Christopher Roch

NAGEL-Redaktion – Vorbilder

Vorbilder 1: Fußballvereine

Seit über 100 Jahren läuft „die Wirtschaft“ dem spanischen Fußballclub FC Barcelona (www.fcbarcelona.com) mit dem Ziel hinterher, Trikotwerbung unterzubringen. Eines der letzten Angebote: 22 Millionen Euro für den katalanischen „Superverein“. Abgelehnt! Auch mit Werbung für die Olympischen Spiele 2008 in Peking konnte die chinesische Regierung in Barcelona nicht landen. Da sei die traditionelle anarchische Sturheit Kataloniens vor! Doch nun – im September 2006 – hat sich der FC Barcelona weichkloppen lassen: Es gibt Werbung auf den Hemden! Nämlich für das Kinderhilfswerk der Vereinten Nationen UNICEF. Und der FC Barcelona zahlt dafür 1,5 Millionen Euro im Jahr. Das ist doch mal was wirklich Neues – und durchaus i-Punkt-würdig! Auch, dass der FC Schalke 04 (www.schalke04.de) sich weigert, NPD-Mitglieder aufzunehmen. Reguliert wird dies „auf Schalke“ satzungsgemäß durch den Hinweis, dass ein Ausschluss aus dem Verein erfolgen kann „insbesondere durch Kundgabe rassistischer oder ausländerfeindlicher Gesinnung“.

Originalmeldungen hierzu unter:
http://www.unicef.de/3886.html
www.fcbarcelona.com/eng/noticias/especiales/UNICEF.sht
www.aktive-fans.de/01a9d793ed0d8ca08/01a9d793ed0d8dd0b/501460979407ea209.html
(Schalke)
(de-ip)

Vorbilder 2: Sankt Bernhard Hospital, Kamp-Lintfort

Siemens verschenkte (sic!) die Mobiltelefon-Sparte an BENQ. BENQ setzte den Betrieb binnen Jahresfrist an die Wand: Honi soit qui male y pense (Ein Lump, der Böses dabei denkt)! Tausende von Arbeitsplätzen, unter anderem in Kamp-Lintfort, kurzerhand platt gemacht! Das Sankt Bernhard Hospital in Kamp-Lintfort hat einige Käufe vor sich: Kernspintomografiegerät, Computer, Apparate zur Röntgen-Diagnostik, Herzkatheder usw., ein schlapper Millionenkauf halt. Auch die Kaffeemaschinen und Telefonapparate waren von Siemens. Die Krankenhausleitung erklärte, sie kaufe „auf unbestimmte Zeit“ nicht mehr bei Siemens. Eine begrüßenswerte Reaktion! Dies habe ich auch in einem Leserbrief an die NRZ mitgeteilt, Kopie ans Krankenhaus. Und ich habe meine persönliche Konsequenz gezogen: Uns kommt kein Siemensgerät mehr ins Haus; basta! Nur diese Sprache verstehen verantwortungslose Arbeitsplatzvernichter!

(de-ip)

i-Punkt 11/2006

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NAGEL-Redaktion – Fernsehen: Der Kasten, der krank macht

Der Kasten, der krank macht

Niemanden wird sie glücklich machen, die Gesundheitsreform. Geschweige denn gesünder. Kanzlerin Angela Merkel hat uns längst gewarnt: Das „wichtigste Thema“ dieser Legislaturperiode, sagt sie, ist „so schwierig wie kaum ein anderes“. Klartext: Es wird in guter demokratischer Tradition nach viel Streit in einem enttäuschenden Kompromiss enden, weit entfernt von einer langfristigen Lösung der Krankenversicherungskrise. Dafür bekommt Deutschland bekanntlich auch viel zu wenige Kinder.

Doch die Deutschen könnten auf sehr einfache Weise glücklicher, gesünder und sogar zahlreicher werden. Auf Knopfdruck. Das ist zweifelsfrei erwiesen. Und dennoch ist die radikale Senkung der Gesundheitskosten durch den kollektiven Knopfdruck nicht durchsetzbar.

Denn Merkels Mahnung, dass es in der Gesundheitsdebatte keine „heiligen Kühe“ geben darf und „dass man auch ein Stück über den eigenen Schatten springen muss“, kommt gegen die gesundheitsschädlichste aller zivilen Maschinen nicht an. Nicht gegen jenes Gerät, das laut Wissenschaft unsportlich, faul, vergesslich, gedankenlos, gehemmt, überreizt, freudlos, wortkarg, scheu, ängstlich, gewaltbereit, kontaktarm, nervös, motorisch unterentwickelt, unausgeglichen, passiv, unsozial, depressiv, emotional abgestumpft, unkonzentriert, langweilig, sprachlich zurückgeblieben, fantasielos, aggressiv, unaufmerksam, unausgeschlafen, übergewichtig, verantwortungsscheu und einsam macht. All diese Adjektive vermitteln schon die oberflächliche Lektüre der einschlägigen Literatur über jene menschenfeindliche Maschine. Die Rede ist vom Fernseher. Bei übermäßigem Gebrauch wird der Zuschauer krank. Mit übermäßigem Gebrauch meinen Wissenschaftler bei Erwachsenen mehr als zwei Stunden täglich. Diese Marke hatten die Deutschen Mitte der 70er Jahre erreicht – als es den Krankenkassen, nebenbei bemerkt, noch gut ging. Mittlerweile liegt das deutsche Mittel bei sagenhaften dreieinhalb Stunden pro Tag. Der Durchschnittsdeutsche also belastet das Gesundheitssystem mit seiner liebsten Freizeitbeschäftigung beträchtlich. Am teuersten sind über 65 Jahre alte Frauen, die laut Statistik pro Tag fast fünf Stunden den Lichtblitzen auf ihrem Bildschirm folgen. Alte sind ohnehin die konsequentesten Glotzer. Selbst Jugendsendungen wie „Bravo TV“ im ZDF sitzen sie aus – angeblich ist mehr als die Hälfte der Zuschauer über 50 Jahre alt.

Auch sonst entspricht der Fernsehkonsum dem Gesundheitsgefälle im Lande: Im Norden wird länger ferngesehen als im gedeihlichen Süden, im kränkelnden Osten länger als im Westen. Arme gucken länger als Reiche. Besserverdiener und Hochschulabsolventen, die zudem dünner und sportlicher sind als der Rest der Bevölkerung, verbringen etwa eine Stunde weniger pro Tag im Hirnwellen verlangsamenden Trancezustand. Erwachsene sind selbst schuld, wenn sie das Lebenszeitvernichtungsgerät nicht ausschalten. Diese absurde Maschine, die dem modernen Menschen seine anderweitig ersparte Zeit tagtäglich wieder wegnimmt. Kinder jedoch können nichts dafür, wenn sie in krank machende Fernsehsucht hineinerzogen werden. Säuglinge können die Kiste nicht ausschalten, wenn ihre Eltern sie vor „Baby TV“ legen, ein Programm für Null- bis Dreijährige, das als Erziehungsinstrument vermarktet wird. Der Programmchef verspricht: „Wir achten streng darauf, unsere Zuschauer nicht zu überfordern.“ Dabei werden sie skandalös unterfordert: Kinder, die extrem viel fernsehen, landen zweimal wahrscheinlicher in der Hauptschule als andere. Schulleistungen sind, so eine gestern veröffentlichte Studie, noch stärker vom Fernsehkonsum abhängig als vom sozialen Hintergrund. Fast jeder vierte Sechsjährige hat ein eigenes Fernsehgerät – richtig sprechen können diese Kinder dagegen nicht.

Sie werden mit einem Sprachniveau von Dreijährigen eingeschult. Und dann für viel Geld zum Sprachtherapeuten geschickt. In Nordrhein-Westfalen ist die Zahl sprachbehinderter Schüler innerhalb von sechs Jahren um fast 60 Prozent gestiegen. Kein Wunder: Der durchschnittlich deutsche Schüler verbringt übers Jahr gerechnet mehr Zeit vor dem Fernseher als im Unterricht.

Bildungspolitisch wäre es also genauso angebracht, den Fernsehkonsum einzuschränken, wie gesundheitspolitisch. Und noch ein wichtiges, gar lebenswichtiges Argument gibt es, das der indische Gesundheitsminister CP Thakur neulich im Umkehrschluss vorgetragen hat: das demografische. Thakur nämlich sorgt sich wegen Indiens Kinderreichtum. Deshalb will er Fernseher verteilen lassen. Je mehr die Menschen fernsehen, so Thakur, desto weniger Kinder zeugen sie. „Wir wollen, dass die Leute fernsehen.“

Besser kann die radikal utopische Idee, weniger fernzusehen, eigentlich nicht begründet werden. Auf Deutschland angewendet lautet das Argument: Macht den Fernseher aus und stattdessen Kinder. Doch für Utopien fehlt dem deutschen Zeitgeister, der schon mit Reformen so furchtbar hadert, leider die Kraft.

(aus: Financial Times Deutschland, von Eva Busse)

i-Punkt 10/2006

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NAGEL-Redaktion – Nicht wirklich

„Ich bin wohl der Arzt“, betonte vor 20 Jahren das sechsjährige Mädchen beim Doktor-Spiel. „Ich bin wohl die kranke Lehrerin“, meinte der Junge und erhielt prompt die Antwort: „In meinem Schrank sitzt wohl der böse Löwe“. Das Adverb „wohl“ galt als klassischer Kinder-Konjunktiv. Mit „wohl“ war einfach alles möglich. Heute antworten Sechsjährige auf die Frage, ob sie Lust auf Spinat, Aufräumen oder Englischunterricht haben: „Nicht wirklich.“ Ob die Kinder sich mit der neuen Formel über uns lustig machen? Wohl nicht wirklich. Mit diesem sprachlichen Zwinkern ist eher Augenhöhe angesagt. Kinder, die „nicht wirklich“ statt „nein“ sagen, haben verstanden, dass Wahrnehmung und Wirklichkeit in jedem Lebensalter etwas ziemlich Subjektives sind. Vermutlich begreifen Kinder die Definitionsmacht der Erwachsenen besser, als Pädagogen es für möglich halten.

Dr. Eva-Maria Oehrens in „kulturarbeit aktuell – Pressedienst der Akademie Remscheid 7-8/2006

i-Punkt 9/2006

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NAGEL-Redaktion – Die Fußball-Weltmeisterschaft ist vorbei

Die WM ist vorbei

Als sich Daniel Cohn-Bendit während der Fußball-Weltmeisterschaft meldete und angab, im Gegensatz zur französischen Nationalmannschaft sei der deutschen die Integration nicht gelungen, bin ich zugegebenermaßen ein wenig ins Grübeln gekommen. Der Idealdeutsche sei Beckenbauer, der Idealfranzose Zidane, Sohn algerischer Einwanderer. Gut, die französischen Jungs kommen nicht selten aus der Vorstadt, wo es immer wieder mal brennt, nicht nur Autos. Insofern: gelungen! Leider kann eine Fußballelf auch nur in überschaubarem Maße Massen unterbringen. Dort, wo ich das Endspiel sah, in Dortmund, waren mindestens 90 Prozent der ZuschauerInnen Fans der Franzosen; auf anderen Plätzen war es durchaus auch umgekehrt. Gewonnen haben trotzdem die Italiener, jene Jungs, deren Mütter ihnen liebevoll ein Schwalbennest gebaut haben, das sie durchschnittlich 34 Jahre benutzen, ohne zu vergessen, ihre Mutter mit „Hostia“ oder „Porca Madonna!“ zu beschimpfen. Und sie weinen, diese Jungs! Bei jedem Sturz weinen sie. Selbst bei ihren „Schwalben“ weinen sie. Wir feiern diesen italienischen Sieg tagtäglich mit dem Schwalbenlied von Heintje, dem Oranjenen. Nun der Katzenjammer zu Hause: Abstieg mancher Stars in die Zweitklassigkeit. Das wird schon wieder: Mama hilft. Italienische Knaben wohnen tatsächlich im Schnitt 34 Jahre bei Mama (europäischer Rekord)! Das wird möglicherweise nur noch von polnischen Ministerpräsidenten getoppt.

Blicken wir noch einmal auf die von Cohn-Bendit benörgelte nichtmultikulturelle Nationalmannschaft: Sehen wir David Odonkor flitzen und helfen, Tore zu machen, und hören wir die Mädchen schreien, sobald sie ihn nur sehen, den Mann aus dem westfälischen Bünde. Schauen wir auf Gerald Asamoah, der bei der WM zwar selten mitspielen durfte, dafür aber um so lauter „Marmor, Stein und Eisen bricht“ vom soeben verstorbenen Drafi Deutscher anstimmte und mit David Odonkor und Lukas Podolski im Fernsehen intonierte; Lukas Podolski, der in seinem Geburtsort Gleiwitz/Polen inzwischen so bekannt wie in Deutschland ist und des Öfteren dort seine Oma besucht. Aus Polen ebenfalls Miroslav Klose, geboren in Oppeln, und über Frankreich in die Pfalz gelangt. Laut eigener Internetseite war die Schule in Deutschland ein Hammer. Der achtjährige Mirek wurde wegen schlechter Deutschkenntnisse gar zurückgestuft. Görlitz an der deutsch-polnischen Grenze nennt sich Europastadt Görlitz-Zgorzelec und wirbt mit seinem „Konzept der grenzüberschreitenden kulturellen Integration und des Dialogs zwischen den verschiedenen Kulturen“. Geboren wurde hier übrigens Michael Ballack. Und woher kommt Oliver Neuville? Er stammt aus Locarno und gelangte von dort aus über Genf und Teneriffa nach Deutschland. Ein wenig Internationalismus also auch in der deutschen Nationalmannschaft!

Während der Weltmeisterschaft waren geradezu rührende Szenen internationaler Verständigung zu beobachten. Vielleicht lässt sich von dieser Offenheit ein wenig bewahren; dann hätte „das Volk“ in nur einem Party-Monat mehr Integration geleistet, als Politik dies über Jahrzehnte vollbracht hat. Vielleicht sollte Politik sich etwas mehr zurückhalten bei Dingen, die die Leute viel besser allein schaffen. Ganz zu schweigen von rassistischen Sprüchen wie die des italienischen Senators Roberto Calderoli, der laut „taz“ vom 12. Juli 2006 den italienischen Sieg über die „gemischtrassige Mannschaft“ Frankreichs als „politischen Sieg“ feierte. Die reinrassigen Italiener hätten „eine Mannschaft geschlagen, die dem Streben nach Erfolg ihre Identität geopfert hat, indem sie Schwarze, Muslime und Kommunisten aufstellte“. Calderoli! Schweigen wäre Gold gewesen – wenn man solche Gedanken schon nicht verhindern kann!

Rainer Deimel

i-Punkt 8/2006 

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NAGEL-Redaktion – Von Schlaukindern und Problembären

Der Problembär ist ein Schlaubär, haben deutsche Fernsehsender herausgefunden. Bär Bruno durchquert die bayerischen Wälder auf Trimmpfaden, nutzt Flussbetten und überquert Autobahnen. In Garmisch-Partenkirchen hat er vermutlich den Skilift genommen, und im Zillertal sind seine Spuren vor einer Disco gesehen worden. Problempolitiker sind zwar manchmal Schlaupolitiker, aber der Umkehrschluss funktioniert nicht: Bei weitem nicht jeder Politiker, der Probleme hat oder macht, ist schlau. Problemkinder hingegen sind verdächtig oft Schlaukinder. Sie nutzen ungewöhnliche Wege und überschreiten Grenzen, ohne sie zu kennen. Schlafwandlerisch erschließen sie sich angeblich unzugängliches Terrain, beleben sterile Kanäle mit originellen Texten und Klängen und mischen die Medienszene auf. Kinder- und Jugendkulturarbeit gibt Problemkindern Chancen zu zeigen, was in ihnen steckt. Und dann ist einfach mehr als ein Bär los.

Dr. Eva-Maria Oehrens
www.akademieremscheid.de

Anmerkung der Redaktion: Zwischenzeitlich ist aus dem Schlaubären leider ein „Bärtyrer“ geworden. Nicht immer so schlau, schlau in Deutschland zu sein!

i-Punkt 7/2006

Anmerkung fürs Internet: Erinnern wir uns an einen der Erfinder des Phänomens „Problembär“? Richtig! Der Stoibär, dem diese Seiten ohnehin gewidmet sind. Seine unterhaltsamen Einlassungen werden uns spätestens im Herbst 2007 vermutlich schmerzhaft fehlen. Aber gerade deshalb hat er diese Seiten verdient. Lieber Edmund Stoibär, wir werden Sie nie vergessen!

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