Uncategorized

NAGEL-Redaktion – Vorbemerkung

Der Titel dieses Versuchs assoziiert, „die“ Geschichte der Offenen Arbeit objektiv und schlüssig darzustellen. Diese Vorbemerkung scheint erforderlich, da es sich bei diesem Beitrag tatsächlich nur um einen weiteren Versuch handeln kann, möglichst zahlreiche Aspekte auf möglichst wenig Raum möglichst plausibel darzustellen und zu beleuchten.

Die Entwicklung der Offenen Arbeit hat – wie so Manches, was schließlich zu einem erträglichen Einvernehmen Teil zusammengewachsen sind, entstammen oft unterschiedlichen Ideen und Zusammenhängen. Offene Arbeit hat sich auf ganz differenten Gleisen entwickelt. Das trifft auch auf die inzwischen sogenannte Offene Kinder- und Jugendarbeit zu.

Fachlich betrachtet lag die Offene Arbeit genau richtig. Sie vermittelt etwa, was die Schule seit Jahrhunderten versucht: Über das Wohl und Wehe von Menschen zu entscheiden, ihre Zukunftschencen derart zu beiienflussen, ist erfreulicherweise nicht das Anliegen und die Aufgabe der Offenen Arbeit. Aufgabe der Offenen Arbeit ist, die Menschen dort abzuholen, wo sie stehen. Das hat sie oftgeschafft.

Bisher wurde zumeist die Geschichte der Offenen Jugendarbeit beschrieben. Jüngere Beiträge monieren die Ausgrenzung der Arbeit mit Kindern. Zum Teil reklamieren sie dann, sich mit der „Offenen Kinder- und Jugendarbeit“ zu befassen. Bei genauerem Hinsehen stellt man fest, dass es sich nach wie vor um die Geschichte der Offenen Jugendarbeit handelt, erweitert um die Kategorie „Kinder“, die sich aber die facto nicht widerspiegelt: es handelt sich regelmäßig um die Geschichte der Jugendfreizeitstätten, der Häuser der Offenen Tür, die meist irgendwann ab etwa 1980 Jahre ihre Angebote auch an Kinder richteten. Dabei wird völlig übersehen, dass die Offene Arbeit mit Kindern ihre spezifischen Ursprünge hatte und ihre eigenen Entwicklungen gemacht hat. Ich möchte es noch einmal ganz deutlich sagen: Die Geschichte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit ist nicht identisch mit der Geschichte der „Offenen Türen“. „Offene Türen“ sind ein Angebotstypus unter mehreren. In einigen Passagen werden kinderspezifische Ansätze demzufolge stärker gewichtet.

Noch ein orthographischer Hinweis: Bis in die 90-er Jahre hinein, wurde regelmäßig die Schreibweise „offene Arbeit“ benutzt. Die Fachverbände verständigten sich in der Zwischenzeit darauf, den Begriff „offen“ als Substan-tiv zu benutzen. Dies geschah vor dem Hintergrund, die Etablierung der Offenen Arbeit als eine Säule der Jugendhilfe entsprechend zu würdigen. Wenn hier im Text hin und wieder die alte Form auftaucht, hat dies historische Hintergründe.

 

Fachliche Empfehlung

Ulrich Deinet, Benedikt Sturzenhecker (Hg.): Handbuch Offene Kinder- und Jugendarbeit, Wiesbaden (VS Verlag für Sozialwissenschaften) 2005, 3., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage, 668 Seiten, ISBN978-3-8100-4077-0, 59,90 Euro. Rezension lesen

NAGEL-Redaktion – Vorbemerkung Read More »

NAGEL-Redaktion – Zur Geschichte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit

Hier gibt es einige Seiten zur Geschichte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. 

Bei einem Verband, der ursprünglich aus der Abenteuerspielplatzbewegung hervorgegangen ist, werden die Abenteuerspielplätze selbstverständlich exponiert vorkommen; im Gegensatz zu anderen veröffentlichten Dokumenten, die sich ausschließlich auf die Offene Jugendarbeit kaprizieren.

 
Foto: ASP Mühle, Magdeburg (um 1990)

Zur Seite „Geschichte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit“ wechseln!

 

Vierzig Jahre Selbstverwaltete Jugendzentren

 

Hiltrud von Spiegel: Offene Arbeit mit Kindern – (k)ein Kinderspiel

Erklärungswissen und Hilfen zum methodischen Arbeiten. Münster 1997, Votum Verlag.
Das Buch ist inzwischen vergriffen. Unser Fachbeiratsmitglied Prof. Dr. Hiltrud von Spiegelhat uns das Manuskript dankenswerterweise zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise können wir es Ihnen hier anbieten. Zum Buch gelangen Sie, wenn Sie vorstehenden Titel anklicken.

 Foto: pixelio
Zur virtuellen Museumsseite im ABA-Netz

NAGEL-Redaktion – Zur Geschichte der Offenen Kinder- und Jugendarbeit Read More »

NAGEL-Redaktion – Gerichtsurteile

Gerichtsurteile auf die der „i-Punkt“ hingewiesen hat

Arbeitsrecht: Kettenverträge

Wer als Aushilfe arbeitet, aber jeden Monat gleich lautende Lohnabrechnungen bekommt, gilt automatisch als fest eingestellt und genießt dadurch Kündigungsschutz. (Arbeitsgericht Frankfurt am Main 7 Ca 244/03)

i-Punkt 2-2004

Diverses zur Aufsichtspflicht

Ein elfjähriges Mädchen stieg aus dem Auto ihrer Mutter nach rechts aus, während letztgenannte links in einer Einbahnstraße hielt. Die sich öffnende Tür trifft ein vorbeifahrendes Auto. Die Mutter bzw. deren Autohaftpflichtversicherung haften für die Kratzer am Auto. Das Landgericht Mainz sah hierin eine Aufsichtspflichtverletzung. (Urteil Landgericht Mainz 6 S 15/98)

Während eines Fahrradausfluges fuhr die sechsjährige Tochter eine Fußgängerin an, nachdem die Kleine plötzlich so schnell vorausgefahren war, dass die Eltern sie nicht mehr sehen konnten. Die Eltern müssen für den Schaden aufkommen. Der Blick- und Rufkontakt zum Kind hätte aufrecht erhalten werden müssen. (Urteil Kammergericht Berlin 22 U 1221/96)

Ein dreijähriger Junge verschwand in einer Apotheke hinter der Theke, um dort zu einer Bonbonauslage zu gehen, die ihn angelockt hatte. Dabei kommt er an den Hauptstromschalter und schaltet die Elektroanlage aus. Unter anderem stürzt der Computer ab. Es entstand ein Schaden von 2200 ?. Die Mutter muss nicht haften. Es sei ihr nicht zuzumuten, ihr Kind stets an die Hand zu nehmen. (Urteil Landgericht Coburg 32 S 163/01)

InformationsDienst 12-2002

Aufsichtspflicht im Geschäft

Eltern verstoßen nicht gegen ihre Aufsichtspflicht, wenn sie in einem Geschäft ihr Kind nicht ständig an der Hand führen. Ein solche Verpflichtung besteht nur, wenn eindeutig abzusehen ist, dass das Kind Schaden anrichten wird. Für unerwartete Schäden haftet daher der Ladenbesitzer, nicht die Eltern. (Landgericht Coburg 32 S 163/01)

i-Punkt 6-2004

Aufsichtspflicht und Haftung: Kinder müssen im Verkehr nicht ständig beobachtet werden

Bis zur Reform des Haftungsrechts mussten Eltern ihre Kinder ständig im Auge behalten, wenn sie sie zum Beispiel Fahrrad fahren ließen. Das führte in der Praxis zu einer Rundum-Haftung. Nach der Änderung des BGB gilt dies nicht mehr, wie auch ein Urteil des Landgerichts Mönchengladbach ausführte: Eine Mutter, die einige Meter vor ihrem Kind mit dem Fahrrad fährt, haftet nicht, wenn ein Auto aus einer Seitenstraße kommt und dabei von dem Fahrrad des Kindes gerammt wird. Früher hätte sie zumindest eine Teilschuld bekommen, weil sie das Kind nicht beobachten konnte – heute haftet allein der Autofahrer. (Landgericht Mönchengladbach 5 S 75/03)

i-Punkt 6-2004

Außenfläche Kindertagesstätte

Die Nachbarn einer Kindertagesstätte können es nicht verhindern, dass ein zur Tagesstätte gehörender Garten in eine Außenspielfläche umgewandelt wird. Der Lärm von in diesem Fall maximal 70 Kindern muss als „unvermeidbare Lebensäußerung“ hingenommen werden. (Verwaltungsgericht Düsseldorf 9 L 1204/03)

i-Punkt 5-2005

Ball auf dem Nachbargrundstück

Landet der Ball im Nachbargarten, dürfen Kinder ihn nicht holen, sondern sie müssen klingeln. Der Nachbar hingegen muss den Ball herausgeben und kann kein Fußballverbot vor seinem Haus verlangen. (Landgericht München 505454/03)

i-Punkt 3-2004

Bolzplatz und Nachbarschaft

Grenzt ein erst kurz zuvor eingerichteter Bolzplatz direkt an das Grundstück von Anwohnern und halten sich die bis zu 20 Jugendlichen nicht an die Öffnungszeiten der mangelhaft eingezäunten Anlage, muss die Gemeinde eine „nachbarschaftsverträgliche Weise“ der Nutzung sichern. Gelingt ihr das nicht, muss der Bolzplatz wieder geschlossen werden. (Verwaltungsgericht Minden 1 K 1027/02 und 1 K 3344/02)

i-Punkt 5-2005

Gesetzliche Unfallversicherung: Abhauen aus dem Kindergarten

Wenn ein Dreijähriger heimlich den Kindergarten verlässt und sich auf „dem Heimweg“ verletzt, muss die Gesetzliche Unfallversicherung eintreten. Kinder sind während des Besuchs in „Regelbetreuungseinrichtungen“ unfallversichert. Der Aufenthalt endet ? SGB VII ? erst, wenn das Kind abgeholt wird oder sich mit Einwilligung der Sorgeberechtigten auf den Weg macht. (Bundessozialgericht B 2 U 20/97 R). Anmerkung: Auch wenn sich das Kind ? mit Einwilligung ? auf den Weg macht, ist es versichert. Es sei denn, es ginge „zwischendurch“ zum Weihnachtmarkt, zum Friseur, zur besten Freundin… und bliebe dort. Sollte es Dinge tun, die mit „der Einrichtung“ nun gar nichts mehr zu tun haben, dann ist es vermutlich nicht mehr versichert.

InformationsDienst 2-2003

Gesetzliche Unfallversicherung: Handeln auf eigenes Risiko ? Verlust der gesetzlichen Unfallversicherung

Während einer Studienfahrt in die Toskana kletterte ein 18-jähriger Schüler über ein Fenstersims, um ins benachbarte Zimmer zu steigen. Sein Lehrer, der dies mitbekam, forderte ihn auf, zurückzugehen. Der junge Mann weigerte sich, fiel hinunter und brach sich mehrere Knochen. Die gesetzliche Unfallversicherung muss nicht zahlen, so das Landessozialgericht Rheinland-Pfalz: Der junge Mann habe sich schuldhaft und bewusst der Gefahr ausgesetzt.

i-Punkt 12-2003

Gesetzliche Unfallversicherung: Wegeunfall

Ein Autofahrer, der auf dem Weg zur Arbeit einen Unfall verursacht, kann alle Kosten, die die Versicherung nicht bezahlt, als Werbekosten geltend machen. (Urteil Finanzgericht Hessen 9 K 438/99)

i-Punkt 10-2003

Auch Grundschüler muss mit einer Strafe rechnen

Hartnäckige Störenfriede müssen auch in der Grundschule mit harten Disziplinarmaßnahmen rechnen. Das gilt vor allem, wenn die Eltern nicht bereit sind, an der Erziehung mitzuwirken. Eindeutig stellte sich das Verwaltungsgericht Minden hinter die Entscheidung einer Grundschule, die den Jungen 14 Tage vom Unterricht und sonstigen Schulveranstaltungen ausgeschlossen hatte. Wie die im Luchterhand-Verlag in Neuwied erscheinende Zeitschrift „SchulRecht“ dokumentiert, hatte der Junge wiederholt seinen Klassenkameradinnen „zwischen die Beine gefasst“. Laut Gericht hatten „eine Vielzahl von Ermahnungen und Gesprächen“ nicht dazu geführt, dass der Junge sein Verhalten änderte. Schließlich beschloss die Schule den sofortigen Unterrichtsauschluss. Prompt widersprach der Vater des Jungen und rügte vor allem Formalien. Das Verwaltungsgericht sah die Rechte des Kindes aber angesichts eines Ausschlusses von maximal 14 Tagen nicht verletzt. Die Klassenkonferenz sei sich zudem des Ausnahmecharakters des sofortigen Vollzugs bewusst gewesen. Rechtliches Gehör sei den Erziehungsberechtigten ausreichend gewährt gewesen, heißt es im Beschluss. Das Gericht sah es eher als das Problem des Vaters an, dass dieser die Klassenkonferenz verließ, weil sie sich seiner Bedingung nicht beugte, zunächst über das Fehlverhalten eines anderen Schülers zu reden. Angesichts der „Schwere des Fehlverhaltens“ sei die Maßnahme auch angemessen. Sie verletze keineswegs den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Durch sein unbestrittenes Verhalten habe der Junge die Rechte der Schülerinnen „erheblich verletzt“. Sogar noch schwerwiegendere Ordnungsmaßnahmen seien notfalls gerechtfertigt, meinten die Mindener Richter. Daran ändere auch nichts, dass der Vater des Schülers die Taten eher bagatellisiert habe. Auf dem Elternsprechtag fiel diesem nur ein flotter Spruch ein: „Scharfer Hecht, das beginnt ja früh.“ (Verwaltungsgericht Minden 2 L 89/00) (WAZ vom 6. Januar 2004)

i-Punkt 2-2004

Haftung: Keine Haftung für Hundebiss

Obwohl Hunde zumeist als „Luxustiere“ einzustufen sind, wird der Halter nicht in jedem Fall für einen Biss bestraft bzw. muss er nicht dafür haften. Das Oberlandesgericht Celle verwarf am 20. März 2002 die Revision der Generalstaatsanwaltschaft als unbegründet. In dem Fall hatte ein „Münsterländer“ einen zehnjährigen Jungen in die Hand gebissen, als dieser den angeleinten Hund streicheln wollte. Das Gericht vertritt die Auffassung, das derjenige, der einen fremden Hund streichelt, mit dem Risiko leben müsse, gebissen zu werden. (Oberlandesgericht Celle AZ 22 Ss 9/02)

InformationsDienst 4-2002

Haftung von Kindern: Bei geparkten Autos haften auch neunjährige Kinder ? Landgericht Trier korrigiert Gesetzgeber

Beschädigen Kinder ein ordnungsgemäß geparktes Auto, haften sie auch dann, wenn sie zwischen sieben und zehn Jahre alt sind. Mit diesem von der Deutschen Anwaltauskunft veröffentlichten Urteil korrigiert das Landgericht Trier den Gesetzgeber. Durch die Reform des Schadensersatzrechtes im Jahr 2002 hatte der Bundestag die „Verantwortlichkeitsgrenze“ bei Unfällen mit einem Kraftfahrzeug für Kinder von sieben auf zehn Jahre angehoben. Auch Kinder in diesem Alter sollen also nicht für den von ihnen angerichteten Schaden an einem Auto haften, unabhängig davon, ob das Auto fährt oder abgestellt wurde. Das Landgericht Trier entschied aber, dass auch Kinder zwischen sieben und zehn Jahren für Schäden an geparkten Fahrzeugen haften können, teilt die Deutsche Anwaltauskunft mit. Unter sieben Jahren haften Kinder generell nicht. In diesem Fall hatte sich ein Neunjähriger mit seinem Bruder auf der Fahrbahn ein Wettrennen mit Kickboards geliefert. Er war zwar geübt, stürzte jedoch aus Unachtsamkeit. Sein Kickboard prallte gegen die linke Seite eines ordnungsgemäß geparkten Autos; an diesem entstand Sachschaden. Das Amtsgericht wies die Klage des Autobesitzers ab. Denn aufgrund des neuen Schadenersatzrechts würden Kinder bis zu zehn Jahren nicht haften, begründete das Amtsgericht. Die Richter am Landgericht Trier folgten dieser Meinung nicht. Da von einem geparkten Fahrzeug keine größere Gefahr ausgehe als von einer Mauer oder einem am Straßenrand abgestellten Fahrrad, sei nicht einzusehen, warum der Junge nicht haften solle. Die besondere Schutzvorschrift könne nur für den „fließenden Verkehr“, also für Unfälle mit fahrenden Autos gelten. Der Gesetzgeber habe bei seiner Reform die haftungsrechtliche Situation von Kindern im motorisierten Verlehr nachhaltig verbessern wollen. Dies könne allerdings nicht für abgestellte Fahrzeuge gelten. Das Kind wurde zum Schadenersatz verurteilt (Landgericht Trier 1 S 104/03) (WAZ vom 24. Februar 2004). Dass mit der Reform des Schadenersatzrechts die Gefahr einer weiteren Entmündigung junger Leute einherging, war von Anfang an nicht von der Hand zu weisen. Insofern wird die vom Landgericht Trier vorgenommene Korrektur vor dem Hintergrund größerer Chancen für die Entwicklung von Verantwortlichkeiten vom ABA Fachverband sehr begrüßt.

i-Punkt 4-2004

Haftung: Tannenbaum & Co.

Wird durch einen glimmenden Docht ein Brand ausgelöst, muss die Versicherung zahlen. Wer beim Verlassen der Wohnung die Kerzen löscht, hat der Vorsicht Genüge getan und handelt nicht grob fahrlässig. (Urteil Oberlandesgericht Köln 9 U 150/94)

Wer Kerzen auf einem bereits ausgetrockneten Weihnachtskranz anzündet, handelt fahrlässig. Wird dadurch ein Brand ausgelöst, muss die Hausrat-Versicherung keinen Cent zahlen. (Urteil Amtsgericht Frankfurt am Main 32 C 2697/98)

Echte Kerzen auf einem Tannenbaum sind grundsätzlich erlaubt. Die erhöhte Brandgefahr spielt keine Rolle. Bricht ein Feuer aus, muss die Versicherung den Schaden voll zahlen. (Urteil Oberlandesgericht Schleswig 3 U 22/97)

Verlässt eine Familie die Wohnung und vergisst sie dabei die brennenden Kerzen, muss die Versicherung im Falle eines Brandes voll bezahlen. Grund: In der Hektik der Weihnachtszeit könnte man durchaus die Kerzen vergessen. Das Gericht sah keine Fahrlässigkeit, sondern ein entschuldbares Augenblicksversagen. (Urteil Landgericht Oldenburg II U 161/99)

Wer Silvester eine Rakete zündet und damit jemanden verletzt, haftet dafür. Dass der Schütze die Person nur aus Versehen getroffen hat und die Flugbahn nicht vorhersehbar war, spielt dabei keine Rolle. (Urteil Oberlandesgericht Karlsruhe 12 U 109/97)

InformationsDienst 1-2003

Haustiere

Im Konfliktfall handelt es sich bei einem Haustier um Hausrat. Ein Umgangsrecht mit Hausratsgegenständen schaffe keine verbindliche Klärung, sondern provoziere weitere Streitigkeiten. Das befand das Oberlandesgericht Schleswig in einem Revisionsverfahren und hob damit das Urteil des Amtsgerichts auf (Aktenzeichen 12 WF 46/98). Im vorliegenden Fall hatte ein Ehegatte im Scheidungsverfahren um ein Umgangsrecht mit einem gemeinsam Hund geklagt. Das Amtsgericht Bad Mergentheim hatte ein solches für das Wohlbefinden des Tieres für notwendig erachtet. Vor diesem Hintergrund: Im Fall von Tierhaltung in der Einrichtung beizeiten möglichst klare Vereinbarungen treffen!

i-Punkt 10-2003

Thema „Hundesteuer“: Hunde in Einrichtungen (etwa auf dem Abenteuerspielplatz)

Eine Gemeinde darf Hundesteuer nur von natürlichen Personen erheben. Das entschied das Oberverwaltungsgericht Lüneburg. Die Richter waren in einem Rechtsstreit grundsätzlicher Bedeutung zu der Auffassung gelangt, dass die Erhebung einer Hundesteuer von juristischen Personen, wie einer GmbH, nicht ihn Betracht komme. (13 L 2306/99)

i-Punkt 6-2003

Thema Inline-Skater

Wo dürfen Inline-Skater fahren? Nach augenblicklicher Rechtslage gelten sie als Fußgänger. Deshalb müssen sie innerorts auf dem Bürgersteig und außerorts auf der linken Straßenseite fahren. Wenn sie die Straße (Fahrbahn) nutzen müssten, wäre die Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer größer. Der Gesetzgeber wird aufgefordert, die Rechtsgrundlagen für diesen Bereich zu präzisieren. (Urteil Bundesgerichtshof VI ZR 333/00)

Übt ein Inline-Skater auf einem Fahrrad- oder Fußgängerweg das Kurvenfahren, so trägt er 50 Prozent des Schadens, wenn ein nachfolgender Fahrradfahrer wegen des Schlangenlinien-Fahrens stark abbremsen muss und sich beim Sturz schwer verletzt. (Urteil Landgericht Coburg 11 o 320/02)

Stürzt eine Frau auf einem kombinierten Rad-/Fußweg mit ihren Inline-Skates wegen einer Bodenunebenheit, so kann sie die Kommune nicht belangen, weil sie sich bei ihrer „besonders gefahrenträchtigen“ Fortbewegungsart darauf hätte einstellen müssen. (Urteil Oberlandesgericht Koblenz 1 U 881/99)

InformationsDienst 5-2003

Wer eine für Fußgänger und Radfahrer ausgewiesene Baumallee mit Inline-Skates befährt, kann die Kommune nicht wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verantwortlich machen, wenn er wegen einer durch Baumwurzeln hervorgerufenen Bodenwelle stürzt und sich verletzt. Inline-Skater gehen freiwillig eine erhöhte Unfallgefahr ein. (Urteil Landgericht Trier 4 O 99/99)

i-Punkt 6-2003

Kindergeld

Wenn sich ein volljähriges Kind in einer Ausbildung befindet und den Eltern dadurch Kosten entstehen, muss Kindergeld gezahlt werden, egal welcher Beruf erlernt wird. (Urteil Finanzgericht Rheinland-Pfalz 4 K 2257/01)

i-Punkt 10-2003

Eingriff in die Persönlichkeitsrechte bei Minderjährigen

Das Landgericht Bremen hatte sich damit zu beschäftigen, dass von einer Minderjährigen Daten abgefordert sind. Diese musste, wenn man auf der Seite weiterkommen wollte, ihre Einwilligung zur Speicherung personenbezogener Daten abgeben. Diese Forderung verstößt bei Minderjährigen gegen den §§ 104 ff. BGB in Verbindung mit § 9 Abs. 2 Nr. 1 Gesetz zur Regelung des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Es handelt sich um einen erheblichen Eingriff in die Persönlichkeitsrechte des Nutzers, die, da sie minderjährig war, diesen Eingriff nicht überschauen konnte. (Landgericht Bremen 1 O 2275/00)

i-Punkt 12-2003

Produkthaftung

Verletzt sich ein vierjähriger Junge am Heiligen Abend beim Spielen mit seinen neuen Bauklötzen durch einen scharfen Splitter, muss der Hersteller nicht nur die Bauklötze umtauschen, sondern auch die Arztkosten voll bezahlen. Grundsätzlich gilt: Kommt es bei normaler Anwendung eines Produktes zu einer Verletzung, haftet der Verletzte nie selbst. (Urteil Bundesgerichtshof VI ZR 192/98)

InformationsDienst 1-2003

Reitunfall

ein Urteil, das für Einrichtungen mit Pferdehaltung von Interesse sein könnte

Wer ein fremdes Pferd geritten hat, kann Schmerzensgeld bekommen, wenn sie/er beweisen kann, dass das Pferd – unverschuldet von der Reiterin/vom Reiter – „durchgegangen“ ist. Zu dieser Auffassung gelangte das Oberlandesgericht Karlsruhe. Im verhandelten Fall war eine Frau mit neunjähriger Reiterfahrung in der Reithalle von einem Schulpferd gefallen und hatte sich dabei mehrere Wirbel gebrochen. Sie gab an, das Pferd habe gebuckelt und sei ohne ihr Verschulden „durchgegangen“. Die Halterin des Pferdes war anderer Auffassung. Sie habe beobachtet, wie die Reiterin beim Ausgaloppieren einen Steigbügel und dadurch das Gleichgewicht verloren habe. Deshalb sei sie vom Pferd gestürzt. Dieser Sichtweise folgten die Richter des Oberlandesgerichtes. Sie betonten, die Reiterin müsse beweisen, dass das Pferd durchgegangen sei. Diesen Nachweis habe sie nicht erbringen können. KeineR der umherstehenden ZeugInnen habe ein „Durchgehen“ beobachtet. Vielmehr sei es tatsächlich so gewesen, wie die Pferdebesitzerin angab. Folge: Kein Schmerzensgeld und kein Schadenersatz. Die Verletzte hat den Schaden selbst zu tragen. (OLG Karlruhe – 7 U 172/01)

i-Punkt 12-2003

Schulhof als Spielplatz

Die Anwohner einer Schule können sich nicht dagegen wehren, dass der Schulhof von der Stadt auch außerhalb der Unterrichtszeiten für Ballspiele freigegeben wird, da Kinderlärm tagsüber grundsätzlich zu dulden ist. (Verwaltungsgericht Koblenz 1 K 1074/03)

i-Punkt 5-2004

Kein Sorgerecht bei Gewalt

Ein gewalttätiger Mann, der seine Frau erheblich misshandelt hat, kann nicht das Mitsorgerecht fürs gemeinsame Kind einklagen. Das Bundesverfassungsgericht hat so im Fall einer Frau entschieden, die sich das Sorgerecht mit ihrem verurteilten Ex-Mann teilen sollte. (Bundesverfassungsgericht 1 BvR 1140/03)

i-Punkt 2-2004

Sportplatz als Nachbar

Zwar können Nachbarn eines Sportplatzes Vorkehrungen vom Betreiber der Sportstätte verlangen, dass keine Bälle auf das Grundstück fliegen. Ein Grundstückseigentümer darf jedoch keinen „NATO-Stacheldraht“ (in diesem Fall rund vier Meter) ausbreiten, um beispielsweise Kinder davon abzuhalten, irregeleitete Bälle zurückzuholen. (Verwaltungsgericht Minden 11 L 603/03)

i-Punkt 5-2004

 Lernen von Fairness im Spiel gehört zu den Aufgaben eines Sportvereins

Bei Anschlussmaßnahmen gegenüber Jugendlichen ist zu berücksichtigen, dass es zu den Aufgaben eines Sportvereins gehört, jugendliche Mitglieder an sportliches ?Fairplay? heranzuführen und damit zu deren Charakterbildung wesentlich beizutragen. Ein Ausschluss ist daher nur bei ?besonders gravierendem Fehlverhalten des Jugendlichen zulässig. (Amtsgericht Germersheim 2 C 866/90)

i-Punkt 7-2004

Steuerformulare

Steuerformulare müssen auch Laien verstehen können. Deshalb hat auch das Finanzamt einen Steuerbescheid nachträglich wieder zu ändern, wenn der Steuerzahler mangels Fachkenntnis falsche Angaben gemacht hat. (Urteil Finanzgericht Köln 8 K 9148/98)

i-Punkt 10-2003

Unfall auf einer Rodelpiste

Schuld lässt sich nicht immer auf andere abwälzen. Diese Erfahrung musste ein Mann machen, der durch einen Unfall beim Rodeln verletzt worden war. Mit seinen Enkeln hatte der Großvater sich auf einem Rodelhang vergnügt. Irgendwann legte er eine Pause ein. Plötzlich kamen zwei vierjährige Zwillinge auf ihrem Schlitten herangebraust, die mit ihm zusammenstießen. Prompt klagte der Mann gegen die Eltern: Sie hätten ihre Aufsichtspflicht verletzt. Schadenersatz wollte er. Das sah das Landgericht Stuttgart nicht ein: Denn Vierjährige sind laut Urteil „durchaus in der Lage“, allein einen nicht sonderlich gefährlichen Rodelhang zu meistern. Der Großvater hätte selbst aufpassen müssen. (Landgericht Stuttgart 16 S 12/02) (WAZ vom 6. Januar 2004)

i-Punkt 2-2004

Zahlungsverantwortung von Kindern: Vereinsbeiträge

Allein dadurch, dass Eltern, deren minderjähriges Kind einem Angelverein beitritt, auf das Aufnahmeformular zusätzlich ihre Unterschrift setzen, sind sie nicht verpflichtet, Beitragsrückstände ihres Kindes zu begleichen. Anderes gilt nur, wenn die Zahlungsverantwortung aus dem Formular ?deutlich? hervorgeht. (Oberlandesgericht Hamm 15 W 195/99)

i-Punkt 7-2004

Vereinsrecht: Dienstleistungen als Vereinsbeitrag

Ein Verein kann in seiner Satzung Dienstleistungen als Mitgliedsbeitrag vorsehen. Vereinsrechtliche Arbeitspflichten dürfen aber nicht zwingende arbeitsrechtliche Schutzbestimmungen umgehen. (Urteil Bundesarbeitsgericht 5 AZB 19/01)

InformationsDienst 1-2003

Verkehrssicherungspflicht: Eis auf dem Gehweg

Wer außerhalb einer geschlossenen Ortschaft aufgrund eines vereisten Gehwegs stürzt, hat Pech gehabt. Denn die übliche Streupflicht von Grundstückeigentümern, Städten oder Gemeinden gilt hier nicht. (Urteil Oberlandesgericht Jena 3 U 565/98)

Wer um sechs Uhr morgens auf einem Gehweg wegen Eis und Schnee stürzt, kann den Hauseigentümer nicht belangen. Begründung: Die Streupflicht gilt erst ab sieben Uhr. (Urteil Oberlandesgericht Düsseldorf 24 U 143/99)

InformationsDienst 1-2003

Verkehrssicherungspflicht: Fahrradfahrer müssen auf Unebenheiten selber achten

Stürzt ein Rennfahrer mit dem Fahrrad, weil er durch ein drei Zentimeter tiefes Schlagloch gefahren ist, kann er von der Kommune keinen Schadenersatz wegen Verletzung der Verkehrssicherungspflicht verlangen. Er muss nämlich auf solche geringfügigen Unebenheiten im Boden achten und sein Tempo entsprechend anpassen. (Oberlandesgericht Braunschweig 3 U 47/02)

i-Punkt 6-2004

Verkehrssicherungspflicht: Verkehrsunsichere Radwege

Radfahrer sind nicht dazu verpflichtet, einen offiziellen Radweg zu benutzen, wenn dieser nicht verkehrssicher ist. In diesem Fall war er zu schmal, mit Werbetafeln zugestellt und zugewachsen. (Verwaltungsgericht Berlin 27 A 241/01)

i-Punkt 6-2004

Weitere Urteile werden regelmäßig im i-Punkt veröffentlicht.

NAGEL-Redaktion – Gerichtsurteile Read More »

NAGEL-Redaktion – Kindheit


Foto: Rainer Deimel

Aktuell

Deutsches Komitee für UNICEF: Zur Lage der Kinder in Deutschland 2011/2012 – Bericht „Starke Eltern – starke Kinder. Kindliches Wohlbefinden und gesellschaftliche Teilhabe.“ AutorInnen: Hans Bertram, Steffen Kohl und Wiebke Rösler (Humboldt-Universität zu Berlin) – Veröffentlicht: 16. Dezember 2011 -> Herunterladen

UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland 2011/2012: „Starke Eltern – starke Kinder“ – Kindliches Wohlbefinden und gesellschaftliche Teilhabe (Zusammenfassung zentraler Ergebnisse) (Veröffentlicht: 16. Dezember 2011 -> Herunterladen

UNICEF-Bericht zur Lage der Kinder in Deutschland – Gesamtübersicht der deutschen Bundesländer „Kindliches Wohlbefinden“ -> Herunterladen

Beiträge

Kinderarmut in einem reichen Land

Von Prof. Dr. Christoph Butterwegge

Obwohl die Kinder hierzulande seit geraumer Zeit zu den Hauptbetroffenen von Armut gehören, wird diese in der Öffentlichkeit noch immer kaum wahr- und ernstgenommen, weil unser Armutsbild von absoluter Not und Elend in der sog. Dritten Welt geprägt ist, was viele BürgerInnen daran hindert, vergleichbare Erscheinungen „vor der eigenen Haustür“ zu erkennen bzw. als gesellschaftliches Problem anzuerkennen (vgl. hierzu: Butterwegge 2009). Dabei kann Armut in einem reichen Land sogar beschämender, bedrückender und bedrängender sein, weil vor allem Kinder und Jugendliche in einer Konsumgesellschaft massivem Druck von Seiten der Werbeindustrie wie auch ihrer Peergroup ausgeliefert sind, durch das Tragen teurer Markenkleidung oder den Besitz immer neuer, möglichst hochwertiger Konsumgüter „mitzuhalten“.

Anmerkung: Den Beitrag von Prof. Dr. Christoph Butterwegge haben wir dem FORUM FÜR KINDER- UND JUGENDARBEIT 3. Quartal, September 2010, entnommen (Hrsg.: Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg). Wir danken dem Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg für die freundliche Genehmigung, den Beitrag verwenden zu dürfen.

Mehr lesen

Kinderarmut

Beilage „Aus Politik und Zeitgeschichte“ 26 (vom 26. Juni 2006) der Wochenzeitung „Das Parlament“. 
Inhalt
Gerda Holz: Lebenslagen und Chancen von Kindern in Deutschland
Olaf Groh-Samberg/Matthias Grundmann: Soziale Ungleichheit im Kindes- und Jugendalter
Michael/Marcus Tamm: Kinderarmut in reichen Ländern
Carolin Reißlandt/Gerd Nollmann: Kinderarmut im Stadtteil: Intervention und Prävention
Christoph Butterwegge: Wege aus der Kinderarmut
Herunterladen

Kinderarmut und Generationengerechtigkeit

Ein Beitrag von Prof. Dr. Christoph Buggerwegge und Michael Klundt (Universität zu Köln, 2003)

Dem Familienhandbuch ist dieser Beitrag, der mehrfach im Netz zu finden ist, entnommen. Wir haben ihn hier ebenfalls für Interessierte zu Weiterbildungs- und Infomationszwecken eingestellt. In der Einleitung heißt es: „Immer mehr Minderjährige in der Bundesrepublik wachsen in Armut auf. Da Kinder und Jugendliche mittlerweile diejenige Altersgruppe bilden, die am häufigsten und stärksten davon betroffen ist, sprechen Sozialwissenschaftler/innen seit einigen Jahren von einer sog. Infantilisierung der Armut. In absoluten Zahlen liegt die Anzahl der Kinder und Jugendlichen unter 15 Jahren, die in der Bundesrepublik in Armut leben, bei etwa 2,8 Millionen. Somit wächst jedes fünfte Kind bzw. jeder fünfte Jugendliche im Alter bis zu 15 Jahren in (Einkommens-)Armut auf. Diese Problematik kann zu psychosozialen Belastungen bei den Kindern führen
und unter Umständen einen Ausschluss aus vielen sozialen und kulturellen Lebensbereichen nach sich ziehen. Damit ist die Chancengleichheit der Betroffenen nachhaltig beeinträchtigt.“ 
Der Beitrag gliedert sich in folgende Kapitel:
1. Gesundheitliche und psychosoziale Folgend von Kinderarmut
2. Arme Junge, reiche Alte?
3. Ursachen und Struktur von (Kinder-)Armut
4. Fetischisierung von Familie und Kindern: ein Instrument zur Durchsetzung unsozialer Politik
Beitrag herunterladen

NAGEL-Redaktion – Kindheit Read More »

NAGEL-Redaktion – Generationen

Foto: R. Deimel

Demografischer Wandel: Handeln statt klagen

Der demografische Wandel wird oft als Katastrophe beschrieben: zu wenig Kinder, zu viele Rentner, kollabierende Sozialsysteme. Doch die befürchteten Probleme lassen sich verhindern, wenn die Generationen in einen Dialog treten. 

Ein Beitrag von Birgit Taffertshofer (Deutsches Jugendinstitut)

Eine Schreckenszahl geistert durch Deutschland. Sie dominiert alle Rentendebatten und lautet schlicht: Im Jahre 2050 wird ein Beschäftigter fast alleine für einen Rentner aufkommen müssen. Das regt düstere Fantasien an. Die Jüngeren sehen es schon voraus: Während sich heute muntere Rentner und Pensionäre auf einem Kreuzfahrtschiff vor Teneriffa sonnen, werden sie selbst im Alter in Armut leben, da ihre Nachkommen die wachsende Rentenlast nicht mehr schultern können. Da kommen Neid und Angst auf. Aber sieht der deutsche Alltag in 40 Jahren wirklich so lebensfeindlich aus? Bevölkern das Land lauter verelendete Greise? Deutschland 2050 – eine bankrotte Alten-Republik? 

Richtig ist: Deutschland altert – wie die meisten anderen europäischen Länder auch. Immer weniger Junge müssen für immer mehr Alte sorgen. Gleichzeitig wächst die soziale Ungleichheit in der gesamten Bevölkerung. Diese Entwicklungen werden, wenn man die Hände in den Schoß legt und schicksalsergeben abwartet, nicht nur die Sozialsysteme erschüttern. Sie haben auch gravierende Folgen für den Arbeitsmarkt, für Struktur- und Städteplanung, für Konsum und Kultur. 

Manche befürchten deshalb einen Kampf zwischen den Generationen. Auch die EU-Kommission warnt in dem neu erschienenen „Alterungsbericht 2009“ davor, dass die Wirtschaftskrise das Problem der alternden Bevölkerung in Europa drastisch verschärft. Nur tief greifende Veränderungen könnten das Aushöhlen der Solidarität zwischen Alt und Jung und den massiven Druck auf künftige Generationen vermeiden. 

Ein solcher Verteilungskrieg wurde schon oft beschworen, ausgebrochen ist er noch nie. Dennoch: Der Konfliktstoff nimmt zu. Momentan zahlt die Generation der Babyboomer, die in den sechziger Jahren geborenen geburtenstarken Jahrgänge, noch in das Rentensystem ein. So viel Geld wie jetzt wird die Rentenversicherung so schnell nicht wieder haben. Zudem werden die künftigen Ruheständler andere Probleme als ihre Vorgänger plagen, auch weil viele mehrfach unterbrochene Erwerbsbiografien haben werden. 

Rentenerhöhung? Wie ungerecht! 

Die Politik kann eine verbreitete Altersarmut aber verhindern. Tatsächlich sind an den Problemen des Sozialversicherungssystems ja nicht die vielen alten Menschen schuld, sondern hauptsächlich die beträchtlichen Steuer- und Beitragsausfälle aufgrund hoher Erwerbslosigkeit. Eine verantwortliche Politik muss gerade angesichts der geburtenschwachen Jahrgänge dafür sorgen, dass es weniger Arbeitslosigkeit gibt, die Erwerbstätigkeit der Frauen zunimmt, qualifizierte Fachkräfte zuwandern und die Älteren länger arbeiten. Die über 60-Jährigen sind ein Potenzial, das bisher nicht ausgeschöpft wird. Im August 2008 hatte nur etwa jeder Vierte im Alter zwischen 58 und 63 Jahren einen regulären Arbeitsplatz. In der Altersgruppe darüber sank die Quote sogar auf 7,4 Prozent. Menschen massenweise in die Frührente zu entlassen, wird sich künftig aber kein Staat mehr leisten können. Die Phase des Alters wird noch immer in eintönigen Farben ausgemalt, dabei wird sie immer länger und differenzierter. Längst gibt es Menschen, die sich nicht mehr einfach aufgrund ihres Geburtsdatums ausmustern lassen wollen. 

Die Regierungen müssen Gesetze gleichzeitig für heute und morgen formulieren, um Alten, Jungen und künftigen Generationen möglichst gerecht zu werden. Das ist ein schwieriger Balanceakt. Denn sowohl Rentner als auch Arbeitnehmer blicken oft nur auf ihre eigenen Interessen, wie auch die zurückliegenden Debatten in Deutschland zeigen: Rentenerhöhung trotz der schwersten Rezession in der Nachkriegszeit? Wie ungerecht! Mehr Kindergeld für Familien? Gerecht, unbedingt! Studiengebühren? Ungerecht, klar doch! Stets aber lässt sich auch das Gegenteil behaupten. 
Neue Altersstruktur, neue Geldströme 

Statt darüber zu diskutieren, wie ältere Menschen innovativ bleiben, missbrauchen Politiker und Lobbyisten die angebliche Vergreisung der Gesellschaft allzu oft, um die Älteren gegen die Jüngeren auszuspielen – und umgekehrt. Statt zu klären, wie sich Beruf und Familie besser vereinbaren lassen, wird allzu oft über Sozialkürzungen fabuliert. Statt sicherzustellen, dass Kinder und Jugendliche eine Ausbildung erhalten, die Chancenungleichheiten möglichst früh ausgleicht, wird allzu oft über Generationengerechtigkeit lamentiert. 

Nein, der demografische Wandel allein stellt keine Gefahr für die Gesellschaft dar, gefährlich ist nur, ihn zu ignorieren. Das Solidaritätsprinzip ist nicht am Ende. Es braucht aber neue Strukturen und andere Geldströme. Und es braucht den Dialog der Generationen, um die richtigen Antworten auf die gesellschaftlichen Herausforderungen zu finden. Wie sagte bereits Perikles, führender Staatsmann der griechischen Antike: „Es kommt nicht darauf an, die Zukunft vorauszusagen, sondern auf sie vorbereitet zu sein.“

Anmerkung des DJI und der NAGEL-Redaktion: Die Wissenschaftler des Deutschen Jugendinstituts (DJI) wollen im „DJI Bulletin“ 2/2009 (Heft 86) gemeinsam mit renommierten Gastautoren aufräumen mit Vorurteilen und Halbwahrheiten, die nur Ängste schüren. Sie zeigen auf, wie vielseitig und zugleich widersprüchlich die Beziehungen zwischen Erwachsenen und Kindern, Lehrern und Schülern, Rentnern und Jugendlichen, Großeltern und Enkeln sind. Und sie suchen nach Orten, an denen sich die verschiedenen Generationen auch außerhalb der Familie begegnen können, um sich auszutauschen, voneinander zu lernen und sich gegenseitig zu unterstützen. Das Heft kann im Netz des ABA Fachverbandes aus dem Verzeichnis „NAGEL-Redaktion“ -> „DJI Bulletin“ heruntergeladen werden. Empfohlen sei ferner ein Besuch im Netz des Deutschen Jugendinstituts.

Veröffentlicht im „DJI Bulletin“ 2/2009 und als Kolumne im i-Punkt 9/2009. Der Verwendung durch den ABA Fachverband erfolgte mit freundlicher Genehmigung von Birgit Taffertshofer.

Hier werden Sie nach und nach weitere Beiträge zum Thema Generationen/Demographie finden.

Weitere Beiträge zum Thema finden Sie auch auf unserer Seite Kindheit im Verzeichnis NAGEL-Redaktion.

NAGEL-Redaktion – Generationen Read More »

Mitglied werden

ABA-Mitglieder begreifen sich als Solidargemeinschaft. Sie setzen sich in besonderer Weise für die Belange der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein.

Mehr …

Aktuelle Projekte

Was macht der ABA Fachverband eigentlich? Hier stehts´s! Besuchen Sie die derzeitigen ABA-Baustellen.

Mehr …

Der i-Punkt Informationsdienst: handverlesene Infos aus der ABA-Welt, regelmäßig und kostenlos, direkt in Ihr Postfach.
Hinweis: Ihre E-Mail Adresse wird gespeichert und verarbeitet, damit wir Ihnen eine Bestätigungsmail schicken können. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Nach oben scrollen