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NAGEL-Redaktion – Kinder kochen

Kinder sollen möglichst früh praktisch beim Kochen mit einbezogen werden. Hierauf weist die Verbraucherzentrale NRW hin. Mit spätestens fünf Jahren seien sie dann in der Lage, sich selbstständig Gerichte zuzubereiten

i-Punkt 7-2003

NAGEL-Redaktion – Insekten auf natürliche Art verscheuchen

Tomatenpflanzen, Tomatenkraut und Zitronenmelisse verscheuchen Mücken. Um halbierte, mit Gewürznelken gespickte Zitronen machen Wespen einen großen Bogen. Fliegenmeiden stark aromatische Kräuter wie Minze oder Basilikum

i-Punkt 6-2004

Wespenfallen

Wespenfallen, die günstig zu erwerben sind, sehen Sie auf nachfolgenden Fotos. Die Behälter sind aus farbigem Glas. Unten befindet sich ein Einflugloch, das mit einer Wölbung nach innen geht. Die Gläser werden in der Nähe von Esstischen aufgehängt. Zuvor füllt man Zuckerwasser ein. Nachteil: Das „süße Wasser“ ist natürlich auch ein Lockmittel. Dies allerdings ist auch die Nahrung, die man auf dem Tisch stehen hat. Die Gläser sind so konstruiert, dass die Insekten keine Möglichkeit mehr haben, aus dem Glas zu entkommen, da sie immer versuchen, nach der „Mahlzeit“ in „Richtung Licht“ – also nach oben – zu entkommen. Dort allerdings ist das Glas verschlossen. So sehen sie ihrem „süßen Tod“ entgegen. Die „Gefahr“, beim Essen oder Trinken von Wespen belästigt zu werden, reduziert sich radikal. Wenn man die Gläser regelmäßig reinigt, haben sie obendrein noch eine „Schmuckwirkung“.

Wespenfalle (20 cm hoch) mit Korken als Verschluss – Foto: Rainer Deimel

Wespenfalle (14 cm hoch) mit Glasdeckel als Verschluss – Foto: Rainer Deimel

Derartige Gläser sind anderen ähnlichen Systemen aus ökologischer und auch preislicher Sicht in jedem Fall vorzuziehen. Leider sind sie nicht immer erhältlich. Bevorzugt sollte man sich im Frühjahr im Fachhandel nach ihnen erkundigen.

NAGEL-Redaktion – Praxistipps Naturerfahrungsräume

Sammelmappe Infoblätter Naturgarten

Diese Loseblattsammlung der Natur- und Umweltschutz-Akademie des Landes Nordrhein-Westfalen ist hier eingestellt. Man kann sich die einzelnen Blätter der Sammlung laden. Die Mappe umfasst insgesamt 75 Seiten und ist in 2. Auflage 2002 in Recklinghausen erschienen.

1. Naturnahe Gärten: lebendig, nützlich, schön
2. Düngung durch Bodenbelebung
3. Die Regenwürmer – Kompostieren im Wurmwanderkasten
4. Mulchen – Düngung und Bodenschutz wie in der Natur
5. Kompost: Rohstoffverwertung im Garten
6. Kompostierung in Komposttonnen
7. Kompostverwendung
8. Kompostierung ohne Garten
9. Bodenpflege durch Gründüngung
10. Das Hügelbeet
11. Gemüseanbau auf dem Hochbeet
12. Ernteverfrühung durch Frühbeete
13. Der Gemüsegarten: Wann wird was gesät und geerntet?
14. Mischkultur – Nachbarschaftshilfe im Frühbeet
15. Beipflanzung und ihre Wirkung
16. Pflanzensäfte geben Pflanzen Kraft
17. Naturverträglicher Artenschutz
18. Nisthilfen für Vögel
19. Der Ohrwurm – Helfer im Garten
20. Holzhaufen im Garten – wertvolle Lebensräume
21. Lebendige Mauern – Steine im Garten
22. Nisthilfen für Wildbienen und Wespen
23. Nistkästen für Hornissen
24. Hummeln im Garten – Nahrungsangebote und Nisthilfen
25. Schmetterlinge im Garten
26. Wege zur bunten Blumenwiese
27. Pflege von Blumenwiesen
28. Der Kräutergarten
29. http://www.nua.nrw.de/oeffentl/publikat/pdfs/infoblaetter/nr_29.pdfAnlage eines Gartenteiches
30. Pflanzen für bunte Blumengärten
31. Blühkalender für Stauden – blühende Staudenbeete von Februar bis Oktober
32. Bezugsquellen für naturnahe Gärten

 

Naturnahes Schulgelände (Beratungsmappe)

Leitfaden und Praxistipps für Schulen

Herausgegeben von der Natur- und Umweltschutz-Akademie des Landes Nordrhein-Westfalen (NUA)

Neuauflage 2004, 112 Seiten A 4, zahlreiche farbige Abbildungen

Schulgelände – das war lange Zeit meist nur ein asphaltierter Schulhof. Doch viele Schulhöfe lassen sich entsiegeln, naturnah umgestalten und durch Spielmöglichkeiten bereichern. Mit der „Beratungsmappe Naturnahes Schulgelände“ der NUA wird Schulen ein umfassender Leitfaden für die Planung und Umsetzung von Projekten zur Verfügung gestellt. Auf 112 Seiten enthält die Mappe praktische Tipps für den Projektablauf und die Einbindung in den Unterricht. Die Dokumentation erfolgreich verlaufener Praxisprojekte macht Mut, den ersten Schritt zu wagen. Zahlreiche Farbfotos veranschaulichen, mit welcher Begeisterung Schülerinnen und Schüler naturnahe Schulgelände gestalten und nutzen.

Die Neubearbeitung der erstmals 1990 herausgegebenen Mappe trägt der gewachsenen Bedeutung dieser Arbeit Rechnung. Attraktive Schulgelände leisten einen Beitrag zur Gewaltprävention. Praktisches Arbeiten und Anpacken fördern die soziale Kompetenz der Schülerinnen und Schüler und ihre Bereitschaft zu verantwortlichem Handeln für die Umwelt. Viele Elemente dienen der Bewegungsförderung und der schulinternen Kommunikation. Freiluftunterricht, Pausenaufenthalt, Ballspiele, Schulfeste und vieles mehr sind hier möglich. Umwelt- und Nachhaltigkeitsthemen wie Energie, Wasser, Abfall und Ernährung lassen sich besonders praxisnah durch Schulgeländeprojekte in den Unterricht einbeziehen. Die Arbeitsblätter sind nicht nur für Schulen geeignet.

 

Titel, Vorwort, Inhalt

 

Naturnahes Schulgelände

1. Lebens- und Lernort Schule – zur Bedeutung von Natur an der Schule
2. Eine alte Idee wird neu belebt – Schulgeländegeschichte

 

Starthilfen

3. Schritt für Schritt – Anregungen zum Projektablauf
4. Allein geht es nicht – Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gewinnen
5. Genehmigungen – Zusammenarbeit mit Behörden und Versicherungsträgern
6. Wer soll das bezahlen? – Finanzierungsmöglichkeiten

Gelände und Idee

7. Ein Ausflug ins Bekannte – Schulgeländeerkundung
8. Interessen, Wünsche und Ideen – sammeln und auswerten
9. Von der Idee zur Umsetzung

Projektbeispiele

10. Lernen in und mit der Natur
Von Batman und Singels – Artenschutz
Hecke, Teich und Trockenmauer – Biotope
Auf die Plätze … – Freiluftklasse
Jeder Mensch ein Künstler – NaturKunst

11. Schulgarten – auch mal anders
Grüner Daumen – Nutzgarten
Ein besonderes Kraut – neue Wege im Schulgarten
Auf das Tier gekommen – Tierhaltung

12. Nachhaltiges Lernen – lokal und global
Schule und Profil
Schul-Check
Diplomaten in Gummistiefeln

13. Bauen und Ökologie
Grüner Pelz
Tropfen für Tropfen
Sanfte Wege
Energisch leben

14. Spiel und Bewegung – Schulhof, Spielhof
Spielgebüsch und Hügel
Sitzgelegenheiten, Spielgeräte und Sicherheit
Weidenbauwerke, Sinnesgarten

15. Schule im Stadtteil
Gute Unterstützung
Schulhofprogramme

Planung

16. Alles braucht Raum – räumliche Zuordnung von Schulgeländeelementen
17. Wie kommen Ideen auf Papier? – Pläne, Zeichnungen, Fotos

Probleme im Schulalltag

18. Schulorganisation und Stundenplan – Einbeziehung in den Schulalltag
19. Zerstörungen – vermeiden und verhindern
20. Betreuung in den Ferien – Schulgarten
21. Schulgeländearbeiten im Winter – Tipps zur kalten Jahreszeit
22. Mähen, Schneiden, Jäten – Pflegearbeiten und Pflegeplanung

Öffentlichkeitsarbeit

23. Werbung muss sein – Öffentlichkeitsarbeit für Schulgeländeprojekte

Literaturverzeichnis

Hier kann man sich die komplette Arbeitsmappe herunterladen (3,4 MB)

 

Weitere Arbeitshilfen

Was man mit Weiden im Außenbereich tun kann

Weidentipis und Kriechtunnel

 

 

 

Zur Seite Naturerfahrungsräume

Zur Seite Ressorts im ABA Fachverband

Zur ABA-Startseite

 

NAGEL-Redaktion – Michael Karjalainen-Dräger

 

hier finden sie

denkwürdiges über bildung,

die mehr als ausbildung ist sowie über eine schule mit zukunft, 

wissenswertes über die theorie und praxis der erziehung für eltern und pädagog/innen 

und anleitungen für die ersten schritte zum  

selbst-bewusst-sein und zum sinn des lebens. -> Zum Blog

NAGEL-Redaktion – Die Crux mit der Betreuung

(Kolumne aus: DER NAGEL 63/2001)

Von Rainer Deimel

„Soviel Aufsicht war nie. Vom Babyfon bis zum Juniorhandy, vom ersten Zucken im Mutterleib bis zum ersten Pickel wird unser Nachwuchs sorgfältig überwacht und qualitätskontrolliert. Und während die äußeren Freiräume schrumpfen, kümmert sich eine machtvolle Industrie um die Usurpation der inneren Räume eines jeden einzelnen Kindes.“ So skizziert Irene Stratenwerth die augenblickliche Situation von Kindern (DIE WOCHE Nr. 32/2001). Statt Kindern müssten Erwachsenen Grenzen in ihrem Mobilitätswahn, ihrer Zerstörungswut, ihrer Habgier, ihrem Ehrgeiz und ihrer Eitelkeit gesetzt werden, postuliert sie weiter. Leider seien sie – die Erwachsenen – schwer erziehbar, sonst gelänge es, sie in ihre Schranken zu verweisen und Kinder könnten neue Freiräume gewinnen.
Unsere postmoderne Gegenwart schillert zwischen scheinbarer Beliebigkeit, der „völligen“ Individualität bis hin zum normierten Massenmenschen, der „Menschenschwärze“ (Peter Sloterdijk). Offensichtlich haben gesellschaftliche Veränderungen, die rasante Entwicklung hin zum Turbokapitalismus, dazu geführt, Menschen stark zu verunsichern. Huckleberry Finn und Pippi Langstrumpf verbleiben im Märchen. Die Eltern der jetzt heranwachsenden Kindergeneration kennen diese Figuren auch nur noch aus dem Buch oder aus Filmen. Selbst im Wald gespielt (zum Beispiel) haben sie nur noch vereinzelt. Sich einmal – welch sinnliche Erfahrung! – am Feuer die Finger verbrannt? Wie sollte sich jemand am Feuer die Finger verbrennen, wenn er kaum noch in der Lage ist, ein Streichholz anzuzünden? Die weltlichen Gefahren, Bedrohungspotenziale durch unbekannte Effekte und Wesen wie Sittenstrolche, scheinen nie gekannte Dimensionen angenommen zu haben. Wer kennt es nicht, das Pädagogenkind, das zum Schutz seiner besorgten Eltern in der Wohnung mit einem Fahrradhelm herumläuft, da es die Möbelindustrie immer noch nicht hinbekommen hat, ihre Produkte kantenfrei zu produzieren? Vielleicht kennt man dieses Kind auch deshalb nicht, weil es beim Spielen auf dem Spielplatz von einem Klettergerüst gefallen und unglücklicherweise wegen des zu breiten Helms zwischen zwei Balken hängen geblieben ist und sich dort stranguliert hat. Und Richter in den diversen Gerichten plagen sich zunehmend mit Leuten herum, die in ihrer Vollkaskomentalität etwa regelmäßig Parterrebewohner misstrauisch beäugen, um sie gegebenenfalls für herabfallende Schneeflocken oder für das sich bei Kälte bildende Eis zu belangen. Nein, trotz aller Individualität sind Unterschiede eher verpönt. Es scheint nicht eine wunderbare Leistung der Natur zu sein, dass es mal Sommer und mal Winter gibt, ganz abgesehen davon, dass die Natur ihre Leistungen auch nicht mehr in der Qualität erbringt, wie es einige von uns noch  kennen gelernt haben. Ob dies möglicherweise mit der oben zitierten Habgier, dem Mobilitätswahns und dem Erwachsenenehrgeiz zu tun hat?
Wir wollen alles „sicher“ machen. Spannende Diskussionen erlebe ich bisweilen in meinen Seminaren, in denen ich versuche, pädagogische Vorgänge in einem rechtlichen Kontext zu konturieren. Da erlebe ich die risikofreudigen Kolleginnen und Kollegen, die rückmelden, endlich mal jemanden „gefunden“ zu haben, der ihre eigene pädagogische Haltung unterstützt und bestätigt. Ich erlebe auch Leute, die rezeptheischend gekommen sind und deren Vorstellungen zerplatzen. Diese melden mir, „das Seminar“ sei „schlecht“ gewesen insofern, als es sie nicht sicherer gemacht habe, sondern vielleicht noch weiter verunsichere, da eben keine Verhaltensmaßregeln vermittelt wurden. Zur Erinnerung: Augenblicklich reden wir über professionelles Handeln. Die Rechtsprechung verhandelt immer jeden Einzelfall, um zu einem Urteil zu gelangen. Grundvoraussetzung für professionelles Handeln ist fachliches Reflexionsvermögen. Ferner erwarte ich von pädagogischen Profis eine mehr oder weniger „gestandene Persönlichkeit“ sowie eine wertschätzende Grundhaltung. Vor diesem Hintergrund habe ich Freude an dem Zitat von Joachim Ringelnatz: „Sicher ist, dass nichts sicher ist. Und das ist nicht sicher.“ Sicher ist allerdings, dass diejenigen in ihrer Arbeit ängstlich sein müssen, die nicht professionell arbeiten; sie sind am ehesten davon bedroht, in die Fänge der Justiz zu geraten. Das betrifft den sexuellen Missbraucher genauso wie die Erzieherin, die sich „nichts dabei gedacht“ hat.
Selbst die Rechtsprechung geht seit langem von der Prämisse aus „Soviel Erziehung wie möglich, so wenig Aufsicht wie nötig!“ An dieser Stelle sei unterstellt, dass „Erziehung“ in diesem Kontext durchaus als positiver Vorgang interpretiert werden kann. Der gegenwärtige „typische Erwachsene“ fällt hinter diesen Status zurück. Das Böse lauert immer und überall. Deshalb müssen wir auf der Hut sein und uns und vor allem unsere Kinder beschützen. Und wie kann es sein, dass Kinder regelmäßig dort am ehesten zu Schaden kommen, wo sie „am besten beschützt“ werden? Betreuung im „klassischen“ Sinne schützt Kinder vor sich selbst, behindert ihre Entwicklung und verhindert ihre Emanzipation. Auf alle Fälle sorgt man so für eine einigermaßen sichere Arbeitsgrundlage für SozialarbeiterInnen, LehrerInnen, ErzieherInnen und PsychotherapeutInnen; dies, obwohl „der Mensch sich nicht therapieren, erziehen und beeinflussen lässt“ (Rolf Degen). In einem so „verstandenen“ Konzept ist es hilfreich, möglichst viele doofe Eltern um sich zu scharen. Die „Profis“ betreuen, weil die Eltern dies erwarten. Die Eltern erwarten „Betreuung“, weil sie ihnen versprochen wird. Es ist wie mit der Henne und dem Ei. 
Professionalität hingegen würde versuchen, sich dahingehend zu engagieren, aufzuklären: Wann kann ein Kind wie am ehesten im Sinne einer gelingenden Sozialisation wovon profitieren? Gefahren (Herausforderungen), „gefährliches Spielen“ gehören dazu, wenn ein Kind sicherer werden soll. Spätestens seit Jean Liedloffs Veröffentlichung „Auf der Suche nach dem verlorenen Glück“ (München 1980) kann sich niemand mehr herausreden, er wüsste nicht, wie was miteinander wirkt, dass Kinder fit oder unfähig werden. Ich habe meine Zweifel daran, ob die Pflege der Dummheit der Eltern die alleinige Strategie zur Sicherung pädagogischer und ähnlich intendierter Arbeitsplätze sein kann. Auf unabsehbare Zeit werden Generationen von Eltern der Postmoderne auf jene Dienstleistungen angewiesen sein.
In diesen Tagen schreckt die „Pisa-Studie“ die Fachwelt. „Wir waren es nicht“, hört man die KollegInnen LehrerInnen rufen. Die Politik war es natürlich auch nicht, die die Verantwortung für die Dummheit der Kinder der dummen Eltern übernehmen müsste. „Handlungsorientierte Pädagogik“ braucht es, hört man von der Kultusminister-Konferenz. Bei mir könnte sich so etwas wie ein „Pilatus-Effekt“ einstellen: Jener Mensch wusch seine Hände in Unschuld. Seit Jahren „predige“ ich handlungsorientierte Ansätze, komme mir nicht selten wie ein „Rufer in der Wüste“ vor. Wir kennen sie, die Konzeptionen, die Kinder Bildung angedeihen lassen, eine Bildung, die dazu beiträgt, dass sie Emanzipationserfolge integrieren können, die ihnen in vielerlei Hinsicht Entwicklungschancen eröffnen, die obendrein noch zu ihrer leiblichen wie psychischen Gesundheit beitragen. Wieso sollten derartige Konzeptionen ausschließlich in der Offenen Arbeit bleiben? Und selbst dort befinden sie sich noch in einer Nischenposition, während der größte Teil der Freizeitarbeit nicht selten wenig kindgerecht konzipiert ist. Vielmehr hat man mehr und mehr den Eindruck, dass Kinder nicht nur hinter Mauern „gefangen gehalten“ werden, sondern sich das „Programm“ immer mehr dem annähert, was die Schule offensichtlich erfolglos hingelegt hat.
Es geht hier nicht darum, bestimmte Formen der Arbeit mit Kindern, etwa die zunehmende „Übermittag-Betreuung“ (nomen est omen, oder?) in Bausch und Bogen zu verurteilen. Ich habe wohl zur Kenntnis genommen, dass bestimmte Vorgänge, die man früher etwa eher in eine familiäre Zuständigkeit gebracht hätte, von anderen Instanzen übernommen werden müssen. Dazu gehört auch, dass Kinder eine vernünftige Mahlzeit in den Bauch bekommen. Ob der „Nürnberger Trichter“ – z.B. in Form von Schulaufgabenhilfe – dazu gehört, scheint zweifelhaft, zumindest, wenn man zur Kenntnis genommen hat, dass Kinder unbelehrbar sind, sie nur lernen können (Gerold Scholz, Universität Frankfurt). Es geht darum, für Kinder und mit Kindern Entwicklungschancen zu organisieren, Milieus zu kreieren, die sich diesen spannend und erlebnisreich präsentieren. Dazu gehören vielfältige Optionen, der Umgang mit interessantem Material, dazu gehört ein Gelände, das phantasieanregend und veränderbar sein muss; dazu gehören nach Möglichkeit auch Tiere, mit denen man lernen kann, was Verantwortung ist; dazu gehören andere Menschen, die verschiedenartig sind, mit denen ich lernen kann, dass unsere Unterschiedlichkeit ein Gewinn ist. Früher hätte man in diesem Zusammenhang vielleicht den Begriff „Multikulti“ verwandt. Ich möchte diesen Ansatz lieber als integrationsfördernd bezeichnen. All dies, eine solche pädagogische Praxis, setzt ein hohes Maß an eigener Lernfähigkeit voraus; es setzt voraus, dass ich Lust auf Experimente habe, dass ich Fehler als Lernquellen erfahren kann und nicht als „mangelhafte“, „ausreichende“ oder wie sonst auch immer bewertete (Fehl-)Leistungen. Derartige Bewertungen behindern nicht nur kindliche Entwicklungen, sie sagen – bei genauer Betrachtung – eher etwas über die Bewerter als über die zu Bewertenden aus.
Kinder „süß“ zu finden oder auch eine eigene Elternschaft reichen nicht aus, professionell zu handeln. Es müssen nicht immer pädagogisch ausgebildete Menschen sein, die die Arbeit gut machen. Manchmal tun Leute mit anderen Berufen, die kindgerechte Konzeptionen internalisiert und sich gleichzeitig die Befähigung erhalten haben, zu ihrem eigenen Handeln eine kritische Distanz zu bewahren, ihre Arbeit besser als ausgebildete PädagogInnen. Diese These vermittelt zu Recht Kritik an der Ausbildungsorientierung pädagogischer Berufe. Nicht nur die Bildung der Kinder muss verbessert werden, auch die Ausbildung für pädagogische Berufe. Hierbei wird einerseits die reflektorische Seite wie auch die handlungsorientierte angesprochen. Leider kann man niemanden zum Denken zwingen, schon gar nicht in eine bestimmte Richtung. Für die Praxis möchte ich noch einmal sehr deutlich sagen: Wer Kinder betreut, dies als Grundverständnis begreift, hat nichts begriffen und wird weiterhin die Kinder in ihrer Entwicklung behindern. Eine nächste Pisa-Studie wird dann vielleicht noch miserabler ausfallen.

Datteln 2001

Der Autor ist Bildungsreferent beim ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Systemischer Berater DGSF.

NAGEL-Redaktion – Mehr Selbstbewusstsein – bitte schön!

(Kolumne aus: DER NAGEL 60/1998)

Von Rainer Deimel

Worüber wird nicht schwadroniert in den Verwaltungen und Verbänden: Neue Steuerung, Eigenbetriebe, Privatisierung, Outsourcing, Kennziffern, Qualitätssicherung, Evaluation, Markt- und Wirkungsanalysen. Die Litanei ließe sich seitenweise fortsetzen. Gedruckte und als Bücher gebundene Dokumentationen zu diesem Themenkomplex erfahren die Weihe einer Bibel. Dies war z.B. über den 280 Seiten starken Band „Wozu Kulturarbeit? Wirkungen von Kunst und Kulturpolitik und ihre Evaluierung“ der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung1 (hinter vorgehaltener Hand, versteht sich) zu erfahren. Karl Hans Fluhr erinnert sich, dass bereits 1971 eine Kommission zur Reform des öffentlichen Dienstes eingesetzt wurde. Niemand wüsste mehr so richtig, was dabei herausgekommen sei. Die jungen Beamten wären damals lediglich an der Anhebung der Eingangsbesoldung für eine bestimmte Laufbahn interessiert gewesen.2 Trotz des auf den ersten Blick provokativen Titels ist Karl Hans Fluhr, Leiter des Hauptamtes einer Mittelstadt in Rheinland-Pfalz, über jeden Verdacht erhaben, das eigene Nest zu beschmutzen. Vielmehr zeichnet er einfühlsam die Grenzen des „Systems Verwaltung“ auf; es gehe nicht darum, die Menschen in der Verwaltung zu reformieren, sondern ihr Umfeld. Die Diskussion um die Privatisierung öffentlicher Leistungen empfindet er überdies als „ideologisch“ und äußert in diesem Zusammenhang Zweifel an der höheren Effizienz und Effektivität privater Dienstleister. Seinen Vorstellungen, die auf die Übernahme erhöhter Verantwortlichkeit innerhalb des öffentlichen Dienstes abzielen, vermag ich durchaus zu folgen, und ich glaube, dass der öffentliche Dienst und vergleichbar strukturierte Organe, wie etwa die Kirchen, Wohlfahrtsverbände usw., nur über eine deutlich Zunahme der jeweiligen Verantwortlichkeit an Attraktivität nach außen gewinnen können. Dies gälte auch für das Binnen, wenn wir es nicht zusätzlich noch mit einer weiteren Spezifik zu tun hätten, nämlich dem Status der tätigen Subjekte als Beamte bzw. Quasi-Beamte. Keinesfalls will ich weiterer Arbeitsplatzvernichtung das Wort reden. Im Gegenteil bin ich überzeugt, dass Kundenfreundlichkeit, allerdings nicht eine im Crash-Kurs aufgepfropfte, und klare Verantwortung für das jeweilige Tätigwerden die Arbeitsplatzsituation im öffentlichen Dienst bzw. bei anderen Dienstleistern sichern helfen könnten.
Rhetorisch scheint dies – wie zahlreiche Unternehmensberatungen, Gutachten usw. dokumentieren – durchaus gewollt zu sein, wären da nicht die gleichsam mit dem Berufsbeamtentum kreierten und offenbar manifestierten Faktoren. Diese Faktoren waren analog dazu angetan, Angestellte und Arbeiter im öffentlichen Dienst und artverwandten Betrieben in eine Art „Quasi-Berufsbeamtentum“ zu „befördern“. Eine der ersten bekannten Abhandlungen dazu lieferte C. Northcote Parkinson3 mit seinem Gesetz – Parkinsons Gesetz -, das belegt, wie Beamtentum im Sinne von Berufstätigkeit unbeschadet der vorhandenen Arbeit linear weiteren Bedarf an neuen Beamten – vergleichbar einer Zellteilung einfacher Mikroben – erzeugt.4 Ein weiterer Faktor wurde von Laurence J. Peter und Raymond Hull ausgemacht, bekannt geworden als das „Peter-Prinzip“,. welches belegt, dass der Beförderungs-Automatismus dazu führt, dass unbeschadet einer persönlichen und beruflichen Qualifikation die in der Hierarchie Beteiligten jeweils soweit „nach oben“ befördert würden, bis sie das Höchstmaß an Inkompetenz erreicht hätten.5 Das Phänomen beschreibt der kanadische Professor L. J. Peter in seinem später erschienenen und mit diesem so betitelten Buch als die „Peter-Pyramide“6; diese „steht auf dem Kopf, unten ist der Punkt, wo die eigentlich produktive Arbeit geleistet wird, darüber dehnt sich nach allen Seiten die wuchernde Hierarchie der Schmarotzer, Faulenzer und Wichtigtuer,“ so die drastische Kurzbeschreibung im Klappentext. Die Diskussion um eine Verwaltungsstrukturreform scheint u.a. die Faktoren „Parkinson“ und „Peter“ zu fokussieren und sich zum Ziel gesetzt zu haben, Zäsuren zu bewirken. Leider lässt sich das Gefühl, dass wir es möglicherweise mit Schein-Zäsuren zu tun haben, nicht verhehlen.
Möglicherweise aus der Synergie der Faktoren „Parkinson“ und „Peter“ haben wir es nämlich auch noch mit dem Faktor „Mentalität“, der infolge eines bestimmten Soseins gedeihen kann und entsprechend herangebildet wird, zu tun. Daran werden vermutlich auch die eingefallenen Horden von Unternehmensberatern, von McKinsey bis Kienbaum, wenig ändern; diese beschwören eine ökonomische Strategie, die sich weitgehend an der Privatwirtschaft orientiert und deren Basis eine „Ökonomie-Wissenschaft“ ist, die so tut, als sei sie eine Naturwissenschaft. Entsprechend dieser von Karl-Heinz-Brodbeck als „fragwürdig“ bezeichneten Grundlagen7 wird in nicht unerheblichem Maße ausgeblendet, dass Wirtschaft alles andere als konstant und berechenbar ist. Sie ist im Gegenteil auf fatale Weise abhängig von den oft kuriosesten Geschehnissen, was etwa der Einfluss von Bettgeschichten irgendwelcher Präsidenten auf die Wechselkurse belegen könnte. Vor allem missachtet sie die Wechselwirkung menschlichen Verhaltens, des Tuns und Unterlassens, in ihrem Kontext. Sie ignoriert weitere beeinflussende Faktoren, etwa ökologische und soziologische. Die Reihe ließe sich fortsetzen. Dementsprechend haben wir es bei der Ökonomie zunächst mit einer als Wissenschaft getarnten Ideologie zu tun. Diese These wird u.a. durch die kürzlich getroffene Aussage der sogenannten „fünf Weisen“ (der Wirtschaft) untermauert, die Unternehmen profitierten zu spät. Wem nützt also Unternehmensberatung? Auf alle Fälle kann festgestellt werden, dass sie den Unternehmensberatern nützt. Hiermit möchte ich mir keine Wertung über die Qualität einzelner Beratungsprozesse erlauben. Es liegt allerdings in der Natur der Sache, dass die Ergebnisse und Erkenntnisse einer Unternehmensberatung im Moment ihrer Publikation unmöglich noch aktuell sein können. Gefragt scheinen demgegenüber vielmehr Organisationsberatungskonzepte, die die Selbstorganisationskräfte eines Betriebes fördern und stärken.
Das mittlerweile in zahlreichen Dienstleistungsbetrieben vorzufindende Chaos, die Verunsicherung der beschäftigten Individuen möchte ich gern als ein Moment konstruktiver Potentiale verorten. Erneut auf K. H. Fluhr bezugnehmend, befürchte ich, dass diese geplante Verwaltungsreform einmal wieder in ihrem Vorhaben stecken bleiben wird, zumal einige Anzeichen genau dafür sprechen, dass wir es mit einer Umstrukturierung der Bürokratie zu tun haben, nicht aber mit einer Entbürokratisierung, was einer Übernahme von Verantwortung gleichkäme. 
Was hat das nun alles mit der Offenen Arbeit mit Kindern und anderen pädagogischen Feldern zu tun? Pädagogische Arbeit ist unmittelbar abhängig vom öffentlichen Dienst, dieser hat immerhin als Administrator die jugendpolitischen Beschlüsse durchzuführen – und die Bewilligung der Finanzen obliegt ihm nicht unmaßgeblich. Pädagogische Arbeit ist demnach entweder existentiell auf seinen Goodwill, sein fachliches Verständnis und seine politische Durchsetzungsfähigkeit angewiesen oder sie ist Teil desselben; dann geht es ihr nicht anders. Möglicherweise haben die pädagogischen MitarbeiterInnen des öffentlichen Dienstes die genannte Quasi-Beamtenmentalität selbst für sich angenommen. Dieses Eindrucks kann man sich, sieht man sich einmal in manchen Einrichtungen um, nicht erwehren. Ich möchte darauf verzichten, eventuell so oder ähnlich entstandene Blockaden mit dem Hinweis auf Resignation zu entschuldigen. Allzu lange gab es die Gelegenheit, professionelle Unzulänglichkeiten mit den hemmenden Rahmenbedingungen und der Struktur des öffentlichen Dienstes als solchem zu rechtfertigen, sich mehr oder weniger gemütlich hinter vermeintlichen Hürden einzurichten. Die „Grenzen“ des öffentlichen Dienstes anzuerkennen, hieße allerdings, sich gegenüber Veränderungen im Sinne der pädagogischen Professionalität zu sperren.
Keineswegs sollen deshalb die angedeuteten Unzulänglichkeiten und die damit verbundenen beruflichen Belastungen angezweifelt werden. Es soll hier auch nicht etwaigen Einsparungen das Wort geredet werden. Im Gegenteil würde ich den meisten Einrichtungen vermutlich bescheinigen, dass sie in der Tat sowohl strukturell-finanziell als auch personell deutlich unterversorgt sind. Solange dies der Fall ist, kann sich allerdings auch keine Einrichtung auf Dauer damit legitimieren, dass sie vorgibt, sie sei in der Lage, alle von Politik und Verwaltung als (pädagogisch) lösbar dargestellten Probleme tatsächlich auch nur annähernd „regeln“ zu können. Es ist auch keine Schande, wenn sich Einrichtungen der Hilfe außenstehender BeraterInnen bedienen. Ferner könnten Supervision und andere Reflexionshilfen Mittel sein, Ziele wieder klarer fassen zu können, Selbstbeschränkung zu üben und das jeweilige Konzept fortzuentwickeln. Dazu gehört auch, sich den zum Teil als provokativ erlebten „neuen Anforderungen“ bezüglich einer Qualitätsentwicklung und -sicherung (und was sonst noch damit zusammenhängt) zu stellen, sich – und dies hoffentlich kritisch im professionellen Sinne – auf sie einzulassen. Das wiederum bedingt auch das Erlernen eine veränderten Sprache.
Gut vorstellbar, dass „gute“ PädagogInnen dies als geradezu blasphemisch empfinden, dass Unsicherheiten auftreten; Unsicherheiten z.B. dergestalt, ob man mit anderen Vokabeln nun hochstaple, Augenwischerei betreibe usw. Wir sollten uns darüber klar werden, dass eine Portion Schlitzohrigkeit und Selbstbewusstsein zu einem Nominalwechsel dazugehören. Ein sich ändernder Nominalismus ist noch kein Paradigmenwechsel, und das betrifft sowohl die Pädagogik als auch Ökonomie und Verwaltung. Wenn wir also davon ausgehen, dass Begriffe zunächst einmal nur Namen sind und nichts über die Qualität ihrer Inhalte aussagen, dürfte pädagogisch intendierte Professionalität nichts zu verlieren haben, es sei denn, die politisch Verantwortlichen entzögen ihr ihre Existenzgrundlage. In der Regel sind unsere Konzepte und unser berufliches Tätigwerden ausreichend gut, um z.B. das, was wir überkommenerweise als „Vor- und Nachbereitung“ bezeichnen, unter dem Begriff „Management“ zu subsumieren. Allerdings gehört zu einem gebührlichen Management auch dessen Planungshoheit. Wir sehen an diesem Beispiel einen deutlichen – eben auch praktischen – Veränderungsbedarf innerhalb der Hierarchie des öffentlichen Dienstes.
Schulen bezeichnen ihre Dienstbesprechungen als „Konferenzen“. Sind Teamberatungen und Dienstgespräche in anderen pädagogischen Einrichtungen nicht ebenso „hochwertig“, dass sie Konferenzcharakter annehmen? Wieso nennen wir unsere Jahres- und anderen Erfahrungsberichte nicht selbstbewusst „Dokumentationen“? Was unterscheidet unser „Tagesprotokoll“ von einem „Evaluationsbogen“? Und schließlich sollten wir „den öffentlichen Dienst“ fragen, wieso Dienstanweisungen nicht längst durch Zielvereinbarungen ersetzt worden sind. Oder sollte „der öffentliche Dienst“ am Ende doch leichtfertig bei der Besetzung von Stellen pädagogischen Fachpersonals vorgegangen sein? Sollte es ihm nicht gelungen sein, keine „Flaschen“ auf Stellen „gesetzt“ zu haben, die einer hochwertigen Qualifikation bedürfen? Oder könnte es sein, dass mit Zielvereinbarungen, ergo einem erhöhten Maß an Übernahme von Autonomie und Verantwortung, sich andere Hierarchieetagen auf ihre Abschaffung gefasst machen müssen?
Ein Paradigmenwechsel in der Verwaltung, dem öffentlichen Dienst, kann erst dann stattfinden, wenn sie sich radikal von ihrer bisher wohl behüteten legalistischen Haltung8 verabschiedete und vielmehr ihre künftigen Aufgaben auf der Ebene fachlichen Beistands und professioneller Beratung wahrnehmen würde. „Außenstehenden“ BeobachterInnen scheint sie davon oft noch weit entfernt zu sein. Vielleicht könnte sie von Aristoteles9 lernen: In seinem 6. Buch der „Nikomachischen Ethik“ führt er aus, dass Klugheit nicht nur das Allgemeine, sondern auch das Einzelne kenne; Klugheit sei handelnd und nicht nur wissend. Bereits im 5. Buch der „Nikomachischen Ethik“ erklärt er, dass immer, wenn Gesetze blind befolgt würden, Ungerechtigkeit daraus folge. Gesetze seien allgemein und daher notwendigerweise unvollkommen in ihrer Anwendung; sie müssten durch Nachsicht10 korrigiert werden. Demzufolge ist ein Nachsichtiger – gestattet sei mir hier die Analogie zum öffentlichen Dienst – einer, der handelt, wie es der Gesetzgeber täte, wäre er an Ort und Stelle: er strebt danach, dass der Buchstabe des Gesetzes dessen Geist nicht erstickt. „Moderner“ ausgedrückt, ließe sich feststellen, dass vermeintlich „korrektes Verhalten“ häufig nicht das passende, geschweige denn ein fehlerloses Verhalten ist.
Partizipation entwickelt sich, folgt man der Fachdebatte, zu einem Dreh- und Angelpunkt der inhaltlichen und methodischen Grundlagen der Arbeit mit Kindern. Hier wird gleichermaßen ein Barometer der Legitimation installiert, dem dann das Wie, Wann und Wo abzulesen sein müsste. Die Frage, wie adäquate Finanzierung und Existenzsicherung erreicht werden können, muss zunächst einmal nicht von der Pädagogik beantwortet werden. Vielmehr ergibt sich diese aus mehr oder weniger konkreten Vorgaben, z.B. aus dem KJHG. Das Land Nordrhein-Westfalen plant in Zukunft eine Entbürokratisierung mit Hilfe sogenannter Wirksamkeitsdialoge. Es ist völlig legitim, dass die Politik – zumal die Fachpolitik – im Gemeinwesen darüber befindet, welche Wirkungen sie verfolgen möchte. Wenn ein Träger sich an den formulierten Zielsetzungen beteiligen kann, sollte er dies auch tun; die Entscheidung über die Qualität seiner Arbeit obliegt ihm selbst, zumal, wenn er sie von seiner Klientel empfohlen bekommt, sie ergo vor einem partizipativen Hintergrund – gepaart mit fachlicher Kompetenz – zustande gekommen ist.
Schließen möchte ich mit einer erweiterten Kritik, die der 10. Kinder- und Jugendbericht in Bezug auf die meisten Jugendverbände formuliert. Ob die Offene Arbeit mit Kindern nicht betroffen ist (in jenem Zusammenhang wurde eine solche Kritik nicht formuliert), scheint zumindest in manchen Fällen zweifelhaft: „Kinder können in überwiegend von Erwachsenen entwickelten und festgelegten Strukturen keinen echten Einfluss auf Entscheidungsprozesse ausüben; sie bleiben auf Projekte und demokratische Spielwiesen beschränkt.“11 Analog dazu möchte ich den Kreislauf weiterverfolgen. Solange Administratoren, einengende, daher wenig fachliche und nicht selten unsinnige Dienstverordnungen, Verfügungen und Anweisungen das Verhältnis zwischen Praxis und Administrative bestimmen, solange werden wir es hier ebenfalls mit einem Tummelplatz – zumeist unter dem Teppich gehaltener – Konflikte zu tun haben. Solange nicht tatsächlich über klare (Ziel-)Vereinbarungen und eine gesicherte Förderung der Bestand organisierter Einrichtungen abgesichert und bedarfsgerecht ausgebaut wird, solange werden wir es mit einer unterentwickelten Verantwortlichkeit, unausgegorener Professionalität und letztlich „demokratischen Spielwiesen“ zu tun haben. Wobei als Nebenwirkungen Bauchschmerzen und Nervenzerrüttung nicht ausgeschlossen sein dürften. Bezüglich ihrer Konzepte und Methoden, zumal der Abenteuerspielplätze, Kinderbauernhöfe und Spielmobile, denen der 10. Kinder- und Jugendbericht die am „ehesten originären kinderspezifischen Ansätze“12 bescheinigt, haben wir „Pfunde“, mit denen wir „wuchern“ können, brauchen wir uns weder zu fürchten, noch zu verstecken. Warum also – bitte schön! – nicht mehr Selbstbewusstsein?

Anmerkungen:
1 Remscheid 1995
2  vgl. K H. Fluhr: Auch ohne Bürger sind wir sehr beschäftigt. Von der Schwierigkeit, die Verwaltung zu modernisieren. Campus Verlag, Frankfurt am Main 1995, S. 163
3  1957
4  vgl. C.N. Parkinson: Parkinsons Gesetz und andere Studien über die Verwaltung. ECON-Verlag, Neuausgabe, 2. Auflage, Düsseldorf 1997
5  vgl. L.J. Peter & R. Hull: Das Peter-Prinzip oder Die Hierarchie der Unfähigen. Rowohlt Verlag, Reinbek 1970
6  vgl. L. J. Peter: Die Peter-Pyramide. EBGO: Die Einheitlich Bürokratische GrundOrdnung. Rowohlt Verlag, Reinbek 1990
7  vgl. K.-H. Brodbeck: Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie. Eine philosophische Kritik der modernen Wirtschaftswissenschaften. Wissenschaftliche Buchgemeinschaft, Darmstadt 1998, s. hierzu auch MEDIENMAGAZIN in dieser Ausgabe
8  nach dem Motto: Gesetze und Verordnungen sind dafür da, dass sie eingehalten werden, und wir wachen darüber und … – vgl. Parkinsons Gesetz und das Peter-Prinzip
9  384-322 v. Chr.
10  „epieichia“ – engl. „equitiy“ = Gerechtigkeit
11  Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): 10. Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland, Bonn 1998, S. 230
12  ebd., S. 223 und S. IX

Der Autor ist Bildungsreferent beim ABA Fachverband und Systemischer Berater DGSF.

Eingestellt in das Internet im Juni 2003.

NAGEL-Redaktion – Woher nehmen, wenn nicht stehlen?

(Kolumne aus: DER NAGEL 59/1997)

Von Bettina Lischewski

Vor wenigen Tagen berichtete mir ein Jugendlicher, dass er eine ältere Dame auf der Straße nach der Uhrzeit fragte. Diese drehte sich erschrocken um, hielt ihre Handtasche fest mit beiden Händen und begann, um Hilfe zu rufen. Wie gut für den Jugendlichen, dass keine Polizei in der Nähe war.

Die Schlagzeilen in den Zeitungen, gerade vor der Wahl: „Jugendkriminalität steigt“,. „Jugend immer gewaltbereiter“ oder „Mit 14 schon ein schwerer Junge“. Die Botschaft: Sie werden immer jünger, lassen alte Damen um Hilfe schreien und geben vor, nach der Uhrzeit zu fragen. Für die Medien sind derartige Nachrichten Waren, die anschaulich und mit dramatischen Überschriften verziert sein sollen, damit sie gelesen und die Blätter verkauft werden. Diese vorgebliche Lebendigkeit scheint das Leben spannender, die alltäglichen Dramen kleiner zu machen. Das Resultat ist Angst und Unsicherheit der älteren Generation.

Mit Angst hat sich immer schon gut Politik machen lassen. Der Ruf dieser Art von Politik geht in Richtung nach mehr Polizei, nach Stärkung der Inneren Sicherheit, nach sofortigem Handeln, nach dem Ende des angeblichen „Immer-nur-Reden“. Mit härteren Strafen bekäme man die kriminelle Jugend schon in den Griff. Ein guter Weg, von den eigentlichen Problemen abzulenken: Arbeitslosigkeit, Ausgrenzung, Perspektivlosigkeit und damit verbundene Gefühle von Ohnmacht und fehlender Anerkennung. Die Polizei hat mit höheren Präsenzanforderungen genug zu tun und muss sich um Stellenstreichungen nicht kümmern. In Zeiten der hohen Arbeitslosigkeit eine dankbare Angelegenheit. Hätten die Jugendlichen die Möglichkeit, etwas zu sagen, dann würde man vielleicht wissen, dass sich viele vergessen und nicht verstanden fühlen.

Die Beweise der dramatischen Realität liefert die Polizei mit der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). Besonders aussagekräftig ist diese nicht: vergegenwärtigt man sich, dass circa 90 Prozent der Delikte auf Anzeigen aus der Bevölkerung zurückgehen, wird klar, dass für Anstieg und Fallen der Kriminalitätszahlen besonders die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung eine größere Rolle spielt als das wirkliche Geschehen. Nicht richterliche Verurteilungen, sondern vermeintliche Kriminalitätswahrnehmungen werden in der PKS abgebildet. Ganz abgesehen davon, dass auch Kinder erfasst werden, die nicht strafmündig sind.

Mehr als die „wirkliche“ Entwicklung der Kriminalität scheint die Anzeigebereitschaft der Bevölkerung von der Vorstellung über Umfang und Schwere sozialer Probleme abzuhängen. Damit setzt das Dauerthema „Innere Sicherheit“ erst die Probleme, die es zu lösen vorgibt, in die Welt. Nicht die objektive Bedrohung älterer Menschen ist das Problem, sondern deren Bedrohtheitsgefühl und die gleichzeitige Senkung der Hemmschwelle zur Anzeigenerstattung.

Die Konsumgesellschaft lebt es den Jugendlichen vor: Nur wer Arbeit hat und Geld, sitzt vorne in der Reihe. Was da eigentlich zählt, unterstrich der ehemalige Bürgermeister Hamburgs in diesem Jahr bei einem Besuch des Jugendklubs Burgwedel. Neben guten Ratschlägen an die jungen Leute („Hört auf zu rauchen!“ oder „Ernährt euch gesund!“) gab er ihnen mit auf den Weg, sie müssten sich nur viel Mühe geben, dann würde auch bei ihnen bald ein Mercedes vor der Tür stehen. Welche Mühen er damit gemeint hat, liegt auf der Hand, aber: unter den gegenwärtigen Bedingungen dürfte es nachvollziehbar sein, daß Jugendliche schneller mit fünf geklauten Autoradios ans Ziel kommen als mit der Hoffnung auf ein Taschengeld oder auch 480 Mark Ausbildungsvergütung.

Es geht im Rahmen der Kriminalitätsdiskussion um alle Jugendlichen, auch um die „einfachen“ Normabweichler. Dass für junge Menschen vielleicht andere Normen und Werte existieren als für Erwachsene, wird kaum mehr berücksichtigt. Es ist schon klar, daß Bürgerschafts-Spitzenkandidaten einen anderen Geschmack als die Kids haben, wenn sie sich im Wahlkampf aufmachen, Hamburg von Tags und Graffitis zu befreien. Wo Jugendliche ihre Art moderner Kunst im öffentlichen Raum ausleben, mit sogenannten „Schmierereien“ ihre Duftmarke nach dem Motto „Mich gibt es! Vergesst mich nicht!“ setzen wollen, wird kriminalisiert und verfolgt. Den Kick, den Jugendliche bei ihren Aktionen brauchen, mit dem sie ihre Grenzen und Möglichkeiten austesten, ist ein Bedürfnis, das ohne Sanktionen anscheinend nicht mehr auskommen darf.

Statt die gesellschaftlichen Bedingungen in den Mittelpunkt zu stellen, an ihnen etwas zu ändern, wird das Pferd von hinten aufgezäumt. Mehr Einsatz von Polizei wird nur mehr Unsicherheit schaffen. Bei derartigen Stammtischparolen werden sich Jugendliche wohl bald nicht mehr auf die Straße trauen dürfen.

Die Autorin war zum Zeitpunkt der Veröffentlichung im NAGEL Mitarbeiterin im Jugendclub Burgwedel des Verband Kinder- und Jugendarbeit in Hamburg.

NAGEL-Redaktion – Vom Gejaule, vom Zorn und vom aufrechten Gang

(Kolumne aus: DER NAGEL 59/1997)

Von Rainer Deimel

Gejaule bringt uns überhaupt nicht weiter. Uns? Die Pädagogik, die Fachwelt und die, für die, mit denen wir aktiv werden: Kinder, Jugendliche, Familien. Aufhänger meines Beitrags soll hier das Lamento über die Zunahme kindlicher und jugendlicher Kriminalität sein. Die Frankfurter Oberbürgermeisterin fährt nach New York, um sich dort zu informieren, wie es die harte New Yorker Hand geschafft hat, das ehedem überdimensioniert kriminelle Gemeinwesen anscheinend wieder zu befrieden. Petra Roth muss feststellen, dass die Rigidität, mit der in der US-Metropole mit dem Drahtbesen die Habenichtse, Organisierer und „andere Elemente“ auf den Kehricht verbracht werden, zwar auf gewisse Weise eindrucksvoll, aber auf westeuropäische Verhältnisse kaum übertragbar ist.

Zum Thema Kinder- und Jugendkriminalität gibt es inzwischen zahlreiche Verlautbarungen. Ich möchte mir ein weiteres Eingehen darauf deshalb hier sparen, als Resümee aber folgende Thesen aufstellen:

  • Kriminelle Handlungen junger Menschen gegenüber älteren Menschen stagnieren.
  • Gewalttätige Handlungen zwischen nahezu Gleichaltrigen nehmen beunruhigend zu.
  • Die Verantwortlichen für möglicherweise zunehmende Verwahrlosungserscheinungen sind nicht bzw. selten in den Institutionen zu finden, die sich mit jungen Menschen beschäftigen (ergo Familie, Schule, Jugendarbeit usw.). Verantwortlich für Verwahrlosungserscheinungen, Kriminalität, Gewalt, Gewaltbereitschaft usw. ist das System der skrupellosen Marktwirtschaft, das es mittlerweile soweit gebracht hat, daß 80 Prozent der Weltbevölkerung überflüssig geworden sind.

Letztgenannte These provoziert möglicherweise Zorn; soll sie auch. Mein Anliegen dabei ist allerdings, die Richtung des Zorns klar zu bestimmen. Jeremy Rifkin, amerikanischer Wirtschaftskritiker, stellt in seinem Buch „Das Ende der Arbeit – und ihre Zukunft“1 fest, dass uns am „Ausgang der modernen Welt“ eine „neue Barbarei“ erwarte. Es gäbe die Alternative zwischen fundamentalen Reformen oder sozialer Katastrophe. Hans-Peter Martin und Harald Schumann2 kommen zu der Erkenntnis, dass für das Funktionieren der Weltwirtschaft nur noch 20 Prozent der arbeitsfähigen Weltbevölkerung benötigt werden. Amerikanische Manager vertreten die Auffassung, dass man die restlichen 80 Prozent durch eine Mischung aus Mindestsicherung und Entertainment durch die permanent gegenwärtige Unterhaltungsindustrie bei Laune halten müsse, vermutlich, um durch sie nicht weiter behelligt zu werden. Viviane Forrester3   glaubt, dass es sich in einer Demokratie (noch) niemand wagen würde, zu erklären, „das Leben sei kein Recht an sich und eine Vielzahl von Menschen sei einfach überflüssig“.4 Forrester macht die Verantwortlichen für den Niedergang, den wir augenblicklich erleben und gegen den wir tagtäglich zu kämpfen haben, in den Wirtschaftsmächtigen aus, die den gesamten Globus mit ihrem Terror des profitablen Wirtschaftens überziehen. Gleichzeitig bescheinigt sie der Politik deren Unfähigkeit, sich diesem zu widersetzen.

Am Beispiel junger Leute in französischen Vorstädten zeichnet Forrester ein bedrohliches Szenario, die ständig die Schmach ihrer Existenz und Hoffnungslosigkeit erleben. Und „nichts schwächt und lähmt derart wie die Schmach. Sie greift an der Wurzel an und untergräbt jede Tatkraft, sie degradiert Menschen zu beliebig beeinflußbaren Objekten und reduziert alle, die unter ihr leiden, zur wehrlosen Beute. Daher ihr Reiz für die Mächtigen, sich ihrer (Anmerkung: der Schmach) zu bedienen und sie zu verbreiten; sie erlaubt es, Gesetze aufzustellen, ohne auf Gegner zu stoßen, und sie dann zu übertreten, ohne Protest befürchten zu müssen. Die Schmach führt in eine ausweglose Situation, sie verhindert jeglichen Widerstand, führt dazu, dass jegliche Bekämpfung, jegliche rationale Beschäftigung, jegliche Auseinandersetzung mit dem Problem aufgegeben wird. Sie lenkt von allem ab, was ermöglichen würde, sich der Erniedrigung zu verweigern und eine Analyse der politischen Verhältnisse zu fordern. Und sie ermöglicht auch die Ausnutzung der Resignation und der virulenten Panik, ihrem Nebenprodukt.“5 Folgt man diesen Gedanken, ergeben sich aus meiner Sicht über den Zorn hinaus Anforderungen pädagogischen Tätigwerdens. Pädagogik ist Stimulans. Sie bringt denjenigen, die sie erreicht, Wertschätzung und Akzeptanz entgegen, eine Grundlage, gegen Hoffnungslosigkeit aktiv zu werden. Pädagogik stimuliert ferner das Denken, also die Grundlage, Zusammenhänge transparent zu machen. „Nichts mobilisiert so wie das Denken. Denken ist alles andere als ein trübsinniges Verharren, es ist vielmehr die Quintessenz des Tätigseins. Es gibt keine subversivere, keine gefürchtetere Tätigkeit. Es gibt auch nichts, was stärker verleumdet würde, und das ist weder zufällig noch harmlos: Denken ist politisch. Und zwar nicht nur das politische Denken. … Die bloße Tatsache zu denken ist politisch. Deshalb der heimtückische und dadurch um so effizientere Kampf, der heute so heftig gegen das Denken geführt wird, gegen die Fähigkeit zu denken.“6 Pädagogik muss sich als Tugend den aufrechten Gang bewahren; da, wo sie gebeugt geht, ihn sich wieder erobern.

Unseren Beobachtungen zufolge, auch unter Berücksichtigung von Aussagen renommierter Wissenschaftler, wird dies vermutlich nicht leicht. Das Sigmund-Freud-Institut in Frankfurt und das Psychologische Institut der Universität Leipzig bilanzieren für Deutschland erschreckende Folgen zunehmender Deklassierung durch Arbeitslosigkeit. So wird festgestellt, dass Arme weniger die Chance hätten, das Rentenalter zu erreichen als solche mit ausreichendem Einkommen. „Die Feststellung krasser sozialer Ungerechtigkeit, die einen Teil der Gesellschaftsmitglieder wesentlicher Grundrechte beraubt, wirft … die Frage nach der Legitimität einer solchen Gesellschaft auf. Die liberal-kapitalistische Gesellschaft hat sich bislang mit einem Trick beholfen: Sie preist zwar – mit größter Berechtigung – die ´allgemeinen Menschenrechte´ wie Religions-, Versammlungs- oder Meinungsfreiheit, spricht aber den sozialen Menschenrechten – Recht auf Arbeit, auf menschenwürdiges Wohnung, auf gleiche Gesundheitschancen – die Verbindlichkeit ab. Sie kommen in unserer Verfassung nicht vor. Paradoxerweise gilt, wer auch die sozialen Menschenrechte einfordert, als Gleichmacher, als wenig liberal. Als ob auf dem Gebiet der Menschenrechte weniger mehr sein könnte.“7   

Verwahrlosung und Kriminalität sind konsequente Folge von Deklassierung und menschlicher Entwürdigung. Wer nichts mehr zu verlieren hat, hat eben Nichts mehr zu verlieren. Nicht ohne guten Grund beschreibt Stephen King in seinem Roman „The Green Mile“ die Breite der Gänge in den Zellen der zum Tode Verurteilten. Denen ist „egal“, was in ihrem Leben noch geschieht. Der breite Gang soll die Wärter davor schützen, zu nahe an die Zellengitter zu geraten. Aus dem „modernen“ Amerika ist bekannt, dass Besitzende immer häufiger ihre Kinder mit Hubschraubern aus ihren schlossartigen Ghettos in ihre Nobel-Konsum-Burgen fliegen lassen, quasi damit ausreichend Abstand zu den Gittern gehalten werden kann.

Pädagogik und Kinderlobby sind aufgefordert, über das Gejaule hinaus, zornig zu sein, nicht depressiv. Der Zorn hilft mit, aufrecht zu gehen. Wir haben immer wieder betont, Pädagogik könne Machtverhältnisse nicht verändern. Dieses Denken halte ich inzwischen für einschränkend linear-kausal. Natürlich taugen pädagogische Mittel nicht dazu, materielle – sprich: finanzielle – private Ressourcen im Sinne gesellschaftlicher Gerechtigkeit zu verteilen. Aber, wie gesagt, Pädagogik ist Stimulans. Indem sie sich selbst den aufrechten Gang bewahrt, indem sie denjenigen gegenüber Wertschätzung und Akzeptanz aufbringt, die qua System zum lebensunwerten – ich benutze dieses vielgeschmähte Wort ganz bewußt – Leben degradiert werden, hilft sie gerade auch diesen, ihren aufrechten Gang zu erlernen. Und dies ist allemal eine politische Kraft, die ihre Wirkung zeitigen wird. Die Formel der sechziger und siebziger Jahre „Macht kaputt, was Euch kaputt macht“ greift zu kurz. Erst einmal muss der aufrechte Gang erlernt werden. Danach gibt es kaum mehr einen Grund, etwas zu zerstören.

Der Autor ist Bildungsreferent beim ABA Fachverband und Systemischer Berater DGSF.

Eingestellt in das Internet im Juli 2003.

Anmerkungen:

1 Campus Verlag, Frankfurt am Main/New York 1995

2 Hans-Peter Martin/Harald Schumann: Die Globalisierungsfalle, Rowohlt Verlag, Reinbek 1996

3 Viviane Forrester: Der Terror der Ökonomie, Paul Zsolnay Verlag, Wien 1997

4 ebenda, S. 38

5 ebenda, S. 14

6 ebenda, S. 98

7 Anton-Andreas Guha: Die kranke Gesellschaft, in: Frankfurter Rundschau v. 2.1.1998

NAGEL-Redaktion – „Das Positive ist es, was uns an den Abgrund bringt“ oder Warum ein Fachverband Zustände nicht gesundbeten darf

(Kolumne aus: DER NAGEL 57/1995)

Von Rainer Deimel

Meine eigene Rolle innerhalb des Verbandes erscheint mir als ein günstiger, weil praktischer Aufhänger, einmal mehr verbandliches Handeln zwischen Theorie und Praxis zu reflektieren; eine Rolle, die breit interpretierbar ist: Experte für alles und nichts, Politiker und Neutrum, versehen mit Leidenschaft und immer hart an der Grenze zum „Ausgepowertsein“. Eine solche Reflexion ist keine Nabelschau; dient sie doch vielmehr dazu, Zusammenhänge zwischen dem Verband als solchem und denen, die sich ihm als Mitglieder und MitstreiterInnen angeschlossen haben, zu hinterfragen, Perspektiven für die nächsten Jahre zu beleuchten und eventuell eine Diskussion in Richtung „Strategien für die Zukunft“ anzuregen.
Nachdenken über die Pädagogik der neunziger Jahre provoziert, wie Nachdenken über Handeln mit Menschen immer provoziert hat. Ich komme dabei auf einige provokante Thesen.
Pädagogik ist immer geneigt, ihr Licht unter den Scheffel zu stellen und sich dabei gleichzeitig zu glorifizieren. Seinen Ausdruck findet dies zum Beispiel in der Funktionalisierung von Pädagogik und Jugendarbeit durch die Politik: Politik ist augenscheinlich nicht in der Lage, Probleme menschengerecht zu lösen; Politik hat es vornehmlich in den letzten zehn Jahren geschafft, die Gesellschaft weitgehend zu entsolidarisieren. In der Folge treten konsequenterweise Probleme auf: zunehmende Ausgrenzung von Arbeitslosen, alleinerziehenden Müttern und anderen. Die Kluft zwischen arm und reich wird immer breiter. Der „private Ellbogen“ übernimmt das Zepter (Selbstverwirklichungs-Raserei). Hier und da spitzen sich Problemsituationen dramatisch zu: vermehrte Suchttendenzen, steigende Kriminalität, zunehmende Gewalt, Ausweitung rechtsradikaler Tendenzen. Ich bin davon überzeugt, dass Albert Scherr recht hat, wenn er der Auffassung widerspricht, dass Gewalt nicht automatisch „mitten aus der Gesellschaft“ kommt (wie Politik gern glauben machen will), sondern im Zuge von Deklassierung entsteht. Bei nicht zu übersehendem Handlungsbedarf ist Politik dann geneigt, sich Pädagogik als Handlangerin zu bestellen. Und Pädagogik ist gern bereit, sich derart funktionalisieren zu lassen. Dementsprechend bescheinigt Hartmut M. Griese aus sozialwissenschaftlicher Sicht der Pädagogik eine (inzwischen) eher reaktionäre Rolle (vgl. Hartmut M. Griese: Wider die Re-Pädagogisierung …, in: Deutsche Jugend 7/8, 42 Jg. 1994, S. 310 ff.). Griese sieht Versäumnisse in Politik, Wirtschaft, Ökologie usw., wobei die Pädagogik sie sich zu eigen macht und mit Lösungen prahlt, die zu erbringen sie nicht imstande ist.
Pädagogik kann in ihrer Umgebung günstige Einflüsse entwickeln; Machtverhältnisse kann sie nicht verändern. „Eine Gesellschaft, in der humane Lebensbedingungen und damit sinnvolle Zukunftsperspektiven vorliegen, braucht sich um eine Pädagogik junger Menschen wenig Gedanken zu machen.“ (Griese, a.a.O., S. 311) Pädagogik blendet Wirklichkeit aus und gibt sich in Bezug auf politische Realitäten Illusionen hin. Wie anders ließe sich sonst der Versuch interpretieren, mithilfe immer wieder neuer Konzepte die Disziplin zunehmend verschleiert zu atomisieren? Griese hat eine Auflistung vorgenommen, aus der ich nur einige „Konzepte“ benennen will: Friedenserziehung, Umwelterziehung, Kulturerziehung, Anti-Rassismus-Erziehung usw. Das Kurioseste, was mir kürzlich untergekommen ist, war der Begriff „Gaumenpädagogik“. Geht es hierbei darum, Kinder zu „kritischen und reflektierten EsserInnen“ zu erziehen. M.E. haben alle Ansätze ihre Berechtigung. Allerdings kann kein Ansatz für sich reklamieren, bestehende Formen und Methoden zu ersetzen. Eine ähnliche Diskussion gab es bereits vor über zehn Jahren im Zusammenhang mit Sozial- und Kulturpädagogik. Alle Ansätze gehören in eine einheitliche Disziplin, sind konstitutive Teile einer pädagogischen Konzeption, von der geschlechtsspezifischen Arbeit angefangen, über Erlebnispädagogik bis hin zu Schule und Freizeit. Dieses Bewusstsein müssen sich PädagogInnen zunehmend zu eigen machen und beginnen, entsprechend ihr Profil zu entwickeln.
Eine Basisanforderung professionellen Handelns in der Pädagogik ist der Verzicht auf Erziehung. Der Widerspruch, der sich aufgrund der Nähe der Begriffe ergibt, scheint mir auflösbar: der griechische Begriff „paid-agogós“ impliziert den Erwachsenen, der jungen Menschen zur Verfügung steht, um sie bei Unsicherheiten zu schützen und zu leiten. Schließt „Pädagogik“ das Partizipationsprinzip mit ein, wird dieses bei Verwendung des Begriffs „Erziehung“ ausgeschlossen: Erziehung meint die außengeleitete Formung der Persönlichkeit junger Menschen nach bestimmten Vorstellungen und Motiven. Erziehung kann nie professionell sein, Pädagogik hat dazu gute Chancen.
Pädagogik hat die Aufgabe, junge Menschen und ihre Motivlage zu verstehen, ihnen gegenüber empathisch zu sein, Zusammenhänge herauszuarbeiten und mit ihnen Lösungsansätze zu entwickeln. Pädagogik bietet Orientierungshilfen sowie Raumaneignungs- und Kommunikationsmöglichkeiten. Pädagogik grenzt nicht aus. Besondere Chancen erblicke ich dabei in der bestehenden Offenen Arbeit. Pädagogik hat einen Bildungsanspruch. Der Begriff „Bildung“ ist seit Ende der sechziger Jahre zunehmend der Schule überlassen worden, wobei selbst diese sich inzwischen mit diesem Idiom abmüht. Dabei ist leicht belegbar, dass professionelle Pädagogik Aneignungsmöglichkeiten in Hülle und Fülle bieten kann: Aneignung von sozialen und kulturellen Kompetenzen sowie Aneignung von ansonsten vorenthaltenen Räumen. Diese Bildungsarbeit integriert Experimente und Innovation.
Pädagogik hat sich gegenüber der Konsum- und Leistungsgesellschaft abzugrenzen. Es geht ihr nicht um Beschäftigung, Betreuung und Unterhaltung auf niedrigstem Niveau. Das leistet die Unterhaltungsindustrie besser. Pädagogik nimmt gesellschaftliche Veränderungsprozesse zur Kenntnis. „Eine (…) Pädagogik, die … die gesellschaftlichen Bedingungen des Aufwachsens und die Zukunftsperspektiven der Heranwachsenden negiert, die weiter an einem irrelevanten und idealistischen Erziehungsbegriff festhält oder eine Re-Pädagogisierung fordert, die sich angesichts der gesellschaftlichen Veränderungen weiter ausdifferenziert und atomisiert und damit pädagogisierend und entpolitisierend, d.h. ideologisch wirkt und gesellschaftliche Ursachen der aktuellen Probleme verschleiert, die ihre Bemühungen um einen allgemeinen Bildungsbegriff als Herzstück jeder Pädagogik zugunsten des Erziehungs-, Lern- und Qualifikationsbegriffs aufgibt, die sich als empirische Wissenschaft forschungsethisch wenig Gedanken macht um die Thematik ‚Verstehen oder Kolonialisieren?‘ und damit die Folgen ihrer Forschung für die Praxis und die Betroffenen ausklammert, ist als theoretische Wissenschaft, als Forschungsdisziplin und als auf Handeln abzielende Sozialtechnik ‚am Ende‘.“ (Griese, a.a.O., S. 316)
Die pädagogische Praxis und mithin ihre Zusammenschlüsse, die Fachverbände, haben ihre Kolonialisierungstendenzen zu überprüfen, ggf. ihre Rolle als innergesellschaftliche Entwicklungshelfer aufzugeben. Die Fachverbände wirken wie ein Katalysator, stützen Autonomiebestrebungen, helfen mit, nachdenklich und selbstkritisch zu machen, die Dinge in Bewegung zu halten; sie halten sich von dem gegenwärtigen „Betroffenheits-Kult“, dem offensichtlich die „professionelle“ Politik zum Opfer gefallen ist, fern, was nicht bedeutet, dass sie ihre soziale und gesellschaftliche Kompetenz nicht permanent reflektieren und weiterentwickeln. Sie erkennen ihre Rolle (im Sinne von Paulo Freire) als „Politiker und Künstler“. Diese Rolle impliziert eben, Zustände nicht gesundzubeten, äußerst sensibel für gesellschaftliche Vorgänge zu sein, aber auch Gelassenheit zu üben, Grenzen zu erkennen (Hermann Giesecke: „‚Ganzheitlichkeit‘ und Professionalität schließen sich aus.“) und Funktionalisierungstendenzen wahrzunehmen. Um weiterhin für Bewegung zu sorgen, halte ich es für unumgänglich, dass Fachverbände nicht aufhören, zu ketzern und gemeine und hinterhältige Fragen zu stellen. „Das Positive ist es, was uns an den Abgrund führt,“ hätte Adorno zu ergänzen gehabt. Wer versucht, Positives zu sagen, sollte sich eventuell einmal Gedanken über die Rente machen. Die Zukunft gehört den Ketzern und Narren.

NAGEL-Redaktion – „Der Krieg der Schimpansen“ oder „Erziehung zur Gewalt“

Konservative Tendenzen in der gegenwärtigen Diskussion um

Gewalt, Erziehung, Jugend und Rechtsradikalismus

(Kolumne aus: DER NAGEL 56/1994)

Von Steffen Moderau

In der Absicht eine gewisse „Tiefendimension“ in die Diskussion um die Entstehungsbedingungen von Gewaltformen zu bringen, auch verstanden als Gegenthese zu den Gesellschaftstheoretikern à la HEITMEYER, kolportiert der SPIEGEL jene evolutionsbiologischen Axiome erneut, die einen genetischen Zusammenhang von menschlicher Aggression und Zivilisation behaupten. Der sozialdarwinistische Verweis auf jenen „genetischen Eigennutz“ (Richard DAWKINS), der der aggressiven Potenziale bedarf, um seine überlegene Genstruktur seinen Nachkommen weiterzugeben, gerät, da er bewusst in den Zusammenhang des Gewaltdiskurses  gestellt wird, schnell in das Fahrwasser rechtsradikalen Rassismustheorien. 
Vollends abstrus werden solche reduktionistischen „Theorien“, wenn sie ihren Geltungsbereich in die Zivilisations- und Gesellschaftskritik hinein ausweiten. Sie enden dann in schöner Regelmäßigkeit in ordnungspolitischen Diskursen autoritärer Provenienz, in denen dem Menschen dann jedwede Zivilisierung abgesprochen wird oder nur im Kontext autokratischer Institutionen und rigider Moral von Herrschaft und Unterwerfung. Diese monokausalen und eindimensionalen Erklärungsversuche haben gewissermaßen einen „anti-demokratischen“ Strukturdefekt schon innerhalb dessen, was ihre Theorien politisch implizieren.
Nicht nur Gewalt, sondern auch Fremdenfeindlichkeit solle sich im Rahmen solcher Theorieansätze begründen lassen (vgl. EIBL-EIBESFELD). Damit wird rassistisches Verhalten gleichsam zum „Normalzustand“ erhoben. Alle nicht-rassistischen Reaktionen bekommen so quasi „pathologische“ Züge, werden „entmenschlicht“, da sie ja eigentlich nicht der „Natur der Menschen“ entsprechen.
Solche deterministische Konstruktionen bringen lediglich Mythologien hervor, die die „Ethnie“ zur „imaginierten Gemeinschaft“ (Benedict ANDERSON) erheben, angefüllt mit nationalem Pathos. „Das Böse lässt sich weder erklären noch ändern, sondern nur zähmen, bekämpfen, ausgrenzen“ 
(1), könnte man das Programm der Anhänger solcher Theoreme zusammenfassen. „Was wir brauchen, ist nicht die Illusion der Gewaltlosigkeit, sondern eine Erziehung zur Gewalt, die das Böse nicht leugnet, sondern den Umgang mit ihm übt“. (2) SPIEGEL Essayist Dietmar PIEPER begreift „Gewalt (als) menschliche Konstante“ (3), deren Formen mal mehr, „mal weniger gesellschaftsschädigend sind. In der Differenz liegt das ganze Potenzial erzieherischer Wirkung… Deshalb erleben wir derzeit gesellschaftlich weniger einen Zuwachs von Gewalt als einen ersatzlosen Abbau von Illusionen christlich-abendländisch-kommunistischer Art“(4). Damit werden die Einfallstore für jene zeitgenössische konservative „Kritik“ geöffnet; erstens: Jedwede kritische Gesellschaftstheorie soll durch Ethik und Moral ersetzt werden (5); zweitens: Die Idee der Veränderung (nicht nur als Möglichkeit, sondern als Notwendigkeit), d.h. die Abschaffung der Ursachen gesellschaftlicher Widersprüche wird mit der Behauptung des „Endes aller Utopien“ gleichsam mit verabschiedet.
„Wo nach dem Krieg die moralisierenden Konservativen zur Stabilisierung der bürgerlichen Gesellschaft auf die vormodernen Prinzipien der Gemeinschaft, der Religion und des starken Staates zurückgreifen, da entdecken die Neukonservativen seit Mitte der 50er Jahre, dass die kapitalistische Industrialisierung wider alle Erwartungen selber in der Lage ist, haltbare Integrationsmedien auszubilden. Über Arbeit und Konsum gelingt es, den ´Aufstand der Massen´ zu beenden“ 
(6).
Schon die konservative Massenkritik beklagte das entwurzelte Individuum und die „Kräfte der Selbstzerstörung“ der Gesellschaft. An die Stelle „seelenloser Kollektive“ (GLASER, 1956) sollte wieder „echte“ Gemeinschaft treten. Aber das „Pathos der natürlichen Gemeinschaft schlägt um in die Apologie autoritärer Herrschaft. Es nimmt damit eben die Züge an, die man seinem Gegenteil: der Masse, zugeschrieben hatte. Es huldigt dem Affekt gegen das Fremde, tabuisiert Differenz, wettert gegen Autonomie, desavouiert Subjektivität, grenzt Abweichungen aus, erhebt den Durchschnitt zur Norm, fordert Führer-Autorität. Das moralisierende Gemeinschaftspathos, dieser Inbegriff des kollektiven Narzissmus, endet totalitär …“ 
(7).
In der Dekade zwischen 1950 und 1960 etabliert sich in Deutschland jene „neukonservative Theorie der integrierten Masse“ 
(8), dessen wichtigste Protagonisten u.a. die Soziologen GEHLEN und SCHELSKY waren. Aus Amerika wird der Begriff des „außengeleiteten Menschen‘ (David RIESMAN) in deutsche Diskussion eingeführt. RIESMAN’s Buch „The lonely crowd“, dessen deutsche Ausgabe 1956 erscheint, beschreibt die kulturellen Umformungen der amerikanischen Konsumkultur, die deutsche Konservative eher als Kulturverfall identifizieren: nach RIESMAN eine „Epoche, in der die Menschen die Wünsche der anderen zum Maßstab erheben, aus Politik eine Show machen, aus dem Beruf den Job, aus der Muße das week-end, aus der mütterlichen Sorge um die Familie das joy of cooking, aus der Familie die peer-group, aus der Liebe den Sex:“ (9).
Doch SCHELSKY sieht in diesen Veränderungen auch neue Strukturen entstehen, in der die „‚außen-geleitete(n) Gesellschaft eine Epoche neuer sozialer Stabilisierung“ (SCHELSKY, 1956) erreicht. „Stabilität“ wird fortan zum „konservativen Zauberwort“ 
(10).
GEHLEN hält der Moderne vor, dass aus dem „allgemeinen Wettrennen nach Wohlleben“ keine „neue Sinngebung des Lebens“ (GEHLEN, 1952) hervorgehen kann. „Die Orientierung am Konsum bedeute am Ende nur Sinnentleerung und Persönlichkeitsverlust. Der Reichtum der Konsumgüter verpflichte zu nichts. Ohne Verpflichtung aber sei das Leben unmöglich. – Auch die Gruppe bietet da keinen Schutz“, fasst Helmut KÖNIG 
(11) GEHLENS Vorbehalte zusammen.
Dennoch wird die Dynamik der kapitalistischen Entwicklung, ihre technisch-industrielle „Rationalität“ sowie die institutionelle Absicherung zur unhinterfragten Norm erhoben (vgl. Helmut KÖNIG 
(12) ), eine Norm, die moralisierende Verhaltensimperative vorgibt, denen sich das Individuum in nichtreflexiver Form zu beugen hat. Dies macht den konservativen Kern der Soziologie und Kulturkritik à la GEHLEN und SCHELSKY aus.
Die zeitgenössische konservative Theorie oder die „‚postmoderne‘ konservative Theorie der individualisierten Gesellschaft“ 
(13) teilt mit ihren Vorgängern nicht mehr die Angst vor der wurzel- und heimatlosen Masse, die als „revolutionäre Masse“ die bürgerliche „Ordnung“ hinwegfegt. Die Masse ist heute nur noch als Summe „individualisierter“ Einzelsubjekte präsent. „Schon in den Anfängen der bürgerlichen Sozialpolitik war Individualisierung ein favorisiertes Mittel gegen die Vermassung. … Aber wo mit Individualisierung in der Mitte des 19. Jahrhunderts neue Verwurzelung, Familialisierung und Verhäuslichung gemeint war, da verbinden wir heute mit ihr das Gegenteil: Der Individualisierte ist nicht der, der Wurzeln geschlagen hat, sondern der vollmobile, flexible, der boden-, familien- und heimatlose Einzelne“ (14).
Nun behaupten die Anhänger eines radikalen ökonomischen Liberalismus immer noch, dass „die desintegrativen Tendenzen der bürgerlichen Gesellschaft … nicht dem Marktprinzip anzulasten (seien), sondern umgekehrt seiner künstlichen Einschränkung“ 
(15). Alle destruktiven Kräfte einer entfesselten Konkurrenz und Universalisierung des Marktes werden verleugnet. Doch der Konservatismus „der Gegenwart ist überzeugt davon, dass die einzige Chance für die Erneuerung der Industriegesellschaft in ihrer weiteren Modernisierung – in der Universalisierung des Marktes – liegt“ (16).
Im ordnungspolitischen Diskurs des Konservatismus soll sich der Staat, als Inbegriff des Politischen, wieder seinen eigentlichen Aufgaben zuwenden. Sozial- und wohlfahrtsstaatliche Strukturen sollen zurückgebaut werden und in den Mittelpunkt rückt das staatliche Entscheidungs- und Gewaltmonopol als das „Zentrum der sozialen Integration“ 
(17). Eine prinzipiell funktionalistische (18) Sichtweise ersetzt das vormals geschlossene Weltbild des gegenwärtigen Konservatismus. Es geht darum, „nach Kompensationen für die negativen Folgen der unvermeidlichen Modernisierung zu suchen“ (19). Nicht der Gegensatz „‚wahr'“ oder „falsch“ dient mehr dazu, einen Seinszusammenhang zu konstituieren, sondern „Funktionserfüllungen praktischer Art“ (Hermann LÜBBE) werden „zweckmäßig oder unzweckmäßig“ (LÜBBE) genannt. „Nicht um Wahrheit geht es Ihnen, sondern um Wirkung, nicht um Kultur, sondern ums Spektakel, nicht um Werte, sondern um Berechnung der Interessen und Machtchancen“ (20).
Wenn es dennoch immer wieder auch Rückfälle in konservative Werte-Debatten gibt, so liegt das daran, dass ihre Protagonisten den entscheidenden Widerspruch gesellschaftlicher Entwicklung nicht sehen: es sind ja nicht die „individualisierten Individuen“, die die Moralimperative untergraben, sondern es sind die Struktureffekte der technisch-wissenschaftlichen Modernisierung, die die Konservativen kritiklos forcieren, und die den Moralaposteln den Boden unter den Füßen wegziehen.
So ist es eigentlich verwunderlich, dass gerade im Zuge der Auseinandersetzung mit Gewalt, Jugend und Rechtsradikalismus auch liberale und linke Wortmeldungen sich zunehmend einem Moraldiskurs verschreiben. Während Karl Otto HONDRICH 
(21) im Zuge der Individualisierungsschübe noch ein „chronisches Defizit an kollektivorientierter … Moral“ (22) sieht, so beklagen Jörg BERGMANN und Claus LEGGEWIE (23) das Fehlen jedweder individueller Moralität bzw. das Zerfallen von Moral in einzelne Teile, „die von ihrem Träger nicht mehr zusammengesetzt werden können“ (24).
An den Bruchstellen zwischen sozialer Desintegration und Individualisierung einerseits und den Ebenen sozialer Milieus anderseits sollen nun jene destruktiven Kräfte sich dynamisch Bahn brechen, die nicht nur jede, noch so geringe moralische „Reziprozität“ (Hauke BRUNKHORST) 
(25) absorbieren, sondern Gewalthandeln als eine „punktuelle“ Form der Selbst-Versicherung des Individuums im steigenden Maße wahrscheinlicher macht. Die allgemeine Orientierungslosigkeit der jungen Generation, ihre „egoistisch“ und narzisstisch überhöhte Selbstbezogenheit, solle zu jener Auflösung jeder gemeinschaftsverpflichtenden Moralität führen, die sich dann auch in menschenverachtenden Mord- und Brandanschlägen äußert.
Damit stellen sich die beiden Kursbuch-Autoren in die Tradition jener konservativen Kultur- und Gesellschaftskritik, die hartnäckig Ursache und Wirkung verwechselt. Sie sprechen jenen von ihnen beschriebenen „Tätern“ jede Ratio ab und beklagen das „Fehlen der grenzensetzenden Instanz“ 
(26) einer „kraftlos gewordenen Konsumgesellschaft“ (27). Noch einen drauf setzt Peter SCHNEIDER (28) im gleichen Kursbuch. „Diese Halbwüchsigen ‚verachten‘ die elementarsten Regeln der Fairness nicht etwa, sie kennen sie gar nicht und haben sie nie, nach den Gesetzen von Lohn und Strafe erlernt. Sie sind entmenscht und zu Bestien geworden, sie wurden erst gar nicht zu Menschen gemacht“ (29).
Nicht nur, dass das Gewaltproblem erneut – wie schon Anfang der 80er Jahre im Zuge der sogenannten Jugendunruhen in europäischen Metropolen – auf eine „Teil- bzw. Randgruppe“ der Gesellschaft eingegrenzt werden soll, sondern als Mitverantwortliche werden jene identifiziert, die sich der Erziehungsaufgabe widmen: Lehrer, Eltern, Erzieher. Auch damals lautete die Parole: „Mut zur Erziehung“. Was Aufgabe der Politik der „Zivilgesellschaft'“ wäre, eben nicht einen dogmatischen Tugendkanon „abzuarbeiten“, sondern rationale Verfahrens- und Kommunikationsstrukturen gesellschaftlich zu etablieren, die auch die ökologischen und ökonomischen „Verteilungskämpfe“ regulieren, kann nicht ausschließlich auf dem engen Feld der Pädagogik eingelöst werden. Hier wird die Illusion – auch von Teilen der (Sozial-)Pädagogik selbst – genährt, die Lösung liege in der Bereitstellung entsprechender (nicht nur finanzieller) Mittel. Die Moralisierung sozialer Konflikte blendet die Systemwidersprüche weitgehend aus und installiert die Suche nach einer „staatlichen Autorität“, die jeden Dissens als antikonstituiv verwirft.
Augenfällig offenbart sich ein unhistorisches Geschichtsverständnis. Manchmal kann man den Eindruck haben, einige Protagonisten dieser konservativen Erziehungsdogmatik wünschten sich die stupiden Autoritarismus der Adenauer-Ära zurück, als Inbegriff einer „stabilen Ordnung“, die sich gegen die zeitgenössische „Unübersichtlichkeit“ abhebt. Doch, „Identitäten, die zu einer demokratischen Verfassung passen, lassen nicht mehr zu  e i n e m  Kollektivbewusstsein bündeln“ 
(30). Da sich die gesellschaftliche Integration in den „Bereich alltäglicher Lebensführung vorverlagert“ (31), sich ein „privater Sinnbegriff“ (32)entwickelt hat, kann auch eine intersubjektiv verbindliche Moral die Verhältnisse nicht mehr rückgängig machen.
„An die Stelle einer Zähmung von Individualinteressen durch eine übergeordnete Moral tritt die Abspaltung eines privaten Lebensbereichs. Dort geht es um das ‚konkrete Individuum‘, seine Neigungen und Interessen, was in diesem Lebensbereich der Disziplinierung Grenzen setzt“ 
(33). Der Erziehungsoptimismus, dem auch linke Pädagogen anhängen, der ein „Bild einer unbegrenzten Erziehbarkeit zum Besseren“ (Benno HAFENEGER) postuliert, findet in der Familialisierung und Pädagogisierung sozialer Konflikte bzw. deren Umdeutung in jugendsoziologische oder jugendpolitische Problemfelder ihren sinnlichen Ausdruck. Die aus dem vorrevolutionären Vormärz stammende „romantische“ Angst, Jugend könne eine Gesellschaft aus den „Fugen“ heben, bildet offenbar immer noch den Hintergrund konservativer Gefahrenszenarien.
Dass die „Gesellschaftliche Mitte“ (vgl. „Nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ à la SCHELSKY) nun über das Aufbrechen von Gewaltstrukturen aus ihrer ‚Mitte‘ heraus so erschrocken ist, ist eher ein blinder Fleck in der Ideologie des Konservatismus, als wirkliche moralische Empörung. Der konservative Kernbestand der Gesellschaft bekommt heute einen Spiegel vorgehalten. Die politische Zuordnung von Gewaltaktionen der jüngsten Vergangenheit fast ausschließlich in das rechtsradikale Lager verdeckt eher die Querverbindungen zum Konservatismus. Es soll hier keiner Relativierung rechtsradikaler oder rassistischer Gewalt das Wort geredet werden. Doch die Deregulierungspolitik der regierenden Koalition 
(34) hat jene Entsolidarisierungsprozesse mit begünstigt und jede reflexive Regulierung ungehemmter Marktinteressen blockiert, die nun im Rahmen der Prozessen der Individualisierung und Desintegration als dynamische Gewaltphänomene an die Oberfläche gelangen. Es lässt sich kein „steuerndes Zentrum der Gewalt mehr angeben“ (35), doch damit wird sie weder beliebig oder zufällig, noch vervielfältigt sie sich quasi aus sich selbst heraus.
Waren früher die marginalisierten Bevölkerungsgruppen relativ resistent gegen konservative Moralisierungskampagnen, so hat heute der funktionalistische Konservatismus nicht nur das Vokabular der Aufklärung übernommen, sondern auch erkannt, dass eine gewisse Sorte von Aufmüpfigkeit durchaus innovativ für das System sein kann. „Es sind immer nur Minderheiten, die sich öffentlich äußern. Die Mehrheit, jede Mehrheit schweigt“ (Hans Magnus ENZENSBERGER). Was ehedem Herd des Aufruhrs und des Widerstands war, verwandelt sich zusehends in „moderne Normalität“.
„Nur wenn, was ist, sich ändern lässt, ist das, was ist, nicht alles.“ Diesen schönen Satz von Theodor W. ADORNO könnte heute auch jeder konservative Intellektuelle unterschreiben, auch wenn er ihn inhaltlich umdeutet. „Man muss also zu einer Idee und Praxis der Gerechtigkeit gelangen, die nicht an jene des Konsens gebunden ist“. (LYOTARD) Hier versagt der Konservative noch jede Zustimmung. Angesichts der stets beschriebenen Labilität, geringeren Verlässlichkeit sozialer Beziehungen und unklarer Entwicklungsperspektiven des Individuums trägt das Beharren auf den Konsens fast „freundlich alternative“ Züge. Doch wenn immer noch von der Grundthese ausgegangen wird, dass die Vermehrung des persönlichen Eigennutzes zugleich die Wohlfahrt aller mehre, so bedeutet dieser Satz im Zeichen gesellschaftlicher Krisen: Nicht das ökonomische oder politische System als Ganzes ist in der Krise, sondern es gerät in Schwierigkeiten durch die „überzogenen“ Ansprüche und Erwartungen des Einzelnen oder in unserem Zusammenhang, durch die Gewaltexzesse einzelner, die das Zusammenleben aller stören. In einer solchen Perspektive verweist Gewalt stets auf individuelles „Gewalthandeln“, das zum einen immer auf ein subjektives „Scheitern“ an den gesellschaftlichen Herausforderungen hindeutet, zugleich aber die Sanktionen des staatlichen Gewaltmonopols in Gang setzt, die den „schon Gescheiterten“ nochmals treffen.
Die damit direkte Etablierung und  Problematisierung des „Einzelfalls“ konstituiert eine Gewaltvorstellung als „singuläres'“ Ereignis gleichsam mit. In der Vervielfältigung solcher, nicht zuletzt medial vermittelten, singulären Gewalttätigkeiten, die zunächst zusammenhangslos nebeneinander stehen, wird über ihre bloße Addition plötzlich ein Grad an Eskalation unterschwellig mit formuliert. In ihrer „Verdichtung“ und dem Hinweis auf ihren „kriminellen Charakter“ kann nur die Ausgrenzung und Stigmatisierung der Betroffenen vollendet werden.
Die Pädagogik insgesamt muss sich die Frage stellen, ob und wie sie sich an solchen Diskursen beteiligen will. Die Frage nach den Interventionsstrategien, so wie sie z.B. LEGGEWIE oder SCHNEIDER im Kursbuch vorschlagen, könnte den Verdacht nahe legen, dass das Prinzip der Gewaltfreiheit pädagogischen Handelns zumindest relativiert werden soll. Vielleicht provozieren sie aber auch bewusst Missverständlichkeiten, um das bisher stets indifferente Verhältnis von gewollter Autonomie und Selbstentfaltung einerseits und sozialer Kontrolle und Disziplinierung innerhalb pädagogischer Verhältnisse andererseits zur Sprache zu bringen. Der schon heute vorhandenen enge „Konnex zu Instanzen der Kontrolle und Sanktionierung“ 
(36), die institutionelle Abhängigkeit und die Tendenzen zu einer „Normalisierungsarbeit“ sozialer Arbeit, müssen dabei gleichzeitig mit thematisiert werden.
Das Projekt der Emanzipation, mit dem die Moderne stets gleichgesetzt wird, sieht noch seiner Verwirklichung entgegen. Gerade in Zeiten des gesellschaftlichen „Roll-back“ sollte man sich gelegentlich daran erinnern.

Der Autor Steffen Moderau war viele Jahre beim ABA Fachverband tätig und lebt in Dortmund.
Der Beitrag wurde im August 2002 ins Internet gestellt.

Anmerkungen:
1 Klaus GÜNTHER, „Gegenwärtige Beschwörung des Bösen“, FR vom 16./17.11.1993
2 DER SPIEGEL Nr. 7, 1994, S.47
3 ebenda
4 ebenda
5 vgl. Heinz SÜNKER, „Politik und Moral oder: Wider die Moralisierung des Politischen“ in: Widersprüche Nr. 33, 1989, S.21-29
6 Helmut KÖNIG, „Von der Masse zur Individualisierung. Die Modernisierung des Konservatismus in der Bundesrepublik“ in: Leviathan, 16. Jg., 1988, Heft 2, S.261
7 ebenda, S. 260
8 ebenda, S. 261
9 ebenda, S. 262
10 ebenda
11 ebenda, S. 254
12 ebenda, S. 264
13 ebenda, S. 265
14 ebenda, S. 266
15 ebenda S.267; vgl.: „Das höhere Maß an Vielfalt, Pluralität und Dezentralisation stellt höhere Ansprüche an die Autorität der Gesamtordnung“ (Kurt BIEDENKOPF)
16 ebenda, S. 268; vgl.: die neuen elitetheoretischen Diskurse
17 ebenda, S. 271
18 ebenda
19 ebenda, S.270
20 ebenda
21 Karl Otto HONDRICH, „Der Wert der Gleichheit und der Bedeutungswandel der Ungleichheit“ in: Soziale Welt, 35. Jg., 1984, Heft 3, S.267-293
22 ebenda, S. 290
23 Jörg BERGMANN/Claus LEGGEWIE, „Die Täter sind unter uns – Beobachtungen aus der Mitte Deutschlands“ in: Kursbuch 113, 1993, S.7-37
24 ebenda, S. 24
25 Hauke BRUNKHORST, „Krise der Demokratie ?“, FR 05.02.1994
26 BERGMANN/LEGGEWIE,  S. 21
27 ebenda, S. 35
28 Peter SCHNEIDER, „Erziehung nach Mölln“ in: Kursbuch 113, 1993, S.131-141
29 ebenda, S. 141
30 BRUNKHORST, s. Fußnote 25
31 Dietmar BROCK „Wiederkehr der Klassen? Über Mechanismen der Integration und der Ausgrenzung in entwickelten Industriegesellschaften“ in: Soziale Welt, 44 Jg., 1993, Heft 2, S.181
32 ebenda S.181; vgl.: Privatisierter Sinnbegriff: „Sinn ergibt sich als Selektion aus der jeweils zugänglichen materiellen Kultur.“ (S.181)
33 ebenda, S. 184
34 Anm. d. Red.: Seinerzeit regierte eine CDU-FDP-Koalition. Nach dem rot-grünen Regierungswechsel wurde aber weiterhin eine Politik der „gesellschaftlichen Mitte“ fortgesetzt.
35 Ulrich BIELEFELD, FR vom 16.06.1993
36 Albert SCHERR, „Anforderungen an professionelle Jugendarbeit mit ausländischen und gewaltbereiten Jugendlichen“ in: neue praxis, 22. Jg. 1992, Heft 5, S.390

NAGEL-Redaktion – Mölln ist überall.

Von Rolf Winter

Es widert mich an, wie diese Republik mit ihren jungen Neonazis umgeht. Mich widert eine Gesellschaft an, die in bauchiger Sattheit nach rechts sieht und Zeter und Mordio schreit, als wäre nicht in ihrem Schoß entstanden, was sie so lauthals beklagt. Das fraktionsübergreifende Entsetzen in Bonn, die Resolution des Kreistages von Goch an der Goche, die ökumenischen Notgebete. Widert mich an.
Denn ich war einmal da, wo heute die jungen Neonazis sind. Ich bin, wenn Sie so wollen, einer von ihnen. Ich habe einmal am rechten Rand gelebt und den Staat gehasst, der sich aber um uns nicht kümmerte. Er ließ unsere Eltern in Arbeitslosigkeit verkommen. Es interessierte ihn einen Dreck, dass wir hungerten. Er sah kalt zu, wie wir am „sozialen Rand“ vor dem Hauswirt zitterten, der eine Miete – 19 Mark 50 – einforderte, die wir nicht zahlen konnten. Es war ihm gleichgültig, ob wir obdachlos werden würden oder nicht. Er ließ uns allein, grenzte uns aus.
Das liegt sechzig Jahre zurück. Man weiß, was geschah. Wesentlich mit Hilfe derer, die nichts zu verlieren hatten, kam der Halunke an die Macht, mit dem wir dann alles verloren, vor allem unseren Anstand. Das Armengebiet rund um die Lübecker Dankwartsgrube, in der ich damals lebte, gehörte, obschon traditionell kommunistisch oder doch mindestens sozialdemokratisch, zu Hitlers Wegbereitern. Nicht, weil sie Nazi-Programme lasen und gut fanden. Auch nicht, weil sie nach langem Bedenken dem Vorkommnis aus Braunau glaubten. Sie liefen in der Lübecker Dankwartsgrube massenhaft zu den Braunen über, weil sie sich vom Staat verraten und verkauft und vergessen wussten, denn, Ihr bürgerlichen Schreier: Unter Ausgegrenzten wird nicht kühl politisch gedacht, sondern nur noch gehasst, und dieser Hass war damals schrecklich begründet, und er ist es heute ebenso.
Dankwartsgruben gibt es längst wieder. Es gibt sogar, wie uns Kommunalpolitiker besorgt wissen lassen, in den großen Städten Armutsgettos, in denen – lügt Euch nicht in die eigenen Taschen! – nicht nur Ausländer hausen. Es gibt in dieser Wohlstandsgesellschaft, und zwar beschämend massenhaft, Quartiere, in denen Hoffnungslosigkeit daheim ist, Dauerarbeitslosigkeit, Sozialhilfeexistenz und Tristesse als treuester Lebensbegleiter. Den mählichen Verfall der Würde gibt es, die Auflösung von Familien, den Verzweiflungssuff, die Leere des Tages.
In der früheren DDR, die heimgeholt zu haben Herr Dr. Kohl so stolz ist, leben Millionen, die sich von eben diesem Herrn Dr. Kohl mit verdammt guten Gründen belogen und betrogen fühlen. Wo er ihnen ein „blühendes Land“ verhieß, in dem es „niemandem schlechter und vielen besser gehen“ würde, müssen sie nun froh sein, getarnte ABM-Arbeitslose zu sein, oder sie wurden bei null Arbeitszeit auf Kurzarbeit gesetzt, oder sie müssen damit rechnen, von der kaltblütigen Marktpolitikerin Breuel abgewickelt zu werden, oder sie wurden schon abgewickelt und hocken nun in ihrer Plattenbauwohnung, die ihnen – mein Gott, wie zynisch darf man in der deutschen Politik sein? – von Herrn Waigel zum Kauf angeboten wird.
Wenn die da unten von der Absicht des Herrn Dr. Kohl und seines famosen Finanzministers hören, „Einschnitte in das soziale Netz“ vorzunehmen, weil wir ja nun in Ansehung der problembeladenen Wiedervereinigung „alle Opfer bringen“ müssten – welche politischen Gedanken werden wohl da unten gedacht?
Ich kenne diese Gedanken, denn noch einmal und mit Scham: Ich war einmal da unten und Nazikind. Meine Mutter, die sich als Putzfrau zuschanden arbeitete, hatte keinen anderen Wunsch als den, dass Hitler kommen möge, um „kurz und klein zu schlagen“, was sie nicht mehr ertrug – so sehr hasste sie den Reichskanzler von Papen, der, feiner Herr, allmorgendlich durch den Tiergarten in Berlin ritt, aber sie hasste auch die Sozis, die Liberalen und das Zentrum und die Fortschrittlichen, denn sie hasste den Staat, der aufgehört hatte, ein Fürsorger zu sein.
So wurde damals da unten empfunden, und heute ist das nicht anders, und so ist es logisch, denn jede Gesellschaft hat den sozialen Rand, den sie verdient. Wer ausgrenzt, vergisst oder vernachlässigt, zu dem kommen die Ausgegrenzten und Vergessenen und Vernachlässigten hassend und rächend zurück. Wer sich einbildet, die Dauerarbeitslosen und die von Herrn Dr. Kohl infam Betrogenen in der früheren DDR hätten bei Wahlen gefälligst wie wir zwischen CDU und SPD und FDP zu entscheiden und loyale und gesetzestreue und für Radikalisierung immune Staatsbürger zu sein, ist ein politischer Idiot.
Radikalisierung ist das legitime Kind staatlichen Versagens. Nein, um Gottes willen, nein, man darf sie nicht billigen, aber man muss ihre Herkunft begreifen. Nein, nicht eine Sekunde lang dürfen wir Nachsicht mit einem haben, der zuerst Sieg Heil schreit und dann einen Molotowcocktail in das Zimmer wirft, in dem Ausländer schlafen, aber wir haben uns zu fragen, wie er wurde, was er ist. Das ist, was mich anwidert: Dass lauter selbstgerechte Mainstream-Bürger leugnen, den Boden bereitet zu haben, auf dem Radikalisierung möglich war.
Was wir den sozialen Rand nennen, wächst, und, weiß Gott, er wächst rascher als irgend etwas in der Volkswirtschaft. Aber täuscht Euch nicht, Ihr bürgerlichen Ignoranten: Dieser soziale Rand ist Dynamit. Er ist vom Staat hausgemachte Destabilisierung. Macht Euch nichts vor, Ihr bürgerlichen Heuchler: Was da rechts brodelt – das habt Ihr angerichtet!
Denn es ist Wort für Wort wahr, was der Sozialwissenschaftler Professor Ernst-Ulrich Huster konstatiert: „Der wachsende Reichtum unserer Gesellschaft gerät in einen immer stärkeren Kontrast zur ebenfalls zunehmenden Armut.“ Dies ist spätestens seit der Zeit des versehentlichen Sozialdemokraten Helmut Schmidt ein gefühlloser, ein kalter, ein krude neo-kapitalistischer Staat geworden, ein Laisser-faire-Staat, der sich hinter der Verniedlichung „soziale Marktwirtschaft“ bloß noch tarnt. Dies ist ein Raffer-Staat geworden, ein Egoisten-Staat.
Damals, in der Dankwartsgrube in Lübeck, haben sie unsere Eltern verrotten lassen, bis sie folgerichtig nur mehr politische Verrottung im Sinn haben konnten und Vernunft nicht mehr kannten. Sie hassten und zahlten heim.
Wir sind wieder soweit. In den Dankwartsgruben von heute wird wieder gehasst. „Die da oben“ werden wieder verachtet. Die Demokratie ist wieder „Scheiße“. Herr Dr. Kohl ist Herr von Papen, und Herr Engholm ist bloß eine etwas andere Verkörperung des Herrn Dr. Kohl, und das Parlament ist wieder eine „Quasselbude“, und die staatlichen Würdenträger sind wieder „Bonzen“, und in Plattenbauwohnungen in Rostock und in Behausungen von Dauerarbeitslosen wird wieder ersehnt, „alles kurz und klein zu schlagen“.
Es kommen hassvoll-verschlüsselte Notsignale vom sozialen Rand. Es kommen Rufe der Verzweiflung, auch Gesten der Verzweiflung, es geschehen auch schreckliche Taten der Verzweiflung. Aber niemand dechiffriert diese Hilferufe.
Statt dessen fordert die Gesellschaft, Herr Dr. Kohl voran, die Gerichte und die Polizei zu hartem Vorgehen auf, und jedermann ist voll von Abscheu und Empörung.
Ich kann mir nicht helfen: Widert mich an.

Rolf Winter lebt als freier Schriftsteller in Braderup/Sylt. Der Text wurde zuerst in der Zeitschrift TEMPO 1/93 (S. 99 f.) veröffentlicht. Wir danken der TEMPO-Redaktion und Rolf Winter für die freundliche Nachdruckerlaubnis.

NAGEL-Redaktion – Kinder und Gewalt

Von Rainer Deimel

Ich fahre in meiner Wohnung vom Stuhl hoch. Ich habe das Gefühl, meine Nackenhaare sträuben sich. Ich könnte aus meiner Haut fahren, an’s Fenster stürzen, fluchen, schreien, schießen… Vor dem Haus hat ein Verkehrsrowdy mal wieder sein Bestes gegeben. Automatisch habe ich ein Bild von dem Rowdy im Kopf.
Nachts wache ich auf. Diesmal war es nicht ein Erdbeben. Aus dem Schlaf gerissen, fühle ich mich in einer ähnlichen Situation. Ein „potenter“ Jungmann donnert in seinem aufgemotzten BMW vorbei, seine 500-Watt-HiFi-Anlage bis zum Anschlag hochgezogen. Die Bässe dröhnen durch die schlaftrunkene Nacht, lassen ihr dumpfes Hämmern durch geschlossene Fenster dringen. Ich habe ein Bild desjenigen im Kopf, der hier durch die Nacht donnert und mich aus dem Schlaf reißt.
Ich gehe über die Straße, sehe dabei rudelweise junge – vor allem „ausländische“ – Männer am Straßenrand stehen. Sie kommunizieren in einer mich „abstoßenden“ Art und Weise miteinander. Ihr chauvinistisches Gehabe beeinflusst weit mehr als die Bürgersteigzonen, die sie belegen. Sie pfeifen Leuten hinterher, starren geil auf Frauenärsche, grabschen, wenn sie können. Mir ist zum Kotzen zumute. Dies prägt ein Bild. Alle Männergruppen an Straßenrändern werden mir zunehmend zuwider.
Tausend Bilder in tausend Situationen. Ich rede von Gewalt. Ich fühle mich durch beschriebene Situationen in meiner Sphäre empfindlich beeinträchtigt, erlebe die Vorgänge als gewalttätig. Dies provoziert bei mir Aggressionen, ich spüre meine eigene Gewalt, oft nur als Ohnmacht.
Wir schalten den Fernseher ein. Sabine Christiansen berichtet aufgeregt und mit verschmierter Schminke über die ersten Angriffe der US-Amerikaner auf Bagdad. Die Nachrichten- und Magazinsendungen berichten permanent über die Kriege in Armenien, Aserbaidschan, Kroatien, Bosnien-Herzegowina, über die Gewalt an Menschen auf den Philippinen und anderswo auf der Welt. Kinder sind live dabei. Ich halte Informationen über derartige Auseinandersetzungen für unbedingt erforderlich. Gleichzeitig müssen wir uns allerdings darüber im Klaren sein, dass die servierte Gewalt Realitäten und Gefühle verändert. Kinder nehmen daran teil. Neil Postman problematisierte dieses Phänomen in seinem Buch „Das Verschwinden der Kindheit“. Kinder erleben diese Gewalt am Bildschirm. Mir ist oft nicht klar, ob es Kindern gelingt, Nachrichteninformationen und „Spiel“-Film-Szenen auseinander zu halten. Kürzlich wurde darüber berichtet, dass zu Sendezeiten, die vornehmlich von Kindern frequentiert werden, die meisten brutalen Gewaltszenen über die Bildschirme gehen. Besonders die großen Privatsender leisten hier angeblich Pionierarbeit. Abhanden gekommene Schutz- und Schonräume für Kinder werden möglicherweise weiter reduziert. An zahlreichen pädagogischen und sozialwissenschaftlichen Fakultäten wird gegenwärtig über Gewaltphänomene geforscht. Die Aussagen sind unterschiedlich. Ich denke gewiss, dass die „ständige“ Konfrontation mit audiovisueller Gewalt Hemmschwellen niedriger werden lässt, möglicherweise den emotionalen Zugang zur Gewalt vereinfacht und einzelne Kinder auch in der Realität gewalttätiger werden lässt. Bereits vor etlichen Jahren wurde seitens des Pentagons untersucht, wie man die Hemmschwelle bei Menschen herabsenken kann. In der Tat ist es so, dass Menschen leichter bereit sind, zu töten, wenn sie das Töten unter Zuhilfenahme von Computern am Bildschirm „gelernt“ haben. Der Realitätsbezug verkümmert. Kürzlich sagte ein Polizist im Radio seine Einschätzung, die ich sehr interessant fand. Befragt auf die These, dass Gewalt in den Medien Menschen in ihrem Verhalten nicht verändere, gab er zu bedenken, dass dann auch jegliche Reklame unsinnig sei und die Millionen, die für Reklamezwecke seitens der Wirtschaft aufgewendet würden, aus dem Fenster geworfen wären, wenn dauernde Konfrontation auf Dauer bei den Menschen nicht auch etwas bewirke. Dem würde ich mich anschließen. Allerdings glaube ich nicht, dass Schuldzuweisungen in eine bestimmte Richtung sinnvoll sind. Weder Gewaltfilme im Fernsehen, noch Computerspiele oder andere gewaltverherrlichenden Phänomene allein verändern den Menschen zum Monster.
Wir müssen uns zwangsläufig noch mit anderen Zusammenhängen befassen. Wir müssen über unsere eigenen Aggressionen, über Erziehung – unsere eigene und den Stellenwert von Erziehung in dieser Gesellschaft – nachdenken. Wir müssen uns ebenfalls mit struktureller Gewalt befassen. In ihrem Aufsatz „Warum brauchen wir unbedingt ein gesetzliches Verbot der Kinderzüchtigung“ (Anm. d. Red.: Dieser Beitrag war ebenfalls im NAGEL 54/1992 veröffentlicht.), zitiert Alice Miller aus dem Leserbrief eines Theologen. Dieser Brief gibt insofern gesellschaftliche Einstellungen treffend wieder, als da selten unsere hinterlistigen Denkstrukturen so deutlich gemacht werden wie in diesem Fall. Unreflektierte Sprüche wie „Prügel haben noch keinem geschadet, sehen Sie mich doch an!“ kennen wir wahrscheinlich alle. Aber dieser Theologe bezieht seine Heilslehre aus dem jahrtausende alten „Alten Testament“ und sieht im Prügeln „ein von Gott gegebenes vorstaatliches Recht“, das christlichen Eltern unbedingt vorbehalten sein müsse. Dieser Theologe fühlt sich befähigt, zwischen Misshandlung und Bestrafung klar zu differenzieren. Aus meiner Warte halte ich jede (ich wiederhole: jede!) Form von Strafe für unsinnig, schädlich und menschenverachtend. Demnach gehöre ich in den Augen dieses Theologen auch zu denjenigen, die „den pädagogisch fundamentalen Unterschied zwischen Kindesmisshandlung und einer von klaren erzieherischen Grundsätzen geleiteten maßvollen körperlichen Züchtigung, die auf das Beste des Kindes zielt (Hervorhebung des Autors) und nicht vom Affekt bestimmt ist“, nivellieren wollen. Genau! Gewalt gegen Kinder im Affekt, eine weitverbreitete Form in dieser Gesellschaft, wird mittlerweile als Hilfsbedürftigkeit interpretiert. Geplante Gewalt gehört nach Auffassung dieses Theologen zu den christlich-ethisch-vorstaatlichen Grundrechten. Sollte dies tatsächlich so sein, kann ich nur dringend dazu raten, sich vom Christentum zu distanzieren, und selbst einen Teil dazu beizutragen, den Kreislauf der Gewalt teilweise zu unterbrechen.  
LehrerInnen in den Schulen klagen über zunehmende Gewalt, die Polizei sieht sich in immer größerem Maße jugendlichen Gewalttätern gegenüber ausgesetzt. Kinderbanden treiben ihr Unwesen, begehen Einbrüche, häufen Diebesgut, werden zunehmend als Rauschgiftdealer aufgegriffen.
Kinder werden niemals von sich aus gewalttätig. Sie reagieren immer auf ihre erwachsenen Identitätsfiguren, auf ihre Vorbilder, ihre Bezugspersonen. Und sie reagieren auf das, was ihnen Staat und Gesellschaft an struktureller Gewalt zumuten. Wenn mir ständig vorgeführt wird, was mir alles zum Glücklichsein fehlt, will ich das auch haben; bekomme ich es nicht, muss ich es mir kaufen oder nehmen, wenn ich es mir nicht leisten kann. Stelle ich mir einmal die Schule vor: Kinder werden also in Schulen immer gewalttätiger. Ich behaupte, Schule ist zunächst einmal ein struktureller Apparat, der gewalttätig ist, der mit Hilfe seiner Instrumentarien über Existenzen befinden kann. Einfühlsame LehrerInnen leiden unter dieser strukturellen Gewalt ebenso wie die SchülerInnen. Kinder erleben also offene bzw. auch subtile Gewalt in der christlich-geprägten Familie (von der moslemischen wollen wir erst gar nicht sprechen), sie erleben offene und subtile Gewalt in der Schule, die von der Schule ausgeht. Kinder gehen nicht aus Spaß zum Rauschgift-Dealen (mit allen seinen – auch sekundären – gewalttätigen Begleiterscheinungen). Kinder werden z.B. zunehmend von Erwachsenen geschickt, da sie strafunmündig sind. Andere Phänomene – wie Hooligans, Glatzen usw. – sind ebenso Reaktionen auf strukturelle Gewalt, die infolge gewalttätiger primärer Sozialisationsformen fruchtbaren Boden finden können.
Von sich aus sind Kinder niemals gewalttätig. Kinder benötigen gar zu ihrer Entwicklung eine Auseinandersetzung mit Gewalt. Wichtige Erkenntnisse hat uns da Bruno Bettelheim zugänglich gemacht. Kinder brauchen Reibungspunkte, Spannung, und Erwachsene müssen ihnen behutsam dabei helfen, aushalten zu können, Konflikte ertragen zu können. Sie müssen ihnen aber vor allem auch Schutz- und Schonräume bieten, ihnen Zuneigung und Liebe geben. Sich in diesem Spannungsfeld halbwegs „vernünftig“ zu verhalten, fällt uns als Erwachsenen, die sich ebenfalls fast ausnahmslos in einer gewalttätigen Sozialisationssituation entwickelt haben, verdammt schwer. Wir müssen dies lernen. Dies bedeutet vor allem, Hinschauen zu lernen. Dies bedeutet einzusehen, dass Prügel sehr wohl schaden, dass andere Formen physischer und psychischer Unterdrückung gegenüber Kindern diese verkrüppeln und vermutlich selbst gewalttätig werden lassen. Die ihre Kinder anschreiende, verprügelnde Mutter im Supermarkt oder in der Sparkasse ist sicherlich überfordert. Aber sie ist auch unfähig, die Verantwortung zu übernehmen, die sie mit der Geburt ihrer Kinder zu übernehmen hat. Sie trägt aktiv dazu bei, ihr Kind zum Gewalttäter zu machen. Ein weiteres Symptom für die beschriebene Gratwanderung fällt mir ein, wenn ich über die „Friedensbewegung“ nachdenke und in diesem Zusammenhang an vermeintlich friedenspädagogische Ansätze. Ein Schauer läuft mir über den Rücken, wenn ich mir vorstelle, mit welcher Hysterie Kindern „“friedliches Verhalten“ beigebogen werden sollte: „Wenn ich bei dir eine Pistole finde, werde ich die sofort in die Mülltonne werfen!“ Ich erinnere mich an meine eigene Kindheit. Wie meine Mutter bestätigt, war ich ein äußerst „friedliches“ (und ängstliches) Kind. Gleichwohl lösen mir die Erinnerungen an unsere Indianerspiele, die natürlich nicht friedlich im Sinne der beschriebenen Teile der Friedensbewegung waren, sehr angenehme Gefühle aus. Bettelheim bestätigt mit seinen Forschungen mein eigenes kindliches Erleben: Kinder brauchen Märchen. Wenn ich mit Kindern zaubere, finden sich eine Reihe „schauriger“ Elemente in der Vorstellung wieder. Und immer wieder erlebe ich, welche Freude Kinder bei diesem „Nervenkitzel“ entwickeln, ohne dass sie deshalb in ihrer Persönlichkeit geschädigt und gewalttätig werden. Eine Szene aus der Zeit des Höhepunktes der Friedensbewegung möchte ich noch beschreiben: Alltag in einer Kindertagesstätte. Die Kinder bauen mit Lego. Ein Junge hat sich einen pistolenähnlichen Gegenstand gebaut. Er nimmt ihn in die Hand und ruft: „Päng, päng, päng!“ Die Erzieherin sieht dies, kommt herbeigestürzt und schreit den Jungen hysterisch an: „Was machst du da?!“ Der Junge – ganz ruhig: „Wieso, ich habe doch nur eine Bohrmaschine!“ Er nimmt die Legopistole in beide Hände, richtet sie gegen die nächste Wand und macht: „Brr, brrrr, brrrmmm …“ Die geneigten LeserInnen mögen, wenn sie wollen, sich anhand dieser Geschichte selbst weitere Gedanken zu machen.
Wenn wir von Gewalt im Zusammenhang mit Kindern sprechen, müssen wir uns weitere Zusammenhänge vor Augen halten. Wie ist es mit meiner eigenen Gewalt? Verdeutlichen meine eingangs genannten Beispiele, wo in mir Aggression ausgelöst wird, wenn ich meine Bilder im Kopf habe, nicht auch, welches Gewaltpotential in mir selbst steckt? Inwieweit bin ich nicht selbst auch beispielsweise „ausländerfeindlich“? Inwieweit sorgen Klischees, die ich im Kopf habe, nicht auch dafür, dass ich selbst fast zur unberechenbaren Bestie werde? Wieso sollten meine Gedanken sonst um gewalttätige Abhilfe kreisen? Gut, ich fühle mehr Ohnmacht als umgesetzte blanke Gewalt. Aber was ist besser an dem Gefühl der Ohnmacht, verbunden mit blinder Wut und Zorn, als an anderen Ausdrucksformen von Gewalt? Natürlich weiß ich, dass ich mit meinem Zorn, mit meiner Wut und meiner Ohnmacht andere Menschen nicht körperlich schädige. Ich schlage halt nicht zu wie die Hooligans und die Glatzen. Aber sind das nicht nur graduelle Unterschiede? Müssen wir nicht möglicherweise radikaler denken, unsere eigenen Aggressions- und Gewaltpotentiale erkennen, deutlicher hinschauen, in welchen Zusammenhängen was passiert, um Erklärungen zu finden, Erklärungen, die unser Verhalten deutlich beeinflussen sollten? Alice Miller wirft den Menschen vor, dass sie oft Unwillens sind, sich zu informieren. Dem würde ich mich anschließen. In uns allen steckt eine Menge an Brutalitäten und Grausamkeiten; diese zu erkennen, zu durchschauen und daraus andere Standpunkte zu entwickeln und entsprechend zu agieren, wäre eine Aufgabe, die es zu bewältigen gilt. Nicht nur der offene Terror, die blanke Gewalt, „medienwürdige“ Vorfälle gilt es zu „problematisieren“. Es reicht nicht aus, Gewalt nur dort zu sehen, wo sie spektakulär ist, etwa im Nazi-Reich, im Çeaucescu-Rumänien, Folter in Latein-Amerika usw., sondern in uns selbst. Dazu gehört auch, unsere Angst zu erkennen, nicht nur die kurzfristige, oberflächliche Angst, sondern die, die tief in uns drin sitzt, die uns zu (mehr oder weniger heimlichen) Ausländerfeinden werden lässt. Dazu gehört auch, sich zu verdeutlichen, dass wir es hier immer noch mit Männerherrschaft zu tun haben, hinter der tagtägliche Gewalt steckt, Gewalt gegenüber Frauen, Gewalt gegenüber Kindern und Gewalt über andere Männer. Und wir müssen Standpunkte entwickeln, die Stellung und Partei beziehen gegenüber strukturellen Formen von Gewalt, gegenüber systemimmanenter Gewalt.
Augenblicklich wird vieles getan, Gewaltphänomene zu vertuschen oder aber falsche Bilder zu vermitteln. Die Metallarbeitgeber machen eine Kampagne mit einem Mann, der eine Handsäge vor sich trägt mit der Aufforderung, nicht an dem Ast zu sägen, auf dem wir alle sitzen. Nur, wenn ich darüber nachdenke, komme ich darauf, dass ich noch nie da oben gesessen habe. Über Jahre wurde uns im Zusammenhang mit Libyen ein Bild des Teufels vermittelt, das sich tief – auch in meinen Kopf – eingeprägt hat. Kürzlich hörte ich den Bericht einer deutschen Frau, die in Libyen gelebt hat. Dieser Bericht half mir, meine bisherige Meinung revidieren zu können. Unsere Medien verschweigen nämlich, dass Libyen eine hohen Bildungsstand, ausreichend zu essen und eine Reihe weiterer gesellschaftlicher Errungenschaften hat. In kaum einem anderen moslemischen Land sollen demnach so viele Rechte für Frauen realisiert worden sein wie in Libyen. Das Gesundheitssystem ist für alle kostenlos. Alle Libyer haben ihr eigenes Haus auf Kosten des Gemeinwesens, da Abhängigkeiten – in diesem Falle gegenüber einem Vermieter – weitgehend abgebaut werden sollen. Unser Bild davon freilich ist ein völlig anderes: eine Terrorgesellschaft mit einem verrückten Anführer, der pausenlos Anschläge auf Flugzeuge plant und Mordgedanken im Kopf hat. Dass dieses Land dann von den US-Amerikanern mal kurzerhand bombardiert wird, müssen wir infolgedessen richtig finden. Auch unsere fachliche Auseinandersetzung um Lebenswelten und Lebensbilder finde ich nicht unproblematisch. Liegt in der Lebensbilder-Theorie zumindest die Gefahr, den Blick zu verstellen. Muss ich dann plötzlich in Einrichtungen auch mit rechtsradikalen Jugendlichen arbeiten? Hebt dieses „kleinräumige“ Denken Klassenunterschiede auf? Gibt es nunmehr keine Ausgebeuteten und keine Ausbeuter mehr? „Das muss jeder für sich selbst ´verantworten´!“   Dieser Satz passt wie kaum ein anderer in diese Zeiten. Er ist genauso richtig wie der Spruch vom Ast, auf dem wir alle sitzen. Er ist Ausdruck einer unsäglichen, freundlichen Vertuschungsmentalität.
Und was macht das mit unseren Kindern? Ihnen gehen zunehmend die Orientierungen verloren, viele haben keine ausreichenden Zukunftsperspektiven, zu wenig Schutzräume, zu wenig Liebe. „Das muss jeder für sich selbst wissen“, bedeutet unter Umständen auch ein Sich-Verlieren im Privaten, ein Absterben kollektiven Miteinanders, das Ende der Solidarität. Kinder sind nicht allein für sich selbst verantwortlich. Kinder sind sehr wohl in der Lage, Verantwortung zu übernehmen, wenn sie es in einer solidarischen Gesellschaft gelernt haben. Verantwortung heißt nicht, auf einem Traum-Ast herumzusitzen. Mangelnde Orientierung im Zusammenhang mit struktureller Gewalt, im Zusammenhang mit gegenwärtiger Sozialisation und den anderen beschriebenen Phänomenen lässt die Hemmschwelle herabsinken und führt schließlich zu größerer Gewalt – auch bei Kindern. Dem müssen wir uns stellen. Dabei werden wir möglicherweise eine Menge (auch „moderner“) Einstellungen zu überprüfen und vieles über Bord zu werfen haben. Und wir müssen uns aktiv am Prozess einer „neuen Solidarität“ beteiligen.

NAGEL-Redaktion – Von herzlichen Vernetzung oder Wie die soziale Pädagogik klammheimlich geopfert wird.

Von Rainer Deimel

Spürbar ist ein Unwohlsein, was oft nicht greifbar ist. Wir haben Phänomenales erlebt. Wir haben erlebt, wie der real existierende Sozialismus den Bach runter gegangen ist. Wir haben die deutsche Vereinigung erlebt. Wir erleben konsequenterweise ein Erstarken der westlichen Gesellschaftssysteme, und wir erleben, wie es sozial- und kulturpädagogischen Einrichtungen und Initiativen trotzdem nicht besser geht. Das Steueraufkommen stieg wieder. In Kommunen und in den Landeshaushalten wird gekürzt. Die Bundesregierung finanziert (Teile) der deutschen Vereinigung über „Solidarbeiträge“. Steuererhöhungen hatte sie ja vorher nicht für notwendig erachtet. Dank des Einsehens von Landespolitikern wurde im nordrhein-westfälischen Landeshaushalt nicht zu drastisch gekürzt. Nur, die Preissteigerungen, z.B. für Personalkosten werden nunmehr nicht mehr bezuschusst. Die Sachmittelzuschüsse sind schon seit Jahren festgefroren. Hoffnungen auf Änderungen haben sich inzwischen jäh zerschlagen. Somit wird der Tod auf Raten beschlossen.
Spürbar ist ein Unwohlsein. Wo wir doch alle anders miteinander umgehen. Wir überlegen uns zwar, wen wir duzen und von wem wir uns duzen lassen, aber irgendwie hat sich der Ton geändert. Wir sind freundlicher, ja herzlicher geworden. Dieter E. Zimmer dokumentiert in DER ZEIT vom 31.5.1991 einige treffliche Ausführungen unter dem Stichwort „Die Neue Herzlichkeit“. Er stellt fest, dass schroffe Lakonie ausgedient habe. Er ist der Auffassung, dass „wildfremde Menschen, die nur ein paar Auskünfte von mir haben wollen, …ihre Briefe mit Lieber Herr…“ anheben. „Der so angeredete bringt es nur noch schwer übers Herz, sich als … unlieb zu erweisen…“. Bei anhaltendem Trend müssten sich „die Partisanen der Herzlichkeit nach schärferem Zeug umsehen“ („mit heißen Küssen“). „Die Neue Herzlichkeit ist nicht auf einige wenige isolierte Formeln beschränkt. Sie weht allüberall. In dem bewussten Supermarkt brummelt die Kassiererin nur abwesend den Preis; aber in dem netten, da wünscht sie einem morgens noch einen schönen Tag, von der Mittagspause an einen schönen Abend und ab Donnerstagnachmittag ein schönes Wochenende, und wenn man den Umstand, dass sie einem tatsächlich einen Fünfzigmarkschein wechselt, mit einem das ist nett oder gar das ist lieb quittiert, tut sie es sogar in Form eines vollständigen Satzes: Dann wünsche ich Ihnen noch ein schönes Wochenende.
Dem Bahnreisenden selbst in der zweiten Klasse schallt alsbald schmeichelnd ein anderer vollständiger Satz ins Ohr: ‚Wir begrüßen Sie (das ‚wir‘ ist das sogenannte Team, eine andere sprachliche ‚Vermenschlichung‘ im Zuge der Neuen Herzlichkeit) im Intercityzug und wünschen Ihnen eine gute Reise. Der Herr, dem man eine aus seiner Zeitung gerutschte Werbebeilage aufhebt, sagt nicht etwa bloß danke oder danke sehr, sondern versichert freudestrahlend: Da bedanke ich mich aber. Die Firma, die die Skilifte betreibt, welche momentan wegen Nebels alle stillstehen, bittet auf der Anzeigetafel im Tal um Verständnis, das in diesem Fall auch nicht schwer fällt, tut aber ein Übriges: Die Luftseilbahnen wünschen Ihnen einen guten Aufenthalt im Dorf. Wo früher kurz und bündig Rauchen verboten stand, hängt ein gestyltes Plakat: Liebe Raucherin Lieber Raucher Bitte rauchen Sie nicht… Der Radioansager (der Moderator) wünscht dem Schlagersänger (dem Interpreten), den er gerade nach seinem Pudel befragt hat, noch weiter viel Erfolg und alles Gute und Schöne im Leben und haut dann seinem ihm unbekannten und unsichtbaren Publikum krachend, aber herzlich auf die Schulter: Machen Sie noch was aus ihrem Tag. Wen meint er? Natürlich Sie und Sie und ganz besonders Sie. Und neulich hörte ich einen Sprecher des Postgiroamtes die Beschwerde, dass die Bearbeitungszeiten viel zu lang seien, wörtlich mit folgendem Satz antworten: Wir beim Postgiroamt haben alle die ganz, ganz sehnsüchtige Hoffnung… (dass es in Zukunft schneller geht). Kein kaltes Amt; wir, ein Team, ein ganz hervorragendes Team sogar, denn kein einziger schert da aus, wir hoffen, und zwar nicht, wie Ämter zu hoffen pflegten (‚wir hoffen auf baldige Erledigung‘), sondern jeder von uns spürt höchstpersönlich den Funken der Hoffnung in seinem Herzen, geradezu ein banges und doch auch frohes Ziehen, das er als Sehnsucht identifiziert und vor dem er wieder (ganz, ganz) klein wird. Das ganze Postgiroamt eine Kinderschar in Erwartung des Christkinds.“
Diese Neue Herzlichkeit täuscht über vieles hinweg. Diese Neue Herzlichkeit lässt sich einordnen in die Reihe von unmerklichem Identitätsverlust. In diese Reihe des Identitätsverlusts gehören symptomatisch Begriffe wie „Senioren“ und eben nicht mehr „Alte“, „Partnerschaft“ („Sozialpartnerschaft“, „Unfallpartner“), aber auch gewiss scheußliche Begriffe, die dem Index zum Opfer gefallen sind wie „Irrenhaus“, „Hilfsschule“ usw.. Ich fühle mich gewiss von dem Beamten verprellt, der mich spüren lässt, dass er „der starke, anonyme“ und möglicherweise obendrein intellektuell gesehen etwas minderbemittelte Staat ad personam ist. Diese Figur hätte meines Erachtens bereits vor Ihrer Kreierung ausgedient haben müssen. Lange Zeit haben wir als PädagogInnen – zumindest in Bereichen der Offenen Arbeit – Autorität abgelehnt. Infolge des Gefühls, von den Jugendlichen und Kindern, ja auch von deren Eltern nicht ernst genommen zu werden, besinnen sich einige von uns wieder auf Autorität, um verlorenes Terrain – in aller Hoffnungslosigkeit – zurückzuerobern. Dies kann nicht der richtige Weg sein. Ein solche Autorität ist durch nichts begründet, weder durch hohes Einkommen, noch durch hochwertige Markentextilen („Kleider machen Leute“), nicht einmal durch intellektuelle Überlegenheit. Wir wissen doch, noch von früher: Doof gebor’n ist keiner, doof wird man gemacht. Gleichwohl ist nachvollziehbar, dass wir es irgendwann leid sind, nicht nur schlecht bezahlt zu sein, obendrein in der Prestigeskala unter fernerliefen herumzuturnen und last not least wenig Möglichkeiten hinsichtlich Jobs außerhalb „der Brandung“ zu haben. LehrerInnen sind insofern etwas besser dran, da sie zumindest pekuniär, temporär und hinsichtlich ihrer Reproduktionschancen ein gutes Stück mehr Luft haben. Ich gebe mittlerweile gar zu, dass es qualitative Unterschiede zwischen PädagogInnen gibt.
Aber was ist mit den Bedingungen? Was hilft uns die Schimäre einer Autoritätsrückgewinnung? Was ist mit den Bedingungen, die mittlerweile in fast allen Bereichen pädagogischer Arbeitsfelder, die von Zuschüssen und Geldleistungen abhängig sind, zu beobachten sind? Ein „Zauberwort“ ist „Vernetzung“. Wir vernetzen uns derartig, dass wir nicht mehr wissen, wo oben und unten und rechts und links ist. Vernetzung, wenn sie möglichst laut und verkaufsträchtig ist. Bevor ich in den Verdacht gerate, ein Gegner einer vernünftigen Vernetzung zu sein, will ich ein wenig aus dem Nähkästchen plaudern. Vor knapp fünfzehn Jahren, fingen wir (d.h. unser damaliges Team) in dem Stadtteil, in dem wir arbeiteten, damit an, uns zu vernetzen. Es war eine verdammt schwere Geburt. Nach dreijährigen Wehen gab es eine Arbeitsgemeinschaft, die bis heute noch existiert. Wir waren schlicht davon überzeugt, dass es wichtig ist, zu wissen, was im Stadtteil „läuft“ bzw. wo „angepackt“, wo was verändert werden müsste. So sind wir losgezogen, „Klinkenputzen“. Wir waren beim Pfarrer, stellten uns im Textilgeschäft vor, kauften bevorzugt im Stadtteil ein, zählten die Telefonzellen und merkten uns, wo sie standen, wir sprachen mit Ärzten und all denen, mit denen wir auch nur im geringsten zu tun hatten. So konnten wir beispielsweise auch einmal – vom Optiker spendiert – mit den Kindern einen Planetariumsbesuch machen. Wir gingen auf die Eltern zu, sprachen mit LehrerInnen, organisierten regelmäßige Elterntreffen in der Kindereinrichtung, standen Menschen auch – und vor allem – in persönlichen Notlagen bei, z.B. wenn es um Zwangsräumungen ging. Und wir schlossen uns kurz, etwa mit dem Sozialdienst, der ebenfalls zur Arbeitsgemeinschaft dazukam. Unsere Absicht war, Bescheid zu wissen, über die Menschen, mit denen wir arbeiteten, Zusammenhänge herzustellen und zu begreifen. Und schließlich gab es einmal im Jahr ein gemeinsames spektakuläres Kulturfest. Jetzt werden viele sagen: Ein oller Hut! Gewiss, gewiss, wenn man bedenkt, dass sich dies vor zehn bis 15 Jahren zutrug. Ganz abgesehen von den internen Geburtswehen (Vertrauensbildung, Offenheit, Konkurrenzabbau usw.) waren derartige Aktivitäten außerhalb der üblichen Norm. So verlangte der öffentliche Träger der Jugendhilfe, dass schriftlich zu begründen sei, um welche Kontakte es sich denn da handele und was dort getrieben würde, denn „selbst der Kontakt zum Pfarrer um die Ecke“ sei genehmigungspflichtig.
Dann plötzlich schwabberten die ersten kleinen Wellen aus dem Meer der Neuen Herzlichkeit herüber. Einige TheoretikerInnen propagierten – wie ich meine zu Recht – die Vernetzung, Stadtteilarbeit, soziokulturelle Ansätze usw. Und wie die Zeitgeistironie will, wurden uns plötzlich keine Steine mehr in den Weg gelegt (jedenfalls nicht in diesen), wir waren eher Beispiel. Und in den Stadtteilen, wo derartige Strukturen nicht gewachsen waren, sollte dem urplötzlich nachgeeifert werden.
Wie dem auch sei, Vernetzung ist das Zauberwort. Je nach Webart können Netze das Auge trüben, Zustände verdecken, und Netze können auch dazu geeignet sein, Fische zunächst aus dem Meer und später aus dem „Verkehr“ zu ziehen. Netze können Kontrolle verstärken. Was nicht heißt, es solle nicht kontrolliert werden. Ich wäre der letzte, der Einrichtungen die Stange halten würde, deren Funktion sich beispielsweise darin erschöpft, dass MitarbeiterInnen sie als „private“ Einrichtung für ihre jeweiligen mehr oder weniger kreativen oder kulturellen Bedürfnisse pflegen, der Jugendhilfebedarf im Stadtteil nicht mehr zur Kenntnis genommen wird. Gerade in dieser Beziehung halte ich eine Kontrolle für unumgänglich. Eine Kontrolle allerdings muss fachlichen Gesichtspunkten entsprechen. Es kann hierbei nicht um Größen wie Quadratmeternutzungszahl gehen. Die Erfolgskriterien müssen sich am Jugendhilfebedarf messen. Und hierbei kann Vernetzung ein willkommenes Instrumentarium sein. Vernetzung kann der Evaluation auf größerer Ebene gute Chancen geben mit dem Ziel, die pädagogische Arbeit im Stadtteil effektiv zu verbessern.
Vernetzung ist kein Instrument der Marktwirtschaft. Und ohne ausreichende Subventionen der Jugendhilfe ist Vernetzung nicht möglich. Sie bleibt Augenwischerei. Es läuft darauf hinaus, dass nicht diejenigen Überleben werden, deren wesentliches Interesse die Jugendhilfe ist, die sie oftmals „im Stillen“, aber mit „Tiefgang“ betreiben, sondern die, die viel Geschrei um „Oberflächliches“ veranstalten, die sich gut „verkaufen“ können, deren Feste am besten besucht sind, wo möglicherweise das meiste Bier verkauft wird (Vorsicht: Sarkasmus!), die Zirkusparaden veranstalten, Hauptsache: laut und Hauptsache: bunt. Und währenddessen wird munter gespart, gekürzt und hier und da Karriere gemacht. Mit pseudokommerziellen Rummel wird in der Fußgängerzone der dankbaren Öffentlichkeit einmal wieder ein Wipppferdchen übergeben. Vielleicht steht’s vor der Pommesbude, die für Kinderfeste auch lustige Clowns zu vermieten hat mit vielen, vielen Burger-Überraschungen. Man könnte es dann gleich mit der Rutsche vor dem Kaufhaus, was im Zuge des kinderfreundlichen Politklimas gute Geschäfte mit den lieben Kleinen wittert, vernetzen. Daraus lassen sich dann ganze Spiellinien bauen, kunstvoller als Spinnennetze. Kostenbeteiligung ist nahezu eine Selbstverständlichkeit. Vielleicht etwas platte Beispiele angesichts des steigenden und steigenden Einnahmebooms von Wirtschaft und Handel in den letzten Jahren in Westdeutschland. Die meisten Unternehmen haben eine gute Mark gemacht und die öffentlichen Hände kürzen und kürzen, weil ihnen zunehmend Scheibchen für Scheibchen abgeschnitten wird. Über Prunk-Theater- und andere Bauten will ich mich jetzt nicht auslassen. JedeR von uns muss sich manchmal auch einen netten und teueren Fummel leisten. 
Und jetzt spüren wir wieder dieses dubiose Unwohlsein. Wie ist denn das möglich? Es wird gekürzt und gekürzt. Was tun wir tagtäglich? Wir reißen die besten Projekte auf und ab. Wir hecheln der Presse hinterher. „Öffentlichkeitsarbeit“, nicht in dem Sinne, dass wir für unseren Stadtteil transparent werden, sondern dass wir möglichst oft in der Zeitung stehen, im Lokalradio oder -fernsehn erscheinen: „Kids, tigert zum Jugendzentrum, hier produzieren die SozialarbeiterInnen die besten Pommes, gleich nach der Frittenschmiede ‚Zum Plastikdreizack‘ auf der Bahnhofstraße!“
Es ließe sich noch weiter auf die Spitze treiben. Aber darauf kommt es nicht an. Es kommt vielmehr darauf an, Aufträge des Kinder- und Jugendhilfegesetzes ernst zu nehmen, eine ordentliche Jugendhilfeplanung durchzuführen und danach zu handeln. Es kommt darauf an, dass Kommunen und Länder endlich einmal ganz massiv deutlich machen, dass Jugendhilfe nicht nach Prinzipien der Marktwirtschaft funktioniert, sondern dass sie ein unumgängliches „Subventionsgeschäft“ in einer Gesellschaft darstellt, die Sozialstaatlichkeit für sich reklamiert. Es kommt auch darauf an, deutlicher zu machen, dass das Argument von der unterschätzt teueren DDR auf unabsehbare Zeit nicht dazu herhalten kann, direkte und indirekte Kürzungen, zu legitimieren. Es kommt auch darauf an, dass diejenigen, die ihren Jugendhilfeauftrag ernst nehmen, deutlich machen, dass sie „die Schnauze voll“ haben. Es kommt weniger darauf an, dass der moderateste Vernetzer irgendwann karrieremäßig mit dem Amt eines Kinderbeauftragten abgefunden wird. Auch gegen dieses Amt will ich nicht unisono anstänkern. Ich halte es gar für ein wichtiges Amt, solange es unabhängig – sprich im Sinne der Kinder – wahrgenommen werden kann. Überflüssig ist es, wenn es lediglich der Profilierung bestimmter Leute dient. Und darüber hinaus sollten Profilneurosen eher etwas für die Psychiatrie sein. Wenn Kinderinteressen nur sekundär, tertiär oder peripher eine Rolle spielen, brauchen die Kinder dieses Amt nicht.
Man kann Kinder- und Jugendinteressen nicht mit einem Amt in der Administrative dienen, wenn diese nicht unmittelbar und unabhängig Einflüsse gewinnen können. Kinder sind unmittelbar, demokratisch, mündig zu beteiligen. Kinderfreundlichkeit qua verbum gleich auch als Kinderfreundlichkeit hinzunehmen, ist möglicherweise ein Irrtum. Da halte ich es lieber mit den AntipädagogInnen, die fordern, Kinder von vornherein vorbehaltlos zu beteiligen, auch wenn es für uns als Erwachsene oft bis an die „Schmerzgrenze“ geht. Ich erlebe allerdings – auch ohne autoritäres Gehabe – , dass Kinder diese Schmerzgrenze begreifen lernen, selbst wenn ich ihnen dabei manchmal sagen muss, dass sie mir jetzt „den Buckel runterrutschen“ oder mich sonst wo können…
Nur, ernst nehmen muss ich sie. Ich muss sie, genauso wenig wie die Jugendlichen, ein- und volllullen, sondern ihnen zum Beispiel sehr deutlich machen, dass ich keinen Bock mehr habe, Einsparungen, Vernetzungen und Verblendereien auf ihre Kosten widerspruchslos hinzunehmen.

NAGEL-Redaktion – Abenteuer – nur im Kinderbuch?

Von Christiane Richard-Elsner

„So lebe ich jetzt“ von Meg Rosoff ist ein mehrfach preisgekröntes Kinderbuch, das sowohl in den angelsächsischen Ländern als auch in Deutschland ein wirtschaftlicher Erfolg war. Es handelt von einem fünfzehnjährigen, magersüchtigen Mädchen aus New York, das einen Sommer bei der Verwandtschaft in England verbringen soll. Die drei Cousins und die Cousine leben auf einem abgelegenen Hof mit Tieren und einem Gemüsegarten. Sie gehen nicht zur Schule, sondern lernen selbstständig, kaum kontrolliert durch ihre Mutter. Diese ist als Friedensaktivistin sowieso dauernd unterwegs und verschwindet dann aus der Handlung. Denn ein Krieg, dessen Gründe und Fronten bis zum Schluss unklar gehalten werden, aber wohl durch den New Yorker Bombenterror 2001 inspiriert ist, bricht aus und unterbricht alle Verkehrsverbindungen. Die Isolation der Jugendlichen auf ihrem paradiesisch anmutenden Hof wird durch Seuchengefahr noch weiter getrieben. Das alles ist zunächst nicht angstbesetzt, sondern wirkt wie die einzige Möglichkeit, dem krankmachenden Leben in einer Patchworkfamilie und dem Gehacke innerhalb der Peergroup in der Schule zu entfliehen und ein selbstbestimmtes Leben zu leben. Radikal wird hier vorgeführt, was die Anziehungskraft kommerziell erfolgreicher Kinderbücher ausmacht: Selbstbestimmung, die Möglichkeit, seine Umwelt selbst zu gestalten, kaum beeinflusst durch Erwachsene. Wobei Umwelt sowohl die natürliche als auch die soziale Umgebung meint. Das bedeutet nicht, das Erwachsene nicht vorkommen, aber nicht als diejenigen, die die Kinder an die Hand nehmen und ihnen die Welt zeigen, also überspitzt gesagt: Eine Welt ohne Pädagogen.

Dieses Muster findet sich z.B. in den „Pippi Langstrumpf“-Bänden von Astrid Lindgren. Auch die „Fünf Freunde“ in der gleichnamigen Reihe von Enid Blyton kommen problemlos ohne pädagogischen Beistand aus, wenn sie sich auf Verbrecherjagd begeben. Pippi Langstrumpf ist ein mutterloses, dafür bärenstarkes Mädchen, dessen Vater als Seemann leider unabkömmlich ist. Die Eltern der „Fünf Freunde“ haben, wenn die Kinder in den Ferien aus dem englischen Internat kommen, nie Zeit, sich um die Kinder zu kümmern, die deshalb ungestört Bösewichte aller Art jagen können, die sich pünktlich zum Ferienbeginn einstellen. Diese Radikalität der Arrangements, mit denen Autoren Freiheit für ihre kindlichen Protagonisten schaffen, findet man nicht immer. In der deutschen Kinderkrimireihe „TKKG“ von Stefan Wolf gehen die jugendlichen Helden nach dem Schulunterricht auf Verbrecherjagd, genauso wie die Kinder in Thomas Brezinas „Tiger-Team“-Reihe. Auch die „Wilden Kerle“ von Joachim Masannek sind nur nachmittags wild. Die „Wilden Hühner“ der Reihe von Cornelia Funke finden ihr Gleichgewicht in ihrer Bande und an ihrem Rückzugsort, einem Wohnwagen im Wald, der sie aufatmen lässt, diesmal nicht von der Verbrecherjagd, sondern von den Verwicklungen der Realität, in der Eltern eben nur begrenzt Geborgenheit geben können. Vielleicht reichte der Freiraum, den Kinder in Deutschland durch die Halbtagsschule bisher hatten, und eine Umwelt, in der man auch als Kind mit dem Fahrrad, zu Fuß oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln mobil sein kann, bisher als Kern aus, um Handlungen zu entwickeln, die sich zumindest so abspielen könnten.

Lesen bildet. Lesen fördert die Sprachkompetenz. Durch Bücher lernen Kinder Wörter und Ausdrücke kennen, die sie bisher in ihrer Umgebung nicht bewusst wahrgenommen haben. Lesen ist mit weit mehr Aktivität verbunden als das Fernsehen. Nur mit eigener Konzentration werden die Worte erfasst, aus denen im Gehirn Bilder produziert werden, die der Leser mit dem Gelesenen assoziiert. Abstrakte Gedanken können über Bücher weit besser transportiert werden als über Fernsehbeiträge. Im Buch kann die Innenwelt der Handelnden ausgedrückt werden. Insbesondere Kinderbücher regen deshalb zur Auseinandersetzung mit den Gefühlen und Gedanken der handelnden Personen an. Es erleichtert, die eigenen, möglicherweise unguten Gefühle auch bei anderen wiederzuerkennen und dadurch besser annehmen und bewältigen zu können. Anerkannte Autoren und Autorinnen von Kinderbüchern wie Astrid Lindgren oder Cornelia Funke verstehen es, spannende und unterhaltsame Handlungen in Verbindung zu bringen mit den alltäglichen Gedanken und Gefühlen, die jeder von sich selbst kennt. Diese Stärke der Belletristik wird im Film nicht annähernd erreicht.

Einrichtungen wie die „Stiftung Lesen“, aber auch Lehrer und viele Eltern fördern zu Recht die Leselust von Kindern. In einigen Büchern wird sogar das Lesen und der Umgang mit Büchern zu einem Thema, wenn nicht sogar zum zentralen Thema gemacht. Bibliotheken sind beliebte Schauplätze von Handlungen. In der „Tintenherz“-Trilogie von Cornelia Funke sind Bücher der Lebensinhalt der Heldin und ihres Vaters. Buchhelden können sogar in das reale Leben versetzt werden bzw. Leser in die Buchwelt. Die Trilogie endet aber gar nicht bücherfreundlich. Die Heldin und ihre Familie befinden sich in einer mittelalterlichen, magischen Buchwelt, in der so gut wie niemand liest, Gewalt an der Tagesordnung ist, insgesamt aber überschaubare Verhältnisse herrschen. In dieser Welt weiß jeder, wie die Nahrungsmittel und die Güter des täglichen Bedarfs hergestellt werden. Alle Angelegenheiten werden über persönliche Kontakte geregelt. Die Heldin fühlt sich in dieser Welt viel wohler als im Europa zu Beginn des 21. Jahrhunderts und beschließt, dort zu bleiben.

Kinderbücher werden auch in unserer Zeit, in der Kinder über soviel Geld verfügen wie nie zuvor, vor allem von Erwachsenen für Kinder gekauft. Trotzdem, wenn ein Buch erfolgreich sein soll, muss es auch gern gelesen werden, sonst wenden sich auch Erwachsene als Käufer anderen Autoren oder Genres zu. Gehen wir also davon aus, dass Kinderbücher, wenn sie einen großen kommerziellen Erfolg haben, Vorstellungen und Träume von Kindern aufnehmen und wiedergeben. Erfahrene ehemalige Kinderbuchleser und heutige Kinderbuchkäufer wissen, dass viele Kinderbücher von beiden Geschlechtern gleichermaßen gern gelesen werden. Dennoch gibt es Kinderliteratur, die sich vorwiegend an Mädchen richtet, und eine mit der Zielgruppe Jungen. Das heißt, auch die Träume von Jungen unterscheiden sich zum Teil von denen der Mädchen. Allen gemeinsam ist aber aktives Handeln der kindlichen Helden in der fiktiven Welt.

Typische Mädchenbücher sind eher in der wirklichen Welt angesiedelt. Beziehungskonflikte nehmen einen großen Raum ein. Obwohl nur ein Bruchteil der deutschen Mädchen ein Internat besucht, spielen Internate als Schauplätze eine große Rolle. Sie haben den Vorteil, dass die Kinder viele Konflikte unter sich ausmachen können. Pferdebücher sind der Inbegriff von Mädchenbüchern. Die Mädchen haben eine innige Beziehung zum Tier und können sich in ihrer Verantwortung für das Tier bewähren. Die vielen Personen, die auf einem Reiterhof zusammentreffen, geben Raum für Beziehungskonflikte. Die Umgebung von Reiterhöfen sowie Ausritte bieten eine Begründung für einen Aufenthalt in der Natur und Schauplätze für Abenteuer, die weniger dramatisch ausfallen als die in typischen Jungenbüchern. Mädchenbücher spiegeln wider, dass Mädchen in der heutigen Welt leichter als Jungen Freiräume finden, in denen ihre Träume angesiedelt werden können. Dies korrespondiert damit, dass Mädchen die derzeitigen Kindheitsvorstellungen von Erwachsenen eher als ihnen gemäß empfinden und im Bildungssystem erfolgreicher sind als Jungen.

Generationen von Jungen verschlangen die Bücher von Karl May. Geschrieben wurden sie im ausgehenden 19. Jahrhundert für eine Gesellschaft, die gerade ihre nationale Einheit gefunden hatte und sich bewusst war, dass der Westen mit seinen Werten auch noch den letzten Winkel der Erde dominierte. Die Bücher von Karl May spielen im Wilden Westen der USA, in China oder im Osmanischen Reich, dort, wo die Welt noch ungeordnet war. Stets kämpft eine Reihe edler Männer für die gute Sache, angeführt vom Ich-Erzähler, dem unfehlbaren Helden, der jede Situation meistert. Realistischerweise darf man annehmen, dass weniger das auch deutschtümelnde Pathos dieser Bücher die Ursache ist, dass sie jetzt kaum noch jugendliche Leser finden, als eher die Tatsache, dass sie auf den ersten hundert Seiten selten zur Sache kommen und umfangreiche Beschreibungen von Landschaft und Charakteren enthalten. Heutige Jugendliche sind harte Schnitte und ein schnelles Vorantreiben der Handlung im Film und in Computerspielen gewöhnt.

Denn an Pathos fehlt es heutigen erfolgreichen Jungenbüchern, den Fantasyromanen, nicht. Das Überwinden von Gefahren, die Treue unter Freunden und Verbündeten spielen eine große Rolle. Ebenso wie bei Karl May sind Gut und Böse klar erkennbar voneinander geschieden, wobei das Böse unter Einsatz des eigenen Lebens besiegt werden muss. Es hat sich eine eigene Phantasiewelt herauskristallisiert, die von verschiedenen Autoren genutzt wird, abgeleitet von dem Fantasyroman schlechthin: der „Herr der Ringe“-Trilogie von John Tolkien. In dieser Welt gibt es als Handelnde neben Menschen auch Elfen und Zwerge und andere Wesen mit magischen Fähigkeiten. Die Geschichten spielen abseits einer geordneten Zivilisation. Die Natur bietet Schauplätze zum Kämpfen, zum Verstecken und für idyllische Lager; sie kann sich den Handelnden mit feindlichen Wesen entgegenstellen oder unerwartet helfend Überlebensmöglichkeiten bieten. Festzuhalten ist, dass viele erfolgreiche Jungenbücher heute nicht in wirklichkeitsnahen Umgebungen angesiedelt sind. Haben typische Jungenträume keinen Raum in der modernen Wirklichkeit? Vielleicht ist dies auch ein Grund, dass Jungen im derzeitigen Bildungssystem schlechter abschneiden.

Kinder beiderlei Geschlechts sind neugierig. Für Kinder ist die ganze Welt voller Geheimnisse, die jene nach und nach preisgibt. Ein Geheimnis zu lüften ist mit positiven Gefühlen verbunden, mit Spannung, Atemlosigkeit, Erregung, mit dem Gefühl, in einer Sache aufzugehen und den Rest der Welt um sich zu vergessen. Die positiven Gefühle beim Lüften von Geheimnissen, der Neugiertrieb bei Kindern ist die von der Evolution zur Verfügung gestellte Lernhilfe für Kinder, ohne die wir Menschen als Art nicht überleben könnten. „Verstecken“ und „Suchen“ ist ein Spiel, das bereits Kleinstkinder fasziniert. Alle Krimis bauen darauf auf, dass der Held, die Heldin oder eine Gruppe von Helden ein Geheimnis aufdecken. Aber auch fremde Welten, wie sie in historischen Romanen für Kinder vorkommen, oder Phantasiewelten sind geheimnisvoll und packen die kindlichen Leser, weil das Verhalten der Umwelt oder der Personen aus dem bisherigen Erfahrungshintergrund nicht erklärlich ist. Bekannte Beispiele sind „Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer“ von Michael Ende, Otfried Preußlers „Räuber Hotzenplotz“ und „Krabat“, von Cornelia Funke „Drachenreiter“, die bereits erwähnte „Tintenherz“-Trilogie sowie viele andere  Bücher – und natürlich aus dem englischsprachigen Bereich die „Harry Potter“-Reihe von Joanne K. Rowling. Auch die wahrscheinlich erfolgreichste Kinderbuchschriftstellerin überhaupt, Astrid Lindgren, hat mit „Ronja Räubertochter“ eine Welt geschaffen, die abseits der Erfahrung von Kindern spielt. Neben den Geheimnissen, die Phantasiewelten enthalten, haben sie den Vorteil, dass Kinder oder die Heldin, der Held, mit denen sich die Kinder identifizieren, eine machtvollere Rolle haben, als Kinder sie in der realen Welt einnehmen.

Aber die Gegenwelt in den „Harry-Potter“-Bänden oder in der „Tintenherz“-Trilogie begeistert nicht nur Kinder. Phantasiewelten sind nicht nur bei Kindern und Jugendlichen, sondern auch bei Erwachsenen beliebt, wie der Hype um die „Herr-der-Ringe“-Filme zeigte. Einfachheit, Überschaubarkeit, Selbstversorgung, Naturnähe, persönliche Beziehungen statt Anonymität, einfache Einteilungen in Gut und Böse, religiös-magische Weltdeutungen, die über dem modernen Effizienzdenken stehen: diese Motive finden sich nicht nur in Kinderbüchern immer wieder. Der imaginäre Aufbau einer Gegenwelt begleitet die Moderne seit ihren Anfängen im 19. Jahrhundert. Zivilisationsflucht und damit Kritik der Moderne war schon immer ein Kennzeichen moderner Literatur. Besonders in der Romantik wurden Gegenwelten zur hässlichen, effizienzbedachten, fortschrittsliebenden damaligen Gegenwart aufgebaut. Phantasie, zu Zeiten der Romantik gefeiert, wird auch heute von vielen Pädagogen als Qualitätskriterium für Kinderliteratur angesehen. Dennoch haftet ihr etwas Weltfremdes an, wird sie nur auf dem Boden der Literatur oder im Kunstunterricht gewünscht. Denn wir alle profitieren ja von der modernen Welt. Und diese ist auf Effizienz ausgerichtet, sodass für kindliche Phantasien eben nur zu genau festgelegten Stunden in genau festgelegter Umgebung Zeit ist. Sind phantastische Gegenwelten im Kinderbuch ein Ersatz für nicht mehr vorhandene Freiräume in der modernen Welt?

Interessanterweise werden auch Bücher, die gar keine phantastischen Umgebungen präsentieren, mit dem Vorwurf konfrontiert, weltfremde Harmonie zu präsentieren. Es ist die Rede von „Wir Kinder aus Bullerbü“ und „Ferien auf Saltkrokan“ von Astrid Lindgren. Viele Kinder, vor allem Mädchen, lieben diese Bücher, weil sich in diesem Buch eine ideale Spielwelt auftut. Bullerbü, ein winziges Bauerndorf im Schweden der zwanziger Jahre, und Saltkrokan, eine Schäreninsel in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts, sind überschaubar, die Menschen sind freundlich, für Kinder gibt es tausend und eine Möglichkeit, kreativ zu spielen. Die Menschen in Bullerbü leben von dem, was sie selbst erzeugen. Tiere sind ein selbstverständlicher Bestandteil des Alltags.

Bevor man diese Bücher aber als zwar wunderschöne, aber weltfremde Idyllen abtut, sollten Erwachsene sie noch einmal lesen und ihr Urteil nicht nur auf den (schönen) Erinnerungen an die Lektüre in der eigenen Kindheit aufbauen. Als Erwachsener liest man plötzlich weniger Harmonie heraus. Ja, man könnte die Geschichten aus Bullerbü durchaus umschreiben zu einem sozialkritischen Buch, über ein Kinderleben, das heutigen Kindern nicht zugemutet werden kann. Jeden Tag müssen die Kinder – zum Glück sind sie hier in einer Kindergruppe, aber was wäre, wenn sie allein wären? – den  kilometerweiten Weg zur Schule laufen. Im einzigen Haus unterwegs lebt ein gewalttätiger und alkoholkranker Schuster, zu dem die Kinder häufig geschickt werden, um Schuhe flicken zu lassen. Im Winter werden die Kinder von der Lehrerin, wenn auch schlechten Gewissens, in den Sturm geschickt. Nein, die Eltern holen die Kinder nicht von der Schule ab. Immerhin kommen sie ihnen mit dem Schneepflug entgegen.

Harte Mitarbeit auf dem Hof gibt es auch. Müssen die Kinder nicht nachmittags den weiten Weg ins Dorf noch einmal machen zum Einkaufen? Die Kinder müssen drei Tage im Frühjahr Rüben verziehen. Nur wer auf dem Land groß geworden ist, weiß, was das bedeutet. Zum Verfüttern an die Kühe im Winter wurden früher Wasserrüben im zeitigen Frühjahr eingesät. Wochen später, wenn der Samen aufgegangen ist, also junge Pflänzchen viel zu dicht aus dem Boden schauen, müssen die überzähligen ausgezogen werden. Diese öde Arbeit auf einem kahlen Feld, vielleicht bei Nieselregen und Kälte, ist das Langweiligste, was man sich vorstellen kann; eine Feldreihe erscheint endlos. Die Kinder auf Bullerbü haben sich die Zeit mit Sprachspielen verkürzt. Aber nach heutigen Begriffen ist das Kinderarbeit, wie sie in der dritten Welt gang und gäbe ist und vom Westen angeprangert wird.

Spielen die Kinder aus Bullerbü denn harmonisch? Wenn man „Bullerbü“ als Erwachsener liest, kommen einem doch einige Bedenken! Ist nicht der Älteste der Angeber, der immer alles bestimmen möchte und meistens seine Spielideen durchsetzt? Die Kinder haben häufig Auseinandersetzungen, sie streiten sich. Es dauert manchmal lange, ehe überhaupt gespielt wird. Für heutige Erwachsene ist Kinderstreit anstrengend. Wie weit gehen die Kinder? Verletzen sie sich im Streit? Geht etwas kaputt? Was denken die anderen von meinem Kind? Vor allem aber interpretieren Erwachsene Kinderstreit in dem Sinne, wie sie selbst Konflikte austragen. Wenn Erwachsene streiten und dabei laut werden, ist das Maß schon ziemlich voll, und die Folgen der Wut sind nicht nach fünf Minuten vergessen.

Und wie empfinden die kindlichen Leser das? Als normal. Die Auseinandersetzung mit anderen Kindern gehört zum Leben dazu. Aufwallende Gefühle von Neid, Wut, Missgunst, Sich-unterlegen-Fühlen, Empörung, Angst, aber auch Freude und überschäumende Fröhlichkeit sind kurz und heftig. Sie werden, je jünger das Kind ist, um so direkter geäußert und schnell wieder vergessen. Was in der Erinnerung überwiegt, ist die Freude am gemeinsamen Spiel, an Entdeckungen und kleinen Abenteuern. Auf Saltkrokan ist die Kindergruppe nicht so geschlossen, wie man es aus der Erinnerung meint. Stina, die Jüngste, ist oft ausgeschlossen, weil sie zu klein ist. Sie hätte gern so einen schlauen Hund, wie Tjorven ihn hat. Sie hat aber nur ein Lamm, das als Spielkamerad nicht so vielfältig einsetzbar ist wie ein Hund. Infolgedessen hat sie auch einen niedrigeren Status in der Kindergruppe. Auch Tjorven und Pelle spielen durchaus nicht so harmonisch, wie man es in Erinnerung hat. Jedes Kind hat seine Eigenheiten, fühlt sich mal beleidigt oder ausgeschlossen oder sucht bewusst das Alleinsein.

Wer als Erwachsener „Bullerbü“ und „Saltkrokan“ liest, bei dem kommt manchmal das Gefühl von Langeweile auf. Ist es denn wirklich so spannend, dass die Kinder mit dem Boot auf den kleinen See fahren? Wo ist der Spannungsbogen, wenn die Kinder allein in der Scheune übernachten? Oder es regen sich Gefühle des Unbehagens. Pelle ist schon wieder allein im Wald? Ist sein Sozialverhalten nicht gut genug, dass er es nicht die ganze Zeit mit den Anderen aushält? Die arme Stina, sie hat anscheinend eine alleinerziehende Mutter, die froh ist, wenn das Mädchen im Sommer bei ihrem Großvater ist. Da können die anderen Kinder sie doch mitspielen lassen!

Vielleicht entwickelt sich bei den erwachsenen Lesern auch die befreiende Erkenntnis, dass sie diese Bücher als Kind geliebt haben und sie unbedingt auch so spielen wollten. Vielleicht erinnert sich der Leser und die Leserin auch daran, dass sie selbst durch andere Kinder ausgeschlossen wurden, dass das aber nicht so schlimm war. Ebenso konnte der Leser oder die Leserin es als Kind durchaus mit dem Gewissen vereinbaren, andere Kinder auszuschließen, sie zu beschimpfen oder zu beleidigen. Weltfremd ist nicht „Bullerbü“, sondern die Annahme, harmonisches Kinderspiel komme ohne Auseinandersetzungen und ohne negative Gefühle aus. Kinderspiel trainiert das „wirkliche Leben“, das Lösen von Konflikten, das Einüben von Kompromissen als Voraussetzung für gelungenes Miteinander.

Es scheint selbstverständlich zu sein, dass Kinder in Kinderbüchern eine aktive Rolle haben. Romane für Erwachsene handeln ja auch von den Aktivitäten von Erwachsenen. Nur gibt es eine Diskrepanz zwischen der Rolle von Kindern in der modernen Welt und der der Erwachsenen. Jeder Erwachsene muss sein Leben selbstständig organisieren und übernimmt häufig noch Verantwortung für andere, ob im Privatleben oder im Beruf. Er oder sie hat Gestaltungsspielraum; Kinder erleben sich als abhängig von Erwachsenen. Besonders im modernen Leben gibt es kaum noch Möglichkeiten für Kinder, unabhängig von Erwachsenen zu gestalten. Ob als wohlmeinende Pädagogen, als genervte Bezugspersonen oder als anonyme Stadtplaner schränken Erwachsene den Freiraum für Kinder immer weiter ein. Ein Blick auf das, was in erfolgreichen Kinderbüchern nicht thematisiert wird, ist durchaus erhellend: Obwohl Kinder die Geborgenheit durch ihre Eltern mehr als alles andere benötigen, wird dies in Büchern eher selten thematisiert; sie wird als selbstverständlich vorausgesetzt. Die Beziehung zu den Eltern steht so gut wie nie im Vordergrund, oft aber die Suche nach Eltern, wenn diese fehlen. Die Inhalte von pädagogischen Angeboten, seien es der Schulunterricht, Sportangebote oder Aktionen wie der museumspädagogische Rundgang durch ein Schloss kommen nicht vor. Nur die Pausen oder der Schulweg dienen als Setting, in dem etwas „passiert“. Medienkonsum wird höchstens erwähnt, aber dies auch nur selten, und schon gar nicht seitenlang detailliert geschildert. Leistungen, die Eltern erbringen, wie die Autofahrt zur Schule, werden nicht thematisiert. Sie sind als Gelegenheit für „Erlebnisse“ nicht relevant. Im Gegenteil erwachsen sogar Handlungen daraus, dass verwöhnte und überbehütete Kinder im Verlauf des Buches gezwungen sind, alte Bequemlichkeiten und Egoismen abzulegen, um zu einer Gruppe dazugehören zu können. Auch hier stößt man auf die Präferenz für das aktive Tun. Wenn man den Tagesablauf eines heutigen Kindes zugrundelegt, mit vier Stunden Medienkonsum und acht Stunden Schule, bleibt wenig Zeit für eigene Erlebnisse, die es wert sind, mitgeteilt zu werden.

So kann man die „Harry-Potter“-Bände nicht nur als eindrucksvolle Imagination von Joanne K. Rowling verstehen, sondern als eine Gegenwelt zur realen Schulwelt. Vielleicht bietet das normale Schulleben in Großbritannien mit Ganztagsschule, eingeschränkter Mobilität von Kindern im Alltag, Fast Food und Medienkonsum so wenig Gelegenheit zur Aktivität, dass spannende Kinderbücher mit Bezug zum realen Leben nicht denkbar sind. Kinderbücher, die zwar nicht die Verkaufslisten anführen und wohl eher von Erwachsenen für Kinder in wohlmeinender Absicht gekauft werden, behandeln Problemlagen, in denen Kinder und ihre Familien sich befinden können. Es geht um Scheidung, Arbeitslosigkeit, Umzug, Gewalt in der Familie, die Mitgliedschaft in Sekten, sexuellen Missbrauch, Krankheit, Drogen oder Tod. Diese Bücher sind wichtig und tragen dazu bei, dass Kinder Verständnis für diese Probleme entwickeln, sie vielleicht, wenn sie selbst betroffen sind, besser einordnen und sich mit ihren Bedürfnissen geeignet artikulieren können. Die Handlungen dieser Bücher spielen auf dem harten Boden der Realität. Häufig geht es um problematische Erwachsene und Kinder als Opfer. Aber sind dies die letzten Abenteuer, die Kinder und Jugendliche in einem einigermaßen realistischen Setting erleben können? Überspitzt gefragt: Repräsentieren durchgeknallte Erwachsene, die ihre Selbstverwirklichung betreiben, ihren Platz in der Unüberschaubarkeit der modernen Welt suchen und deshalb den ebenfalls ihren Platz suchenden Kindern keinen Halt geben können, den letzten Dschungel, in denen sich heutige Kinder selbstständig bewähren müssen? Gibt es im globalen Dorf keine Rückzugsgebiete mehr, in denen Kinder „Abenteuer“ erleben können, um dann abends wieder in die Geborgenheit der Familie zurückzukehren? Haben Kinder und Jugendliche noch Chancen, sich in ihrem realen Umfeld zu bewähren, zum Beispiel im freien Spiel mit anderen Kindern oder beim selbstständigen Umgang mit der Welt der Erwachsenen? Oder fehlen Kindern „Spiel“-räume, in denen sie ganz konkret ohne ständige Kontrolle durch Erwachsene ihre Welten aufbauen, durch ihre Hände, durch ihr Herangehen an ihre Umwelt, Spielräume, in denen sie sich ihre Ziele stecken, ausprobieren, was funktioniert und was nicht, mit anderen Kindern oder allein ihre Träume umsetzen und Spaß dabei haben können?

Phantasie ist nicht nur eine Sache von vorzeigbaren Kunstwerken oder von Erwachsenen geschriebenen Büchern. Träume vom eigenen Haus können schon durch eine Bude mit ein paar Stöcken im Gebüsch verwirklicht werden, Träume vom Heldentum durch Rollenspiele mit Weglaufen, Verstecken und Raufen. In ihren Träumen geht es Kindern vor allem um Unabhängigkeit, Selbstständigkeit, das Durchstehen von Abenteuern, das Bewähren in Gefahr und das Aushalten von schwierigen Situationen und natürlich um Geheimnisse. Bücher erlauben Fluchten aus der Wirklichkeit, und sie erhellen diese Wirklichkeit, wenden sie um und lassen sie besser verstehen. Aber die Wirklichkeit selbst muss Kindern auch Raum lassen, eigene Vorstellungen zu verwirklichen.

Die vielen rosagekleideten Prinzessinnen und modisch durchgestylten Prinzen, zum Teil schon mit Bauchansatz auch in bürgerlichen Schichten, die zur Schule und wohldosiert zu Freunden gefahren, in pädagogische „Angebote“ gesteckt werden und ansonsten im eigenen, mit viel Spielzeug versehenen Zimmer vor dem Computer hocken und die hohen Leistungserwartungen ihrer Eltern erfüllen müssen, wollen wahrscheinlich auch aktiv sein. Wenn sie das nicht in ihrer Kindheit dürfen, was passiert dann? Werden sie in der Lage sein, kreativ die Anforderungen der Zukunft zu erfüllen? Denn diese sind noch höher als die an die jetzige Generation gestellten: Wohlstand für alle, trotz Klimawandel, Ressourcenmangel und ständig steigender Weltbevölkerung. Oder werden die heutigen Kinder in Depression und Aggression flüchten oder als Vierzigjährige ausbrechen, um in Griechenland oder Mecklenburg-Vorpommern Schafe zu hüten?

Und die Protagonisten des eingangs erwähnten „So lebe ich jetzt“? Das Buch behandelt die Entwicklung der Heldin von der auf sich selbst bezogenen Magersüchtigen zu einer Jugendlichen, die in den Unmenschlichkeiten des Krieges erwachsen werden muss und in extremen Situationen Verantwortung für andere übernimmt. Sie und ihre Verwandten leben nach dem Krieg als junge Erwachsene in einer unwirtlichen Welt, zurückgezogen auf ihrem überschaubaren Bauernhof – als Selbstversorger.


Dr. Christiane Richard-Elsner ist Mitglied im ABA-Fachbeirat.

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