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NAGEL-Redaktion – Archiv der Jugendkulturen retten!

Der ABA Fachverband ruft zur Rettung des Archivs der Jugendkulturen auf!

Nur noch wenige Tage, um das Archiv der Jugendkulturen zu erhalten!

Noch nie war das Archiv der Jugendkulturen so viel in den Medien wie in den letzten Wochen, so zum Beispiel der Kulturzeit-Beitrag auf www.jugendkulturen.de. In mehr als 60 Blogs wird derzeit zu Spenden aufgerufen. Doch leider schlägt sich diese Präsenz nicht in Spenden nieder: Rund 400 Euro gehen bei uns täglich ein – das ist durchaus beeindruckend, wenn zum Beispiel ein 14-Jähriger uns 10 Euro überweist und in der Mail dazu mitteilt, er würde gerne mehr spenden, „aber ich bekomme nur 20 Euro Taschengeld im Monat, vielleicht geht nächsten Monat wieder was“. Dennoch: Es wird nicht reichen!

Am 31. Oktober 2010 müssen die Verantwortlichen des Archivs der Jugendkulturen definitiv entscheiden, ob sie ihren Mietvertrag kündigen oder verlängern. Letzteres wird ohne die Perspektive einer Stiftung nicht möglich sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schaffen es nicht mehr, jeden Monat privat das Defizit auszugleichen (derzeit rund 2.000 Euro monatlich). Und mit dem bisherigen Spendeneingang wird es am 31. Oktober leider heißen: Alles muss raus!

Dabei wäre es eigentlich so einfach: Wenn nur jeder Leser und jede Leserin des i-Punkts heute 10 Euro überweist, wäre das Ziel bereits erreicht! „10 Euro“, so Klaus Farin, einer der Engagierten beim Archiv für Jugendkulturen, „ich denke, das kann sich jede/r leisten. Und ich hoffe sehr, dass unser Engagement im Archiv der Jugendkulturen Ihnen diese 10 Euro wert sind. Helfen Sie bitte mit, dass unsere derzeit 29 MitarbeiterInnen in der Fidicinstraße 3 (davon 21 ehrenamtlich!) auch nach dem 31. Oktober hier noch einen Ort für ihr Engagement finden!“ Das Spendenkonto ist weiter unten zu finden. Klaus Farin steht übrigens gern für weitere Informationen zur Verfügung!

Kontakt:

Archiv der Jugendkulturen e.V.
Fidicinstraße 3
10965 Berlin
Telefon 030/612 03 318
Fax 030/691 30 16
klaus.farin@jugendkulturen.de
www.jugendkulturen.de
www.klaus-farin.de
www.culture-on-the-road.de

Kurzpräsentation Archiv (Film):

http://cms.cityguide.com/myvideo.jsp?movieRef=90903153947341950_ArchivderJugendkultu_de

Ust.-ID: DE203272846

Registergericht : Amtsgericht Charlottenburg, 18139 Nz

Spendenaufruf

Das Archiv der Jugendkulturen geht stiften!

Und Sie können ein Teil davon sein.

Das Berliner ARCHIV DER JUGENDKULTUREN e.V. existiert seit 1998 und hat sich zur Aufgabe gemacht, den Klischees und Vorurteilen über „die Jugend“ und ihre Lebens- und Freizeitwelten differenzierte Informationen entgegenzusetzen. Zu diesem Zweck betreibt es eine eigene umfangreiche Jugendforschung, publiziert deren Ergebnisse, aber auch autobiografische Texte und vieles mehr in seiner archiveigenen Verlagsreihe. Das Archiv der Jugendkulturen sammelt zudem Zeugnisse aus und über Jugendkulturen (Bücher, Diplomarbeiten, Medienberichte, Fanzines, Flyer, Musik etc.) und stellt diese in seiner Präsenzbibliothek der Öffentlichkeit kostenlos zur Verfügung. Punk, Techno, HipHop, Gothic, Skinhead, Emo … von der Bravo über Punk-Fanzines, den ersten Techno-Flyern bis hin zu Schülerzeitungen – hier ist alles zu finden.

Mit dem Projekt „Culture on the Road“ wird kulturelle und politische Bildung in interaktiven Workshops mit Informationen über die Geschichte und Wurzeln der Jugendkulturen verbunden. Ziel ist es, jugendkulturelle Vielfalt fundiert und authentisch zu vermitteln, politisches Bewusstsein zu schärfen, tolerante Haltungen zu unterstützen und einen Beitrag zur Gewalt- und Rechtsextremismusprävention zu leisten. Schon mehrfach wurde das Archiv der Jugendkulturen für seine Arbeit ausgezeichnet, so zum Beispiel

2003 vom Bündnis für Demokratie und Toleranz
2007 vom Jugendforum im Berliner Abgeordnetenhaus
2009 von der Initiative „Deutschland – Land der Ideen“

Nun geht das Archiv stiften! Das seit 12 Jahren erfolgreich als gemeinnütziger Verein arbeitende Archiv der Jugendkulturen will nun eine Stiftung gründen. Warum das? Das Archiv erhält bis heute keinen Cent Regelförderung und arbeitet seit seinem Bestehen mit auf Zeit geförderten Stellen und ehrenamtlichen MitarbeiterInnen. Es ist immer wieder erstaunlich, wie viel ehrenamtliches Engagement sich dort findet. Doch auf Dauer braucht eine derartige Einrichtung wenigstens eine oder zwei hauptamtliche Stellen und die Sicherung der Grundkosten. Das ist zurzeit nicht gegeben – immer wieder müssen Vereinsmitglieder oder MitarbeiterInnen sogar privat Gelder spenden, um die laufenden Kosten zu zahlen. Damit ist die Existenz dieser in Europa einmaligen Einrichtung in regelmäßigen Abständen akut gefährdet.

Eine Stiftung bietet Sicherheit und Kontinuität im Fortbestand des Archivs der Jugendkulturen und der daraus resultierenden kulturellen und politischen Arbeit mit und für Jugendliche(n) – und das unabhängig von der Vergabe von Fördergeldern.

Wozu brauchen wir ein Archiv der Jugendkulturen?

Wir alle sind die Summe unserer Geschichte, wir alle handeln, leben und beziehen Position aufgrund unserer Erfahrungen, die wir in unserer Jugend gemacht haben; Jugendkultur, auch in all ihren Extremen, nimmt Einfluss auf die gesellschaftliche Entwicklung – und wir alle brauchen das Wissen um unsere Wurzeln, um unseren Standort zu bestimmen, um nicht ges(ch)ichtslos zu sein – gerade in einer so schnelllebigen Zeit wie der heutigen.

Die Ziele der Stiftung

Förderung der Jugendkulturforschung – auch international! Die zu gründende Stiftung hat sich jedoch viel mehr vorgenommen als „nur“ die Erhaltung des Berliner Archivs der Jugendkulturen. In der Satzung heißt es dazu: „Gesamtgesellschaftliches Ziel der Stiftung ist stets die Förderung von Toleranz und Weltoffenheit, der Abbau und die Ächtung von Gewalt, Rassismus, Sexismus und anderen totalitären und menschenfeindlichen Einstellungen und Verhaltensweisen von Einzelpersonen wie auch Institutionen und der Ausbau und die Förderung demokratischer Partizipation nicht nur von Jugendlichen mit dem Ziel einer lebendigen Demokratie.“ Zweck der Stiftung ist die Sammlung, Erforschung und Vermittlung von Kenntnissen über jugendliche Kulturen und Lebenswelten bzw. die Förderung solcher Aktivitäten sowie die Förderung von Toleranz und kultureller Vielfalt in und zwischen allen Generationen.

Weitere Informationen: http://www.jugendkulturen.de/home/stiftungsaufruf/162-auszug-aus-der-stiftungssatzung

Was können Sie tun, um ein Teil davon zu sein?

Ermöglichen Sie jetzt durch Ihre Spende die Gründung der Stiftung! Helfen Sie mit, die engagierte und einmalige Arbeit des Archivs der Jugendkulturen langfristig zu sichern und auszubauen! Stiftungen sind Projekte für die Ewigkeit. Sie können ganz am Anfang dabei sein und einen der ersten Bausteine setzen für ein Haus, das auch in Jahren und Jahrzehnten noch von engagierten BewohnerInnen belebt sein wird!

Was haben Sie davon?

Neben der Tatsache, dass Sie noch Ihren Enkeln erzählen können, wie Sie dazu beigetragen haben, dieses einzigartige Projekt zu sichern, 

• sind Stiftungsgelder zu einem erheblichen Teil steuerlich absetzbar.
• Sie können Ihre Stellungnahme über die Wichtigkeit der Bewahrung von Jugendkulturen auf der Internetseite des Archivs veröffentlichen und als Stifter präsent sein.
• Sie können sich still für sich ganz alleine über Ihr Mitwirken freuen.
• Sie können die Form Ihres Engagements individuell und Ihren Bedürfnissen entsprechend mit Klaus Farin vom Archiv der Jugendkulturen besprechen.

Was können Sie nun konkret tun?

100.000 Euro sind notwendig, um die Stiftung zu gründen. Helfen Sie uns mit Ihrer Spende – jede Summe ist ein weiterer Baustein zur Realisierung unserer Vision. Hierhin können Sie Ihre Spende überweisen:

Spendenkontonummer: 1241383853

BLZ: 500 502 01

Bank: 1822direkt Frankfurter Sparkasse

Konto-Inhaber: Klaus Farin

Zweck: Spende Stiftung

Für internationale Überweisungen:

IBAN: DE85 5005 0201 1241 3838 53

BIC: HELADEF1822

Bitte senden Sie parallel eine E-Mail über das Internet an das Archiv (http://www.jugendkulturen.de/home/spenderinnenverzeichnis/161-ihre-daten). Dann werden Sie über den Fortgang auf dem Laufenden gehalten.

Alle SpenderInnen werden (wenn Sie es möchten) im Spendenverzeichnis (http://www.jugendkulturen.de/home/spenderinnenverzeichnis) im Internet genannt.

Der ABA Fachverband ruft dazu auf, sich an dieser Gründungsaktion zu beteiligen!

 

Die „taz“ vom 16. August 2010 berichtete:

 

Archiv der Jugendkulturen vor dem Aus: Gefahr fürs Seelenheil

Das Berliner Archiv der Jugendkulturen erforscht seit zwölf Jahren den Alltag von Teenagern. Es nimmt sie ernst, statt Panikthesen zu verbreiten. Jetzt steht die bundesweit einmalige Einrichtung vor dem Aus.

Konzentrierte Stille herrscht im Raum, der bis obenhin vollgestopft ist mit Büchern und Zeitschriften. Am Tisch sitzt eine junge Frau und blättert in Büchern über Skinheads. Sie ist extra aus Österreich angereist, um für ihre Diplomarbeit zu recherchieren. Auf dem Boden wühlt sich ein Pärchen im Erstsemesteralter durch einen Stapel Street-Art-Magazine. Eine Grundschulklasse stürmt die Zeitschriftenregale – die Jungs und Mädchen wollen alles über ihre Lieblingszeitschrift Bravo erfahren. Nach der stichprobenhaften Sichtung der Jahrgänge 1956 bis 2010 („Was, so sah Madonna mal aus?!“) ziehen sie beeindruckt von dannen.

Ein normaler Vormittag im Archiv der Jugendkulturen in Berlin-Kreuzberg. Auf 700 Quadratmetern forschen Jung und Alt über die Jugend und können dabei auf rund 6.000 Bücher, 400 wissenschaftliche Arbeiten, 28.000 Zeitschriften sowie unzählige Tonträger, Presseausschnitte und Flyer zurückgreifen. Wer an einer Masterarbeit über malayischen Punk schreibt oder wissen will, ob Black Metal Gefahren fürs Seelenheil birgt, ist hier richtig.

Wie lange noch, ist aber fraglich: Das Archiv steht vor dem finanziellen Aus. Seit zwölf Jahren wurstelt man sich mit Projektgeldern, Spenden und ehrenamtlichem Engagement durch. Monatlich schießen die 28 MitarbeiterInnen nach eigenen Angaben rund 1.500 Euro aus eigener Tasche zu. Eine langfristige Perspektive erhoffen sie sich durch Gründung einer Stiftung: denn Stiftungen bringen Spendern Vorteile und bekommen leichter Fördergelder.

Am Interesse für die Arbeit der Forscher mangelt es jedenfalls nicht. „Es gibt großen Aufklärungsbedarf über die Jugend“, sagt Klaus Farin und grinst breit. Der 52-Jährige mit ergrauter Haarmatte und Muskelshirt ist so etwas wie Deutschlands oberster Jugendversteher. Im Gegensatz zu anderen sogenannten Jugendexperten – Soziologen, Kriminologen oder selbst ernannten Trendforschern – bemüht sich Farin um Nähe zu den Jugendlichen, die er erforscht.

„Der optimale Jugendforscher war selbst mal Teil einer Jugendkultur, hat aber genug Distanz zur Szene aufgebaut, um von außen draufzuschauen“, sagt er. Farin war früher Punk – schon während seiner Schulzeit in Gelsenkirchen grub er sich in die Szene ein und hortete mit Forschungseifer sämtliche Hervorbringungen, von Flyern bis zu selbst gemachten Fanzines. Später kamen andere Jugendkulturen dran, Skinheads, Hooligans, Gothics. Als Farin seine Sammlung einer Universität spenden wollte und auf Desinteresse stieß, beschloss er, ein eigenes Archiv für die flüchtigen Gegenkulturzeugnisse zu eröffnen – in Berlin, dem Treffpunkt für alle möglichen Jugendkulturen.

Vielen der 28 zumeist ehrenamtlichen MitarbeiterInnen sieht man ihre Szenezugehörigkeit an: Irokesen, Dreadlocks, Symbole auf Haut und T-Shirts. Monica Hevelke, die BesucherInnen durchs Archiv führt, trägt dicke HipHopper-Turnschuhe zu bunten Tatoos. Die 28-Jährige stieß über das Breakdancen zum Archiv. Jetzt hält sie Jugendgruppen Vorträge über HipHop-Geschichte und berät Pädagogen beim Erstellen von Kursangeboten.

„Ein bisschen Neugier auf andere Szenen muss man mitbringen“, sagt sie und zeigt auf das Regal mit den Eigenpublikationen des Archivs: Bücher über Vietnamesinnen in Deutschland, Hausbesetzer in Potsdam, Skinheads. Hevelke hat fast überall mal reingeschaut. Auch ins Schriftgut der rechten Szene, das in einem verschlossenen Schrank lagert und nur für spezifische Forschungszwecke herausgegeben wird. „Ekelhaft“, findet Hevelke. Aber: „Man muss doch wissen, worüber man redet – alles andere wäre peinlich.“

Wissen, worüber man redet – es ist diese Einstellung, die das Archiv der Jugendkulturen so besonders macht. Pauschales Gejammer über Verrohung oder Oberflächlichkeit der Jugend lässt man hier nicht gelten. Besonders Klaus Farin ist jederzeit bereit, für die Jugendlichen Partei zu ergreifen. „Wir haben die bravste Jugendgeneration seit langem“, sagt er und liefert aktuelle Entwicklungen gleich mit: Der Alkoholkonsum stagniere, der Tabakkonsum befinde sich auf einem historischen Tiefstand.

Auch die Jugendkriminalität sei in fast allen Bundesländern rückläufig. Trotzdem begegne man der Jugend mit Skepsis und Repressionen. „Der Umgang mit Jugendlichen wird immer autoritärer“, sagt Farin und berichtet von Baggy-Pant-Verboten in Freibädern. In seinen Worten klingt mit: Das hat die Jugend nicht verdient.

Teenager verdienen es, ernst genommen zu werden, das ist das Motto des Jugendarchivs. Ob eine Jugendkultur erst durch die Bravo zum Massenphänomen wurde, wie bei den androgyn auftretenden „Emos“, oder ob es wie beim „Parcours“ darum geht, über urbane Hindernisse zu hüpfen: Wenn es genug Leute tun und damit öffentliche Aufmerksamkeit erregen, handelt es sich um eine Jugendkultur, die es verdient, erforscht zu werden.

Auch wenn die Szenen immer schneller wechseln – die Motive, sich einer Jugendszene anzuschließen, sind seit der Wandervogel-Bewegung im 19. Jahrhundert gleich geblieben: Freunde finden, sich gegen den langweiligen Rest der Gesellschaft abgrenzen und zusammen etwas Eigenes schaffen. Gemeinsame Rituale, Mode, Sprache und Musik sind der Kitt dieser Gemeinschaften. Dass die heute weniger langlebiger sind als früher – Jugendliche zwischen 13 und 20 wechseln im Schnitt viermal die Szene – tue dem Gebot, sie ernst zu nehmen, keinen Abbruch, sagt Jugendforscher Farin.

Neben dem Archivieren ist das Vermitteln Hauptaufgabe der Kreuzberger Einrichtung. Workshops für Schulklassen und Projektgruppen, Wanderausstellungen zu Street Art oder den Lebenswelten von Berliner Einwanderern – die Nachfrage ist groß. Auch von Seiten der Polizei: Der jährliche Graffiti-Workshop für Beamte mit anschließendem Expertenrundgang durch Kreuzberg erfreue sich reger Beliebtheit, erzählt Farin. Lehrer und Politiker holten sich ebenso gern eine Portion Sachverstand, um sich auf dem Laufenden zu fühlen. Der Pluspunkt des Archivs – die aktive Beteiligung Jugendlicher – ist zugleich die offene Flanke der Einrichtung, die seit ihrem Bestehen ums finanzielle Überleben kämpft.

Für wissenschaftliche Fördertöpfe sind die Methoden der Jugendforscher zu unorthodox, für die Sozialarbeit zu wenig pädagogikorientiert. Außerdem reden Farin und seine MitstreiterInnen mit allen, ob Skins, Punks, Sprayer oder Hooligans. Das öffentliche Interesse ist aber nicht an allen gleich. Während Geld für MigrantInnenprojekte derzeit leicht aufzutreiben ist, haben es Forschungen im Punkmilieu eher schwer. „Vielleicht sollten wir mehr zu Linksextremismus forschen“, sagt Farin sarkastisch und bezieht sich damit auf die derzeitigen Debatten zu autonomer Gewalt und Regierungsprogrammen gegen Linksextreme.

HipHop-Expertin Monica Hevelke sieht ihre Forschungstätigkeit eher pragmatisch. Mit einem Zweitjob und viel finanzieller Bescheidenheit kommt die Slawistikstudentin knapp über die Runden. Dafür hat sie gerade Projektmittel für einen Radio-Workshop mit Jugendlichen genehmigt bekommen. „Wie viel Geld man hat, ist nicht so wichtig. Entscheidend ist, was Sinnvolles zu tun“, sagt sie. Und verschwindet dorthin, wo sich zwischen den „Mitteilungen der Karl May Gesellschaft“, einem Berg aus Schülerzeitungen und Magazinen aus der Technoszene noch jede Menge ungeordnetes Archivmaterial stapelt. Es gibt noch viel zu ordnen im Gedächtnis der Jugendkulturen.

Archiv geht stiften

Problem: Dem 1998 gegründeten Archiv der Jugendkulturen geht langsam die Puste aus. Seit der Gründung lebt die Kreuzberger Einrichtung von Spenden, ehrenamtlicher Arbeit und Projektmitteln. Unter anderem aus dem Bundesprogramm „Vielfalt tut gut“ und der Bundeszentrale für politische Bildung. Institutionelle Förderung gab es noch nie. Nun können die 28 MitarbeiterInnen um den Jugendforscher Klaus Farin den Unterhalt ihres auf 700 Quadratmeter angewachsenen Archivs nicht mehr zahlen: 1.500 Euro zahle man monatlich aus der eigenen Tasche für die Miete drauf.

Lösung: Das Jugendarchiv, das mit seinen 6.000 Büchern und 28.000 Zeitschriften eine weltweit einzigartige öffentlich zugängliche Sammlung besitzt, will eine Stiftung gründen. Mit der Kampagne „Das Archiv geht stiften“ sammeln die Macher die notwendigen 100.000 Euro Kapital. Bislang erhielten sie ein Drittel und außerdem jede Menge Unterstützung – unter anderem ausgerechnet von der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien. Die ist wahrscheinlich froh darüber, dass die ganzen Black-Metal-Videos, HipHop-Tonträger und Skinhead-Blättchen schön übersichtlich an einem sicheren Ort verwahrt werden. Mehr Informationen über das Archiv und seine Rettung unter www.jugendkulturen.de.

taz vom 16. August 2010 – Von Nina Apin

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NAGEL-Redaktion – Virtuelles Museum: Geschichte der Pädagogik

Vieles von dem, was uns vielleicht einmal lieb und teuer, vielleicht auch unangenehm oder verhasst war, droht im Laufe der Zeit mehr oder weniger unbemerkt „unterzugehen“. Aus diesem Grunde hat suich die NAGEL-Redaktion überlegt, in lockerer Folge hin und wieder Beiträge vor dem Vergessen zu retten und in diesem „virtuellen Museum“ unterzubringen. Wir wünschen viel Spaß beim Stöbern und freuen uns, wenn Sie uns mit passenden Schätzen versorgen mögen, die Ihrer Meinung nach hierher gehören. Und raten Sie mal, wen Sie auf dem vorstehenden Foto entdecken? Und wann kann das wohl gewesen sein? Und wo?


Pieter Bruegel d.Ä.: Kinderspiele

Der Geschichte der Offenen Arbeit haben wir eigene Seiten gewidmet. Gern nehmen wir weitere Beiträge zum Einstellen auf dieser Seite entgegen.

NAGEL-Redaktion

 

Herbst 2010

Der ABA Fachverband ruft zur Rettung des Archivs der Jugendkulturen auf!

Nur noch wenige Tage, um das Archiv der Jugendkulturen zu erhalten!

Noch nie war das Archiv der Jugendkulturen so viel in den Medien wie in den letzten Wochen, so zum Beispiel den Kulturzeit-Beitrag auf www.jugendkulturen.de. In mehr als 60 Blogs wird derzeit zu Spenden aufgerufen. Doch leider schlägt sich diese Präsenz nicht in Spenden nieder: Rund 400 Euro gehen bei uns täglich ein – das ist durchaus beeindruckend, wenn zum Beispiel ein 14-Jähriger uns 10 Euro überweist und in der Mail dazu mitteilt, er würde gerne mehr spenden, „aber ich bekomme nur 20 Euro Taschengeld im Monat, vielleicht geht nächsten Monat wieder was“. Dennoch: Es wird nicht reichen!

Am 31. Oktober 2010 müssen die Verantwortlichen des Archivs der Jugendkulturen definitiv entscheiden, ob sie ihren Mietvertrag kündigen oder verlängern. Letzteres wird ohne die Perspektive einer Stiftung nicht möglich sein. Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, schaffen es nicht mehr, jeden Monat privat das Defizit aufzubringen (derzeit rund 2.000 Euro monatlich). Und mit dem bisherigen Spendeneingang wird es am 31. Oktober leider heißen: Alles muss raus!

Dabei wäre es eigentlich so einfach: Wenn nur jeder Leser und jede Leserin des i-Punkts kurzfristig 10 Euro überweist, wäre das Ziel bereits heute erreicht! „10 Euro“, so Klaus Farin, einer der Engagierten beim Archiv für Jugendkulturen, „ich denke, das kann sich jede/r leisten. Und ich hoffe sehr, dass unser Engagement im Archiv der Jugendkulturen Ihnen diese 10 Euro wert sind. Helfen Sie bitte mit, dass unsere derzeit 29 MitarbeiterInnen in der Fidicinstraße 3 (davon 21 ehrenamtlich!) auch nach dem 31. Oktober hier noch einen Ort für ihr Engagement finden!“ Das Spendenkonto ist weiter unten zu finden. Klaus Farin steht übrigens gern für weitere Informationen zur Verfügung!

Kontakt:

Archiv der Jugendkulturen e.V.Fidicinstraße 310965 BerlinTelefon 030/612 03 318Fax 030/691 30 16
E-Mail
Internet

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Beiträge

Zur Geschichte der Spielplätze

Dr. Daniel Rimbach, Landschaftsarchitekt aus Bad Liebenstein, ist es gelungen, im Rahmen seiner Dissertation eine tiefgründige wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Gesamtentwicklung der öffentlichen Freiräume für Kinder zu führen und damit einen Blick auf die Frühgeschichte der Spielplätze (bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs) zu werfen. Hieraus wurde in der „FreeLounge – Fachmagazin für kommunale Frei-Räume“ in den Jahren 2009 und 2010 eine vierteilige Serie publiziert. Im Rahmen der Kooperation zwischen dem Bundesverband für Freiraum-Gestaltung (BFG) und dem ABA Fachverband ist es gelungen, diese äußerst interessanten Beiträge zu bekommen. Wir haben daraus eine Internetseite gestaltet und wünschen erhellende Erkenntnisse. Zur Seite gelangt man über vorstehenden Schriftzug. Wir empfehlen ferner einen Besuch auf den Seiten des BFG. Neugierig? Nachfolgendes Logo anklicken!

Spielen

Erprobungsmaßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen: Verbesserung der Spielsituation für Kinder

In der zweiten Hälfte der 1980er-Jahre hat das Land Nordrhein-Westfalen verschiedene Maßnahmen zur Verbesserung der Situation zum „Spielen im Freien“ erprobt. Die Arbeiten begannen mit der Sammlung von Erfahrungen auf pädagogisch betreuten Spielplätzen. Die Ergebnisse wurden 1982 veröffentlicht (siehe weiter unten: „Pädagogisch betreute Spielplätze“). 

In der hier vorgelegten Broschüre wird deutlich, dass es nicht ausreicht, Spielplätze im herkömmlichen Sinne zu errichten; vielmehr komme es darauf an, Spielmöglichkeiten der verschiedensten Art mit unterschiedlichen Nutzungmöglichkeiten in den Wohngebieten zu integrieren. Der alltäglich Spielraum der Kinder müsse wieder bespielbarer gemacht werden; damit werde auch der Wohnwert der gesamten Umgebung positiv beeinflusst.

An der seinerzeitigen Modellmaßnahme haben sich neben den Landesjugendämtern Rheinland und Westfalen-Lippe die Jugendämter Aachen, Arnsberg, Bielefeld, Bonn, Düsseldorf, Gelsenkirchen, Gütersloh, Herne, Iserlohn, Köln, Mönchengladbach, Münster, Obverhausen und der Hochsauerlandkreis beteiligt. 

Die damaligen Bemühungen um angemessene Spielräume für Kinder ließen es uns sinnvoll erscheinen, die Dokumente hier für Interssierte unterzubringen. Wollen Sie stöbern? Dann klicken Sie auf vorstehendes Titelbild!

Pädagogisch betreute Spielplätze

Erfahrungsbericht der Mitarbeiter der Erprobungsmaßnahme des Landes Nordrhein-Westfalen

1982 wurde eine mehrjährige Erprobungsmaßnahme zu den Abenteuer- und Bauspielplätzen in Nordrhein-Westfalen abgeschlossen. Diese stand im Kontext zur Verbesserung der Spielsituation für Kinder im Lande. In jüngerer Zeit fand und findet das eine oder andere Jubiläum von pädagogisch betreuten Spielplätzen statt, bei dem bisweilen auch an dieses Projekt erinnert wird. Beteiligt waren seinerzeit 12 Abenteuer- und Bauspielplätze aus verschiedenen Gebieten des Landes. Seit 1971 gibt es in NRW Abenteuer- und vergleichbare Spielplätze. Im selben Jahr wurde auch der ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen als „Landesarbeitsgemeinschaft Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze NRW“ gegründet. Mitbegründer war übrigens der heutige Regierungspräsident von Arnsberg, Prof. Dr. Gerd Bollermann.

1998 wurden die Abenteuerspielplätze vom 10. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (S. 222) als „besonders bemerkenswertes kinderbezogenes Angebot“ bezeichnet; hier schienen sich „am ehesten orignäre kinderspezifische Ansätze entwickelt zu haben“. Vor diesem Hintergrund empfahl die seinerzeitige Bundesregierung (unter dem Kanzler Helmut Kohl), Abenteuerspielplätze „flächendeckend zu verstärken“. Dies ist angesichts der Entwicklung kindlichen Aufwachsens in der Zwischenzeit dringender denn je.

In unserem Archiv ruhte noch eine Broschüre zur Probemaßnahme, die ca. 10 Jahre nach dem Entstehen von Abenteuerspielplätze in NRW veröffentlicht wurde. Wir fanden sie zu schade, dass sie dort ein Mauerblümchendasein fristet und haben uns dazu entschlossen, sie hier wieder zugänglich zu machen, zumal etliche der damals geäußerten Erkenntnisse und Thesen nach wie vor ihre Richtigkeit haben. Interesse? Mit einem Mausklick auf den vorstehenden Titel gelangen sie auf die Seite mit den Inhalten der Broschüre.

Nicht nur Verstaubtes …

Für die ABA-Mitglieder werden nach und nach frühere, vom ABA Fachverband veröffentlichte Schriften ins ABA-Netz gestellt. Was in diesen zu finden ist, kann gesehen werden, wenn man vorstehenden Schriftzug anklickt.

 

Kinderläden

2008 jährte sich die Gründung der Kinderläden zum 40. Male. In „Kinderläden“ konnte man nicht etwa Kinder kaufen; vielmehr handelte es sich in der Gründerzeit vielmehr um ehemalige Ladenlokale, in den antiautoritär gesinnte Eltern ihre Kinder unterbrachten. Später nannten sich derartige Einrichtungen zumeist etwas umständlich „Elterninitiativen“.

Die „taz“  lieferte eine schöne Beschreibung unter dem Titel

Die Kinderläden

Im geschwätzigen Jubiläumsjahr kamen die Kinderläden nicht oder nur in Nebensätzen vor. Oder in diesem eigenartig hysterisierten Sound wie bei Sophie Dannenberg, selbst ein ehemaliges Ladenkind. Diese behauptete auf einer Veranstaltung im Mai dieses Jahres allen Ernstes, die antiautoritäre Erziehung sei in erster Linie eine „Anleitung zum Kindesmissbrauch“ gewesen.
Bei anderen Gelegenheiten war die Autorin der Meinung, Kinderläden seien „kryptostalinistische“ Umerziehungslager gewesen, die die „Entstrukturierung der Welt“ befördern. Die Wirklichkeit war harmloser, widersprüchlicher und vergnüglicher zugleich. Die Mütter waren es, die sich am politischen Aufbruch beteiligen wollten und deshalb 1968 in Berlin begannen – wie zuvor schon in Frankfurt – die Betreuung ihrer Kinder in leer stehenden Ladenwohnungen zu organisieren. Staatliche Kindergarten und -hortplätze waren knapp, die Erziehung war dort autoritär, und die dazugehörigen Männer zeigten sich tendenziell desinteressiert. 
Während des Internationalen Vietnamkongresses im Februar 1968 galt es, das Problem der Kinderbetreuung zu lösen. Daraus entstand im neu gegründeten „Aktionsrat zur Befreiung der Frau“ die Idee der gemeinschaftlichen Kindererziehung, zunächst als eine Art Selbsthilfe. Zum aufblühenden Feminismus kamen später die Impulse der Reformpädagogik, die auf Kinderbefreiung und Selbstverwaltung setzte.
Der wenig später gegründete „Zentralrat der sozialistischen Kinderläden“ versuchte, den antiautoritären Anteil zugunsten einer „proletarischen Erziehung“ zurückzudrängen. „Der Versuch, möglichst schnell andere Bevölkerungsschichten mit unseren Kinderläden zu erfreuen, mag darauf zurückzuführen sein, dass sich die Männer nach wie vor weigern, ihre eigenen Konflikte zu artikulieren. Im Augenblick haben wir der Arbeiterschaft nichts zu bieten“, kommentierte Helke Sander dieses Ansinnen in ihrer berühmten Rede auf dem SDS-Delegiertenkongress im September 1968.
Das Kinderladenexperiment konsolidierte sich, aus den autonomen wurden staatlich bezuschusste Kinder- und Schülerläden. Man zahlte nach Einkommen, ließ sich zu Koch- und Putzdiensten einteilen und diskutierte auf wöchentlichen Elternabenden die kindliche Psyche. Was die ersten von den heutigen Läden – neben einer ausgeprägten Diskussionswut – unterschied, war vor allem, dass dort stabile Gruppen beieinander waren, die schon vor der Schule zusammenkamen und sich die Schulzeit hindurch begleiteten.
Der Laden, von dem in diesem Beitrag die Rede ist, wurde Anfang 1969 in einer ehemaligen Tischlerei in Wilmersdorf bezogen. Er funktionierte rund zwanzig Jahre lang als Kinder- und später als Schülerladen. Danach hatte ihn eine neue Initiative bezogen, die dort – wenn auch um einiges pragmatischer organisiert – noch weitere sechzehn Jahre als einer von 180 senatsgeförderten Schülerläden verblieb. 2007 wurden die Berliner Schülerläden dann geschlossen, die Kinderbetreuung wird von nun an im schulnahen Hort abgewickelt.
Neben Anna Freud, Wilhelm Reich oder Erich Fromm war vor allem der Brite Alexander S. Neill ein wichtiger Stichwortgeber der Kinderladenbewegung. Sein Klassiker über die 1921 gegründete freie Schule Summerhill wurde in Deutschland 1969 bei Rowohlt unter dem Titel „Theorie und Praxis der antiautoritären Erziehung“ veröffentlicht – übrigens ein Begriff, den Neill selbst gar nicht verwendete. Er bezeichnete sein Konzept vielmehr als selbstregulative Praxis.
Bei Kindern beliebter war sein Abenteuerbuch „Die grüne Wolke“, 1971 erstmals bei Rowohlt erschienen: eine tolle Gute-Nacht-Geschichte, in dem auch das eine oder andere Blutbad vorkommt. Doch als V-Effekt, die das Gemetzel auf Abstand halten, sind nach jedem Kapitel die Spontankritik der zuhörenden Kinder eingebaut. Kindliche Gewaltfantasien, so Neill, wollen erst mal – gedanklich – ausgelebt werden, bevor sie sanft entschwinden können.
taz vom 13. Dezember 2008

In derselben Ausgabe der „taz“ gab es ferner den eindrucksvollen Beitrag „Wir Ladenkinder“ von Anne Huffschmid, die aus eigener Erfahrung berichtet.
„Wir Ladenkinder“ herunterladen

Zur Wikipedia-Seite „Kinderladen“

Weiteres bei Wikipedia

Zur Wikipedia-Seite „Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtung“

Zur Wikipedia-Seite „Abenteuerspielplatz“

Zur Wikipedia-Seite „Spielmobil“

Zur Wikipedia-Seite „Schülerladen“

Zur Wikipedia-Seite „Kindergarten“

Zur Wikipedia-Seite „Antiautoritäre Erziehung“

Zur Wikipedia-Seite „Schwarze Pädagogik“

Echte Museen

Spielzeugmuseen


Deutsches Historisches Museum, Berlin

Die Spielzeugsammlung des Deutschen Historischen Museums besteht als eigenständiger Sammlungsbereich innerhalb der Alltagskultur erst seit 1992. Inzwischen umfasst die Sammlung rund 4.000 Objekte.


Spielzeugmuseum Nürnberg

Die umfangreiche und außergewöhnlich qualitätvolle Sammlung des Spielzeugmuseums Nürnberg umfasst den Zeitraum von der Antike bis zur Gegenwart mit dem Schwerpunkt auf den beiden letzten Jahrhunderten.


Deutsches Spielzeugmuseum Sonneberg

Auf drei Etagen finden Sie hier Spielzeuge von der Antike bis zur Gegenwart: Ein tönernes Räderpferd, eine ratternde Dampfmaschine, Karussell, Achterbahn und eine große Modelleisenbahnanlage fesseln die Aufmerksamkeit. Im Reich der Puppen trifft man auf zarte Gebilde aus Papiermaché und Porzellan jeden Alters und aller Art.

 
Spielzeugmuseum Trier

 

Im Herzen der ältesten Stadt Deutschlands präsentiert das Spielzeugmuseum Trier auf über 500 qm, verteilt auf zwei Etagen,Spielzeugträume von der Antike bis zur Neuzeit: Blechspielzeug, Eisenbahnen, Zinnfiguren, Puppen, Puppenstuben, Plüschtiere, Dampfmaschinen und vieles mehr. In den verwinkelten Räumlichkeiten des Museums erzählen die Spielzeuge Geschichten aus über hundert Jahren, erfreuen die kleinen Besucher und lassen die großen von der eigenen Kindheit träumen; denn viele der mehr als 5.000 Exponate werden den älteren unter unseren Besuchern bekannt erscheinen.

Kindergartenmuseum, Bergisch Gladbach

Schulmuseen


Schulmuseum Hamburg

Westfälisches Schulmuseum in Dortmund

Die Seite wird fortgesetzt.

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NAGEL-Redaktion – Literaturhinweise

Eine Auswahl

Gerhard Aick: Die Befreiung des Kindes. Kleine Kulturgeschichte des Spiels und des Kinderspielplatzes. Schriftenreihe der Internationalen Gartenbau-Ausstellung Hamburg (IGA). Hamburg 1963

Götz Aly: Wofür wirst du eigentliche bezahlt? Berlin (Rotbuch) 1977

Amt für industrielle Formgestaltung (AIF) der DDR/Finnischer Designerverband (ORNAMO): Plätze zum Spielen. Berlin/Helsinki 1985

Michael Andritzky/Kai J. Friedrich (Hg.): Klappholttal/Sylt 1919-1989 – Geschichte und Geschichten. List/Sylt (Nordseeheim Klappholttal e.V.) o.J.

Arbeitskreis Jugendarbeit der Fachhochschule für Sozialwesen, Mannheim: Das Kulturopfer, in: Sozialmagazin 5/1987

Autorengruppe ASP/MV: Abenteuerspielplatz. Wo Verbieten verboten ist. Reinbek (Rowohlt) 1973

Autorenkollektiv: Spielanlagen für Kinder und Jugendliche (Hg.: Bauakademie der DDR, Institut für Städtebau und Architektur). Berlin (VEB Verlag für Bauwesen) 1979

Autorenkollektiv am Psychologischen Institut der FU Berlin: Sozialistische Projektarbeit im Berliner „Schülerladen Rote Freiheit“. Frankfurt am Main (Fischer) 1971

Dieter Baacke et al.: Lebenswelten sind Medienwelten (2 Bd.). Opladen (Leske & Budrich) 1990

Wolfgang Bauer: JugendHaus. Geschichte, Standort und Alltag Offener Jugendarbeit. Weinheim und Basel (Beltz) 1991

Edith Barow-Bernstoff et al. (Hg.): Beiträge zur Geschichte der Vorschulerziehung. Berlin (Volk und Wissen VEB Verlag), 3. Auflage 1971

Bauakademie der DDR/Institut für Städtebau und Architektur (Hg.): Spielanlagen für Kinder und Jugendliche. Berlin (VEB Verlag für Bauwesen) 1979

Nando Belardi: Probleme von Berufsanfängern in der offenen Jugendarbeit. Die „Wende“ auf dem Arbeitsmarkt für soziale Berufe. In: deutsche jugend 5/1986

Baldo Blinkert: Kinder wollen draußen spielen. Die Bedeutung des Wohnumfeldes für das Heranwachsen junger Menschen – Städte brauchen außerhäusliche Aktionsräume, in: DER NAGEL 57 (ABA Fachverband), Dortmund 1995

Baldo Blinkert: Aktionsräume von Kindern in der Stadt. Eine Untersuchung im Auftrag der Stadt Freiburg. Pfaffenweiler (Centaurus-Verlagsgesellschaft) 1996

Baldo Blinkert: Aktionsräume von Kindern auf dem Land. Eine Untersuchung im Auftrag des Ministeriums für Umwelt und Forsten Rheinland-Pfalz. Pfaffenweiler (Centaurus-Verlagsgesellschaft) 1997

Lothar Böhnisch: Historische Skizzen zur offenen Jugendarbeit I. In: deutsche jugend 10/1984

Karl-Heinz Boeßenecker: Das Neue Steuerungsmodell. In: DER NAGELKOPF 21 „Steuerungsmodelle – Verplanung des Marktes oder Vermarktung des Plans? Dortmund (ABA Fachverband) 1995

Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.): Achter Jugendbericht. Bericht über Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe. Bonn 1990

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (Hg.): Neunter Jugendbericht. Bericht über die Kinder und Jugendlichen und die Entwicklung der Jugendhilfe in den neuen Bundesländern. Bonn 1994

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend: Zehnter Kinder- und Jugendbericht. Bericht über die Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland. Bonn 1998

Rainer Deimel: Abenteuerspielplätze, in: in: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker: Hanbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit (VS Verlag für Sozialwissenschaften) Wiesbaden, 3., völlig überarbeitete Auflage 2005

Rainer Deimel: Spielmobile, in: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker: Hanbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit (VS Verlag für Sozialwissenschaften) Wiesbaden, 3., völlig überarbeitete Auflage 2005

Rainer Deimel: Offenheit nicht nur in Häusern. Die Positionen von Abenteuerspielplätzen, Spiel- und Jugendmobilen in den aktuellen Konzeptionsdebatten. In: deutsche jugend 3/2001

Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Jugendarbeit. Münster (Votum) 1998

Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg:): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit. Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften), 3., völlig überarbeitete Auflage 2005

Ulrich Deinet: Sozialräumliche Jugendarbeit. Eine praxisbezogene Anleitung zur Konzeptentwicklung in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Opladen (Leske + Budrich) 1999

Ulrich Deinet: Die Jugendarbeit ist überaltert. In: deutsche jugend 12/2000

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Deutsches Kinderhilfswerk et al. (Hg.): Das Spielmobilbuch. Berlin (FIPP Verlag) 1990

Sabine Doll: Wir lassen uns nicht verdrängen. Mädchenarbeit in Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen In: DER NAGELKOPF 9. Unna (ABA Fachverband) 1988

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George Eisen: Spielen im Schatten des Todes. Kinder und Holocaust. München/Zürich (Piper) 1993

Johannes Fromme/Wolfgang Nahrstedt/Regine Eggert/Klaus Lindemann: Aktivspielplätze im Selbstverständnis der Mitarbeiter. Bielefeld/Wuppertal (Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplatz-Verlag/LAG ABA NRW e.V.) 1984

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Hermann Giesecke: Politische Bildung in der Jugendarbeit. München (Juventa) 1980

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Gustav Grauer: Jugendfreizeitheime in der Krise. Weinheim/Basel (Beltz) 1973

Matthias Horx: Aufstand im Schlaraffenland. Selbsterkenntnisse einer rebellischen Generation. München (Hanser) 1989

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Erwin Jordan: Jugendarbeit. In: Dieter Kreft und Ingrid Mielenz: Wörterbuch Soziale Arbeit. Weinheim (Beltz) 1980

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Franz-Josef Krafeld: Geschichte der Jugendarbeit. Weinheim (Beltz) 1984.

Margot Krecker (Zusammenstellung): Quellen zur Geschichte der Vorschulerziehung. Berlin (Volk und Wissen VEB Verlag) 1971

Manfred Liebel: Aufforderung zum Abschied von der sozialintegrativen Jugendarbeit, in: Martin Faltermeier (Hg.): Nachdenken über Jugendarbeit. Kommentierte Dokumentation der Zeitschrift „deutsche jugend“. München (Juventa) 1983

Jean Liedloff: Auf der Suche nach dem verlorenen Glück. Gegen die Zerstörung unserer Glücksfähigkeit in der frühen Kindheit. München (C.H. Beck) 1980

Ulrich Mähnert/Gerd-Rüdiger Stephan: Blaue Hemden – Rote Fahnen. Die Geschichte der Freien Deutschen Jugend.Opladen (Leske + Budrich) 1996

Christian Marzahn/Christel Schütte/Hans Kamp: Konflikt im Jugendhaus. Fortbildung für Sozialarbeiter, Sozialpädagogen, Lehrer. Reinbek (Rowohlt) 1975

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Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Bericht Kinder- und Jugendkulturarbeit in Nordrhein-Westfalen. Düsseldorf (LKD-Verlag) 1994

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Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit des Landes Nordrhein-Westfalen (Hg.): Politik für Kinder und Jugendliche: Landesjugendplan NRW. Düsseldorf 1999

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Richard Münchmeier: Was ist Offene Jugendarbeit? – eine Standortbestimmung. In: Ulrich Deinet/Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Jugendarbeit, Münster (Votum Verlag) 1998

C. Wolfgang Müller: Wozu dient das Freizeitheim und wie muss es aussehen? In: Der Rundbrief. Mitteilungsblatt des Senators für Jugend und Sport 5/6. Berlin 1962

C. Wolfgang Müller, Helmut Kentler, Klaus Mollenhauer, Hermann Giesecke: Was ist Jugendarbeit? München (Juventa). 7. Auflage 1975

Wolfgang Nahrstedt/Johannes Fromme: Strategien offener Kinderarbeit (Reihe Forschungsberichte des Landes Nordrhein-Westfalen). Opladen (Westdeutscher Verlag) 1986

Norbert Ortmann/Peter Rohwedder (Bearb.): Die Planung und Entwicklung der offenen Kinder- und Jugendarbeit in Oberhausen. Oberhausen (Stadt Oberhausen) 1994

Ralf-Erik Posselt: Die Geschichte der Offenen Arbeit. Schwerte (Evangelische Landesarbeitsgemeinschaft der Offenen Tür/ELAGOT NRW, Amt für Jugendarbeit der EKvW) 2003

Ulrich Preis: Bleibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf der Strecke? In: ABA TexteDienst 12, Dortmund (ABA Fachverband), 3. Auflage 1996

Ria Puhl: „Wir können ja niemanden zwingen …“. In: Sozialmagazin 4/1982

Redaktionskollektiv: Erziehung und Klassenkampf. Zeitschrift für marxistische Pädagogik 10-11/1973, Themenheft „Jugendzentren“. Frankfurt am Main (Verlag Roter Stern) 1973

Wilhelm Reich: Die sexuelle Revolution. Frankfurt am Main (Fischer), 8. Auflage 1979

Lutz Rössner: Jugend in der offenen Tür. Zwischen Chaos und Verartigung. München (Juventa) 1962

Eckhard Schiffer: Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde. Anstiftung gegen Sucht und Selbstzerstörung bei Kindern und Jugendlichen. Weinheim und Basel (Beltz) 1993

Eckhard Schiffer: Warum Hieronymus B. keine Hexe verbrannte. Gewaltbereitschaft bei Kindern und Jugendlichen erkennen – Gewalt vorbeugen. Weinheim und Basel (Beltz) 1994

Eckhard Schiffer: Der Kleine Prinz in Las Vegas. Spielerische Intelligenz gegen Krankheit und Resignation. Weinheim und Berlin (Beltz Quadriga) 1997

Eckhard Schiffer: Wie Gesundheit entsteht. Salutogenese: Schatzsuche statt Fehlerfahndung. Weinheim und Basel (Beltz) 2001

Otto Schweizer/Donata Elschenbroich: Das Jahrhundert des Kindes im Jahrhundert des bewegten Bildes. Videoproduktion des Zentrums für Fernstudienentwicklung der FernUniversität Hagen. Hagen 1998

Otto Schweizer/Donata Elschenbroich: Das Rad erfinden. Kinder auf dem Weg in die Wissensgesellschaft. Videoproduktion des Deutschen Jugendinstituts im Auftrag des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. München/Frankfurt am Main 1999

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel. Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster (Votum) 1997

Klaus Spitzer/Janne Günter/Roland Günter: Spielplatzhandbuch. Ein kritisches Lexikon. Berlin (VSA-Verlag) 1975

Rainer Treptow: Stärkung der Kulturarbeit. Thesen zur aktuellen Suchbewegung in der Jugendarbeit. In: Neue Praxis 1/1986

Hanne Tügel: Tiere als Therapeuten. In: GEO 3/2001 (Fotos von Walter Schmitz), S. 86 ff.

Hans-Jürgen von Wensierski: Freie Deutsche Jugend? Zur integrativen und desintegrativen Funktion der FDJ für die Jugend und die Jugendarbeit der DDR. In: deutsche jugend 4/1998

Lutz von Werder: Sozialistische Erziehung in Deutschland 1848-1973. Frankfurt am Main (Fischer) 1974

Das Standardbuch zum Thema

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

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NAGEL-Redaktion – Die 1990er-Jahre

1990 wurde der 8. Jugendbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Mit diesem Bericht wurden einige Paradigmenwechsel in der Jugendhilfe eingeleitet mit anderen Worten: die Sicht auf junge Leute begann sich „offiziell“ zu verändern. (1)


Foto: Bundesarchiv (Jugendliche in Bonn)

Im Kontext einer zeitgemäßen Jugendhilfeplanung fassen Jordan und Schone diese diese neuen fachlichen Maßstäbe folgendermaßen zusammen:

● Sozialraumorientierung statt quantitativer Flächendeckung
● Problemorientierung statt Institutionsorientierung
● Offene Prozessplanung statt statischer Festschreibungen der Zukunft
● Einmischung statt Abgrenzung der Jugendhilfe
● Pädagogischer (fachlicher) und politischer Diskurs statt statistischer Formelsammlungen
● Partizipation statt Direktion
● Gegenstromplanung statt Einwegplanung
● Entspezialisierung statt Spezialisierung (2)

Diese Postulate zeigen deutlich die Bemühungen der Jugendhilfe auf, in der Postmodernen „mitzuhalten“. In Anlehnung an den 8. Jugendbericht werden in der Folgezeit – sowohl in der institutionalisierten Praxis und bei Fachverbänden als auch in Politik, Administration und Wissenschaft Leitmotive bzw. Prinzipien für die Arbeit mit Kindern und Jugendlichen formuliert. Die Landesregierung Nordrhein-Westfalen nennt: Prävention, Integration, Partizipation und Emanzipation als Handlungsparadigmen. (3) Im Landesjugendplan Nordrhein-Westfalen wird hierzu ausgeführt: „Den Prinzipien der Emanzipation, der Prävention, der Integration und der Partizipation entsprechend sollen die Bemühungen der Träger, vor allem sozialbenachteiligte Gruppen mit ihren Regelangeboten zu erreichen, unterstützt werden.“ (4)

Am 1. Januar 1991 wurde das bisherige Jugendwohlfahtsgesetz (JWG) durch das Kinder- und Jugendhilferecht, das als Achtes Sozialgesetzbuch (SGB VIII) verfasste Kinder- und Jugendhilfegesetz (KJHG) ersetzt. Damit wurde jungen Menschen in Deutschland eine deutlich verbesserte Rechtsstellung zugebilligt. So wird etwa formuliert, dass junge Menschen an allen sie betreffenden Entscheidungen der öffentlichen Jugendhilfe zu beteiligen sind. (5) Ferner sind die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes bzw. Jugendlichen zu selbstständigem, verantwortungsbewusstem Handeln sowie die jeweiligen besonderen sozialen und kulturellen Bedürfnisse junger Menschen und ihrer Familien wie die unterschiedlichen Lebenslagen von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen. Darüber hinaus gelte es, Benachteiligungen abzubauen und die Gleichberechtigung für Mädchen und Jungen zu fördern. (6)

Vor dem Inkrafttreten des SGB VIII galten die Einrichtungen der Offenen Arbeit als sogenannte „freiwilligen Leistungen“. Diese Interpretation kann dem SGB VIII definitiv nicht mehr entnommen werden. So heißt im 2. Kapitel  (7) im § 11 (Jugendarbeit):

● Jungen Menschen sind die zur Förderung ihrer Entwicklung erforderlichen Angebote der Jugendarbeit zur Verfügung zu stellen. Sie sollen an den Interessen junger Menschen anknüpfen und von ihnen mitbestimmt und mitgestaltet werden, sie zur Selbstbestimmung befähigen und zu gesellschaftlicher Mitverantwortung und zu sozialem Engagement anregen und hinführen.

● Jugendarbeit wird angeboten von Verbänden, Gruppen und Initiativen der Jugend, von anderen Trägern der Jugendarbeit und den Trägern der öffentlichen Jugendhilfe. Sie umfasst für Mitglieder bestimmte Angebote, die offene Jugendarbeit und gemeinwesenorientierte Angebote.“ (8)

Zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit gehören

● außerschulische Jugendbildung mit allgemeiner, politischer, sozialer, gesundheitlicher, kultureller und technischer Bildung,
● Jugendarbeit in Sport, Spiel und Geselligkeit
● arbeitswelt-, schul- und familienbezogene Jugendarbeit,
● internationale Jugendarbeit
● Kinder- und Jugenderholung
● Jugendberatung

Demnach kann das Vorhalten Offener Arbeit für die öffentliche Jugendhilfe nicht mehr beliebig sein, vielmehr handelt es sich nun dabei um eine pflichtige Leistung. Gleichzeitig wurde allerdings die kommunale Planungshoheit gestärkt. Nach § 80 SGB VIII sind die Träger der öffentlichen Jugendhilfe zwar verpflichtet, eine Jugendhilfeplanung durchzuführen, wobei sie den Bedarf unter Berücksichtigung der Wünsche, Bedürfnisse und Interessen junger Menschen und deren Eltern zu befriedigen haben, allerdings wird ihnen ein relativ hoher Ausgestaltungsrahmen zugebilligt.

In den 1990er-Jahren ist kein Verwaltungsgerichtsurteil bekannt geworden, wonach ein Träger verpflichtet worden wäre, ganz bestimmte Leistungs-Angebote vorzuhalten. Dieser Umstand, gepaart mit einer zunehmenden ungünstigeren Haushaltslage der Kommunen hat trotz einer verbesserten Rechtsstellung erneut zu einer stellenweise bedrohlichen Lage für die Offene Arbeit geführt.


Einer der ersten Abenteuerspielplätze nach der „Wende“ in der DDR, der ASP Mühle in Magdeburg-Olvenstedt um 1990, Träger Spielwagen e.V. ( Foto: Spielwagen)

Diese Situation wurde auch von der Landesregierung Nordrhein-Westfalens wahrgenommen und als günstige Stimulans wurde der Landesjugendplan zeitweise abgesichert; dies unter teilweisem Widerstand der Finanzpolitik. Unter der Voraussetzung, dass die Kommunen ihre Jugendhilfeplanung erledigt und die zu fördernden Einrichtungen dort ausgewiesen haben, konnten sie bis zu einem Drittel der Kosten vom Land bezuschusst bekommen. Seinerzeit war diese Situation vermutlich einmalig in Deutschland. In den anderen Bundesländern gab es meines Erachtens über die Länder in erster Linie Projektförderungen.

Ansonsten schienen die Kommunen die Einrichtungen der Offenen Arbeit – sofern vorhanden – aus „eigener Tasche“ zu finanzieren.

Erneut auf das Beispiel Nordrhein-Westfalen zurückkommend, kann festgestellt werden, dass der seinerzeitige Landesjugendplan im Bereich der Offenen Bereich als strukturell förderfähig nannte:

● Offene Formen und Einrichtungen der Kinder- und Jugendarbeit
● Mobile Jugendarbeit (womit auch Spielmobile förderfähig geworden sind)
● Angebote der Spielplatzarbeit (hier war eine gezielte Förderung der Abenteuerspielplätze und Kinderbauernhöfe angesprochen)

Einer Auskunft (1999) des Ministeriums für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW zufolge haben seinerzeit die Kommunen von dieser Fördermöglichkeit von Spielmobilen und Spielplätzen keinen, allenfalls nur einen marginalen Gebrauch gemacht.

Werfen wir noch einen Blick auf die Personalentwicklung, wieder am Beispiel Nordrhein-Westfalens. (9) Insgesamt ist hier in der Jugendhilfe die Zahl der Fachkräfte von knapp 86.000 im Jahr 1990 auf knapp 112.000 im Jahr 1998, also um etwa 26.000, angestiegen. „Naturgemäß“ machen auch hier die Tageseinrichtungen für Kinder den größten Anteil aus (1990: 39.000; 1998: 73.232). Der Stand des Fachpersonals in der Jugendarbeit – also den Bereichen verbandlicher, Offener und kultureller Kinder- und Jugendarbeit – entwickelte sich von 9.410 im Jahr 1990 auf 10.788 im Jahr 1998, also ein erklecklicher Zuwachs von gut 1.300 Stellen. (10)

Leider kann der Statistik nicht entnommen werden, um welche Stellen innerhalb der Jugendarbeit (etwa Vollzeit- oder Teilzeitbeschäftigte, Qualifizierungsgrad usw.) es sich handelt und auf welche Bereiche sie konkret entfallen. Zur Entwicklung des Personals liest sich der entsprechende Kommentar im Datenband der Landesregierung dann folgendermaßen: „Die Kinder- und Jugendhilfe in Nordrhein-Westfalen ist im Rückblick auf die 80-er Jahre bis heute ein wachsendes Segment sozialer Dienstleistungen. Wird dies an der Entwicklung der Einrichtungen von rund 13.600 auf 15.600 zwischen 1986 und 1998 noch nicht übermäßig deutlich, so dokumentiert die Entwicklung der beschäftigten Personenden Ausbau der Kinder- und Jugendhilfe. … Kamen 1990 rein rechnerisch auf einen Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin in der Kinder- und Jugendhilfe 37 unter 18-Jährige, so sind dies 1998 noch 31 Minderjährige. Berechnet man diese Angaben auf Vollzeitstellen in der Jugendhilfe, so heißt dies, dass 1998 auf 36 Minderjährige eine Vollzeitstelle entfällt. Im Gegensatz dazu weisen die Ausgaben für 1990 noch 43 Minderjährige pro Vollzeitstelle in Nordrhein-Westfalen aus.“ (11)

Wir haben gesehen, dass der Bereich der Tageseinrichtung überdeutlich expandiert. Wir konnten feststellen, dass die Offene Arbeit immer wieder wie ein Verschiebebahnhof genutzt wird. Gegen Ende der 1990-er Jahre gerieten die Kommunen immer stärker unter Finanzdruck; ein Ende dieses Trends ist nicht absehbar. Insofern ist die Gefahr, dass das Kinder- und Jugendhilfegesetz, insbesondere die Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, auf der Strecke bleibt, wie Ulrich Preis von der FernUniversität Hagen es 1993 warnend formuliert hat (12), nicht vom Tisch.

1998, kurz vor dem Ende der Ära Kohl, wurde der Zehnte Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung veröffentlicht. Die seinerzeitige Bundesministerin für Familie, Senioren, Frau und Jugend, Claudia Nolte, war eine zeitlang bemüht, der Öffentlichkeit gegenüber diesen Bericht vorzuenthalten; dies vor allem vor dem Hintergrund der zunehmenden Verarmung von Kindern, dem „Lebensrisiko Kind“, dem Paare sich aussetzen, wenn sie sich entschließen, Nachwuchs „in die Welt zu setzen“. Der Bericht machte deutlich, dass die Kluft zwischen Wohlhabenden und Habenichtsen immer größer wird. Diese Zurückhaltestrategie sorgte – kurz vor der Bundestagswahl 1998 – noch einmal für erheblichen „Stress“ in der Bundesregierung. Eigentlich wäre er nicht nötig gewesen, können wir doch erleben, dass erwähnte Kluft zwischen Arm und Reich auch unter der neuen – rot-grünen – Bundesregierung nicht kleiner geworden ist, im Gegenteil scheint sie sich weiter zu vergrößern.

Der Zehnte Kinder- und Jugendbericht befasste sich mit der Lebenssituation von Kindern und die Leistungen der Kinderhilfen in Deutschland. Bezüglich der Offenen Arbeit mit Kindern kommt die Sachverständigenkommission, die den Bericht erstellt hat und deren Vorsitzender Prof. Dr. Lothar Krappmann (Berlin) war, zu ähnlichen Auffassungen, wie sie beispielsweise auch vom ABA Fachverband als Positionen vertreten werden. Demnach ist es erforderlich, für Kinder „kinderspezifische Ansätze“ zu entwickeln. Wie erwähnt haben sich zahlreiche Jugendfreizeitstätten der Arbeit mit Kindern gegenüber geöffnet. Allerdings „steht die offene Arbeit mit Kindern im Schatten der Jugendarbeit und ist bis heute ein eher randständiges Gebiet geblieben mit wenig eigenständigen pädagogischen Elementen. Von Spiegel (1997) notiert: ´Spielen und Basteln, kulturelle Angebote, ein offener Bereich mit Kicker, Billard und Tischtennis, Kindercafé und Kinder- bzw. Teeniedisco – alles wie gehabt“. (13) „Dennoch gibt es – wenn auch nicht flächendeckend – bemerkenswerte kinderbezogene Angebote, z.B. Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze sowie Kinderbauernhöfe. … Bei Ferienangeboten und Abenteuerspielplätzen scheinen sich am ehesten originäre kinderspezifische Ansätze entwickelt zu haben. (14) Die Bundesregierung folgt dieser Feststellung in ihrer Kommentierung. Dort heißt es: „Die Bundesregierung teilt die Auffassung, dass es eine sehr große Differenzierung und unterschiedliche Intensität bei den Angeboten und Wahrnehmungsmöglichkeiten für Kinder in der Kinder- und Jugendarbeit und in der Kinderkulturarbeit gibt. Diese Arbeit ist von einer unterschiedlichen Dichte und einem unterschiedlichen Niveau geprägt. Die Bundesregierung sieht jedoch als wünschenswert an, die kinderbezogenen Angebote wie unter anderem Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze, musikalische Früherziehung, Kinder- und Jugendkunstschulen, Kinderkinos, Kindermuseen, Spielmobile flächendeckend zu verstärken.“ (15)


ASP Mühle in Magdeburg-Olvenstedt um 1990, kurz nach der „Wende“ (Foto: Spielwagen)

**********

Fußnoten

(1) Bundesministerium für Jugend, Familie und Gesundheit (Hg.): Achter Jugendbericht. Bericht über die Bestrebungen und Leistungen der Jugendhilfe, Bonn 1990
(2) Erwin Jordan/Reinhold Schone: Jugendhilfeplanung – aber wie? Münster 1992, S. 21 f.
(3) vgl. Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW (Hg.): Kinder und Jugendliche an der Schwelle zum 21. Jahrhundert. Chancen, Risiken, Herausforderungen. 7. Kinder- und Jugendbericht der Landesregierung NRW, Düsseldorf 1999, S. 12 f.
(4) Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit NRW (Hg.): Politik für Kinder und Jugendliche: Landesjugendplan NRW, Düsseldorf 1999, S. 9
(5) vgl. SGB VIII § 8
(6) vgl. SGB VIII § 9
(7) 2. Kapitel SGB VIII: Leistungen der Jugendhilfe
(8) Hervorhebung von R.D.
(10) vgl. Ministerium für Frauen, Jugend, Familie und Gesundheit … 2000, a.a.O., S. 85 f.
(11) ebenda, S. 84
(12) Ulrich Preis: Bleibt das Kinder- und Jugendhilfegesetz auf der Strecke?, in: ABA TexteDienst 12, Dortmund (ABA Fachverband), 3. Auflage 1996
(13) Zehnter Kinder- und Jugendbericht des Bundesregierung, Bonn 1998, S. 222 f.
(13) ebenda, Seite 223
(19) Hervorhebungen von R.D.
(20) Zehnter Kinder- und Jugendbericht , S. IX

 

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NAGEL-Redaktion – Die 1980er-Jahre

Anfang der 1980er-Jahre wurde die Offene Kinder- und Jugendarbeit insgesamt von einer „Sparwelle“ in den Kommunen sowie anderen öffentlichen Haushalten ergriffen. Die Offene Arbeit firmierte damals noch unter dem Begriff der sogenannten „freiwilligen Leistungen“ und war insofern ein leicht zu erreichendes „Rotstift-Opfer“. Zahlreiche Einrichtungen mussten Federn lassen, einige gar schließen.

Wider besseres Wissen immer wieder bedroht: Die Offene Arbeit. Hier eine Demo vor einem Kasseler Jugendhaus 1987 (Foto: Richard Majewski, in: Wolfgang Bauer: JugendHaus, Weinheim/Basel 1991)

Offene Kinder- und Jugendarbeit kann und wird niemals „marktfähig“ werden; sie ist mittelbar und unmittelbar von öffentlichen Zuwendungen abhängig. Das hat sie immer wieder in Legitimationsdruck gebracht. Der „kommerzielle Druck“ auf die Offene Arbeit hat vor allem in den 1980er-Jahre erheblich zugenommen. Wurden zuvor Kommerz und Konsum expressis verbis entschieden abgelehnt, so musste sich die Offene Arbeit nunmehr zunehmend damit auseinandersetzen, um Gegengewichte zu schaffen.

Demo von Jugendlichen aus Kasseler Jugendzentren vor dem Rathaus 1987 (Foto: Richard Majewski, in: Wolfgang Bauer: JugendHaus, Weinheim/Basel 1991)

Aus dieser Situation heraus ist auch eine Zunahme von „Kulturangeboten“ (1) zu verzeichnen. „Kulturelle Jugendarbeit“ vermag die bisherige sozialpädagogische Praxis effektiv und sinnvoll bereichern. Dies erfordert einerseits vermehrte Fähigkeiten und Fertigkeiten bei den MitarbeiterInnen; andererseits bestand mit der zu starken Akzentuierung einer kulturellen Ausrichtung eine duale Gefahr:

● Hinsichtlich der Klientel kann es zu Veränderungen kommen; diejenigen Kinder und Jugendlichen, für die die bestehenden Angebote nach einem gängigen Selbstverständnis der Offenen Arbeit „am nötigsten“ haben, werden können zugunsten eines mobileren Publikums angedrängt werden, das in erster Linie daran interessiert ist „kulturelle Highlights“ zu erleben. Der reklamierte Stadtteilbezug geht auf diese Weise häufig verloren.

● Die Umgestaltung einer Offenen Einrichtung mit dem Schwerpunkt Kulturarbeit setzt sich verstärkt der Gefahr aus, sich als soziale Einrichtung selbst überflüssig zu machen; so ist zu beobachten, dass PolitikerInnen sich bisweilen – möglicherweise berechtigt – fragen, ob eine solche Einrichtung sich nicht auch ohne Subventionen tragen kann, sich also am Markt orientiert.

Kulturelle Ausdrucksformen gehören seit jeher in eine zeitgemäße Offene Arbeit. Kassel 1986 (Foto: Richard Majewski, in: Wolfgang Bauer: JugendHaus, Weinheim/Basel 1991)

Hiltrud von Spiegel berichtet, dass es nach „einem jahrelangem Nebeneinander“ von Sozial- und Kulturpädagogik seit Mitte der 80-er Jahre zu verstärkter Konkurrenz gekommen sei, vor allem in der Offenen Jugendarbeit scheine die Sozialpädagogik in die Defensive geraten zu sein. Sie vermutet, viele Häuser der Offenen Tür hätten auch deshalb ihre Konzeptionen in Richtung Kulturpädagogik geändert, da sie mit den „Problemen, die die traditionellen Besuchergruppen aus den unteren Schichten“ mitbrächten, nicht mehr zurecht kämen. (2) „Die ‚sozialpädagogische Fraktion‘ kritisiert an dieser Tendenz, dass sich dadurch Kinder und Jugendliche der unteren Schichten nicht mehr angesprochen fühlen und auf andere Formen der Sozialen Arbeit angewiesen sind, wie zum Beispiel Streetwork.“ (3) Sie bezieht sich dabei auf den „Arbeitskreis Jugendarbeit“, Nando Belardi und Ria Puhl. „Die ‚Kulturfraktion‘ hält dagegen, dass es ohnehin nicht die Aufgabe Offener Kinder- und Jugendarbeit sein dürfe, Sozialpädagogik zu betreiben. Erstens sei sie aufgrund ihrer Infrastruktur überfordert, zweitens sei es auch aus politischen Gründen falsch, sich für die integrativen Ziele des Sozialstaates vereinnahmen zu lassen.“ (4)

Dieser für die 1980er-Jahre charakteristische Konflikt wird meines Erachtens in der Darstellung relativ stark akzentuiert. Meines Dafürhaltens war der Konflikt regional begrenzt und nicht selten mit bestimmten Personen und Organisationen in Verbindung zu bringen. Seitens des ABA Fachverbandes beispielsweise wurde recht früh die Position vertreten, dass sich Sozial- und Kulturpädagogik hervorragend ergänzen. Es handelt sich hierbei nicht um zwei konträre Disziplinen, sondern sich gegenseitig befruchtende methodische Ansätze. Diese moderatere Position wird allerdings auch von von Spiegel bestätigt. (5)

Münster 1981 (Foto: K. Wohlgemuth, Essen, in: Lutz Niethammer et al.: Die Menschen machen ihre Geschichte nicht aus freien Stücken, aber sie machen sie selbst, Essen 2006)

Auffallend in den 1980er-Jahren war ferner der Trend, dass sich die bisherigen Jugendfreizeitstätten zunehmend gegenüber der Arbeit mit Kindern öffneten; dies zum Teil infolge von Hinweisen und Forderungen aus der Politik, zum Teil aber auch vor dem Hintergrund, mit Kindern ließe sich angeblich „leichter arbeiten“.

Bezogen auf die Offene Jugendarbeit war an etlichen Stellen ein kontinuierlicher Besucherrückgang feststellbar. Er blieb dort eher aus, wo die Jugendlichen die größten Chancen haben, ihre Bedürfnisse wahrzunehmen, sprich Partizipation nicht an der Schwelle zum Jugendzentrum halt macht. Ulrich Deinet erklärte diese Betulichkeit später in der „deutschen jugend 12/2000“ auch mit der These, die Jugendarbeit sei überaltert. Dementsprechend müsse das Personal nach kürzerer Zeit ausgetauscht werden. (6) (7)

Blicken wir noch einmal auf Entwicklungen der Offenen Arbeit mit Kindern in den 80-er Jahren. In dem Forschungsvorhaben „Strategien offener Kinderarbeit“ beschreiben Wolfgang Nahrstedt und Johannes Fromme 1986 drei Ebenen, die die Offenheit der Arbeit charakterisieren. Sie sprechen zum einen „das Einwirken und Beeinflusst-Werden des gesellschaftlichen Teilsystems der offenen Kinderarbeit auf und von andere(n) Teilsysteme(n)“ (8) an.

Broschüre „Pädagogisch betreute Spielplätze“ des Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales Nordrhein-Westfalen (MAGS NRW), Düsseldorf 1982.(9)

Eine weitere Ebene ist Offenheit, erfahrbar als Zugänglichkeit, Freiwilligkeit, Einsehbarkeit, räumliche Offenheit, pädagogische Offenheit, soziale Offenheit sowie Offenheit in dem Sinne, dass die BesucherInnen nicht irgendwo Mitglied sein müssen, etwa in einer Kirche oder bei der Verbandsjugend. (10) Als dritte Ebene stellen sie die Zukunftsoffenheit heraus und beziehen diese auf die pädagogisch-praktische Arbeit, deren Inhalte und natürlich auf die Partizipanten. Das genannte Forschungsvorhaben war das umfangreichste, das seinerzeit stattgefunden hat.


Für Mädchen auch in den 1980er-Jahren nichts besonderes, sofern vorhanden: Der Abenteuerspielplatz. Das Foto stammt wahrscheinlich von Gerhard Mlynczak. Entstanden ist es auf dem Abenteuerspielplatz Scharnhorst in Dortmund (aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze).

In einem Gespräch berichtete Professor Wolfgang Nahrstedt einmal von „seinem Ottawa-Effekt“, will sagen, seine Teilnahme an einer internationalen Konferenz über Abenteuerspielplätze, die in der kanadischen Stadt organisiert wurde, „öffnete ihm die Augen“, wie stark der Nachholbedarf in Deutschland noch war. Nicht ohne guten Grund wurden von Nahrstedt und Fromme vor allem die Konzepte „Abenteuerspielplatz“, „Jugendfarm“ und „Spielmobil“ gefordert. Diese Forderung scheint gegenwärtig aktueller denn je.


Abenteuerspielplatz Eller in Düsseldorf (Foto aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze)

Bereits ein paar Jahre zuvor hatte man sich in der Pädagogischen Fakultät der Universität Bielefeld mit dem „Niedergang“ der Abenteuerspielplatzbewegung beschäftigt (vgl. Fußnote 9 auf der Seite Die 1970er-Jahre: Holger Grabbe u.a.). Fromme, Nahrstedt et al. führen 1984 hierzu aus: „Der Elan der ersten Stunde ist … verflogen, die Aktualität des Themas ist durch Aktuelleres überholt. Die zunehmende Finanzenge der kommunalen Haushalte verlagerte das Interesse auf die finanzielle Absicherung der Plätze. Die ‚erste‘ Generation der ‚ASP-Kinder‘ hatte die Plätze verlassen, das Interesse der ‚ersten‘ Eltern-Generation, zumeist ehrenamtlich auf den Plätzen tätig, erlahmte: Zunehmend wurden den Kommunen die zunächst überwiegende Zahl der durch Bürgerinitiativen geschaffenen ASP angetragen. Die ASP-Bewegung wurde ‚kommunalisiert‘, dann exekutiert.“ (11) In der Folge dieser Entwicklung ist es dann nur noch zu einzelnen Neugründungen von Plätzen gekommen. Es kann vermutet werden, dass den meisten Verantwortlichen die Notwendigkeiten hinsichtlich einer gelingenden außerfamiliären und außerschulischen Sozialisation nicht deutlich gemacht konnte bzw. sie mehr oder weniger bewusst ihre Augen vor erfolgreichen Konzepten verschließen. (12)

Begeisterung, Erlernen von Fähigkeiten, gemeinsames Tun: Abenteuerspielplatz Scharnhorst in Dortmund in den 1980-er Jahren. Das Foto stammt vermutlich von Gerhard Mlynczak (aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze)

Bis in die jüngere Zeit hinein hat es ebenfalls kommunal Verantwortliche gegeben, die nach Jahrzehnten etwa hinter Abenteuerspielplätzen „rote Kaderschmieden“ witterten und dementsprechend das „Park-Tanten-Konzept“ (siehe auf der Seite „Bewegungen“) vorzogen. (13) Viele Vorbehalte gegenüber Abenteuerspielplätzen und Jugendfarmen speisten sich auch aus dem Reservoir „erwachsener Ästhetik“, einem überzogenen Sicherheitsdenken u.ä. Dies ist bei heute der Fall. Diese Kritik richtet sich nicht nur an die Verantwortlichen in Politik und Verwaltung, sondern gleichsam auch an die Ausbildung von Pädagog(inn)en sowie an Mitarbeiter(innen) in Einrichtungen, die sich seit langem „eingerichtet“ bzw. „festgefahren“ haben.

Kleine Revolutionäre – gut versteckt! – auf dem Abenteuerspielplatz Scharnhorst in Dortmund. Das Foto stammt vermutlich von Gerhard Mlynczak. (aus: MAGS NRW: Pädagogisch betreute Spielplätze, Düsseldorf 1982)

Gegen Ende der 80-er Jahre – kurz vor und nach „der Wende“ wurden die ersten Abenteuerspielplätze und Kinderbauernhöfe in der „Noch-DDR“ gegründet. Der erste wurde von der erwähnten Gruppe des „Spielwagens Berlin I“ im Bezirk Prenzlauer Berg in Berlin initiiert.

Der Abenteuerspielplatz „Kolle 37“ im Prenzlauser Berg in Berlin, der erste seiner Art in den damals noch existierende DDR. (Foto: Kolle 37)(14)

Es folgten weitere Gründungen in Ost-Berlin, Dresden, Magdeburg, Leipzig, Cottbus, Hoyerswerda und an anderen Orten. In den ersten Jahren war bei diesen Plätzen durchaus eine ähnliche „Aufbruchstimmung“ erlebbar, wie sie zuvor in den 70-er Jahren im Westen beobachtet werden konnte.

Das alte Haus des Abenteuerspielplatzes „Kolle 37“ war in der benachbarten Immobilie untergebracht. (Foto: Kolle 37)

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Fußnoten

(1) Wolfgang Nahrstedt/Johannes Fromme: Strategien offener Kinderarbeit. Zur Theorie und Praxis freizeitpädagogischen Handelns, Opladen 1986, S. 91
(2) vgl. Hiltrud von Spiegel 1997, S. 14
(3) ebenda
(4) ebenda
(5) vgl. ebenda
(6) vgl. Ulrich Deinet: Die Jugendarbeit ist überaltert, in: deutsche jugend 12/2000
(7) Anm. R.D.: Interessanterweise gehörte vor allem in den 1970-er- und 1980-er Jahren eine kontinuierliche Tätigkeit des hauptberuflichen Personals zu den hervorgehobenen Qualitätsmerkmalen in der Offenen Arbeit. Ein rascher Wechsel in andere Tätgikeitsfelder wurde eher kritisch betrachtet, da er vor allem zu Lasten der Besucher(innen) ginge, für die feste Beziehungen allerdings elementar seien.
(8) Wolfgang Nahrstedt/Johannes Fromme: Strategien offener Kinderarbeit. Zur Theorie und Praxis freizeitpädagogischen Handelns, Opladen 1986, S. 91
(9) Veröffentlicht wurde hier ein Erfahrungsbericht über eine Erprobungsmaßnahme des Landes NRW. Das Gesetz, in dem die Abenteuerspielplätze als förderfähig ausgewiesen wurden, das Jugendförderungsgesetz, wurde 2005 – nach einer erfolgreichen Volksinitiative – realisiert. Allerdings hatten die Kommunen bereits einige Jahre zuvor die Möglichkeit, für Abenteuerspielplätze, Kinderbauernhöfe und Spielmobile eine Landesförderung in Anspruch zu nehmen. Von dieser Möglichkeit wurde allerdings nur in seltenen Fällen Gebrauch gemacht, da die Fördergelder bereits verteilt waren. In der Broschüre findet sich der (hochaktuelle!) Hinweis: „Unter den Angeboten der Jugendhilfe bietet der pädagogisch betreute Spielplatz eine gute Chance, auf Bedürfnisse der Kinder im Schulalter einzugehen und ihnen Erfahrungen zu ermöglichen, die sie sonst kaum noch machen können, die aber für ihre Entwicklung unerlässlich sind.“
(10) Anm. R.D.: Die in den 1980-er Jahren konstatierten Qualitätsmerksmale der Offenheit und Freiwilligkeit haben meines Erachtens gerade auch gegenwärtig – zum inzwischen fast zehn Jahre alten Jahrzehnt des 21. Jahrhunderts – keinen Deut ihrer Aktualität verloren, im Gegenteil: Gerade diese Qualitätsmerkmale kommen den Bedürfnissen und Gewohnheiten gegenwärtiger junger Menschen in hervorragender Weise entgegen. Insofern ist die Offenen Arbeit inzwischen bedeutsamer denn je. Da wir es aus pädagogischer Sicht nicht mit einem Erkenntnisdefizit zu tun haben, bleibt im Grunde nur festzustellen, dass es häufig am politischen Willen fehlt. Dieses Phänomen wird häufig mit „leeren Kassen“ kaschiert.
(11) Johannes Fromme et al.: Aktivspielplätze im Selbstverständnis der Mitarbeiter, Wuppertal/Bielefeld 1984
(12) Die „Quittung“ hierfür ist bei gegenwärtig aufwachsenden Kindern immer deutlicher erfahrbar. Auch auf diesen Aspekt werde ich an späterer Stelle erneut zu sprechen kommen.
(13) Anm. R.D.: Über einen ähnlichen gedanklichen Hintergrund schienen auch jene zu verfügen, die den Begriff „Aktivspielplatz“ zu etablieren versuchten. Während der Begriff „Bauspielplatz“ direkt vom dänischen „Byggelegeplads“ abgeleitet wurde, haben wir es bei „Aktivspielplatz“ nicht nur formal, sondern auch inhaltlich mit einer Tautolgie zu tun: Kinderspiel ist immer aktiv, auch wenn Kindern nur „träumen“. Vor dem Hintergrund einer möglichen historisch bedingten politischen Abgrenzungsstrategie kann man nicht anders, als zu der Auffassung zu gelangen, das hier schlicht zum Ausdruck gebracht wird: „Die spielen ja nur! Das muss man nicht so ernst nehmen!“ Erinnert sei in diesem Zusammenhang noch einmal daran, dass der Begriff „Abenteuerspielplatz“ von englischen „adventure playground“ übernommen wurde (siehe hierzu die Seite Die Etablierung der Offenen Arbeit mit Kindern). „Abenteuer“ beschreibt präzise, worum es geht: Abenteuer ist ein Prozess mit vorläufig unbekanntem Ausgang. Solche Prozesse ermöglichen Abenteuerspielplätze mit einem wohl durchdachten Konzept: Sie sorgen für hochwertige Entwicklungsunterstützung, für unschätzbar wichtige Bildungsprozesse und wirken im Sinne von Gesundheit auf vorbildliche Weise salutogenetisch. Detaillierte Hinweise hierauf können auf unserer Seite Lerngesundheit durch Resourcenorientierung von Dr. Eckhard Schiffer nachgelesen werden.
(14) Auf dem Bild ist noch der alter Spielwagen zu sehen (vgl. Seite Spielmobile).

Weiterführende Links

Die 1980er-Jahre (Wikipedia)

Kulturpädagogik (Wikipedia)

 

Hinweise

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel. Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster 1997, Votum Verlag.
Das Buch wurde hier mehrfach zitiert bzw. gibt es Hinweise auf dieser Seite darauf. Es ist inzwischen vergriffen. Unser Fachbeiratsmitglied Prof. Dr. Hiltrud von Spiegel hat uns das Manuskript dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise können wir es Ihnen hier anbieten. Zum Buch gelangen Sie, wenn Sie vorstehenden Titel anklicken.

In einer weiteren Erprobungsmaßnahme befasste sich eine Arbeitsgruppe des nordrhein-westfälischen Ministeriums für Arbeit, Gesundheit und Soziales mit der Fragestellung, wie die Spielsituation für Kinder im Land insgesamt zu verbessern sei. Vorstehend sehen Sie den Titel der hierzu 1989 erschienenen Dokumentation.

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

NAGEL-Redaktion – Die 1980er-Jahre Read More »

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