geld in der Kinderstadt. Wer setzt die Preise des Bastel- und Baustoffladens fest? Wie verläuft es mit der Preisfestlegung innerhalb der Stadt? Wie geht ein Projektteam damit um, wenn Preise sich nicht erhöhen, Kinder Geld horten, die Bank kein Geld mehr hat? Wo schreitet man ein und setzt Grenzen, und wo lässt man das Spiel „einfach mal laufen“?

Eine Stadt, die lebt

Unabhängig von den organisatorischen und pädagogischen Fragen – Mini-Beuel war voller Leben, Freude und Lust am Ausprobieren, Lernen und Entdecken. Die Betriebe liefen erfolgreich.

Eine tägliche Stadtzeitung wurde produziert, etliche stadtinterne Radio- und TV-Beiträge (= Stadtnachrichten, Werbung, Kundgebungen über den Radiosender „Big MB“ und den Mini-Beuel TV-Sender) entstanden. Viele engagierte Stadträte und höchst engagierte BürgermeisterInnen kümmerten sich voller Freude um Besuche aus der Außenwelt wie auch um Probleme der Innenwelt. Die Müllabfuhr prosperierte und der Zirkus boomte. Im Elterngarten gingen die von den Betrieben erstellten Produkte „weg wie warme Semmeln“. Die Bürgerinnen und Bürger von Mini-Beuel fanden ihre Nischen, und der Bürgerservice zeichnete mehr und mehr Meister in ihren Betrieben aus. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, angefangen mit Bankräubern bis zu den alltäglichen Kleinigkeiten, bei denen die Bürgerinnen und Bürger Unterstützung wollten oder benötigten. Die Universität erstellte mehrere erfolgreiche Umfragen, die Bank war vielbeschäftigt mit der Ausgabe von Sparbüchern und in der ökumenischen Kirche heirateten zahlreiche gemischt- und gleichgeschlechtliche Paare jeden Alters.

Ausblick

Das Ziel des Projektteams war, dass Kinder gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge einer Demokratie verstehen lernen, ihre eigenen Ideen und Gesellschaftsentwürfe umsetzen können, die von Arbeit, Geld und Konsum bestimmte „Erwachsenenwelt“ am einfachen Modell erfahren, sich selbstbestimmt handwerkliche und musisch-kreative Fähigkeiten aneignen, die Notwendigkeit von Regeln und Normen, aber auch ihre Veränderbarkeit erkennen, die Chance bekommen, ihr Freizeitangebot mit zu gestalten, weitgehend selbstständig handeln, ein ansprechendes und unvergessliches Ferienangebot erleben. All dies war und ist durch Mini-Beuel realisierbar!

Das Projektteam, die Jugendlichen und die Familien waren zufrieden – dies heißt für das Team, dass es in zwei Jahren wieder ein Mini-Beuel geben wird. Die Prämisse des Projektteams war und es bleibt auch dabei: Kinder an die Macht! Kinder haben ein Recht auf ihre Freiheit und Selbstbestimmung. Sie haben ihre eigenen Ideen, die genauso viel Wertigkeit haben wie die eines jeden anderen Menschen, ob groß oder klein. Sie haben und brauchen das Recht auf ihre eigene Meinung, ihre eigenen Ideen. Mit Unterstützung, Ressourcen, Raum und „Anwälten“ sind Kinder und Jugendliche imstande, Großes zu tun und die Erwachsenen „vom Hocker zu reißen“.

Der Schlüssel hierzu sind die Grundsätze der Offenen Arbeit sowie Kooperation. Nur in diesem Feld und durch diese Grundsätze sind solche Projekte wirklich durchführbar – und gemeinsam sind wir stark.

 

Quelle: Offizielles Konzept der Kinderstadt Mini-Beuel

Fotos: © Projektteam Mini-Beuel

 

Weitere Informationen und Kontakt

 

Autorin: Elisabeth Koppitz

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NAGEL-Redaktion – Mehr Platz für wilde Spiele an der Schule


Hüttenstadt auf der Jugendfarm (Foto: Jugendfarm Bonn)

Schule und Jugendfarm, zwei Orte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Letztendlich definiert die eine sich sogar in Abgrenzung zur anderen: Pflicht vs. Freiwilligkeit, Lehrplan vs. Freiraum, formelles Lernen vs. informelles Lernen … Auch zeitlich war diese Abgrenzung lange gegeben: Unterricht in der Schule am Vormittag und Spielen auf der Jugendfarm am Nachmittag!

Mit der Entwicklung der Ganztagsschule wird diese Grenze in Frage gestellt. Mit der Ganztagsschule beschränkt sich Schule nicht mehr nur auf den Vormittag. Und damit ist letztendlich auch die Aufgabe verbunden, Schule ganz neu zu denken, Schule interprofessionell zu denken. Schule ist aufgefordert, mit anderen Bildungspartnern zu kooperieren. Zu diesen Bildungspartnern gehören auch die Jugendfarmen.

Als Träger der freien Jugendhilfe haben Jugendfarmen und Aktivspielplätze den
gesetzlich verankerten Auftrag, an den Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche in ihrem Einzugsbereich positiv mitzuwirken und als so genannte „dritte Sozialisationsinstanz“ neben Elternhaus und Schule bei der Gestaltung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen mitzuhelfen. Die Entwicklung von Ganztagsangeboten an Schulen gehört daher mit zu ihrem originären Auftrag.

Die Jugendfarm Bonn e.V. hat sich im Zuge der Entwicklung der Offenen Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfahlen entschlossen, für interessierte Schulen ein verlässlicher, kompetenter, innovativer und verhandlungsstarker Partner bei der Einrichtung von ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten zu sein. Die Jugendfarm Bonn ist längst keine Jugendfarm mehr, deren Angebot sich auf die Offene Arbeit auf einem Platz beschränkt. Sie ist zu einem Jugendhilfeträger geworden, der sich mit seinen Erziehungs-, Förderungs- und Bildungsanliegen stadtweit einmischen möchte. Dabei geht es der Jugendfarm Bonn um die (ganzheitliche) Gestaltung von Lebensräumen mit Hilfe der Vernetzung mit anderen Erziehungs- und Bildungspartnern. Sie übernimmt Lobby- und Anwaltsfunktionen für Kinder und Jugendliche.


Weltspieltag 2009 an der OGS Marktschule: Bau einer Kartonstadt (Foto: Jugendfarm Bonn)

Die Jugendfarm Bonn steht dem jetzigen Schulsystem in seiner Aufgliederung in Gymnasien, Real-, Haupt- und Förderschulen durchaus kritisch gegenüber und setzt sich für eine Integration der verschiedenen Schulformen und ein über die Grundschulzeit hinaus dauerndes, gemeinsames Lernen ein. Dieses Lernen beschränkt sich im Idealfall nicht auf einen vormittäglichen Unterricht, sondern verteilt sich im Rahmen eines Ganztagsangebotes für alle Kinder einer Schule über eine größere Zeitspanne bis in den Nachmittag hinein. Die Schule wird damit zum Lern- und Lebensort. Durch eine entsprechende Vernetzung mit umliegenden Einrichtungen gestaltet sich das Lernen sozialraumbezogen.

Ihr Jugendhilfeangebot, das ein verlässliches Betreuungsangebot einschließlich Mittagstisch, Hausaufgabenbetreuung und Raum für selbstbestimmtes Spiel und Kreativität sowie darüber hinausgehende Förderungs- und Erziehungshilfeangebote beinhaltet, versteht die Jugendfarm Bonn nicht als Teil einer schulpädagogischen Veranstaltung. Vielmehr ist es ihr Anliegen, das schulpädagogische Angebot um ein gleichberechtigtes sozialpädagogisches Angebot zu erweitern. Die Zusammenarbeit von Lehrer/innen, sozialpädagogischen Fachkräften (Erzieher/innen, Sozialpäda-gog/innen …) und ergänzendem pädagogisch tätigen Personal (vorrangig aus dem sportpädagogischen und musisch-kulturellen Bereich) ist multiprofessionell und auf Augenhöhe angelegt. Die Kooperation auf personeller Ebene geht einher mit dem Ziel einer langfristigen Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene. Die Offene Arbeit stellt insbesondere für die jugendlichen Schüler/innen einen Ansatz dar, der auch mit einer zunehmenden Ganztagsbetreuung an den Schulen nicht wegzudenken ist. Kein Schulgelände kann den jugendlichen Interessen weder zeitlich noch inhaltlich in dem Maße gerecht werden, wie es in der Offenen Arbeit vom Konzept her angelegt ist.

In diesem Sinne strebt die Jugendfarm Bonn die Zusammenarbeit vorrangig an Standorten an, an denen im Idealfall die Möglichkeit einer Kooperation der Schule mit ihren Einrichtungen bzw. Plätzen der Offenen Arbeit gegeben ist oder die räumlichen Voraussetzungen dafür bestehen, die Angebote der Offenen Arbeit langfristig an der Schule zu integrieren.

Ein Projekt, dem sich die Jugendfarm Bonn seit geraumer Zeit verschrieben hat, ist die Einrichtung eines Bauspielplatzes an der Schule. In anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen wie beispielsweise in Oberhausen ist dieses Konzept bereits erfolgreich umgesetztworden. Zusammen mit einer Mitarbeiterin des städtischen Gebäudemanagements hat sich die Jugendfarm Bonn dort Anregungen geholt, wie das Konzept mit den strengen Sicherheitsauflagen der Stadt Bonn auch in Bonn möglich gemacht werden könnte. Damit begann die Suche nach einem Platz, der vom öffentlichen Schulhof durch einen entsprechend hohen Zaun abgetrennt ist, keine direkte Nähe zu den anliegenden Nachbarn aufweist und zudem auch keinen unmittelbaren Einblick für vorbeiziehende Passanten bietet.


Robert-Koch-Schule, Bonn (Foto: Jugendfarm Bonn)

An der Robert-Koch-Schule in Bonn-Pennenfeld lag es aufgrund des bereits bestehenden Schulgartens auf der Hand, dieses Vorhaben zu realisieren. Die nötige Wiederinstandsetzung der bestehenden Umzäunung verzögert die Umsetzung aktuell noch auf unbestimmte Zeit. Anders sieht es an der Katholischen Grundschule in Bonn-Ippendorf aus. Dort hat das Städtische Gebäudemanagement den verwilderten Innenhof der Schule zur neuen Gestaltung freigegeben. Jetzt geht es darum, diesen Gestaltungsprozess mit allen beteiligten Partnern (Schule, Eltern, Kindern, Jugendfarm und Stadt) auszuhandeln.

Dort kann die Jugendfarm Bonn jetzt ihrem Anliegen entsprechend, die Grundgedanken der „Offenen Arbeit“ in die Schule zu tragen, tätig werden. Damit die Wirksamkeit eines Aktivspielplatzes in vollem Umfang gegeben ist, müsste der Innenhof der Schule im Idealfall folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Er müsste ein Platz werden, auf dem junge Menschen sich in geschütztem und betreutem Rahmen frei bewegen können.
2. Kalkulierbare Gefahren müssten als wichtiges pädagogisches Lernmittel bei der Gestaltung des Platzes bewusst integriert werden.
3. Den Kindern dürfte kein festes Konzept vorgegeben werden.
4. Die freie Willensentscheidung wäre grundlegendes Prinzip.
5. Die Kinder würden durch selbstständiges Ausprobieren lernen. Eingriffe seitens der Aufsichtskräfte würden nur zur Abwendung offensichtlicher Gefahren erfolgen.
6. Eigeninitiative zur Förderung der Identifikation mit dem Platz wäre ein weiteres Grundprinzip.
7. Der Platz wäre ausschließlich Kindern vorbehalten. Erwachsenen (Aufsicht ausgenommen) würde nur zu besonderen Anlässen Zutritt gewährt.
8. Die Aufsichtsperson sollte nach Möglichkeit „großes Kind“, Jugendlicher und Erwachsener zugleich sein.
9. Selbstgestaltung bzw. Selbstverwaltung wäre als weitere Stufe einer Ausbaumöglichkeit bei dem Konzept direkt mitgedacht.
10. Die Freiwilligkeit der Kinder wäre grundsätzlich zu berücksichtigen.


Robert-Koch-Schule (Foto: Jugendfarm Bonn)

Diese Punkte sind mehrheitlich in Schule nicht selbstverständlich und werden auch in Schule nicht uneingeschränkt und kompromisslos berücksichtigt werden können. Es geht auch nicht darum, Schule in einen Bauspielplatz zu verwandeln. Vielmehr wird die Jugendfarm Bonn im anstehenden Aushandlungsprozess gemäß Karlheinz Thimm, Professor für Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Berlin, die Rolle eines „produktiven Fremdkörpers an Schule mit Strahleffekten“ übernehmen und damit „zur Überprüfung schulischer Üblichkeiten einladen: den Inhalten, den Zielen, den Methoden, dem Umgang mit Zeit, der Herrichtung von Räumen, der Gestaltung von Beziehungen.“

Der Aushandlungsprozess soll über drei Jahre von August 2010 bis Dezember 2013 professionell begleitet und im Sinne eines Modellprojektes unter dem Motto „Offene Arbeit gestaltet Räume in der kommunalen Bildungslandschaft“ besonders gefördert werden. Die dafür nötigen Ressourcen sind im Rahmen eines breit angelegten Projektes von der AGOT NRW beim Land beantragt worden.

Andrea Steuernagel, Dipl. Päd.
Fachbereichsleitung Jugendhilfe & Schule
Jugendfarm Bonn
Am Weidenbach 26
53229 Bonn
0228 629879-16

Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Andrea Steuernagel zur Verwendung zur Verfügung gestellt.

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