Christopher Roch

NAGEL-Redaktion – Kinderbeauftragte als aktuelles Auslauf-Modell des Jugendhilfe-Marktes

Von Michael Polubinksi

Als Institution sind Kinderbeauftragte/Kinderbüros   vergleichsweise jung. Allerdings sind sie – in der Sprache der „Kids“ ausgedrückt – bereits „Dinos“ der Jugendhilfe. Spätestens seitdem sich die Ansätze outputorientierter Jugendhilfe   verbreiten, besitzen Kinderbüros das Qualitätsmerkmal „Auslaufmodelle“. Dabei hat es in der Nachkriegsgeschichte jugendpolitisch ohnehin nie eine Begründung gegeben, Kinderbüros zu installieren. Schon das alte Jugendwohlfahrtsgesetz wie das gegenwärtige Kinder- und Jugendhilfegesetz   mit seinem querschnittspolitischen Einmischungsauftrag boten/bieten ausreichende Instrumentarien für eine engagierte Kinderpolitik, wenn Politik es denn nur gewollt hätte – oder will. Es ist offensichtlich nie laut genug die Frage nach der Sinnhaftigkeit gestellt worden. Auch jetzt noch verlieren sich Gegner und Befürworter von Kinderbüros in Fragestellungen nach organisatorischer Ansiedlung von Kinderbeauftragten  , ohne die Notwendigkeit der Existenz bewiesen zu haben. Dieser Beitrag will den angedeuteten, zugebenermaßen provokanten Thesen nachgehen. Es werden Ansätze zur Diskussion gestellt, die Wege seriöser Interessenvertretung von Kindern abseits populistischer Pfade aufzeigen. Indes werden jeder Gemeinde und jedem Verband, die Kinderbüros betreiben, nur gute Absichten unterstellt.

1. Zur Notwendigkeit

Um es vorweg zu sagen: Die Gründe, mit denen mancherorts die Einsetzung von Kinderbeauftragten gefordert wird, sind ernst zu nehmen. Fast jeder Lebensbereich in den Städten und Gemeinden betrifft Kinder direkt oder mittelbar. Das gilt für die Stadtplanung, Umwelt, Wohnungen, Arbeitslosigkeit, Medien u.a.m. Es gibt gegenüber Kindern keine neutrale Politik. Es gibt Politik für und Politik gegen Kinder.   Von daher sollte sich Jugendhilfe als Anwalt mit Einmischungsstrategien verstehen, damit stabile und förderliche Sozialisationsbedingungen entstehen.   Es gab bereits vor Jahren warnende Hinweise, wonach die Institution „Kinderbeauftragter“ genau für die erwähnten anspruchsvollen Aufgaben untauglich ist. Nordrhein-Westfalens ehemaliger Innenminister Schnoor sieht eine Gefahr von Beauftragten darin, dass Verantwortung von der Gesamtpolitik abgewälzt wird. Auf einer kinderpolitischen Tagung formulierte er weiter: „Nach dem Motto: Für Kinderfragen ist der Kinderbeauftragte verantwortlich, stehlen sich die Politiker aus ihrer Zuständigkeit und Verantwortung. Solche Alibiinstitutionen nützen uns gar nichts, im Gegenteil, sie schaden nur.“   Der Einsatz von Kinderbeauftragten muss im Kontext jener Unfähigkeit gesehen werden, Gesamtzusammenhänge kommunaler Politik adäquat bearbeiten zu können – letztlich eine Bankrotterklärung der Kommunalpolitik.  

2. Zum Beauftragten(un)wesen

Die Frage, ob Beauftragte ein bewährtes Lösungsmuster oder nur Feigenblatt für komplexe Querschnittsaufgaben sind, verdient vertieft erörtert zu werden. Die Wissenschaft sieht das Beauftragtenwesen kritisch. Das verrät beispielsweise eine pointierte Beschreibung der drei Kennzeichen von Beauftragten:
„Zum einen die Ausgliederung aus der herkömmlichen Behördenorganisation mit sachlicher Unabhängigkeit und eigenem bürokratischen Unterbau; zum anderen die Freistellung von linearer Verwaltungstätigkeit zugunsten eines administrativen Sonderanliegens; und zum dritten die dadurch angestrebte Beschwichtigung eines politischen Störungsbefundes (sei es allgemeine Unüberschaubarkeit des Apparates, sei es ein sachspezieller Ansprechbarkeitsmangel für die Bürger, sei es ein Zukurzkommen bestimmter gesellschaftlicher Zwecke im bisherigen Verwaltungsansatz).“  
Der strukturelle Webfehler im Beauftragtenwesen liegt offenbar darin, dass begrenzte Aspekte einen selbstständigen, absolutierten Stellenwert erhalten und resistent gegenüber Abwägungsprozessen verschiedener Interessen sind.   Wenn Aufgaben von Beauftragten wahrgenommen werden, bleibt es häufig unbemerkt, dass eine Aufgabe von den Zuständigen auf die Unzuständigen verlagert worden ist. Witzigerweise münden Beauftragtenstrukturen häufig in Ämter, Abteilungen oder andere „klassische“ Organisationsformen  , die eigentlich ersetzt werden sollten. Es ist offenkundig, dass Defizite in der täglichen Verwaltungsarbeit selber anzugehen sind. Etwaige Störungen zwischen Bürgern und Verwaltung sind nur bei der Behörde selbst, ihrem Aufbau, Ablauf und Selbstverständnis zu bekämpfen und nicht durch die Sonderinstallation von Beauftragten.   So kommen Kinderbeauftragte erwartungsgemäß zu dem Ergebnis, dass sie unter einem besonderen Legitimationsdruck stehen. In einer Selbsteinschätzung erklären sie zur eigenen Wirksamkeit, dass sie „mittelmäßig“ sei, wenn sie etwa die öffentliche Meinung oder kommunales Handeln zugunsten von Kindern beeinflussen wollen.   Wenn es richtig ist, dass „das Verwaltungsimperium keine Veranstaltung zur sozialen Auslastung oder Sinnentfaltung der Amtswalter darstellt und auch keine Arbeitsbeschaffungseinrichtung bedeutet“  , sind Kinderbeauftragte verzichtbar.

3. Zum Umbau von Verwaltungen

Mit Hochdruck werden gegenwärtig viele Gemeindeverwaltungen umstrukturiert. „Neues Steuerungsmodell“ ist das Stichwort, bei dem sich Verwaltungen produktorientiert organisieren. Das andere Zauberwort ist „lean management“. Dieses Konzept ist aus Japan importiert worden: Das „schlanke“ Management will Produkte und Dienstleistungen mit niedrigem Aufwand und hoher Qualität erstellen. Bei den Reformbestrebungen wollen sich die Verwaltungen von bisheriger „organisierter Unverantwortlichkeit“ verabschieden. Ziel ist die Ergebnisverantwortung möglichst auf einer tiefen Hierarchiestufe. Auch die Institution Kinderbüro muss sich dieser Strukturdiskussion stellen. Wenn es zu dem Leitbild einer Gemeinde gehört, dass Belange von Kindern einen hohen Stellenwert besitzen, dann ist jeder Mitarbeiter diesem Leitbild in seinem Tagesgeschäft verpflichtet. Dann bedarf es keiner ständigen personellen Begleitung (= Kinderbüro), dass an selbstverständliche Pflichten erinnert wird. Das Kinderbüro ist dann so notwendig wie die in der Sozialarbeit häufig belächelte „konfliktfreie Moderation einer Tupper-Party“.  

4. Alternative

Als billiger populistischer Trick von Politikern ist die Installierung von Kinderbeauftragten einmal kritisiert worden. Zu den vermuteten Motiven weiter: „… und können sich dann wieder desinteressiert ihren alten ‚Spielwiesen‘ widmen oder zurücklehnen; sie haben Kinderpolitik gemacht.“   Wie lässt sich also Politik tatsächlich in die Verantwortung nehmen, damit Kinderinteressen in möglichst allen Politikbereichen kompetent und seriös berücksichtigt werden? Wie rückt Kinderpolitik vom Rand in den Mittelpunkt? Solange Kommunitarismus-Ansätze   in Westeuropa noch nicht verbreitet sind, wird es erfolgreiche amerikanische Beispiele wie KidsPlace   in Seattle hier wohl nicht geben. Das Wohl der Kinder muss stattdessen zur „Chefsache der Politik“ gemacht werden. Ein vorzeigbares wie übertragbares Modell ist die Philosophie der Frauenförderung in Wuppertal. Die Gleichstellungsstelle für Frauenfragen war früher wie herkömmliches Beauftragtenwesen mit all den Schieflagen als Stabsstelle des Oberstadtdirektors organisiert: Das Problembewusstsein in den Ämtern war unzureichend, Zielvorgaben waren unklar, Erfolge waren von Kooperationspartnern (Zufallsprinzip) abhängig.   Zwischenzeitlich ist Frauenförderung als „Gemeinschaftsaufgabe“ definiert und zu einem zentralen Thema der Wuppertaler Verwaltungsreform erhoben worden. Politik für Frauen ist nunmehr integraler Bestandteil der Verwaltungsmodernisierung. Frauenförderung ist gleichsam Teil der Unternehmensstrategie. Die Chefebene (Zentrale Steuerung) hat die Zielvorgabe „Frauenförderung“ implementiert. Die Fachbereiche haben frauenfördernde Unternehmensziele eigenverantwortlich zu realisieren.
Auf die Jugendhilfe/Kinderpolitik übertragen bedeutet das: Verwaltungsführung und Gremien in der Gemeinde definieren sehr genau, wie etwa eine kinder- und jugendfreundliche Stadt auszusehen hat. Die Ämter und Dienste haben das Ergebnis verantwortlich umzusetzen. Letztlich müssten Planungsamt, Gartenamt … in einen Wettbewerb treten und genau dokumentieren, inwieweit ihre Produkte kinder- und jugendpolitische Gütesiegel tragen/verdient haben. Wichtigste Vorab-Investition dafür dürften gründliche Diskussionen über das Leitbild   sein, wie Kinder- und Jugendpolitik künftig aussehen soll. Es müssen hinreichend klare Vorstellungen zur angestrebten Entwicklung erarbeitet werden. Leitbildarbeit ist Ausgangspunkt einer systematischen Stadtentwicklung.   Bei der Umsetzung der Gemeinschaftsaufgabe „Kinder- und Jugendpolitik“ müssen die einzelnen (Fach-)Bereiche eine Hilfestellung (Service) erhalten. Schließlich muss ein Controlling installiert werden. Anhand von Messgrößen werden Zielvorgaben und Ergebnisse durch ein kinder- und jugendspezifisches Controlling   überprüft.

5. Fazit

Die jeweiligen Situationen in den Gemeinden und Städten sind zu unterschiedlich, als dass ein für alle verbindliches Rezept geliefert werden könnte. Daher kann dieser Beitrag nur Eckpunkte bieten, die künftig berücksichtigt werden können. Der Zeitpunkt für eine inhaltliche Neuorientierung dürfte günstig sein, da viele Städte und Gemeinden gegenwärtig neue Strukturen entwickeln. Festhaltenswerte Eckpunkte aus der Sicht des Verfassers sind:

  • Kinderbüros/Kinderbeauftragte sind untauglich, um Interessen von Kindern wirkungsvoll zu verfolgen. Sie schaden sogar.
  • Interessen von Kindern sind zu wichtig, als dass sie nach dem Prinzip „Hoffnung“ am Rande mitbearbeitet werden. Jugendhilfeausschüsse müssen sich ihrer großen Verantwortung bewusst werden und Kinderpolitik effektiv in Gesamtpolitik einspielen.
  • Mithin muss Kinderpolitik integraler Bestandteil von Stadtentwicklung sein.
  • Damit Kinderpolitik diese Gemeinschaftsaufgabe wird, muss sie zu den Leitbildern einer Gemeinde zählen. Das setzt mühsame, aber lohnenswerte Ziel- und Prioritätendiskussionen voraus.
  • Die Seriosität von Kinderpolitik ist ablesbar an Organisationsformen und Instrumenten: Es sind Messgrößen – so schwierig das sein mag – zu entwickeln, womit Zielvorgabe und Ergebnisse abgepüft werden (Controlling).

Vorstehender Artikel erschien in DER NAGEL 57/1995. Michael Polubinski arbeitete seinerzeit als Sozialarbeiter und Diplompädagoge in der Jugendförderung. Gegenwärtig ist er Leiter des City-Managements bei der Stadt Herten.

Eingestellt ins Internet im April 2003

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NAGEL-Redaktion – terre des hommes: Zwölf populäre Irrtümer über die Kinderrechte

Irrtum Nummer Eins

„Kinderrechte sind nicht so wichtig wie andere Rechte und nicht so ernst zu nehmen.“

Aber: Kinderrechte sind Menschenrechte. Menschenrechte sind Rechte der Kinder. Doch die Welt ist derzeit nicht einmal so organisiert, dass alle Kinder ihre einfachsten Grundbedürfnisse befriedigen können – im Gegenteil, vielen Millionen Kindern wird täglich bitteres Unrecht zugefügt. Die UN-Kinderrechtskonvention kann so als Katalog des Versagens gelesen werden, gleichzeitig aber auch als Vision für eine kindgerechte Welt. Die Kinderrechte sind für diese Vision der weltweit anerkannte Maßstab.

Damit aus den Rechten auf Papier gelebte Rechte werden, ist der Einsatz vieler Einzelner, von Gemeinden, Organisationen und der Staatengemeinschaft notwendig. Dieser Kampf um die Menschenrechte der Kinder ist genauso ernsthaft, schwierig, hürdenreich und politisch brisant wie jeder andere Einsatz für den Schutz der Schwachen vor den Mächtigen.

Irrtum Nummer Zwei

„Kinderrechte sind nur für Kinder wichtig“.

Die zentrale Botschaft der UN-Kinderrechtskonvention ist: Kinder sind Menschen, die von Geburt an Rechte haben. Sie dürfen ihnen von niemandem streitig gemacht werden! Und: Kinder befinden sich in einem bestimmten Abschnitt des Lebens. Stärker als in späteren Lebensphasen ist er geprägt durch intensive persönliche Veränderungen und Entwicklungsphasen. Zur Förderung dieser Entwicklung benötigen sie auf diese Phasen zugeschnittene Lebensbedingungen; sie haben darauf einen Rechtsanspruch! Verantwortlich für die Schaffung dieser Mindestbedingungen sind die Erwachsenen. Der Staat muss dafür sorgen, dass die Erwachsenen diese Pflichten erfüllen – und dies auch können. Dazu gehört zum Beispiel die Berücksichtigung der speziellen Interessen von Kindern bei Entscheidungen, die sie betreffen. Auch der Abschied von Vorurteilen über Kinder kann zur Verwirklichung der Kinderrechte notwendig sein.


Irrtum Nummer Drei

„Wenn Kinder Rechte haben, müssen sie auch Pflichten erfüllen.“

Dieser weit verbreiteten Auffassung liegt ein begrifflicher Irrtum zugrunde. Unrecht und Recht sind das Gegensatzpaar. Von den Pflichten des Menschen ist in diesem Dokument nicht die Rede. Die Staaten-Gemeinschaft hat die UN-Kinderrechtskonvention beschlossen, damit den Kindern nicht fortgesetzt und straflos Unrecht zugefügt wird. Die Konvention ist kein Vertrag zwischen Kindern und Erwachsenen, sondern zwischen Staaten. Kindern bei Nichterfüllung ihrer Pflichten ihre Rechte abzuerkennen, würde dem Charakter von Menschenrechten widersprechen.

Selbstverständlich müssen Kinder die Rechte anderer respektieren und die Übernahme von Verantwortung und Pflichten erlernen. Dies gehört zu ihrem Entwicklungsprozess. Dies altersgemäß möglich zu machen, ist Aufgabe der für die Kinder verantwortlichen Erwachsenen. Die UN-Kinderrechtskonvention respektiert und fördert diese Aufgabe der Eltern oder anderer für das Wohlergehen der Kinder Zuständiger.

Irrtum Nummer Vier

„Die Kinderrechte sind für die Kinder der Dritten Welt gemacht, unseren Kindern geht es gut, die brauchen sie nicht – denn in Deutschland ist alles in Ordnung.“

Diese Haltung vertrat die Bundesregierung in den 80er Jahren bei den UN-Verhandlungen. Sie argumentierte: Deutsche Kinder in der Bundesrepublik seien bereits perfekt geschützt, die Konvention für Deutschland also eigentlich überflüssig. Schon ein Blick ins Grundgesetz hätte ausgereicht, um die Defizite aufzudecken: Kinder kommen nur in einem einzigen Artikel als Anhängsel der Familie vor, von speziellen Rechten der Kinder in ihren besonderen Lebenslagen ist keine Rede.


Irrtum Nummer Fünf

„Kinderrechte kosten nichts.“

Leider glauben viele Regierungen, dass die Kinderrechte kostenlos sind. Das Gegenteil ist richtig: Die Konvention garantiert allen Kindern staatliche Dienstleistungen: Schulbildung, Gesundheitsversorgung, Schutz vor Ausbeutung und Missbrauch, Registrierung und Beteiligung am gesellschaftlichen Leben. Und sie geht noch weiter:

„Die Vertragsstaaten treffen alle geeigneten Gesetzgebungs-, Verwaltungs- und sonstigen Maßnahmen zur Verwirklichung der in diesem Übereinkommen anerkannten Rechte. Hinsichtlich der wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte treffen die Vertragsstaaten derartige Maßnahmen unter Ausschöpfung ihrer verfügbaren Mittel und erforderlichenfalls im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit.“ (Artikel 4 der UN-Kinderrechtskonvention)

Die englische Originalfassung verlangt sogar die größtmögliche Ausschöpfung aller verfügbaren Ressourcen des Staates für die Umsetzung der Rechte der Kinder. Die Staaten verpflichten sich in der Konvention zu Dienstleistungen für alle Kinder, und zwar mit der höchsten Priorität der staatlichen Aufgaben. Andererseits: Es nützt wenig, die Unterzeichnung und Umsetzung von Konventionen zu fordern, wenn die Staaten nicht den wirtschaftlichen Spielraum für die Umsetzung der Bestimmungen haben. Hier verpflichtet die Konvention die Staatengemeinschaft zur Unterstützung. Und: Investitionen im produktiven Bereich können langfristig wirksamer sein für die Verwirklichung von Kinderrechten als das kurzfristige Stopfen von Löchern im Sozialhaushalt.


Irrtum Nummer Sechs

„Es hätte gereicht, den Schutz der Kinder gegen Missbrauch, Ausbeutung und im Krieg zu verbessern. Alle anderen Bestimmungen sind überflüssig.“

Im Gegenteil: Der ganzheitliche Ansatz der UN-Kinderrechtskonvention ist ein großer Fortschritt, auch im Vergleich zu anderen UN-Dokumenten. Spezielle Schutzbestimmungen sind notwendig, aber sie allein sind bei weitem nicht ausreichend, um allen Kindern zu ihrem Recht auf eine kindgerechte Entwicklung zu verhelfen. Die UN-Kinderrechtskonvention hingegen stellt alle wesentlichen Problembereiche in einen Gesamtzusammenhang. Es sind dies die „vier großen Ps“ – nach englischer Schreibweise:

■ Prinzipien: Altersregelung, Recht auf Leben, Recht auf Identität
■ Protektion (Schutz): Schutz vor Ausbeutung, Misshandlung, sexuellem Missbrauch, Rechte auf Schutz im Krieg und in bewaffneten Konflikten
■ Provision (Versorgung): Kinder haben Anspruch auf Leistungen durch die Eltern (Lebensunterhalt) und den Staat (Bildung, Gesundheit, Unterhalt bei fehlenden Eltern oder wenn diese nicht in der Lage sind, die Kinder zu versorgen)
■ Partizipation: Kinder haben einen Anspruch auf Teilhabe an ihrer Gesellschaft, sie haben das Recht auf freie Meinungsäußerung, sie haben das Recht, gehört zu werden, und das Recht, sich zur Durchsetzung ihrer Interessen zusammenzuschließen.


Irrtum Nummer Sieben

„Die UN-Kinderrechtskonvention ist perfekt und unveränderbar.“

Die 1989 verabschiedete Konvention ist wie alle zwischenstaatlichen Verträge ein Produkt von Verhandlungen und Kompromissen. Sie ist das Beste, was 1989 erreichbar war und hat ihre Bewährungsprobe in vielen Bereichen bereits bestanden. 193 Staaten haben sie ratifiziert, die Kinderrechtskonvention wurde zur erfolgreichsten UNO-Konvention. Trotz dieser Erfolgsgeschichte hat sie auch viele Mängel:

■ Die UN-Konvention enthält sehr oft „weiche“, interpretationsfähige Bestimmungen – Empfehlungen statt Rechte.
■ Es gibt keine Klagemöglichkeiten auf internationaler Ebene.
■ Eine Anzahl von Staaten hat Vorbehalte gegen einzelne Bestimmungen eingereicht, damit ernten sie zwar das Renommee der Ratifikation, aber die Konvention muss nicht vollständig verwirklicht werden – zum Schaden der Kinder.
■ Umgekehrt ratifizieren viele Staaten die Konvention aus Gefälligkeit, ohne den politischen Willen oder die wirtschaftlichen Möglichkeiten, sie auch umzusetzen.
■ Auch in der Bevölkerung vieler Länder gibt es Vorbehalte, besonders dann, wenn sie die kulturellen Besonderheiten nicht genügend berücksichtigt sehen und das Gefühl haben, dass das Kindheitsbild westlich-industrieller Gesellschaften als Idealmodell Pate gestanden hat. Das bremst Kinderrechte mehr, als dass es das Engagement für deren Verwirklichung fördert.

Die UN-Konvention kann aber verbessert werden. Das entscheidende Instrument heißt „Zusatz- oder Fakultativprotokoll“. Mehrere dieser Zusatzprotokolle sind in Kraft: Kindersoldaten werden durch das „Fakultativprotokoll über die Beteiligung von Kindern in bewaffneten Konflikten“ sehr viel besser geschützt und die Altersgrenze wurde auf 18 Jahre angehoben. Sexueller Missbrauch von Kindern wird durch ein entsprechendes Zusatzprotokoll, das „Fakultativprotokoll über den Verkauf von Kindern, die Kinderprostitution und die Kinderpornographie“, stärker unter Strafe gestellt. Und in Den Haag wurde ein Vertrag ausgehandelt, der für die Adoption von Kindern ins Ausland strenge Kriterien definiert. Nachteil aller dieser Dokumente: Sie sind eigenständige Verträge, die wiederum von den Staaten einzeln ratifiziert werden müssen.

Irrtum Nummer Acht

„Das Gute an den Kinderrechten ist, dass sie nicht eingeklagt werden können.“

Das ist nichts Gutes, sondern ein wesentlicher Mangel. Es ist dringend, dieses Problem anzugehen. Notwendig wäre eine Möglichkeit der Individualbeschwerde bei den Vereinten Nationen, wie sie bei anderen Konventionen bereits existiert. Andererseits sind die Berichte an die UNO und deren Empfehlungen ein Instrument, Kinderrechten international Nachdruck zu verleihen.

Irrtum Nummer Neun

„Millionen Kindern auf der Welt geht es elend und schlecht. Dies ist der Beweis, dass die Konvention nichts nützt und nur eine PR-Aktion der UNO ist.“

Es stimmt – obwohl seit der Verabschiedung der UN-Konvention bereits fast 20 Jahre vergangen sind, müssen über hundert Millionen Kinder und Jugendliche unter ausbeuterischen Bedingungen arbeiten. Noch immer sterben Millionen Kinder an Hunger und vermeidbaren Krankheiten, müssen Hunderttausende im Krieg kämpfen. Allen diesen Kindern geschieht Unrecht – aber nicht, weil es eine Konvention dazu gibt. Wirtschaftliche Probleme, politische Konflikte, Staatsversagen, Auflösung sozialer Netze, Wertekrise, Autoritarismus, Gewalt … es gibt viele Faktoren, die zur Verletzung von Kinderrechten führen. Die Rechtslage ist nur ein Faktor und in der Regel nicht der wichtigste. Ein Blick auf andere Rechtsgebiete zeigt den Kurzschluss in der Argumentation: Niemand verlangt die Streichung des Mordparagraphen wegen Erfolglosigkeit aus dem Strafgesetzbuch, nur weil täglich Morde geschehen.


Irrtum Nummer Zehn

„Die UN-Konvention soll der UNO ermöglichen, den Familien die Kinder wegzunehmen.“

Kein Irrtum, sondern eine bewusst lancierte Falschmeldung, wie sie in den USA zur Diskreditierung der UNO eingesetzt wird. Verleumdungskampagnen von einflussreichen fundamentalistischen Kreisen haben dazu geführt, dass die USA die Konvention nicht nur nicht ratifizieren, sondern aktiv bekämpfen.

Irrtum Nummer Elf

„New York und die UNO sind weit weg, das ist für uns hier doch nicht wichtig. Außerdem kann man doch nichts positiv verändern.“

Zunächst einmal: Deutschland ist UN-Mitgliedsstaat und hat die Konvention ratifiziert. Damit hat die Konvention auch bei uns Gültigkeit. Darüber hinaus ist die Konvention auch ein politisches Programm zur Verbesserung der Lebenssituation von Kindern. Die Regierungen haben zu handeln, aber die Bürgerinnen und Bürger können die Regierungen zum Handeln drängen oder in ihrem Handeln unterstützen. Hier haben auch Nichtregierungsorganisationen wie terre des hommes eine wichtige Aufgabe. Indem Pilotprojekte gefördert werden, die von Regierungen in Sozialpolitik umgesetzt werden können; oder indem soziale Initiativen in den Ländern unterstützt werden, die in ihrer Gesellschaft für die Rechte von Kindern eintreten, aber auch durch Lobbyarbeit gegenüber der eigenen Regierung. Auch hier gab es Erfolge: So wurde die Konvention in Deutschland bekanntgemacht, die Zusatzprotokolle wurden ratifiziert.

Irrtum Nummer Zwölf

„Die UN-Kinderrechtskonvention ist in einer völlig unverständlichen Sprache geschrieben.“

Dieser Irrtum enthält leider ein Körnchen Wahrheit. Aber – es gibt Bearbeitungen der Konvention, die spannend zu lesen sind – für Kinder und Jugendliche, aber auch für Erwachsene. Zum Beispiel das Buch „Die Rechte der Kinder“ von Reinhardt Jung. Damit bekommt man einen guten Überblick. (Bestellnummer 221.1483.01, siehe Online-Shop http://www.tdh.de/tdhshop) Allerdings: Wer es genau wissen will, kommt um das Original nicht herum.

Quelle: terre des hommes/www.tdh.de, ohne Datum

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NAGEL-Redaktion – Bundesjugendkuratorium: Konturen einer neuen Jugendpolitik

Konturen einer neuen Jugendpolitik

Auszüge aus der Stellungnahme des Bundesjugendkuratoriums

Die Lebenswelt von Jugendlichen hat sich gravierend verändert. Das stellt nicht nur sie selbst, sondern auch die Politik vor große Herausforderungen. Was Sachverständige der Bundesregierung empfehlen.

Ökonomische, politische und soziale Veränderungen der vergangenen Jahrzehnte haben längst die Lebenslage Jugend erreicht. Diese Entwicklungen stellen die Jugendpolitik vor gravierende Herausforderungen. Mit seiner neuen Stellungnahme greift das Bundesjugendkuratorium (BJK) die aktuelle Debatte um die Notwendigkeit einer Neupositionierung von Jugendpolitik auf und bestimmt den konzeptionellen Rahmen und die notwendigen Elemente für einen zukunftsweisenden, kohärenten und ressortübergreifenden Ansatz von Jugendpolitik. Es ist der Überzeugung, dass jenseits institutioneller und strategischer Grenzen eine profilierte, an der Lebenslage Jugend und an den Interessen und Bedürfnissen von Jugendlichen orientierte Politik für, mit und von Jugendlichen notwendig ist. Eine ressortübergreifende jugendpolitische Praxis muss die Situation Jugendlicher insgesamt in den Blick nehmen und ihre Sichtweisen, Erfahrungen und Lebenslagen unter aktuellen gesellschaftlichen Bedingungen thematisieren. Jugendpolitik in diesem Sinn beschränkt sich weder auf einzelne problembelastete Teilgruppen von jungen Menschen, noch akzeptiert sie die historisch gewachsene institutionelle Verengung auf Jugendhilfepolitik (Jugendarbeit, Jugendsozialarbeit). In seiner Stellungnahme weist das BJK auf mögliche Schritte der Umsetzung hin und leistet einen weiterführenden Beitrag zur Orientierung und künftigen Praxis einer ressortübergreifenden Jugendpolitik.

Jugendpolitik muss die Spannung zwischen Zukunfts- und Gegenwartsorientierung im Blick haben und umfassend angelegt sein, um die Differenziertheit jugendspezifischer Interessen, Bedürfnisse und Anliegen berücksichtigen und aufgreifen zu können. Dieser Gesamtentwurf des BJK integriert in einem aufeinander abgestimmten Konzept vier Kernelemente von Jugendpolitik: (1) Schutz- und Unterstützungs-, (2) Befähigungs-, (3) Teilhabe- und (4) Generationenpolitik (siehe Grafik).


Jugendliche fördern und schützen

Jugendpolitik ist als Schutz- und Unterstützungspolitik zur Förderung und Begleitung des Erwachsenwerdens junger Menschen zu konzipieren. Sie nimmt ihren Ausgangspunkt in unterschiedlichen Lebenslagen von Jugendlichen und versucht auf die Gestaltung ihrer Lebensverhältnisse Einfluss zu nehmen. Im Mittelpunkt steht die Schaffung fördernder und unterstützender Bedingungen für die Entwicklung der Persönlichkeit auf der Grundlage eines differenzierten Konzepts sozialer Ungleichheit. Parallel zum Bezug auf die Lebenslagen Jugendlicher zielt Schutz- und Unterstützungspolitik darauf, die mannigfaltigen biografischen Wege der Jugendlichen durch eine gegenwärtig wenig konturierte Jugendphase zu rahmen und zu begleiten. Das BJK geht davon aus, dass eher traditionelle Risiken und Probleme sich durch den Wandel der Jugendphase nicht einfach erledigt haben. Eine Neupositionierung von Jugendpolitik muss jedoch berücksichtigen, dass neue Schwierigkeiten und Situationen einer möglichen Gefährdung hinzugekommen sind.

Jugendpolitik hat einen Rahmen zu schaffen, dass Jugendliche die Gestaltungsmöglichkeiten sowie die Anforderungen und Risiken dieser Lebensphase produktiv bewältigen und ihre persönliche Entwicklung selbst gestalten können. Für kritische Situationen und in Hinblick auf ein drohendes Scheitern in diesen Prozessen hätte sie vernetzte Unterstützungssysteme bereitzustellen. Sie gibt Raum, damit Jugendliche kreativ agieren können und angesichts einer ungewissen Zukunft und sich stetig verändernder Lebensbedingungen ihre Handlungsfähigkeiten erweitern, falls erforderlich auch völlig neue Wege einschlagen und die sich ergebenden Chancen erkennen und wahrnehmen können.

Bildung bedeutet mehr als Schule

Jugendpolitik als Befähigungspolitik kommt die Aufgabe zu, das Interesse von jungen Menschen an umfassender Bildung einzubringen. Sie hat den Auftrag, eine umfassende Befähigung junger Menschen zur reflexiven und selbstgesteuerten Auseinandersetzung mit den Anforderungen und Zumutungen der Gesellschaft zu sichern und sich für Bildung als Bürgerrecht einzusetzen. In diesem Sinne klagt Jugendpolitik ein, dass Bildung mehr ist als Schule. In eine Gesamtbetrachtung des Zusammenhangs von Bildung und Befähigung gehören daher die vielfältigen Beziehungen zwischen formeller, non-formaler und informeller Bildung, die Verknüpfung unterschiedlicher Lernorte in ihren Auswirkungen auf die Bildungsbiografie junger Menschen und die Sicherung ihrer Teilhabechancen in unterschiedlichen Bereichen der Gesellschaft.

Jugendpolitik als Befähigungspolitik ist darauf ausgerichtet, junge Menschen in ihrer Entwicklung zu eigenständigen Persönlichkeiten optimal zu fördern und sie darin zu unterstützen, die Kompetenzen für eine aktive und gestaltende Teilhabe am Leben in einer demokratischen Gesellschaft zu erwerben. Jugendliche haben das Recht auf Befähigung zur Teilhabe an Gesellschaft. Jugendpolitik als Befähigungspolitik heißt für das BJK auch, sich für die Verwirklichung von Chancengerechtigkeit im Bildungsbereich einzusetzen und Bildung als umfassende Befähigung, als Faktor sozialer Inklusion und als Schlüssel zu gesellschaftlicher Teilhabe zu begreifen.

Gesellschaftliche Teilhabe erleichtern

Jugendpolitik als Teilhabepolitik zielt sowohl auf die Verbesserung der Teilhabe junger Menschen an den Chancen und Möglichkeiten der Gesellschaft als auch auf die Stärkung der Partizipation junger Menschen im Sinne von Mitbestimmung und Selbstorganisation. Im Unterschied zur Jugendpolitik als Befähigungspolitik liegt hier der Fokus stärker (wenn auch nicht ausschließlich) auf den Teilhabe- beziehungsweise Mitbestimmungschancen in der Gegenwart. Die entscheidende Frage lautet: Wo lassen sich Barrieren der Teilhabe und Partizipation junger Menschen in spezifischen Bereichen der Gesellschaft identifizieren, wie werden diese gegebenenfalls legitimiert und inwiefern sind diese Einschränkungen vor dem Hintergrund des Strukturwandels von Jugend unter heutigen gesellschaftlichen Bedingungen obsolet geworden?

Eine explizite Jugendpolitik hätte die Aufgabe, altersbezogene rechtliche Teilhabebeschränkungen kritisch auf ihre Legitimation und ihre Sinnhaftigkeit unter den jeweils gegebenen gesellschaftlichen Bedingungen und der konkreten Ausformung der Jugendphase zu hinterfragen und gegebenenfalls deren Veränderung oder Abschaffung einzufordern. Durch eine systematische Verknüpfung von Jugendpolitik als Teilhabe- und Befähigungspolitik muss dafür gesorgt werden, dass junge Menschen die Fähigkeiten und Fertigkeiten tatsächlich entwickeln können, um an verschiedenen gesellschaftlichen Teilbereichen teilhaben zu können.

Ungerechtigkeiten zwischen Generationen bekämpfen

Wenn Jugendpolitik sich dem Anspruch stellt, die gesellschaftlichen Prozesse zu analysieren, in denen Jugend als Lebensphase und Lebenslage durch gesellschaftliche Einflüsse neu und umgestaltet wird, dann rückt auch die Frage nach den Generationenverhältnissen in den Aufmerksamkeitshorizont einer neu positionierten Jugendpolitik. Relevant ist dann, ob junge Menschen in gerechter Weise Zugang zu den gesellschaftlichen Ressourcen haben oder ob sie in dieser Hinsicht gegenüber den Erwachsenen benachteiligt werden. In erster Linie geht es hierbei um materielle Ressourcen (Geld), allerdings gibt es auch weitere knappe Ressourcen, die intergenerational ungleich verteilt sein können, wie etwa Raum und Zeit. Jugendpolitik als Generationenpolitik trägt eine Verantwortung dafür, Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten im Hinblick auf die Teilhabechancen am materiellen Reichtum der Gesellschaft auf ihre Legitimation hin zu befragen und verbesserte Zugänge zu den finanziellen Ressourcen der Gesellschaft einzuklagen.

Lebensbedingungen erforschen und gestalten

Im Hinblick auf diese vier Kernelemente entwickelt das BJK Prüfkriterien, um die Frage beantworten zu können, ob eine konkrete Maßnahme oder ein konkretes Programm Bestandteil einer übergreifenden und abgestimmten Politikstrategie im Sinne kohärenten und ressortübergreifenden Handelns ist.

Jugendpolitik hat in der Zusammenarbeit mit Familien-, Bildungs-, Arbeitsmarkt-, Integrations- oder auch Gesundheitspolitik stets die besonderen Interessen und Belange junger Menschen einzubringen. Eine solche Jugendpolitik muss sowohl in ihrem eigenen Ressort gestärkt als auch in ihrer Kommunikationsfähigkeit gegenüber anderen Ressorts qualifiziert werden, um als kompetenter Partner in kooperativen Aktivitäten wahrgenommen zu werden. Zugleich benötigt eine ressortübergreifende Jugendpolitik eine breite Öffentlichkeit, die für jugendspezifische Belange sensibilisiert wird. Zur konkreten Umsetzung dieses Gesamtkonzepts muss das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend als Fachministerium gestärkt und die interministerielle Zusammenarbeit ausgebaut werden. Zudem bedarf es der Entwicklung strategisch angelegter akteursübergreifender Projekte. Die erforderliche Wissensbasis für einen solchen Ansatz von Jugendpolitik bedarf regelmäßiger wissenschaftlicher Beobachtung und Berichterstattung, die systematisch über die Lebensbedingungen verschiedener Gruppen von Jugendlichen informiert („Jugendmonitoring“).

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Bundesjugendkuratorium

Das BJK ist ein von der Bundesregierung eingesetztes Gremium. Es berät die Bundesregierung in grundsätzlichen Fragen der Kinder- und Jugendhilfe und in Querschnittsfragen der Kinder- und Jugendpolitik. Dem BJK gehören bis zu 15 Sachverständige aus Politik, Verwaltung, Verbänden und Wissenschaft an. Die Mitglieder werden durch die Bundesministerin/den Bundesminister für Familie, Senioren, Frauen und Jugend für die Dauer der laufenden Legislaturperiode berufen. Das BJK wird seit 2007 in seiner Arbeit durch eine vom Bundesministerium finanzierte Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik unterstützt, die in der Institutsleitung des Deutschen Jugendinstituts in München angesiedelt ist. Die Originalversion der Stellungnahme gibt es hier und in Broschürenform in der Arbeitsstelle Kinder- und Jugendpolitik am DJI.

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Quelle: Deutsches Jugendinstitut – DJI Bulletin 2/2009, Heft 86 – Kontakt: Dr. Tanja Betz, betz@dji.de

 

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NAGEL-Redaktion – Kinderrechtepark Hagen/Westfalen

BalanceAkt Kinderrechte − Skulpturenprojekt in Hagen

Weltweit einmalig werden in Hagen/Westfalen die Kinderrechte im öffentlichen Raum präsentiert und sind somit jederzeit sowohl von Kindern als auch von Erwachsenen nachlesbar. Das gibt es selbst am Standort der Vereinten Nationen nicht.

 


Foto: Deutscher Kinderschutzbund, Hagen

Den Mittelpunkt bildet die Bronze-Skulptur „BalanceAkt Kinderrechte“. Dazu gehören 12 Stelen zu den Themen Kinderrechte und „Was Kinder brauchen“. Der Standort im Dr. Ferdinand-David-Park liegt idealerweise genau am Rathaus, dem Allerwelthaus und „Ein Haus für Kinder“ des Kinderschutzbundes. Besser kann das Zusammenspiel von Politik, engagierten Vereinen und Bürgern nicht dokumentiert werden.

Ziel

Mit diesem Projekt sollen die Kinderrechte nicht nur öffentlich nachzulesen sein. Sie sollen auch einen Impuls für die Stadt, die Region, das Land und darüber hinaus geben, Kinderrechte zu respektieren und konsequent umzusetzen. Dieses ist leider noch nicht  überall verwirklicht. Nach wie vor werden die Kinderrechte an vielen Stellen in der Welt missachtet, auch in Deutschland, auch in Hagen, auch in Familien und Einrichtungen, die persönlich bekannt sind. Mit Nachdruck müssen wir uns für die Einhaltung der Kinderrechte einsetzen, damit die Situation der Kinder verbessert wird. Gewalt an Kindern, Vernachlässigung und Armut sind nur drei Stichworte einer großen Palette an Notwendigkeiten, die in den Kinderrechten verankert sind.

Skulptur „BalanceAkt Kinderrechte“

Die aus Bronze gefertigte Skulptur stellt ein Kind dar, das ein Buch mit den Kinderrechten hoch hält, während es über einen mit Mosaiksteinen versehenen Regenbogen balanciert. Die fragile Gestaltung der Plastik soll darauf hinweisen, wie gefährdet die Kinderrechte heute noch immer sind, obwohl sie von so vielen Nationen anerkannt werden. Das Kunstwerk wurde von dem Künstler Prof. Alexander Parfeonov aus Smolensk geschaffen. Die Planung, die Herstellung, der Transport und das Aufstellen der Skulptur lagen in der Verantwortung des Freundeskreises Hagen-Smolensk e. V.


Foto: Deutscher Kinderschutzbund Hagen

12 Stelen über Kinderrechte

Die Skulptur „BalanceAkt Kinderrechte“ erhält eine wichtige Ergänzung durch 12 Stelen, die als ein „Pfad der Kinderrechte“ durch den Park führen. Es gibt zwei Laufrichtungen. In der einen Richtung werden die Kinderrechte stichwortartig aufgezählt, in der anderen Laufrichtung „Was Kinder brauchen“. Beginnend am Rathaus gibt es eine Stele, auf der ein Buch aufliegt, in dem die Kinderrechte im Originaltext nachgelesen werden können. Am Ende befindet sich eine Stele, auf der wiederum ein Buch aufliegt. Dieses geht darauf ein, was Kinder brauchen und präsentiert Aussagen von Kindern, Gedichte und Sinnsprüche usw. Die Realisierung der gradlinigen Kinderrechte-Stelen lag in den Händen des Kinderschutzbundes. Sie wurden von dem Hagener Edelstahldesigner Dirk Surma gestaltet.


Foto: Rainer Deimel

Begleitprojekte

Der Kinderschutzbund und auch das Allerwelthaus werden in Kooperation mit Schulen, Kindertagesstätten und Jugendeinrichtungen und anderen sozialen Initiativen immer wieder kreative Begleitprojekte durchführen. Kinder, Jugendliche und Erwachsene sollen angeregt werden, sich mit den Kinderrechten und Bedürfnissen von Kindern zu beschäftigen.

Entstehung der Idee – eine internationale Geschichte

Auf dem Rückweg von Hagens Partnerstadt Smolensk hat Christa Burghardt (Kinderschutzbund Hagen) zufällig in Moskau die Skulpturengruppe „Die Laster der Erwachsenen“ des Künstlers Michael Schemjakin entdeckt. 15 einzelne, große Bronze-Skulpturen zeigen kreisförmig angeordnet sehr plastisch menschliche Laster, unter denen insbesondere Kinder zu leiden haben. Zum Beispiel wird ein Mann dargestellt, der ein Kind mit einem Rohrstock schlägt. Sie entwickelte die Idee, dass es eigentlich auch eine Skulpturengruppe geben müsste, die darstellt, was Kinder brauchen, beispielsweise Liebe, Geborgenheit, verlässliche Eltern usw. Nach ihrer Reise traf sie auf Hans-Werner Engel (heute Vorsitzender des Vereins Freundeskreis Hagen-Smolensk e.V.), der diese Skulpturengruppe ebenfalls kannte. Es wurde der Gedanke geboren, sich in Hagen für ein positives Gegenstück zu den Schemjakin-Skulpturen zu engagieren. Der Vorstand des Freundeskreises bat daher den Smolensker Künstler Prof. Alexander Parfeonov, entsprechende Entwürfe anzufertigen. Mitte 2009 einigten sich die Beteiligten auf einen Entwurf, bei dem ein Kind auf einem Regenbogen balanciert und das Buch der Kinderrechte hochhält. Eine komplette Skulpturengruppe wäre wirtschaftlich nicht zu realisieren gewesen. Damit „Was Kinder brauchen“ und die Kernaussagen der „Kinderrechte“ dennoch ausführlich dargestellt werden können, wurde die Idee entwickelt, 12 Kinderrechte-Stelen in dem Park zu integrieren. In der Folge wurden alle notwendigen Aktivitäten entfaltet, um dieses Skulpturen-Projekt in Hagen zu verwirklichen – auch als eine schöne und dauerhafte Ausdrucksform der Städtepartnerschaft Hagen-Smolensk, die 2010 ihr 25-jähriges Bestehen feiert.


Foto: Rainer Deimel

Schirmherrschaft

Die Schirmherrschaft für das Kinderrechte-Skulpturenprojekt haben der Oberbürgermeister der Stadt Hagen, Herr Jörg Dehm und seine Ehefrau Birgit Dehm übernommen.

Finanzierung des Projektes

Die Finanzierung des Projektes erfolgte ausschließlich durch Spenden. Neben Dienstleistungs- und Geldspenden von Privatpersonen und aus der Wirtschaft ist es besonders erfreulich, dass die Partnerstadt Smolensk und die Bezirksvertretung Mitte der Stadt Hagen das Kinderrechte-Projekt gefördert haben. 

Ein herzliches Dankeschön

Allen Menschen, die sich an der Verwirklichung dieses Projektes beteiligt haben, muss an dieser Stelle für ihr Engagement vielmals gedankt werden.

Übergabe der Skulptur und Stelen

Genau am internationalen Weltkindertag, der in jedem Jahr immer am 20. September weltweit stattfindet, wurden das Kunstwerk sowie die Kinderrechte-Stelen in einem Festakt während eines Kinderfestes an die Kinder und Erwachsenen dieser Stadt übergeben.

 

                       

 

                   

 

 


Foto: Kinderschutzbund Hagen

Rechte für Kinder

Hallo Kinder!!!

Hier im Park steht ein Kunstwerk, auf dem ein Kind auf einem Regelbogen balanciert. In der Hand hält es das Buch „Meine Rechte“. Das ist ein Buch, das für Euch sehr wichtig ist. Denn darin steht, dass Kinder Rechte haben. Jedes Kind hat Rechte, auch Du. Die Kinderrechte wurden von den Politikern aus der ganzen Welt besprochen und aufgeschrieben. Alle Menschen sollen sich daran halten, damit es jedem Kind gut geht, egal ob es in Hagen lebt oder in Afrika oder sonstwo.


Foto: Deutscher Kinderschutzbund Hagen

Wer will, kann die Kinderrechte gerne nachlesen. Sie stehen hier im Park in einem Buch, das sich gegenüber dem Rathaus befindet. Der Text der Kinderrechte ist sehr lang. Leider ist er auch oft kompliziert geschrieben worden. Das war für die Erwachsenen wichtig, damit alles ganz genau ist und genau eingehalten werden kann. Hier im Park sind aber auch 10 Tafeln aus Edelstahl aufgestellt worden. Da werden die Kinderrechte kurz aufgezählt. Und auf der Rückseite steht, was Kinder alles brauchen. Da ist bestimmt vieles dabei, was Ihr braucht und was Du brauchst.


Foto: Rainer Deimel

Gerne können Kinder in das Allerwelthaus oder in den Kinderschutzbund gehen und nach den Kinderrechten fragen. Das sind die beiden Häuser, die hier am Park stehen. Wir sprechen gerne mit Euch darüber. Und wenn es etwas gibt, was man verändert haben möchte, kann man auch an das Rathaus schreiben, besonders an den Oberbürgermeister. Das Rathaus ist das große Gebäude an der Volme, das man von hier aus sehen kann.

Wir freuen uns, dass sich so viele Kinder und Erwachsene für die Kinderrechte interessieren. Sprecht viel darüber und kommt ruhig oft hierher, um alles nachzulesen. Wir machen dazu für Gruppen oder Schulklassen auch kleine Workshops. Die sind ganz prima, weil man dann viel mehr erfährt und auch noch Spaß dabei hat. Denn wir malen, basteln und machen dann viele interessante Dinge mit Euch. Fragt einfach beim Kinderschutzbund oder Allerwelthaus nach, wann wieder ein Workshop ist.


Foto: Rainer Deimel

Es ist wichtig, dass Du Deine Rechte kennst. So wie Du zu Hause manchmal Pflichten hast oder für die Schule Hausaufgaben machen musst, so müssen die Erwachsenen dafür sorgen, dass die Rechte von Kindern eingehalten werden. Wenn Du Dir hier im Park Deine Rechte auf den Tafeln ansiehst, merkst Du selbst, ob Deine Rechte in der Schule, in Deiner Familie, in der Nachbarschaft oder anderswo geachtet werden. Dann kannst Du mit Deinen Eltern, Lehrern und anderen Erwachsenen darüber sprechen. Du kannst ihnen auch sagen, was verändert werden muss. Denn das ist zum Beispiel auch ein Kinderrecht: Jedes Kind darf seine Meinung nämlich frei äußern.


Foto: Rainer Deimel


Übrigens: Die Kinderrechte sind für alle Kinder in der ganzen Welt gleich.

 

                                           Euer Kinderschutzbund                           

                        


Foto: Rainer Deimel

Kinderwünsche

Ich möchte, dass alle Menschen auf der Welt glücklich sind und sich vertragen.
Anna, 7 Jahre

Ich möchte, dass jedes Kind einen Schutzengel hat.
Leonie, 11 Jahre

Es soll keinen Krieg geben.
Jonathan, 12 Jahre

Ich will, dass wir uns alle lieb haben.
Lilli, 8 Jahre

Es soll keine Katastrophen geben.
Nicola, 14 Jahre

Mein Krebs soll weggehen. Ich will gesund sein. Alle anderen auch.
Florian, 11 Jahre

Ich bin ganz froh, wenn Mama und Papa sich vertragen.
Kim, 11 Jahre

Ich möchte, dass die Politiker Wort halten.
Coco, 14 Jahre

Ich möchte auf unserer Wiese spielen. Da werden wir immer weggejagt.
Hakan, 8 Jahre

Ich möchte in der Schule gut sein.
Antonio, 11 Jahre

Es ist so schön, wenn Papa oder Mama mir eine Gute-Nacht-Geschichte vorlesen.
Leonie, 8 Jahre

Meine Eltern sind geschieden. Das will ich nicht.
Violetta, 9 Jahre

Ich finde meine Eltern cool, weil ich denen alles erzählen kann.
Nick, 12 Jahre

Wenn ich mal etwas aus Versehen kaputt mache, sollen die Großen nicht schimpfen.
Martha, 7 Jahre

Am liebsten würde ich den ganzen Tag spielen und toben.
Leon, 10 Jahre

Ich möchte Freunde haben.
Max, 12 Jahre

Ich wünsche mir ein Kaninchen. Das ist so schön kuschelig.
Chiara, 5 Jahre

Ich möchte mich mit meiner allerbesten Freundin wieder vertragen.
Oxana, 10 Jahre

Ich mache gerne Sport. Am liebsten spiel ich Fußball.
Hassan, 10 Jahre

Ich möchte mal berühmt werden.
Paula, 14 Jahre

Ich bin so gerne bei meiner Oma. Die erzählt immer so schöne Geschichten.
Lisa, 7 Jahre

Mein Opa macht immer ganz tolle Sachen mit mir. Basteln und so.
Felix, 12 Jahre

Wenn ich groß bin, möchte ich einen Mann haben und Kinder und ein Pferd und alle sollen sich lieb haben.
Luise, 8 Jahre

In der Schule sollen mich die Kinder nicht immer so ärgern.
Matteo, 9 Jahre

Meine Eltern sollen sich nicht immer zanken.
Ivo, 7 Jahre

Ich wünsche mir ein Fahrrad.
Mustafa, 7 Jahre

Ich möchte mal einen tollen Beruf haben. Am liebsten Pilot.
David, 13 Jahre

Ich möchte gerne Keyboard lernen, aber meine Eltern haben kein Geld.
Alexander, 11 Jahre

Zu meinem Geburtstag möchte ich alle meine Freundinnen einladen.
Melina, 10 Jahre

Ich wünsche mir eine 4 in Mathe.
Gregori, 12 Jahre

                        

 


Foto: Rainer Deimel

Kinderängste – Kindersorgen

Immer werde ich ausgemeckert.
Lucca, 12 Jahre

Meine Freundin durfte nicht mit zur Klassenfahrt, weil ihre Eltern kein Geld haben.
Oxzana, 11 Jahre

Meine Mama hatte kein Geld für Turnschuhe. Da habe ich geschwänzt.
Kevin, 12 Jahre

Wir gehen immer zur Suppenküche und zum Suppenkasper. Da können wir essen. 
Vivian, 10 Jahre

Die anderen kriegen viel mehr Taschengeld und Klamotten. Aber Vater ist arbeitslos. Da geht das nicht.
Melina, 13 Jahre

Im Winter hatte ich lange ein Loch in meinen Schuhen, aber ich habe es nicht gesagt. 
Samira, 9 Jahre

Ich wäre ja freundlich zu unserem Nachbar, aber der jagt uns immer von der Wiese. 
Mehmet, 11 Jahre

Die Frau soll nicht immer vom Balkon schreien, wenn wir auf dem Spielplatz sind. 
Kolja, 8 Jahre

Als ich mit Kreide vor der Haustür gemalt habe, bin ich ausgeschimpft worden. 
Aishe, 10 Jahre

Warum können nicht alle Menschen glücklich sein? 
Julia, 13 Jahre

Meine Mutter ist psychisch krank. Aber das soll keiner wissen. 
Greta, 13 Jahre

Immer nur Handy, SMS, PC und chatten bringt es nicht. Aber wenn ich nicht mitmache, bin ich out und die ziehen ohne mich los. 
Lukas 15 Jahre

Ich hasse Ungerechtigkeit. 
Dina, 13 Jahre

Die Erwachsenen tun immer so, als ob sie alles besser wissen. 
Aylin, 15 Jahre

Alle reden von einer besseren Umwelt und machen nur Mist. 
Simon, 14 Jahre

Ich will nicht, dass ES passiert. 
Anonym, Missbrauchsopfer

Wir wollen nicht, dass unsere Eltern uns immer schlagen. 
Kinder einer Familie

Papa haut Mama immer und ich habe dann Angst. 
Junge aus dem Frauenhaus

Meine Mama weint viel und ist oft traurig. 
Mädchen einer Freizeitgruppe

Meine Mutter tratscht einfach herum, was ich ihr anvertraut habe. 
Tochter

Mein Vater hat versprochen, mit dem Trinken aufzuhören, aber der macht das sowieso nicht und wird immer weitersaufen. 
Sohn

Meine Eltern kümmern sich sowieso nicht um mich. 
Jugendliche

Meinen Eltern ist es egal, was ich mache. 
Jugendlicher

Die Mutter von meinem Freund liegt nur faul herum und dröhnt sich voll. 
Ein Freund

Meine Freundin hat zu Hause die Hölle. Sie darf überhaupt gar nichts, wird nur angebrüllt und herum kommandiert. 
Eine Freundin

Mein Onkel tut immer so cool, dabei will er mich nur begrapschen. 
Nichte

Meine Tante meint, sie müsste mich immer betätscheln und betüddeln. 
Neffe

Mein Lehrer demütigt mich immer vor der ganzen Klasse. 
Schülerin

In der Schule finden mich alle doof. 
Schüler

Mich hat keiner lieb.
Anonym

                        

 


Foto: Rainer Deimel

Kinder in der 3. Welt – Das ABC des Leidens

Ergebnisse eines Workshops mit Jugendlichen

AIDS-Waisen

Alkohol und Drogen

Angst

Armut

Bettelnde Kinder

Flüchtlingskinder

Genitalbeschneidungen von Mädchen

Gewaltopfer

Hoffnungslose Kinder

Hunger

Katastrophen

Kinderarbeit

Kinderpornografie

Kinderprostitution

Kindersklaven

Kindersoldaten

Kindersterblichkeit

Klau-Kinder

Krankheiten, unversorgt

Medizinische Versorgung, unzureichend

Mordopfer

Müllhaldenkinder

Nackte Angst

Säuglingssterblichkeit

Schnüffel-Kinder

Schulen, fehlend oder unzureichend

Selbstmord

Selbstzerstörung

Seuchen

Sextourismus

Slums

Traumatisierte Kinder

Trostlosigkeit

Unterernährung

Verschleppte Kinder

Verstümmelte Kinder

Zerbrechliche Körper

Zwangsverheiratung

                         


Foto: Rainer Deimel

Wir sind Kinder einer Welt

Ergebnisse eines Workshops

Den Kindern in Afrika, Asien, Lateinamerika und überall auf der Welt soll es gut gehen.

Kein Kind darf hungern.

Jedes Kind braucht eine medizinische Versorgung bei Krankheit.

Kein Kind darf an Unterernährung und wegen fehlender medizinischer Versorgung sterben.

Keinem Kind darf körperliche, sexuelle oder seelische Gewalt angetan werden.

Kein Kind darf zur Prostitution und Pornografie missbraucht werden.

Mädchen dürfen nicht beschnitten werden.

Kein Kind darf ausgebeutet werden.

Es darf keine Kinderarbeit geben.

Alle Kinder müssen lesen und schreiben lernen und brauchen eine Schule.

Alle Jugendlichen brauchen eine Berufsausbildung.

Es darf keine Flüchtlingskinder geben, die gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen.

Kein Kind darf verschleppt werden.

Jedes Kind braucht Hilfe in Notsituationen.

Es darf keine Kindersoldaten geben.

Alle Kinder brauchen Frieden.

Jedes Kind braucht Achtung, Würde und eine gute Lebensgrundlage.

Jedes Kind hat ein Recht auf die Verwirklichung der UN-Kinderrechtskonvention.

Kinder in der 3. Welt brauchen uns.

             Weil Kinder in der 3. Welt arm sind, können wir hier reich sein.

                                 Diese Ungerechtigkeit muss aufhören.

                           


Foto: Rainer Deimel


Foto: Rainer Deimel

 

 


Foto: Rainer Deimel

 


Foto: Rainer Deimel

 

Kinderschutzbund Hagen in der Rubrik „Qualität: Inspiration“ im ABA-Netz

NAGEL-Redaktion – Kinderrechtepark Hagen/Westfalen Read More »

NAGEL-Redaktion – Welche Bildung leistet die Offene Arbeit?

Von Rainer Deimel

Bildung ist keineswegs das Privileg von Schulen. Die Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen verfügt nicht selten über geeignetere Möglichkeiten und Methoden zum Bildungserwerb. Ein wesentliches Merkmal in der Offenen Arbeit ist, dass Bildung im Transfer stattfindet; Kinder und Jugendliche eignen sich Erfahrungen durch aktive Auseinandersetzung und Handeln an.

 

Dass „Bildung“ seit Jahrhunderten etwas sehr Kreatives beschreibt , belegt auch der Blick in das Wörterbuch:

 

bilden, Verb, ‚formen, gestalten, hervorbringen, darstellen, sein‘, übertragen ‚erziehen, die geistigen Anlagen entwickeln‘, althochdeutsch biliden ‚formen, gestalten, zum Beispiel geben, nachahmen‘ (9. Jahrhundert) und bilidon ‚abbilden, nachahmen, Vorbild sein, gestalten‘ (8./9. Jahrhundert, vom 10. Jahrhundert an vorherrschend), postnominale Ableitungen von althochdeutsch bilidi (Bild), fallen zusammen in mittelhochdeutsch bilden ‚mit Bildern verzieren, gestalten, nachbilden, vorstellen‘ (gleichbedeutend mittelniederdeutsch belden, bilden und niederländisch beelden ‚bilden, abbilden, malen‘). Das bis heute ein Formen realer Gegenstände, namentlich ein Gestalten visuell erfassbarer Kunstwerke (bildende Kunst, 18. Jahrhundert, anfangs im Plural) bezeichnende Verb findet im Sprachgebrauch der Mystiker auch Anwendung auf den geistig-seelischen Bereich; von der Mitte des 18. Jahrhunderts an und besonders in der Klassik wird bilden zum Ausdruck für die Bestrebungen der bürgerlich-humanistischen Pädagogik; gleichzeitig werden daher auch das Partizipialadjektiv gebildet, das das Erziehungsergebnis kennzeichnet, und dessen Substantivierung der Gebildete üblich. Sich anschließende Präfixbildungen sind abbilden, Verb ‚im Bilde darstellen‘ (16. Jahrhundert; dazu Abbildung für ‚bildliche Wiedergabe‘, 2. Hälfte 16. Jahrhundert); ausbilden, Verb, ‚mit bestimmten Kenntnissen und Fertigkeiten versehen‘, auch ‚entwickeln, formen‘, mittelhochdeutsch uzbilden ‚eine Nachbildung zeigen‘ (dazu Ausbildung für ‚Schulung, Entwicklung‘, 1. Hälfte 17. Jahrhundert); einbilden, Verb, reflexiv ’sich der Wirklichkeit widersprechende Vorstellungen machen, sich etwas in den Kopf setzen‘, mittelhochdeutsch inbilden ‚einprägen, in der Seele abbilden‘ (bei den Mystikern), im älteren Neuhochdeutsch (reflexiv) noch allgemein ’sich etwas vorstellen‘, dann ’sich falsche Vorstellungen machen‘ (auch hinsichtlich des eigenen Wertes); dazu gehören Einbildung für ‚falsche Vorstellung , Überheblichkeit‘, mittelhochdeutsch inbildunge ‚das Einbilden, in die Seele senken‘, das Kompositum Einbildungskraft für ‚Phantasie‘ (1. Hälfte 17. Jahrhundert, vereinzelt im 16. Jahrhundert) sowie das in jüngerer Zeit sich verselbstständigende eingebildet, Partizipialadjektiv ‚überheblich‘ (17. Jahrhundert). Bildner ‚Gestalter, Former‘, althochdeutsch bilidari, bilideri ‚Bildner, Gestalter, Schöpfer‘ (9. Jahrhundert), mittelhochdeutsch bildaere, bildenaere ‚Bildner, Schöpfer‘, auch ‚Vorbild, Muster‘, mittelhochdeutsch Bilder ‚Schöpfer‘ noch bis ins 18. Jahrhundert neben sich schließlich durchsetzendem Bildner, das jetzt auf die gehobene Ausdrucksweise beschränkt ist oder als zweites Kompositumsglied z.B. in Bühnen-, Kostüm-, Maskenbildner vorkommt; bildsam Adjektiv ‚formbar‘, übertragen auch ‚für Lehren empfänglich, erziehbar‘, vereinzelt spätmittelhochdeutsch bildsam ‚vorbildhaft‘, neuhochdeutsch in den heutigen Verwendungen seit Mitte des 18. Jahrhunderts Bildung für ‚der Vorgang des Entfaltens der geistigen Anlagen, des Erziehens sowie dessen Ergebnis‘, auch ‚Schaffung, Formung‘ und ‚Gestalt‘, althochdeutsch bilidunga ‚Widerschein, Abbild‘ (11. Jahrhundert), bei Notker (für lateinisch imaginatio) ‚Vorstellung, Vorstellungskraft‘ (vgl. altsächsisch unbilidunga ‚Unförmigkeit‘, 11. Jahrhundert), mittelhochdeutsch bildunge ‚Bildnis, Gestalt, Muster‘, in der Mystik ‚Phantasie‘, neuhochdeutsch zunächst vor allem ‚bildliche Darstellung, Abbild‘ und (sehr verbreitet im 18. Jahrhundert) ‚Gestalt‘, seit Mitte des 18. Jahrhunderts (dem Verb bilden entsprechend) auch ‚geistig-seelische Formung des Menschen, Erziehung‘.

 

aus: Wolfgang Pfeifer et al.: Etymologisches Wörterbuch des Deutschen, 2. Auflage, München 1993

 

 

Welche Bildungs-Komplexe werden in der Offenen Arbeit stimuliert?

     

  • Sensitive Bildung > mit allen Sinnen lernen
  •  

  • Praktische Bildung > manuelles, grob- wie feinmotorisches Lernen
  •  

  • Persönliche Bildung > Erwerb von Kompetenz
  •  

  • Kognitive Bildung > abstraktes Lernen > Lösung von Problemen
  •  

  • Soziale Bildung > Erwerb solidarischen Verhaltens
  •  

  • Politische Bildung > Herstellung gesellschaftlicher Zusammenhänge
  •  

  • Kulturelle/ästhetische Bildung > Schöpferische/künstlerische Befähigung (Theater, Musik, bildnerisches Gestalten, Film, Fernsehen, Computer usw.)
  •  

  • Methodische Bildung > Erwerb spezifischer Fähigkeiten
  •  

  • Emotionale Bildung > Erwerb emotionaler Kompetenz
  •  

  • Korporale Bildung > In der Bewegung (Spannung/Entspannung) wird die Entfaltung menschlicher Intelligenz günstig stimuliert, Essgewohnheiten usw.

 

Rolle der PädagogInnen

PädagogInnen sind weder „Raumwärter“ noch „Betreuer“. PädagogInnen haben einen kind- bzw. jugendgerechten (Lern- und Bildungs-) Rahmen zu organisieren. Pädagogik begreift sich in einem solchen Sinne als Rahmengestalter und Milieukonstrukteur.

Ferner muss seitens der Pädagogik eine Lobbyrolle eingenommen werden. Deren Grundlage fußt auf einer partizipatorischen Haltung: Pädagogik nimmt Bedürfnisse, Anliegen, Problemsituationen u.a. wahr und bemüht sich um eine erfolgreiche Dolmetscherfunktion. Pädagogik transportiert ihr Wissen über ihr Zielgruppen und -personen an hilfreiche Personen, Gremien, Politik usw. Dies geschieht unter dem Motto: „Ich habe wahrgenommen, dass …, schließe daraus … und so weiter“ und nicht: „Ich weiß, was für dich/euch gut ist.“

Pädagogik heißt auch Animation; dies verstanden in dem Sinne, Angebote vorzuhalten und eine Vielfalt an Optionen zu schaffen, die von den Kindern und Jugendlichen als attraktiv erlebt werden können. Pädagogik sorgt somit für Anregungen und Aktivitäten, die auf einer lustvollen und möglichst selbstbestimmten (freiwilligen) Basis angenommen werden.

Die Basis pädagogischen Handeln bildet die „Beziehungs-Arbeit“. Sie ist allerdings keineswegs – wie häufig in der Praxis postuliert – das alleinige Element professionellen Tätigwerdens. Die anderen beschriebenen Faktoren spielen eine ebenso bedeutsame Rolle. Kinder und Jugendliche erfahren persönliche und emotionale Wertschätzung, Bestätigung in ihrem Tun; sie erfahren Solidarität, lernen Unterschiede zu erkennen, zu respektieren und auszuhalten. Eine sich so begreifende pädagogische Haltung hat den Aspekt der Integration konstruktiv verinnerlicht.

Merke: Jedes Kind (jeder Jugendliche, jeder Erwachsene) ist prinzipiell unbelehrbar (nach Prof. Dr. Gerold Scholz, Universität Frankfurt am Main). Junge Menschen können nur lernen. Lernen ist ein Prozess, den Pädagogik mit den jungen Leuten gestaltet. Lernen findet lustvoll statt. Lernen muss Freude machen. „Fehler“ zu machen ist eine der wichtigsten Lernressourcen: Probieren, Fehler machen, nachdenken, erneut probieren, wiederholen … Die Einordnung misslungener Versuche als „Fehler“ ist eine unhaltbare Bewertung Erwachsener. Um zu begreifen, müssen Kinder „das Rad immer wieder neu erfinden“. Und schließlich: Lernen ist kontextabhängig.

 

Vorsicht! Falle! „Betreuung“ => Emanzipationsverhinderung (Motto: Ich weiß, was für dich am besten ist!)

Beschützen, Behüten, Bewahren, Behindern …

 

 

Literatur zum Kontext

 

Eckhard Schiffer:

Der Kleine Prinz in Las Vegas

Warum Huckleberry Finn nicht süchtig geworden ist

Warum Hieronymus B. keine Hexe verbrannt hat

 

Elisabeth C. Gründler/Norbert Schäfer:

Naturnahe Spiel- und Erlebnisräume

 

Jean Liedloff:

Auf der Suche nach dem verlorenen Glück

 

Wilhelm Rotthaus:

Wozu erziehen?

 

 

Angaben zum Autor:

Rainer Deimel, Jahrgang 1953, ist Bildungsreferent beim ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen und Systemischer Berater DGSF.

 

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