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NAGEL-Redaktion – April 2005: Sport- und Jugendclub Hövelriege

Der Fußballverein Sport- und Jugendclub Hövelriege e. V. ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung des Sports (vorwiegend Fußball: 10 Kinder- und Jugend- und 6 Seniorenmannschaften, 1 Volleyballmannschaft und 3 Tanzgruppen) sowie zur Förderung der Jugend- und Altenhilfe (Abenteuerspielplatz, Kinder- und Jugendfreizeiten, Soziale Trainingskurse, Flexible Erziehungshilfe). Der SJC ist korporatives Mitglied der Arbeiterwohlfahrt (AWO), Kreisverband Gütersloh sowie des ABA Fachverbandes Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen e.V. Eng mit dem Fußballclub verbunden arbeitet seit 13 Jahren der Verein „Jugendwohnheim Hövelriege e. V.“, der ein eigenes, familienorientiertes Heimerziehungsmodell entwickelt hat und 17 Kinder und Jugendliche in 5 Familiengruppen betreut. Das Jugendwohnheim Hövelriege unterhält in enger Kooperation mit dem Sportverein eine Auto- , eine Holz- und eine Kunstwerkstatt. In der Holzwerkstatt bildet ein Tischlermeister mittlerweile den ersten Lehrling aus und in der Kunstwerkstatt arbeitet halbtags eine Kunsttherapeutin.

Anliegen

In seiner Vereinssatzung hat der Sportverein unter „§ 2 Vereinszweck“ neben der Sportförderung ausdrücklich eine soziale und pädagogische Ausrichtung festgeschrieben: „Zweck des Vereins ist die sportliche Betätigung seiner Mitglieder und eine Jugendarbeit, die die Mitglieder befähigt, sich kritisch und selbstbewusst mit ihrer Umwelt auseinanderzusetzen. Die Fähigkeiten des Einzelnen, seine Bereitschaft zur Hilfestellung und die Verständigung der Mitglieder untereinander sollen gefördert werden.“

Ein besonderes Anliegen ist dem Verein, neue Formen sozialen Lernens zu entwickeln. Er versteht darunter mindestens zweierlei:

1. das Soziale lernen und

2. im sozialen Zusammenhang lernen.

Das Soziale Lernen bedeutet eine „neue Aufmerksamkeit“ für die Belange des täglichen Lebens, und im sozialen Zusammenhang lernen bedeutet, aus dem Zusammenhang von Lebensabschnitten und lebendigen Beschäftigungen das Mögliche und Beste machen, da, wo es sich anbietet. Das Beste und Mögliche machen, da, wo es sich anbietet! Hier hat der Sportverein mit unendlicher Geduld für die Kleinigkeiten am Rande und mit konsequentem Weiterverfolgen des einmal eingeschlagenen Weges in 30 Jahren ein anderes Vereinsleben, eine andere „Alltagskultur“ geschaffen, in dem das Lernen der erste Zweck aller produktiven Tätigkeit ist. So wurde aus einer Weihnachtfeier eine Weihnachtswoche, aus Pokalen bei den Vereins-Fußballturnieren Gutscheine oder Freikarten für Theater- oder Museumsbesuche, aus dem normalen Trainingsbetrieb eine Fußballschule und ein Sporthotel, aus Kinder- und Jugendfahrten ein internationales Begegnungszentrum in Griechenland und aus einem Blumenbeet im Vorgarten ein künstlerisch gestaltetes Sport- und Waldgelände (der Erfahrungspark).

Kontakt: Sport- und Jugendclub Hövelriege e. V., Alte Poststraße 113, 33161 Hövelhof, NRW, Kreis Paderborn
Telefon: +49 (0)5257-5693, Fax: 05207-923120

Vereinskennziffer 4606003 LSB, Amtsregister 0133 Amtsgericht Delbrück
Freistellungsbescheid: 13.11.2002 FA PB
Der Verein wurde 1973 gegründet und hat 450 Mitglieder.

Der ABA Fachverband vergibt für die Aktivitäten des Vereins SJC Hövelriege die Höchstanzahl von fünf Sternen (*****). Ein Besuch in Hövelhof kann äußerst lehrreich sein. [1]

April 2005

Nachtrag September 2006

Für den Erfahrungspark Hövelriege ist ein neues Kunstprojekt mit dem Namen „Drachen aus Holz und Plexiglas“ in Arbeit. Eine Jugendfußballmannschaft und eine bekannte Künstlerin bauen 10 bis 15 Drachen aus Holz und Plexiglas, die anschließend nach einem ästhetischen Plan in der „oberen Etage“ des Waldgeländes montiert werden sollen. Der SJC Hövelriege sucht zur Realisierung nach Mäzäne und Sponsoren. Interessierte können sich hier ein Beteiligungformular herunterladen. Der ABA Fachverband empfiehlt eine Unterstützung der vorbildlichen Arbeit des Vereins ausdrücklich.

Nachtrag Dezember 2010


Foto: SJC Hövelriege

In den letzten Jahren hat sich in Hövelriege traditionsgemäß eine Menge getan. Hätte der Verein nicht bereits 2005 bei Aufnahme in diese Rubrik fünf Sterne bekommen, wäre diese Höchstzahl jetzt auf jeden Fall fällig. Der SJC Hövelriege hat uns in diesem Jahr erneut überzeugendes Material zur Verfügung gestellt. Das wollen wir Interessierten nicht vorenthalten und haben uns dazu entschlossen, hier weitere Seite anzuhängen. Viel Spaß beim Stöbern, hilfreiche Erkenntnisse und hoffentlich animierende Inspirationen für die eigene Arbeit! Um auf die Seiten zu gelangen, bitte das Löwentor-Foto anklicken: Hereinspaziert!

Nachtrag 2012

Wir leben vom Judentum und vom Griechentum – „Seit ein Gespräch wir sind …“ (Hölderlin)

Wie die Kinder- und Jugendarbeit in Bezug auf Bildung und Lernen verortet werden kann

Veröffentlicht wird hier eine Position des SJC Hövelriege, Ausführungen, die auch für Schule relevant sein könnten/sollten. Unter anderem heißt es in dem Beitrag von Prof. Willy Bretschneider: „Schulen könnten wieder Orte revolutionierender Gedanken werden, wenn sie nicht nur traditionelle Stoffe vermitteln, sondern mehr noch die Vermittlung der Stoffe mit den Schülern bedenken; schärfer formuliert heißt das, wenn das Lernen der Stoffe selber Gegenstand des Lernens als Fragen und Forschen mit den Schülern ist. Das Lernen und nicht nur der Stoff muss der Gegenstand der Aufmerksamkeit von Lehrern und Schülern in der Schule sein, wenn die Schulen sich öffnen sollen für den politischen Raum. Die Schüler können sich mit und ohne den Lehrer durch eigenes Arbeiten die Fragen stellen, die der Lehrer sonst während der Vorbereitung auf den Unterricht als Anknüpfungsmöglichkeit bei den Schülern vermutet. Warum sollen die Schüler nicht die Fragen an die Stoffe stellen, die ihrer eigenen Aufnahmebereitschaft entsprechen? Warum sollen sie nicht die Fragen stellen dürfen, die den Stoff infrage stellen: Was hab ich davon, wenn ich das lerne? Was hat der Stoff mit dem, was ich schon weiß, zu tun? Wie kann ich es schaffen, dass ich den Stoff verstehe und ihn besser behalte? Wenn das, was gelernt werden soll, lernenswert ist, fallen die Antworten schon richtig aus. Schüler sollten fragen dürfen mit der Konsequenz, dass der Zeitpunkt, die Reihenfolge und auch die Priorität der Stoffauswahl ihren Antworten anheimgestellt ist.“

Die Seite ist mit eindrucksvollen Fotos aus der Arbeit des Sport- und Jugendclubs Hövelriege versehen. -> Zur Seite

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NAGEL-Redaktion – Spielplatz Finkenweg, Bonn: Handwerk fördert Jugend


Foto: Jugendfarm Bonn

Der betreute Spielplatz Finkenweg ist seit seinem Bestehen Mitglied im ABA Fachverband und befindet sich in Trägerschaft des Vereins Jugendfarm Bonn e.V. Nachfolgend wird ein nachahmenswertes Projekt dokumentiert, das gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft Bonn • Rhein-Sieg durchgeführt wurde.


Foto: Jugendfarm Bonn

Handwerk fördert Jugend: Der langersehnte Umbruch

Alte Bahnwaggons mit Holzöfen als Heizung haben ihren Charme – auch noch nach acht Jahren intensivster Nutzung unter jeder Wetterbedingung. Dennoch reicht dies leider langfristig bei weitem nicht aus, um ein nachhaltiges und adäquates pädagogisches Angebot als offener Jugendtreff für den sehr hohen Bedarf zu stellen. Der Jugendtreff des Spielplatzes Finkenweg hat daher in einem beispielhaften Projekt seinen Treff um ein festes Gebäude erweitert.


Foto: Jugendfarm Bonn

Abdallah und Denis kuscheln sich in ihre Jacken und halten ihren heißen, süßen Apfeltee ganz nah – es ist nämlich besonders kalt heute im Jugendtreff. Besser gesagt, im Bahnwaggon. Der Offene Treff des Spielplatzes Finkenweg in Bonn-Holzlar besteht nämlich seit seiner Gründung im Jahre 2001 aus zwei alten, gespendeten Bahnwaggons. Diese dienen seither als Offener Jugendtreff, der hier entstanden ist, um dem dringenden Bedarf entsprechen zu können.

In den Jahren hat sich dort so einiges getan, und viele Besucherhände haben ihren Treff gestaltet und erweitert – so kamen Wege und Beete, Gartengestaltung und eine Werkstatt, zuletzt eine Beach-Area und Basketballfeld dazu. Im Sommer wird immer intensiv der Außenbereich genutzt, im Winter rücken alle näher zusammen, um die Wärme zu halten. Die Waggons werden mit einfachen Holzöfen geheizt – um den Holzbestand kümmern sich die Jugendlichen natürlich auch. Fließendes Wasser gibt es nicht, das wird vom 400 Meter weiter vorne gelegenen Kindertreff geholt, dort werden auch bei Bedarf die Toiletten genutzt.

Die Besucherinnen und Besucher des Treffs haben zu 80 Prozent Migrationshintergrund. Sie wohnen meist in der näheren Umgebung und den umliegenden Stadtteilen – der Treff ist absichtlich mitten im bevölkerungsreichen Stadtteil Holzlar an einem allgemeinen Platz angesiedelt und der einzige Anlaufpunkt mit Angeboten für die Jugendlichen. Delinquenz, Gewalt und Cliquenrivalitäten sind für die Jugendlichen Alltag, neben Zukunftsängsten, Lethargie und Schulmüdigkeit sowie der Dauerberieselung verschiedenster neuen Medien bewegen sie sich in ihren eingeschworenen Gruppierungen, in der Sicherheit des ihnen Vertrauten.

Verantwortung übernehmen und Gestaltungsmöglichkeiten durch Selbstbestimmung 

Jugendliche haben ein Recht auf Raum und Platz, in dem sie ihre Freizeit ausleben können und sich – sowohl in der Gruppe als auch individuell – geschützt und bei Bedarf angeleitet entwickeln und entfalten dürfen. Der Jugendtreff ist nach den Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher ausgerichtet – das Programm wird nach ihren Wünschen und Ideen gestaltet und mit ihnen zusammen durchgeführt.


Foto: Jugendfarm Bonn

Der Offene Treff baut auf erlebnis-, natur-, bewegungs- und freizeitpädagogischen Ansätzen. Gerade die Bahnwaggons und eben auch die Tatsache, dass die Bedingungen in ihnen jahrelang mangelhaft waren, haben doch auch ihren Charme und sind wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit. In einer Welt, in der die Jugendlichen (ob sie nun wirklich wollen oder nicht) sich dauerhaft mit verschiedensten neuen Medien auseinander setzen müssen, sich ihnen anpassen, von ihnen berieselt und beherrscht werden, stellt der Jugendtreff einen ruhigen Ort dar, der in starkem Kontrast zu dieser Welt steht. Hier wird auf Natur sowie auf ein ehrliches, offenes und respektvolles Miteinander gebaut, in der einer auf den anderen achtet.

All diese sinnvollen und guten Vorsätze, Konzepte und alltägliche Praktiken können aber sehr erschwert werden – so vor allem durch chronische räumliche Enge, fehlende räumliche Alternativen, die je nach pädagogischem Bedarf genutzt werden könnten. Auch die Jugendlichen selbst bemerkten die Mängel –  nicht der marode Zustand der Waggons selbst war ihnen ein Dorn im Auge – sie äußerten vielmehr das Bedürfnis nach mehr Platz, um mehr schaffen, initiieren und gemeinsam erreichen zu können. 

Handwerk fördert Jugend – Jugend fordert Handwerk!

Im Sommer 2008 schrieb die Kreishandwerkerschaft einen Wettbewerb aus: „Handwerk fördert Jugend“. Im Rahmen dieses Projektes sollte gemeinsam mit Jugendlichen etwas erbaut, saniert, erweitert werden, eingebettet in Nachwuchsförderung für die beteiligten Innungen. Der Bereich „Offene Arbeit Spielplatz Finkenweg“ der Jugendfarm Bonn e.V. sah seine einmalige Chance und bewarb sich – aber direkt auch mit einer eigenen Rückforderung: Jugend fordert Handwerk!


Foto: Jugendfarm Bonn

Mit diesem Konzept, das nicht nur die Sanierung unserer inzwischen maroden, vollkommen überholten und lange nicht mehr dem Bedarf und der Nachfrage entsprechenden Waggons vorsah, sondern vor allem auch die Verknüpfung mit einer Berufsförderung der Besucherinnen und Besucher vorsah, stachen wir heraus. Im Laufe der Bewerbungsphase kristallisierte sich heraus, dass sich eine Sanierung allein nicht lohne – eine Erweiterung der Räumlichkeiten musste notwenig hinzugefügt werden. Der ursprüngliche Antrag wurde dementsprechend verändert und angepasst.


Foto: Jugendfarm Bonn

Am Ende überzeugte das Konzept, das mit den ungewöhnlichen örtlichen und baulichen Begebenheiten durchaus auch für die Handwerkerinnungen eine Herausforderung darstellte, und der gesamte Bereich Offene Arbeit Spielplatz Finkenweg jubelte im Herbst 2008, als die Nachricht kam, dass die Ausschreibung mit 100.000 Euro in Sach- und Dienstleistungen gewonnen worden war – ohne die Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft wäre das gemeinsame Projekt aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen nicht durchführbar gewesen. Wie damals schon im Anschreiben so schön formuliert wurde: „Der Spielplatz Finkenweg möchte die Träume der Jugendlichen wahrmachen!“

Folgend sind auszugweise die pädagogischen Ziele des Projektes, welche im Mittelpunkt stehen, dargestellt:

•    Unterstützung bei der Entwicklung einer selbstbewussten Identität
•    Förderung der Verständigung zwischen Jugendlichen unterschiedlicher kultureller Hintergründe
•    Verbesserung der sozialen Kompetenz
•    Initiierung und Begleitung von Gruppenprozessen zur Förderung von Kommunikationskultur, Solidarität, emotionaler Verbundenheit und Konfliktfähigkeit
•    Vertrauen auf eigene Gefühle 
•    Auseinandersetzung mit traditionellen Geschlechterrollen, Erweiterung des persönlichen Horizontes und Unterstützung von Chancengleichheit
•    Einblicke in unterschiedliche handwerkliche Berufsfelder
•    Praktische Erfahrungen im Handwerk, Freude am Handwerk
•    Kreative Gestaltung der Räumlichkeiten
•    Berufliche Perspektiven entwickeln
•    Öffentlichkeitsarbeit

 


Foto: Jugendfarm Bonn


Höhen und Tiefen – wie Theorie und Praxis aneinandergeraten

Nun ging es an die eigentliche Arbeit: mit den Jugendlichen gemeinsam begann im Januar 2009 die Planungsphase. Es gab vieles zu besprechen, denn schließlich waren auch etliche Innungen beteiligt – von Hoch- und Tiefbau über Elektrik, Kfz und vielen weiteren bis hin zu den Frisör-, Goldschmiede-, Fleischerei- und Informationstechnik-Innungen – alles war mit im Boot.

Gemeinsam wurde nicht nur erörtert, wie die Bauarbeiten selbst vor Ort ablaufen könnten, was alles ansteht und was für Vorstellungen, Wünsche und Möglichkeiten die Jugendlichen selbst haben; wichtig war auch die Arbeit „hinter den Kulissen“, allem voran der Bauantrag an die Stadt und der politische Prozess, der damit verbunden war, den Antrag bewilligt zu bekommen.


Foto: Jugendfarm Bonn

Ein wichtiger und langer Prozess war es vor allem auch im Hinblick auf den Naturschutz. Das neue Gebäude sollte auf einem Teilstück der großen Wiese des Geländes erbaut werden, die als Ausgleichsfläche dient. Hintergrund war hierbei nicht primär ein pädagogischer, sondern vielmehr einer dem Naturschutz verbundener – die optimale und sinnvolle Nutzung eines großen, weitgehend nicht gepflegten Geländes zu erreichen; durch die Erweiterung des Jugendtreffs konnte ein großes Stück sowohl der brachliegenden Wiese als auch des Naturstückes entlang des benachbarten Teiches für den Treff gewonnen werden. Diese offenen, frei zugänglichen Flächen wurden bisher zwar immer intensiv von Kindern, Jugendlichen und Familien in ihrer Freizeit genutzt, jedoch kaum gepflegt und gewartet.

Nunmehr können innerhalb des Treffs im Rahmen regelmäßigen Naturangebotes Büsche und Bäume, Grünflächen und Wege sinnvoll gepflegt und von vielen gemeinsam und im Einklang mit der Natur selbst genutzt werden. Mit den Jugendlichen gemeinsam kann man den Fragen nach der gerechten Nutzung von Natur und Umwelt, von ökologischem Gleichgewicht und Naturschutz nachgehen sowie die Antworten und Ideale hautnah und praktisch anwenden und ausleben.


Foto: Jugendfarm Bonn

Im Juli 2009 kam nach etlichen Gesprächen, Besichtigungen und Absprachen endlich die langersehnte Bewilligung des Bauantrages. Ab Herbst war der Spielplatz Finkenweg dann auch von vorne bis hinten Baustelle, und bis in den kalten Winter hinein wurde unter ungünstigsten Wetterbedingungen geschuftet. Und, wie es leider bei vielen Bauvorhaben so ist, kamen immer wieder unvorhergesehene Hürden in den Weg, deren man sich – meist mit erhöhten Kosten – annehmen und die man bewältigen musste.

Vor allem in den aktiven Bauphasen kamen dann die Tücken eines gemeinsamen Projektes von Jugendlichen und Handwerkern zum Vorschein – alleine das zeitliche Arrangieren gestaltete sich schwierig. Die Jugendlichen gingen vormittags zur Schule, die Handwerker begannen meist um 7 oder 8 Uhr morgens und beide Seiten trafen sich meist nur im Vorübergehen am frühen Nachmittag – die Jugendlichen beim Ankommen, die Handwerker auf dem Weg in den Feierabend.

So wurde der Schwerpunkt mit den Jugendlichen auf die Nachbearbeitung und Nachbesprechung der Bauarbeiten gelegt. Und Kontakte gab es dennoch zu Genüge, denn die Neugierde der Jugendlichen, gerade der Älteren, war groß – mitten in der Suche danach, wie ihre Zukunft aussehen soll, was sie interessieren könnte und wo sie Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten,  war dieses Projekt – wie erhofft – eine hilfreiche Stütze für sie.

So konnte z.B. auch Daniel konkreter werden: „Ich weiß, dass ich eine Ausbildung machen möchte und dass ich auch eine machen muss, um eine Zukunft zu haben. Ich wusste aber nicht wirklich, was das für eine Ausbildung sein sollte – Handwerker ist ja ein sehr allgemeiner Begriff. Nun kann ich mir etwas unter den verschiedenen Möglichkeiten vorstellen und gezielter um Praktikumsplätze und einen Ausbildungsplatz kümmern.“

Und was kommt als nächstes?

Am 22. Januar 2010 war es endlich soweit – das neue Gebäude, leider bisher nur innen fertig und außen herum noch umgeben von Baustelle, konnte eröffnet werden. Im Rahmen der deutschlandweiten Imagekampagne des deutschen Handwerks kamen zahlreiche Interessierte, unter ihnen auch der Kölner Regierungspräsident, Hans Peter Lindlar, der Schirmherr unseres Projektes.

Fertig ist jedoch noch lange nicht alles: Vor allem der Außenbereich benötigt noch einiges an Arbeit – jedoch sind dies Arbeiten, die mit den Jugendlichen wieder gemeinsam angegangen werden können. Von Plattenverlegung über Grünanlagenpflege bis zur Verschönerung der Außenwände durch einen Graffiti- und Künstlerworkshop, – alles Dinge, die die Jugendlichen ohne Probleme „drauf haben“. Denn schließlich sind genau dieses die Dinge, die schon seit Jahren gemeinsam im Jugendtreff gemacht werden und bei denen die BesucherInnen ihren Treff gestalten, sich selbst verewigen und den Treff für die nächsten Generationen vorbereiten können.

Alles in allem sind wir alle sehr stolz auf unseren Mut, dieses Projekt gemeinsam anzugehen. Die vielen Hochs und Tiefs haben keinen davon abgehalten, ehrgeizig die gesetzten Ziele zu verfolgen und erfolgreich, gestärkt und mit einigem an neuem Wissen daraus hervorzugehen. Und die nächsten Ideen, wie der Stadtteil und vor allem seine BewohnerInnen, Eltern, Kinder und Jugendliche unterstützt werden können, gären schon.

In den nächsten Monaten widmen wir uns dem „Feinschliff“, um Ende Mai mit unserem gemeinsamen Finkenweg-Sommerfest einen gebührenden Abschluss des Projektes zu gestalten. Gemeinsam mit den Handwerkerinnungen, der Kreishandwerkerschaft und der Politik wird es einen Handwerkermarkt geben, Spiel und Spaß für Groß und Klein, ein Fußballturnier und ein allgemeines fröhliches Fest für alle BesucherInnen, Familien und Freunde und den gesamten Stadtteil.

Weitere Informationen und Kontakt 

Autorin: Elisabeth Koppitz

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NAGEL-Redaktion – Großes Mini-Beuel, Filzblumen und jede Menge Freiraum

Kinder brauchen Platz. Sie brauchen Raum und Zeit zum Spielen und zum eigenen Handeln, und sie brauchen Erwachsene, die für sie diese Rechte einfordern und ihnen Räume bieten. Die erste Bonner Kinderstadt „Mini-Beuel“ ermöglichte rund 400 Kindern zwei Wochen lang im Juli 2009 genau dies.

Um aus dem Konzept zu zitieren: „Die Kinderstadt Mini-Beuel ist ein Kooperationsprojekt von Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen im Beueler Raum, der Kirche und der Stadt Bonn, ein Sommerferienangebot für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren, ein erlebnisorientiertes Planspiel, das die Partizipation der Kinder in den Mittelpunkt stellt, eine Spielstadt von Kindern und für Kinder, in der die alltäglichen Abläufe einer Stadt spielerisch erfahren und gelebt werden.“

Dies beschreibt sehr genau, worum es in Mini-Beuel, der „Stadt der Kinder“ des Bonner Stadtteils Beuel, eigentlich ging. Innerhalb des Stadtteilarbeitskreises Offener Türen, in dem sich die Leiter der Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen in regelmäßigen Abständen austauschen, entstand im Jahr 2007 der Wunsch, das Ferienprojekt „Kinderstadt“ nach Bonn zu holen, das ja in anderen Städten schon seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Zu diesem Zweck haben sich einige Träger zu einer Projektgruppe zusammengeschlossen, die den Wunsch hatte, sich der Herausforderung eines solch faszinierenden, innovativen und pädagogisch fundierten Projektes zu stellen. Nach rund zwei Jahren Vorbereitungszeit gelang es nun, in zwei Sommerferienwochen im Juli dieses Jahres eine erfolgreiche und spannende Kinderstadt durchzuführen.

Verantwortung, Selbstbestimmung und Demokratie

Hier regieren wir! Die Bürgerinnen und Bürger von Mini-Beuel waren selbstbestimmt. Den Kindern wurde nicht dazwischengefunkt, wenn es um ihre Stadt ging. Und sie bewiesen es allen mit erstaunlicher Schnelligkeit und Einfallsreichtum, wie kompetent Kinder wirklich sind, wenn sie die Möglichkeit und den Freiraum bekommen.

Schon ab dem ersten Tag ging das Konzept der Kinderstadt auf und bildete die Abläufe einer Stadt bestens ab. Von Wahlplakaten über Werbung einzelner Betriebe an Taxis bis hin zu alltäglichen Problemen wie Materialbesorgung für die Produktion und langen Schlangen bei der Arbeitsagentur: alles war „geboten“. Während der beiden Wochen verwandelten sich das Gelände der Bonner Jugendfarm und der gegenüberliegende und für die Kinderstadt eigens umzäunte städtische Bolzplatz mehr und mehr in eine Stadt mit Eigenleben. Die Kinder hatten Freiraum, um selbst zu denken und zu entwickeln, für Auseinandersetzungen mit Konflikten, für die selbstständige Erarbeitung eigener Kommunikationsprozesse und für eigenes Erfahren von Demokratie. Sie erlebten Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten und die Veränderbarkeit der letzteren durch das Erarbeiten von Regeln und Normen.

Einschränkungen sollte es nach Möglichkeit nicht geben. Voraussetzung waren Anmeldung am Morgen und Abmeldung am Abend. Betreut wurden die Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren von vorab geschulten Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren, die die Kinder in den insgesamt 55 Bereichen, „Betriebe“ genannt, unterstützten. Wichtig hierbei waren primär zwei Dinge: Kinder in ihrem eigenen Handeln zu begleiten und für Sicherheit zu sorgen.

Wann greift man ein, wann lässt man es laufen, und wer ist überhaupt zuständig?

Mini-Beuel bot unendlich viele Möglichkeiten zum Lernen sowohl für die Kinder als auch für die Jugendlichen und für das Projektteam. Auf verschiedenen organisatorischen Ebenen konnten wichtige Erfahrungen gemacht werden, die sich als über Mini-Beuel hinaus nutzbringend und als auf andere Felder übertragbar erwiesen.

Die Kinder selbst lernten, wie es ist, vollständig eigene Verantwortung über einen bestimmten Bereich (= Betrieb) zu haben, und was es heißt, ein vollwertiger und wichtiger Teil einer Gesellschaft (= als Bürger/-in der eigenen Stadt) zu sein.

Es tauchten viele Fragen auf, deren Antworten sich den Kindern durch das Spiel häufig von selbst erschlossen: Wie kann mein Betrieb erfolgreich laufen, und wovon hängt das ab? Welche internen und externen Faktoren spielen eine Rolle? Welche Verantwortung habe ich innerhalb meiner Stadt, meinem Stadtteils – habe ich überhaupt welche? Was passiert sonst noch in der Stadt? Gehe ich wählen oder nicht? Habe ich zu Polizeigewalt, rasenden Taxis oder einem teilweise chaotischen Bastel- und Baustoffladen etwas zu sagen, und wenn ja, was?

Lange, komplexe Handlungsabläufe gab es zur Genüge – und die Kinder konnten mit den unterschiedlichsten Situationen durchaus umgehen, da sie unterstützt vom Planspiel diese leichter nachvollziehen konnten. Sie hatten die Ressourcen, Sicherheiten und den Freiraum bekommen, wodurch sie sich ausreichend unterstützt wussten. Dabei zeigte sich Tag für Tag der hohe Bildungswert des freien gemeinsamen Spielens von Kindern in Natur und in offener, anregender Umgebung.

Auch die Arbeit mit den Jugendlichen hatte für alle viel Erfahrungswert. Zwei Wochen lang für jeweils 250 Kinder verantwortlich zu sein, war eine große pädagogische und gute Nerven erfordernde Aufgabe, die die Jugendlichen sehr erfolgreich meisterten. Die abendlichen Besprechungsrunden zeigten die jeweils aktuellen Brennpunkte auf: Welcher Betrieb läuft erfolgreich und warum? Liegt es an dem Material, den pädagogischen Ideen, den Kindern, oder vielleicht dem Standort, der Nachfrage? Klappt es, dass alle eine Mittagspause haben? Wie funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb des Teams von Betreuern und Betreuerinnen?

Die größte Herausforderung aber war sicherlich, dass sich sechs Einrichtungen der Offenen Arbeit zusammenfanden zu einer gemeinsame Planung und Durchführung durch die Einsetzung eines gemeinsamen Projektteams. Die durchaus anstrengende gemeinsame Arbeit zeigte jedoch wieder sehr klar, wie viele Vorteile Kooperation für jeden einzelnen und somit auch die Offene Arbeit insgesamt hat. Der Pool an Ressourcen konnte effektiv genutzt werden; der gemeinsame Nenner „Offene Kinder- und Jugendarbeit“ verband die durchaus unterschiedlichen Einrichtungen, und durch die damit gegebene Vielfalt konnten viele Ideen und Inputs in maximalem Nutzen für die Teilnehmer/-innen umgewandelt werden.

Alles Gold, was glänzt?

Die Reaktion der Öffentlichkeit und der Medien zeigte deutlich, dass Mini-Beuel und damit das Konzept einer Kinderstadt durchweg positiv auf- und angenommen wurde. Ob nun Lokalzeitung, Radio und Fernsehen oder die lokale Politik und Fachkollegen und -kolleginnen, alle begleiteten das Projekt mit Freude. Die Unterstützung durch zahlreicher Sponsoren, Firmen und Privatpersonen sind ebenso Belege dafür, dass die Wichtigkeit und Besonderheit dieses Projektes allgemein anerkannt wurde.

Aber ist das auch alles? Natürlich nicht, es gibt einige Baustellen, an denen man noch nachbessern kann. In der Organisation und Aufgabenverteilung innerhalb des Projektteams können in Zukunft Aufgaben noch genauer und spezifischer verteilt werden, um die Arbeitskraft optimal über die mit Auf- und Abbau insgesamt vier Umsetzungswochen hinweg zu verteilen.

Im Nachhinein kann man feststellen, dass die Vorbereitung durch das Projektteam geprägt war von einer einzigen Leitfrage, nämlich der, welcher Grad an Durchplanung für das Projekt optimal sein würde: Was wird vorab festgelegt, was wird geplant? Wieviel soll vorgegeben sein, und wieviel sollen bzw. können die Kinder selbst innerhalb der beiden Wochen entwickeln? Was kann ihnen zugetraut werden? Mit wieviel Verantwortung können die jugendlichen Betreuer/-innen umgehen? Und was möchten wir überhaupt, dass die Kinder erleben? Chaos, Unklarheiten und Unsicherheiten gehören schließlich auch zu dem Aufbau einer Stadt dazu, und auch damit muss man umgehen lernen (können).

Diese grundlegenden Fragen waren und sind schwer generell zu beantworten, und vieles zeigt sich wirklich erst in der Praxis. Es zeigte sich aber doch, dass, wenn bei der gemeinsamen Grundidee Konsens herrscht, es die Stadt der Kinder sein soll, man zu einer klaren gemeinsamen Linie findet.

Ein Beispiel: Den Abschluss jeder Woche bildete der gemeinsame Familiensamstag. Der Idee nach sollte dieser in der Woche davor von den Kindern selbst mit vorbereitet und präsentiert werden, vor allem auch dem Stadtrat. Wenn dieser Kinderstadt-Grundidee streng gefolgt wird, kann dies durchaus einen etwas unsortierten Samstag ergeben.

Ein weiteres Beispiel: Der Umgang mir Geld in der Kinderstadt. Wer setzt die Preise des Bastel- und Baustoffladens fest? Wie verläuft es mit der Preisfestlegung innerhalb der Stadt? Wie geht ein Projektteam damit um, wenn Preise sich nicht erhöhen, Kinder Geld horten, die Bank kein Geld mehr hat? Wo schreitet man ein und setzt Grenzen, und wo lässt man das Spiel „einfach mal laufen“?

Eine Stadt, die lebt

Unabhängig von den organisatorischen und pädagogischen Fragen – Mini-Beuel war voller Leben, Freude und Lust am Ausprobieren, Lernen und Entdecken. Die Betriebe liefen erfolgreich.

Eine tägliche Stadtzeitung wurde produziert, etliche stadtinterne Radio- und TV-Beiträge (= Stadtnachrichten, Werbung, Kundgebungen über den Radiosender „Big MB“ und den Mini-Beuel TV-Sender) entstanden. Viele engagierte Stadträte und höchst engagierte BürgermeisterInnen kümmerten sich voller Freude um Besuche aus der Außenwelt wie auch um Probleme der Innenwelt. Die Müllabfuhr prosperierte und der Zirkus boomte. Im Elterngarten gingen die von den Betrieben erstellten Produkte „weg wie warme Semmeln“. Die Bürgerinnen und Bürger von Mini-Beuel fanden ihre Nischen, und der Bürgerservice zeichnete mehr und mehr Meister in ihren Betrieben aus. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, angefangen mit Bankräubern bis zu den alltäglichen Kleinigkeiten, bei denen die Bürgerinnen und Bürger Unterstützung wollten oder benötigten. Die Universität erstellte mehrere erfolgreiche Umfragen, die Bank war vielbeschäftigt mit der Ausgabe von Sparbüchern und in der ökumenischen Kirche heirateten zahlreiche gemischt- und gleichgeschlechtliche Paare jeden Alters.

Ausblick

Das Ziel des Projektteams war, dass Kinder gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge einer Demokratie verstehen lernen, ihre eigenen Ideen und Gesellschaftsentwürfe umsetzen können, die von Arbeit, Geld und Konsum bestimmte „Erwachsenenwelt“ am einfachen Modell erfahren, sich selbstbestimmt handwerkliche und musisch-kreative Fähigkeiten aneignen, die Notwendigkeit von Regeln und Normen, aber auch ihre Veränderbarkeit erkennen, die Chance bekommen, ihr Freizeitangebot mit zu gestalten, weitgehend selbstständig handeln, ein ansprechendes und unvergessliches Ferienangebot erleben. All dies war und ist durch Mini-Beuel realisierbar!

Das Projektteam, die Jugendlichen und die Familien waren zufrieden – dies heißt für das Team, dass es in zwei Jahren wieder ein Mini-Beuel geben wird. Die Prämisse des Projektteams war und es bleibt auch dabei: Kinder an die Macht! Kinder haben ein Recht auf ihre Freiheit und Selbstbestimmung. Sie haben ihre eigenen Ideen, die genauso viel Wertigkeit haben wie die eines jeden anderen Menschen, ob groß oder klein. Sie haben und brauchen das Recht auf ihre eigene Meinung, ihre eigenen Ideen. Mit Unterstützung, Ressourcen, Raum und „Anwälten“ sind Kinder und Jugendliche imstande, Großes zu tun und die Erwachsenen „vom Hocker zu reißen“.

Der Schlüssel hierzu sind die Grundsätze der Offenen Arbeit sowie Kooperation. Nur in diesem Feld und durch diese Grundsätze sind solche Projekte wirklich durchführbar – und gemeinsam sind wir stark.

 

Quelle: Offizielles Konzept der Kinderstadt Mini-Beuel

Fotos: © Projektteam Mini-Beuel

 

Weitere Informationen und Kontakt

 

Autorin: Elisabeth Koppitz

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NAGEL-Redaktion – Mehr Platz für wilde Spiele an der Schule


Hüttenstadt auf der Jugendfarm (Foto: Jugendfarm Bonn)

Schule und Jugendfarm, zwei Orte, die unterschiedlicher nicht sein könnten. Letztendlich definiert die eine sich sogar in Abgrenzung zur anderen: Pflicht vs. Freiwilligkeit, Lehrplan vs. Freiraum, formelles Lernen vs. informelles Lernen … Auch zeitlich war diese Abgrenzung lange gegeben: Unterricht in der Schule am Vormittag und Spielen auf der Jugendfarm am Nachmittag!

Mit der Entwicklung der Ganztagsschule wird diese Grenze in Frage gestellt. Mit der Ganztagsschule beschränkt sich Schule nicht mehr nur auf den Vormittag. Und damit ist letztendlich auch die Aufgabe verbunden, Schule ganz neu zu denken, Schule interprofessionell zu denken. Schule ist aufgefordert, mit anderen Bildungspartnern zu kooperieren. Zu diesen Bildungspartnern gehören auch die Jugendfarmen.

Als Träger der freien Jugendhilfe haben Jugendfarmen und Aktivspielplätze den
gesetzlich verankerten Auftrag, an den Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche in ihrem Einzugsbereich positiv mitzuwirken und als so genannte „dritte Sozialisationsinstanz“ neben Elternhaus und Schule bei der Gestaltung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen mitzuhelfen. Die Entwicklung von Ganztagsangeboten an Schulen gehört daher mit zu ihrem originären Auftrag.

Die Jugendfarm Bonn e.V. hat sich im Zuge der Entwicklung der Offenen Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfahlen entschlossen, für interessierte Schulen ein verlässlicher, kompetenter, innovativer und verhandlungsstarker Partner bei der Einrichtung von ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten zu sein. Die Jugendfarm Bonn ist längst keine Jugendfarm mehr, deren Angebot sich auf die Offene Arbeit auf einem Platz beschränkt. Sie ist zu einem Jugendhilfeträger geworden, der sich mit seinen Erziehungs-, Förderungs- und Bildungsanliegen stadtweit einmischen möchte. Dabei geht es der Jugendfarm Bonn um die (ganzheitliche) Gestaltung von Lebensräumen mit Hilfe der Vernetzung mit anderen Erziehungs- und Bildungspartnern. Sie übernimmt Lobby- und Anwaltsfunktionen für Kinder und Jugendliche.


Weltspieltag 2009 an der OGS Marktschule: Bau einer Kartonstadt (Foto: Jugendfarm Bonn)

Die Jugendfarm Bonn steht dem jetzigen Schulsystem in seiner Aufgliederung in Gymnasien, Real-, Haupt- und Förderschulen durchaus kritisch gegenüber und setzt sich für eine Integration der verschiedenen Schulformen und ein über die Grundschulzeit hinaus dauerndes, gemeinsames Lernen ein. Dieses Lernen beschränkt sich im Idealfall nicht auf einen vormittäglichen Unterricht, sondern verteilt sich im Rahmen eines Ganztagsangebotes für alle Kinder einer Schule über eine größere Zeitspanne bis in den Nachmittag hinein. Die Schule wird damit zum Lern- und Lebensort. Durch eine entsprechende Vernetzung mit umliegenden Einrichtungen gestaltet sich das Lernen sozialraumbezogen.

Ihr Jugendhilfeangebot, das ein verlässliches Betreuungsangebot einschließlich Mittagstisch, Hausaufgabenbetreuung und Raum für selbstbestimmtes Spiel und Kreativität sowie darüber hinausgehende Förderungs- und Erziehungshilfeangebote beinhaltet, versteht die Jugendfarm Bonn nicht als Teil einer schulpädagogischen Veranstaltung. Vielmehr ist es ihr Anliegen, das schulpädagogische Angebot um ein gleichberechtigtes sozialpädagogisches Angebot zu erweitern. Die Zusammenarbeit von Lehrer/innen, sozialpädagogischen Fachkräften (Erzieher/innen, Sozialpäda-gog/innen …) und ergänzendem pädagogisch tätigen Personal (vorrangig aus dem sportpädagogischen und musisch-kulturellen Bereich) ist multiprofessionell und auf Augenhöhe angelegt. Die Kooperation auf personeller Ebene geht einher mit dem Ziel einer langfristigen Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene. Die Offene Arbeit stellt insbesondere für die jugendlichen Schüler/innen einen Ansatz dar, der auch mit einer zunehmenden Ganztagsbetreuung an den Schulen nicht wegzudenken ist. Kein Schulgelände kann den jugendlichen Interessen weder zeitlich noch inhaltlich in dem Maße gerecht werden, wie es in der Offenen Arbeit vom Konzept her angelegt ist.

In diesem Sinne strebt die Jugendfarm Bonn die Zusammenarbeit vorrangig an Standorten an, an denen im Idealfall die Möglichkeit einer Kooperation der Schule mit ihren Einrichtungen bzw. Plätzen der Offenen Arbeit gegeben ist oder die räumlichen Voraussetzungen dafür bestehen, die Angebote der Offenen Arbeit langfristig an der Schule zu integrieren.

Ein Projekt, dem sich die Jugendfarm Bonn seit geraumer Zeit verschrieben hat, ist die Einrichtung eines Bauspielplatzes an der Schule. In anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen wie beispielsweise in Oberhausen ist dieses Konzept bereits erfolgreich umgesetztworden. Zusammen mit einer Mitarbeiterin des städtischen Gebäudemanagements hat sich die Jugendfarm Bonn dort Anregungen geholt, wie das Konzept mit den strengen Sicherheitsauflagen der Stadt Bonn auch in Bonn möglich gemacht werden könnte. Damit begann die Suche nach einem Platz, der vom öffentlichen Schulhof durch einen entsprechend hohen Zaun abgetrennt ist, keine direkte Nähe zu den anliegenden Nachbarn aufweist und zudem auch keinen unmittelbaren Einblick für vorbeiziehende Passanten bietet.


Robert-Koch-Schule, Bonn (Foto: Jugendfarm Bonn)

An der Robert-Koch-Schule in Bonn-Pennenfeld lag es aufgrund des bereits bestehenden Schulgartens auf der Hand, dieses Vorhaben zu realisieren. Die nötige Wiederinstandsetzung der bestehenden Umzäunung verzögert die Umsetzung aktuell noch auf unbestimmte Zeit. Anders sieht es an der Katholischen Grundschule in Bonn-Ippendorf aus. Dort hat das Städtische Gebäudemanagement den verwilderten Innenhof der Schule zur neuen Gestaltung freigegeben. Jetzt geht es darum, diesen Gestaltungsprozess mit allen beteiligten Partnern (Schule, Eltern, Kindern, Jugendfarm und Stadt) auszuhandeln.

Dort kann die Jugendfarm Bonn jetzt ihrem Anliegen entsprechend, die Grundgedanken der „Offenen Arbeit“ in die Schule zu tragen, tätig werden. Damit die Wirksamkeit eines Aktivspielplatzes in vollem Umfang gegeben ist, müsste der Innenhof der Schule im Idealfall folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Er müsste ein Platz werden, auf dem junge Menschen sich in geschütztem und betreutem Rahmen frei bewegen können.
2. Kalkulierbare Gefahren müssten als wichtiges pädagogisches Lernmittel bei der Gestaltung des Platzes bewusst integriert werden.
3. Den Kindern dürfte kein festes Konzept vorgegeben werden.
4. Die freie Willensentscheidung wäre grundlegendes Prinzip.
5. Die Kinder würden durch selbstständiges Ausprobieren lernen. Eingriffe seitens der Aufsichtskräfte würden nur zur Abwendung offensichtlicher Gefahren erfolgen.
6. Eigeninitiative zur Förderung der Identifikation mit dem Platz wäre ein weiteres Grundprinzip.
7. Der Platz wäre ausschließlich Kindern vorbehalten. Erwachsenen (Aufsicht ausgenommen) würde nur zu besonderen Anlässen Zutritt gewährt.
8. Die Aufsichtsperson sollte nach Möglichkeit „großes Kind“, Jugendlicher und Erwachsener zugleich sein.
9. Selbstgestaltung bzw. Selbstverwaltung wäre als weitere Stufe einer Ausbaumöglichkeit bei dem Konzept direkt mitgedacht.
10. Die Freiwilligkeit der Kinder wäre grundsätzlich zu berücksichtigen.


Robert-Koch-Schule (Foto: Jugendfarm Bonn)

Diese Punkte sind mehrheitlich in Schule nicht selbstverständlich und werden auch in Schule nicht uneingeschränkt und kompromisslos berücksichtigt werden können. Es geht auch nicht darum, Schule in einen Bauspielplatz zu verwandeln. Vielmehr wird die Jugendfarm Bonn im anstehenden Aushandlungsprozess gemäß Karlheinz Thimm, Professor für Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Berlin, die Rolle eines „produktiven Fremdkörpers an Schule mit Strahleffekten“ übernehmen und damit „zur Überprüfung schulischer Üblichkeiten einladen: den Inhalten, den Zielen, den Methoden, dem Umgang mit Zeit, der Herrichtung von Räumen, der Gestaltung von Beziehungen.“

Der Aushandlungsprozess soll über drei Jahre von August 2010 bis Dezember 2013 professionell begleitet und im Sinne eines Modellprojektes unter dem Motto „Offene Arbeit gestaltet Räume in der kommunalen Bildungslandschaft“ besonders gefördert werden. Die dafür nötigen Ressourcen sind im Rahmen eines breit angelegten Projektes von der AGOT NRW beim Land beantragt worden.

Andrea Steuernagel, Dipl. Päd.
Fachbereichsleitung Jugendhilfe & Schule
Jugendfarm Bonn
Am Weidenbach 26
53229 Bonn
0228 629879-16

Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Andrea Steuernagel zur Verwendung zur Verfügung gestellt.

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NAGEL-Redaktion – Gesunde Küche – direkt aus der Natur

Kinderrestaurant am 24. Oktober 2009

Die Eintrittskarte hilft Ihnen, bei Interesse zur Dokumentation des Projekts zu gelangen. Bitte anklicken!

Impressionen


Die Küche im Freien (Foto: Rainer Deimel)

Seit Ende Juli 2009 hat beim NaBeBa, dem Natur- und Begegnungsbauernhof für Kinder und Jugendliche in Waltrop an der Stadtgrenze zu Castrop-Rauxel, ein neues spannendes Projekt begonnen. Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderung lernen aktiv, wie man unterschiedliche Nahrungsmittel anbaut, erntet und auf verschiedene Arten zubereiten und konservieren kann. Ebenso sollen Wald- und Wiesenexpeditionen durchgeführt werden, bei denen die Kinder und Jugendlichen lernen, welche wild wachsenden Pflanzen und Kräuter essbar sind und wie man diese schmackhaft zubereiten kann.


Frische Eier von glücklichen Hühnern (Foto: Rainer Deimel)

Durch Bodenanalysen sollen die jungen Leute erfahren, welche Pflanzen in welchen Böden am besten gedeihen und wie mithilfe natürlicher Düngung den Pflanzen gute Bodenverhältnisse geschaffen werden können.


Nix für Veganer: Leckere Eier (Foto: Rainer Deimel)

Bestandteil des Projektes ist darüber hinaus der Bau eines Steinofens auf dem Gelände. Der Ofen wird derzeit von den Kindern mit viel ehrenamtlicher Unterstützung errichtet. Hier sollen demnächst Brote und Pizzen gebacken werden.

Baumeister beim Werk: Der Steinofen entsteht (Foto: Ulrike Prauß)

Als Höhepunkt soll gemeinsam mit den Kindern und Jugendlichen Ende Oktober und in der Vorweihnachtszeit ein Jahreszeitenrestaurant veranstaltet werden. Mit Unterstützung eines bekannten Kochs werden die Kinder und Jugendlichen allen Gästen Speisen servieren, die aus selbst geerntetem Gemüse zubereitet wurden.


Mangold-Ernte (Foto: Rainer Deimel)

Das Projekt wurde gemeinsam mit dem ABA Fachverband geplant. Fachlich begleitet wird es ebenfalls vom Verband. Gefördert wird Konzept mit einem Anteil von 70 Prozent vom Land Nordrhein-Westfalen im Rahmen der Projektinitiative „Pakt mit der Jugend“. Die Initiatoren hoffen noch, dass auch die „Aktion Mensch“ im Wege der Stiftungsinitiative „Die Gesellschafter“ einen Anteil der verbleibenden Restmittel übernimmt.


Die dicke Schale hat die Schnecke nicht geschafft! (Foto: Rainer Deimel)

Die Aktionen finden jeweils montag- und donnerstagnachmittags von 15 bis 18 Uhr statt. Die Angebote sind offen. Jeder, der Lust hat, kann gerne vorbeikommen und mitmachen. Kinder und Jugendliche mit geistiger Behinderung oder anderen Handicaps sind immer besonders willkommen. Natürlich werden die selbst zubereiteten Speisen auch gemeinsam gegessen.


Allen hat es geschmeckt! (Foto: Rainer Deimel)

Die Einrichtung befindet sich in Waltrop im Stadtteil Leveringhausen/Ickersche Heide, dort am Ende der Straße „Am Rapensweg“. Weitere Informationen finden sich im Internet unter www.nabeba.de, Telefonisch kann man unter der Rufnummer 02309/78 38 89 Kontakt aufnehmen. Ansprechpartnerin für das Projekt vor Ort ist jeweils montags und donnerstags Susanne von Dewall.

Noch ein paar Eindrücke


Gesund, lecker und lehrreich: Essen machen! (Foto: Rainer Deimel)


Spannend zu beobachten und mitzumachen (Foto: Rainer Deimel)

Langeweile? Kennen wir nicht! (Foto: Rainer Deimel)


Gurken dürfen auch nicht fehlen! (Foto: Rainer Deimel)


Ganz schön flott, der Gast auf dem Kürbis! (Foto: Rainer Deimel)


Gewichtheber (Foto: Rainer Deimel)


Mais schälen (Foto: Rainer Deimel)


Und sich zwischendurch auch mal um andere wichtige Dinge kümmern! (Foto: Rainer Deimel)

Vorweihnachtliches Kinderrestaurant

Projektdokumentation

Das gesamte Projekt ist auf speziellen Seiten im ABA-Netz dokumentiert. Interesse? Vorstehendes Titelbild anklicken!

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