Sind Abenteuerspielplätze noch zeitgemäß?

Von Antje Meyer

Diese Frage stellten sich Pädagogen und Pädagoginnen in den letzten Jahren immer wieder. Teils entstand die Frage aus der Unsicherheit über die Attraktivität und Aktualität des Angebots angesichts eines Auf und Ab bei den Kinderbesucherzahlen, andererseits sahen und sehen sich die Einrichtungen immer wieder von Seiten der Zuschussgeber bzw. Träger genötigt, ihre besondere Arbeit zu rechtfertigen.

In den Anfangsjahren haben pädagogische Fachleute im Rahmen ihrer Lehr- und Forschungstätigkeit Konzepte formuliert, die hohe Ansprüche an die Einrichtung ASP zum Ausdruck bringen, z.B.:

Schottmeyer, Georg: Konzeption der „betreuten“ Spielplätze. Bonn 1973;
Christmann, Renate: Materialien zur Frage von Betreuungskonzepten und Strategien der Spielförderung auf pädagogisch betreuten Spielplätzen. Tutzing 1975;
Autorenkollektiv Märkisches Viertel: ASP MV. Berlin 1971;
Schulz-Dornburg, U. u.a.: Abenteuerspielplätze. Ein Plädoyer für wilde Spiele. Düsseldorf 1972;
Möller, Pit: Abenteuerspielplätze – Nichts als Abenteuer;
Hase, Dieter von: Abenteuerspielplätze oder: Brecht die Kindergettos auf! In: PädExtra 9/1974.

Scheinbar banal klingt dann der Satz, unter dem Abenteuerspielplätze in der Öffentlichkeit bekannt wurden:

„Wo Verbieten verboten ist“

Abenteuerspielplätze als Raum ohne Verbote – damit wurde in den Anfangsjahren der ASP durchaus experimentiert. Erwachsene hielten sich in ihren Handlungen zurück, griffen nicht ein, betrachteten nur und überließen den Kindern und Jugendlichen Räume, Materialien und soziale Beziehungen in dem Vertrauen, in der Hoffnung und mit dem Ziel, dass diese bedürfnisorientiert, selbstständig und letztendlich solidarisch ihre Beziehungen und ihren Alltag organisieren und gestalten. Wie auch in der antiautoritären Kinderladenbewegung hat sich gezeigt, dass sich ohne pädagogische Einfühlnahme und Organisation von Prozessen auf der einen Seite individuelle Verlassenheitsgefühle und das Gefühl, dem anderen gleichgültig zu sein, einstellen, und auf der anderen Seite aggressive und gewalttätige, unterdrückende Gruppenprozesse überhandnehmen, da offensichtlich bei Kindern und Jugendlichen nicht natürlicherweise und ganz von alleine demokratische und sich gegenseitig achtende Beziehungen entstehen.

Abenteuerspielplätze als Raum, wo Verbote verboten sind

Diese Vorstellung führte dazu, die in den Anfangsjahren häufig anzutreffende Laisser-faire-Pädagogik auszuprobieren. „Sie kennzeichnet sich durch ein freies, ‚bedürfnisorientiertes‘ Gewährenlassen der Kinder, denen Material angeboten wird, die mit Betreuern Kontakte aufnehmen können, wo jedoch eine reflektierte Initiative der Betreuer durch eigene Spielangebote, Gruppenarbeit usw. kaum existiert. Eingegriffen wird nur, wenn ernste Konflikte zwischen den Kindern ausbrechen.“ (Dietrich von Hase, in: PädExtra 1974)
Und was ein ernster Konflikt ist, wird damit zutiefst subjektiv gedeutet, denn der Erwachsene bestimmt, wann es ernst wird. Diese Haltung, die m.E. dem Bedürfnis der Betreuer entgegenkommt, möglichst „wenig Stress“ zu haben, und leider zu einer Vorstellung führte, dass auf Abenteuerspielplätzen durchaus, wenn nicht sogar viel besser nichtpädagogisches, unausgebildetes Personal arbeiten könnte bzw. sollte, war lange Jahre Ursache für ein überaus negatives Bild der Abenteuerspielplatzarbeit. Hier soll nicht gesagt werden, dass mit Erwerb des pädagogischen Examens auch automatisch geeignete pädagogische Erfahrung für die Abenteuerspielplatzarbeit vorliegt, denn erfahrene und durch langjährige Arbeit auf den Plätzen routinierte Nichtpädagogen haben bis heute nicht unwesentlich eine Rolle für die Arbeit gespielt. Die Erfahrungen mit der Laisser-faire-Haltung haben aber gezeigt, dass diese eine ungeeignete Methode für die Pädagogik ist und eine bewusste pädagogische Planung und Haltung auch fundierte Kenntnisse und Fähigkeiten erfordert.

Erfahrungen und Reflexionen vor Ort

Ab Ende der 70er/Anfang der 80er Jahre entstehen Konzeptionen, die die Erfahrungen vor Ort und ihre Reflexion durch die Betreuerinnen und Betreuer der Abenteuerspielplätze ausdrücken. Sie zeichnen sich durch ein hohes Maß an Reflexionsvermögen und theoretischer Fundierung pädagogischen Verhaltens und pädagogischer Zielsetzung aus. Die sorgfältige Analyse des Einzugsgebiets, der Stadtteilstrukturen, der familiären, sozialen, ökonomischen wie auch der soziokulturellen Bedingungen, die vorgefunden werden, ist die Basis für die Entwicklung der Konzepte und Handlungsentscheidungen vor Ort. Diese werden formuliert auf der Basis der Spielpädagogik und abgesichert durch Forschungsergebnisse aus Pädagogik, Psychologie, Soziologie und Politikwissenschaft. Aus der Analyse gesamtgesellschaftlicher Entwicklungen wie der besonderen Bedingungen der Stadtteile und den Beobachtungen des Verhaltens der Kinder entwickelten Abenteuerspielplatz-Pädagoginnen und -Pädagogen Zielsetzungen für ihre Arbeit:

„Im Sinne eines umfassenden Zieles der ‚Spielpädagogik‘ muss der ASP dazu beitragen, den Kindern Fähigkeiten zu vermitteln, an der Bewältigung und Veränderung ihrer Lebenssituation eigenständig mitwirken zu können, d.h. die Kinder müssen handlungsfähig gemacht werden, um ihre eigene Lebenssituation in Elternhaus, Schule und Freizeit zu verändern, ihre Umwelt ihrem objektiven Bedürfnis nach mitzugestalten, Probleme realitätsgerecht zu lösen und sich aus einseitigen Abhängigkeitsverhältnissen zu lösen.“ (Material 14a, herausgegeben vom Verband Hamburger Spielplatzinitiativen e.V. 1978, S. 51).

„Ein Ziel der hier vertretenen ASP-Konzeption, das sich primär auf das Individuum bezieht, ist die Förderung von Selbstvertrauen (…),
–       dass sie sich zutrauen, Dinge zu unternehmen, die sie sonst noch nie gemacht haben;
–       dass sie lernen, dass sie etwas zuwege bringen können, das ihnen keiner zutraut;
–       dass sie lernen, dass es weniger ihr Bedürfnis ist, sauber nach Hause zu kommen, als vielmehr        vielseitig zu spielen;
–       dass sie ihre Zuwendungsbedürfnisse erkennen und versuchen, sich Zuwendung zu verschaffen;
–       dass sie bereit sind, Neues zu lernen, wenn ihre Fähigkeiten noch nicht ausreichen;
–       dass sie lernen, selbst Kriterien für ihre Leistungsfähigkeit zu entwickeln, ohne immer vom Lob der        Erwachsenen abhängig zu sein;
–       dass sie sexuelle Bedürfnisse ohne Angst akzeptieren lernen;
–       dass sie nicht einsehbare Forderungen von Erwachsenen infrage stellen lernen.
Ein weiteres Ziel ist die Vermittlung von realistischer Selbsteinschätzung und Kritikfähigkeit (…), dass

Kinder fähig werden,
–       ihre eigenen Grenzen kennen zu lernen, sich noch nicht Dinge zuzutrauen, die sie nicht schaffen,
–       egoistisches Verhalten abzubauen,
–       bereit sind, z.B. ihr Verhalten in der Gruppe infrage zu stellen,
–       Rollendistanz zu entwickeln (..),
–       nach Begründungen für Gebote und Verbote zu fragen,
–       Machtansprüche der Erwachsenen infrage zu stellen,
–       z.B. zu hinterfragen, warum Mädchen dies tun sollen und Jungen jenes,
–       z.B. fragen, warum sie nicht mit bestimmten Kindern spielen dürfen,
–       z.B. fragen, warum sie Hemmungen haben, im Dreck zu spielen,
–       sich fragen, warum sie montags auf dem ASP immer aggressiv sind.
Ziel des ASP ist demnach weiter, den Kindern zu vermitteln, dass ihre Verhaltensweisen gesellschaftlich bedingt sind und zum großen Teil ihre freie Entfaltung einschränken. (…).
Dies bedeutet, dass der ASP den Kindern die Bereitschaft vermitteln muss, ihr eigenes Verhalten zu verändern und ihnen Mut machen muss, eigene Maßstäbe für das Handeln zu vermitteln. (…).
Zentrales Ziel des ASP ist es, den Kindern zu vermitteln, dass Umwelt veränderbar ist (…) und nicht resignativ als gegeben akzeptiert werden soll. Umweltveränderndes Handeln setzt ein gewisses Maß an Risikobereitschaft und die Fähigkeit zur Eigeninitiative voraus, erfordert Kreativität.“
(Material 14a, herausgegeben vom Verband Hamburger Spielplatzinitiativen 1978, S. 51 ff.)

Die genannten Fähigkeiten Rollenhinterfragung, solidarisches Verhalten, selbstbewusstes, veränderndes Verhalten, gesellschaftliches Bewusstsein sollen auf den Abenteuerspielplätzen in gemeinsamen Interaktionen entwickelt werden. So entstand ein „Katalog“ an für jeden Platz empfohlenen Grundeinrichtungen oder -angeboten.

Dazu gehörten die Platzversammlung, eine von Kindern gemachte „Baui-Zeitung“, regelmäßige Organisation von Festen zusammen mit den Kindern und Eltern, gemeinsame Reisen, selbstverständlich in Verantwortung der Kinder und Jugendlichen, die selbstverantwortliche Materialausgabe und vieles mehr.

Wo Verbieten erlaubt ist

Eigentlich müsste der Slogan „Wo Verbieten verboten ist“, unter dem Abenteuerspielplätze nicht zuletzt ihre Verbreitung fanden, modifiziert werden in „Wo Verbieten erlaubt ist“, erlaubt von den Kindern. Denn die Praxis der 80er Jahre bis heute hat gerade auf die Eigenverantwortlichkeit und Selbsttätigkeit der Kinder und Jugendlichen, ihre Beziehungen und Prozesse zu organisieren, großen Wert gelegt und entsprechende Regeln und pädagogische Methoden entwickelt, diese Fähigkeiten einzuüben.
„1. Förderung des einzelnen Kindes: Entwicklung seiner Spiel- und Handlungsfähigkeit, Hilfe beim Erkennen und Äußern der eigenen Bedürfnisse (…).
2. Förderung von Gruppenverhalten: durch das gemeinsame Spielen, sich auseinandersetzen zu müssen mit den Fähigkeiten und Bedürfnissen der anderen Kinder und Betreuer, Konflikte zu lösen, ohne dabei andere zu unterdrücken (…).
3. Den Kindern ihre Umwelt durchschaubar machen: Sie Zusammenhänge entdecken zu lassen und ihnen dabei zu helfen, sich in ihrer Umwelt zu orientieren, ist das Ziel vieler Spielaktionen in und außerhalb des Spielplatzes (…).“ (Der Platz Nr. 2, Beiträge zum Thema Aktivspielplatz, herausgegeben vom Verband Hamburger Spielplatzinitiativen e.V., Hamburg 1976, S. 7 f.)

„Um vielfältige Spielaktivitäten aus der Situation heraus entwickeln zu können, sollten kurzfristig folgende Bedingungen auf dem ASP hergestellt werden:
a) ein längerfristiger (mehrmonatiger) Aktionsplan, der den Rahmen für Aktivitäten absteckt und Schwerpunkte festlegt;
b) ein umfangreicher Materialvorrat für möglichst viele verschiedene Aktivitäten;
c) eine Sammlung von Spielideen (…);
d) tägliche Betreuerbesprechungen zur Antizipation möglicher Situationen und Vor-Auswahl möglicher Spielangebote.“ (Der Platz Nr. 2, S. 8)
„*      Aktionen zur Förderung des Platzbewusstseins (Wir-Gefühl)
–       regelmäßige Platzversammlungen, Aufstellung von Platzregeln, Mitbestimmung des Aktivitätsangebotes
–       Mitwirkung an der Werkzeugausgabe – Aufräumaktionen
–       Teerunden am Feuer
–       Gemeinschaftsbauten wie Zaun, Turm …
–       übergreifende, mehrere Tage-Aktionen
*       Lernen als Auseinandersetzung mit sich selbst und anderen mit Regeln (Spielregeln): Interaktionsspiele, die sich im Freien spielen lassen (…)
* Auseinandersetzung mit Rollen und sozialen Zusammenhängen: Einfache Spielaktionen wie Modenschau, Zirkus, Museum, Zeitung, Fernsehen spielen …“ (Der Platz Nr. 2, S. 13)

Was ist ein Abenteuerspielplatz?

Seit Bestehen der Abenteuerspielplätze haben die jeweiligen Teams der ASP einen Teil ihrer Arbeit und Verantwortung darin gesehen, ihre Arbeit zu dokumentieren und der Öffentlichkeit darzustellen. Viele, entsprechend den unterschiedlichen Einzugsgebieten verschiedene Konzeptionen entstanden so auf der Basis einer Grundstruktur Abenteuerspielplatz.
Die Grundstruktur der Abenteuerspielplatzarbeit ist gekennzeichnet durch die vier Schlagworte:
–       Veränderbarkeit
–       Freiwilligkeit
–       Vielfältigkeit
–       Offenheit.

„1. Wenn der ASP ein Milieu für emanzipatorisches Lernen sein will, ist er ständigen Veränderungen unterworfen.
2. Wenn der ASP zu einem integralen Bestandteil im Leben der Kinder werden will, muss sich sein Angebot verändern, seine Struktur u.a. sich dem Entwicklungsprozess der Kinder anpassen.
3. Wenn der ASP dem Anspruch nachkommen will, für die Lebensrealität der Kinder von Bedeutung werden zu wollen, muss er seine Ziele und deren Umsetzungsarten ständig prüfen und revidieren. (…). (Material 14a, S. 61)
Die Merkmale Offenheit, Vielfältigkeit, Veränderbarkeit und Freiwilligkeit bestimmen sowohl die Gestaltung des Angebotes, des Alltages und der Beziehungen wie auch das Verhalten der Betreuer, bestimmen also die Fähigkeiten, die eine pädagogische Fachkraft auf dem Abenteuerspielplatz haben muss.
OFFENHEIT – Die MitarbeiterInnen sollen fähig sein, die offene Situation, den offenen Raum, die offenen Angebote, eine offene Atmosphäre herzustellen und zu strukturieren. Sie müssen fähig sein, eigenes Verhalten offen zu legen, aber auch neue Dinge den Kindern zu eröffnen.
FREIWILLIGKEIT – Die MitarbeiterInnen sollen fähig sein, mit Angeboten, der Atmosphäre und eigenem Verhalten Attraktivität herzustellen, die Kinder zum Kommen animiert.
VERÄNDERBARKEIT – Die MitarbeiterInnen sollen fähig sein, Neues und Anderes flexibel und offen zu handhaben und mit den Kindern Veränderung in die Einrichtung zu bringen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, die eigene Persönlichkeit der Veränderung auszusetzen.
VIELFÄLTIGKEIT – Die MitarbeiterInnen sollen bei jedem Angebot, beim Abenteuerspielplatz im ganzen und bei sich selbst Vielfältigkeit entdecken und zulassen.

Was muss einE AbenteuerspielplatzmitarbeiterIn können?

Anforderungen:

a)      Fähigkeit zum Gespräch mit Kindern
b)      Fähigkeit zur Entwicklung von „Vertrauen“ bei Kindern und Eltern
c)      Fähigkeit zur Beratung in Konflikt- und Problemfällen
d)      Fähigkeit zur Anregung zu Spiel, zu Unternehmungen, zur „sinnvollen Freizeitgestaltung“, zum Bauen, Werken, Theaterspielen, zur Festgestaltung, zu Verhaltensalternativen
e)      Fähigkeit zur Werkzeugausgabe, handwerklichen Anregungen und Hilfe
f)       Fähigkeit zur Organisation des Platzes, zur Materialbeschaffung
g)      Fähigkeit zur Entwicklung und Diskussion von Regeln mit den Kindern
h)      Fähigkeit zur Einbeziehung der Kinder in die Organisation des Platzes, in die Fähigkeit der         Antragstellung, des Telefonierens mit Institutionen, die Fähigkeit zur kollektiven Selbstverwaltung
i)       Fähigkeit zum Erkennen der und Eingehen auf die Bedürfnisse der Kinder
j)       Fähigkeit zur Tierpflege und zum pädagogischen Umgang mit Kindern in Bezug auf Tiere
k)      Fähigkeit zur Entwicklung von Ferienprogrammen
l)       Fähigkeit zur Kooperation mit den übrigen Mitarbeitern
m)     Fähigkeit zur Praktikantenanleitung
n)      Fähigkeit zur eigenen Weiterbildung
o)      Fähigkeit zum Kontakthalten mit den Eltern
p)      Fähigkeit zur Zusammenarbeit mit anderen ASP und mit anderen Institutionen und Trägern
q)      Fähigkeit zur Ersten Hilfe
r)      Fähigkeit zur Analyse des Einzugsgebietes
s)      Fähigkeit zur Konzeptentwicklung
t)      Fähigkeit zur Verbindung von Theorie und Praxis
u)      Fähigkeit zur Reflexion und Evaluation der eigenen Arbeit
v)      Flexibilität; Fähigkeit, situationsadäquat zu handeln.

Kompetenzen

–       Kompetenz zur „praktischen“ Interaktion mit Kindern, Jugendlichen und Eltern (Erwachsenen) in offener        Situation (a, b, c, d, i, j, o, q, t, v)
–       Kompetenz zur Vermittlung von Inhalten (didaktische Kompetenzen) in offener und halboffener Situation         (e, h, j, m, n)
–       Kompetenz zur Administration einer Einrichtung der offenen Arbeit mit Kindern (f, g, h, l, o, p)
–       Kompetenz zur theoretischen Entwicklung von Konzepten für offene Arbeit mit Kindern (k, r, s, t)
–       Kompetenz zur wissenschaftlichen Begleitung (eigener) Offener Arbeit mit Kindern (u)

(aus: Fromme, Johannes u.a.: Aktivspielplätze im Selbstverständnis der Mitarbeiter. Hrsg. von der Landesarbeitsgemeinschaft Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze (LAG ABA) NRW e.V., Bielefeld/Wuppertal 1984, S. 216 f.)

1992 – Brauchen wir noch Abenteuerspielplätze?

Die Abenteuerspielplätze der 60/70er Jahre begründeten ihre Arbeit und Existenz vor allem aus der Feindlichkeit der städtischen Umgebung des Kindes, die eine allseitige Entwicklung der Persönlichkeit nicht zulässt, sondern Kinder zwingt, sich ruhig zu verhalten, kontrolliert und diszipliniert, leistungsorientiert und angepasst. Abenteuerspielplätze wollten Freiräume schaffen, freie Räume zum Toben und Lautsein, zum Ausleben natürlicher Bedürfnisse, aber auch Freiräume, anderes Verhalten auszuprobieren, aufzumucken, kreativ, solidarisch und erfinderisch zu sein. Abenteuerspielplätze hatten die Vorstellung, Menschen Zugang zu Erlebnissen und Handlungen, zu Fertigkeiten und Fähigkeiten zu ermöglichen, die sie dazu befähigen sollten, die Zukunft positiv zu gestalten.
„Wir müssen den Kindern und Jugendlichen Informationen und Kenntnisse vermitteln, die es ihnen ermöglichen, gegen die vielfältigen Bedrohungen des Lebens auf dieser Welt und für ihre eigene Zukunft zu kämpfen.“ (Ein Abenteuerspielplatz für St. Pauli Süd, Hamburg 1982, S. 77).
Die Abenteuerspielplätze der 80er Jahre haben diesen Aspekt des „Prinzips Hoffnung“ niemals vergessen. Angesichts der immer klarer werdenden Feindlichkeit der Umwelt nicht nur für Kinder, sondern auch für die Erwachsenen selber, haben ökologisches und politisches Bewusstsein noch größeres Gewicht für die Arbeit erhalten. Die großen ökonomischen Einbrüche der 80er Jahre und ihre direkten Auswirkungen auf die Familien und damit auf die Kinder hob in diesen Jahren den Aspekt der Gemeinwesenarbeit einerseits und der Hilfe und Stabilisierung des einzelnen Kindes andererseits besonders hervor. Nur Spielen und Bauen auf dem Abenteuerspielplatz – das allein geht nicht mehr. Eltern, Jugendliche und Kinder wollen Antworten, Hilfen und Unterstützung bei ihren täglichen Problemen. In vielen Einrichtungen entstanden Jungen- und Mädchengruppen; MitarbeiterInnen mussten sich fortbilden in Bereichen wie sexueller Missbrauch, Drogen, Arbeitsförderungsmaßnahmen, Aggression und Gewalt bei Schulkindern, Rassismus und Ausländerfeindlichkeit, neonazistische Gruppen, Medienmissbrauch, Datenverarbeitung usw. Diese „neuen“ Themen waren der Ausdruck des sehr schnellen gesellschaftlichen Wandels, der am Ende der 80er Jahre festgestellt werden konnte und unter dem Begriff „Risikogesellschaft“ beschrieben wird.

Kindheit heute

Am Ende des 20. Jahrhunderts sehen wir einem Verschwinden der Kindheit zu. Der „Schonraum“ Kindheit, in dem die Kinder von den Problemen, Nöten und Erfordernissen der Erwachsenenwelt ferngehalten werden sollten, existiert nahezu nicht mehr. Die Auswirkungen sozialer und ökonomischer Benachteiligung, Ausgrenzung und Not erfahren Kinder heute ganz direkt selbst. Die Konsum- und Medienvielfalt setzt Kinder ökonomisch mit Erwachsenen auf die gleiche Stufe: Sie sind alle Konsumenten. Die Zugänglichkeit der Medien macht den Unterschied zwischen Kind und Erwachsenem, der im Beherrschen von Fähigkeiten und dem Vergnügen über Wissen bestand, verschwindend klein. Die ökologischen Probleme und die daraus entstehenden Gegenwarts- und Zukunftsängste treffen Kinder besonders stark. Denn die Antworten der Erwachsenen bleiben aus, da keine befriedigenden positiven Definitionen der Zukunft und die dafür geeigneten Bewältigungsstrategien bestehen.
Die Veränderung sozialer Beziehungen verlangt vom Kind ein hohes Maß an Selbstständigkeit, Eigenkontrolle und Einsicht. Auch darin unterscheidet sich Kindheit heute von Kindheit früher, Kinder dürfen nicht mehr unvollkommen, unlogisch, impulsiv, naiv-kindlich sein. Sie sind nicht nur in ihrer physischen Bewegungsfreiheit eingeschränkt, sondern auch in ihrer psychischen. Die Unsicherheit in Lebenssinn und -zweck, die Angst und Ungewissheit vor der Zukunft, das Fehlen von Lebensorientierungen bei gleichzeitigem Verlust von stabilen persönlichen Beziehungen schlägt sich im privaten, im psychischen und psychosomatischen Bereich, schlägt sich in der Entwicklung der Persönlichkeit der Kinder nieder. Aggressivität gegen sich selbst, gegen andere und Sachen nehmen zu; Resignation, Depression, Langeweile, Verlust des Selbstwertgefühls, der Motivation; Gleichgültigkeit gegen sich und andere sind durchaus bekannte Verhaltensweisen von Kindern und Jugendlichen. Die Möglichkeiten für Kinder, sich Umwelt anzueignen, sind durch räumliche, organisatorische, rechtliche, medizinische und ökonomische Erfordernisse eingeschränkt. Dazu kommt noch die Einschränkung, die mit der Art und Weise des massenhaften Medienkonsums einhergeht. Dabei fällt die eigene Tätigkeit als Grundlage der Persönlichkeitsentwicklung und das Agieren mit Menschen in sozialen Beziehungen weg. Kindheit verlängert sich einerseits durch längeren Schulbesuch, längeres Versorgtwerden und die Bemühungen um „optimale“ Förderung. Andererseits verlieren Kinder ihren kindlichen Freiraum, einen Schonraum, in dem sie ihr Kindsein unbelastet von den Einschränkungen der Gegenwart und den Schrecknissen der Zukunft ausagieren können.
Die Abenteuerspielplätze haben in Erkenntnis dieser Lage heutiger Kindheit ihre Konzeptionen verändert. Schon immer haben sie mit ihren Angeboten gegen die eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten für Kinder in der Großstadt Freiräume erhalten und erobern wollen. Dies ist auch heute noch so. Doch die Arbeit auf der Beziehungsebene, das Schaffen von sozialen Beziehungen, Verbindlichkeiten, persönlichen, warmen Erlebnissen, von kollektiven Erlebnissen hat großen Raum eingenommen. Die Mitarbeiterinnen sind häufig Ersatz für Familie, für feste und vertrauensvolle, unantastbare persönliche Beziehungen, Beziehungen, die jeder Mensch für seine befriedigende persönliche Entwicklung braucht. Daher ist die Kontinuität in den Personen auch so wichtig für unsere Arbeit. Daher sind auch Räume zum Zurückziehen so wichtig, für Gespräche und Gruppenarbeit. Darum sind auch Ferienfahrten und das gemeinsame Essen so wichtig.
Abenteuerspielplätze haben Antworten auf die widersprüchlichen Bedingungen und Verhältnisse von Kindheit heute. Als einem Bereich der Sozialisation kommt den Abenteuerspielplätzen eine große Bedeutung bei der Vermittlung von Welt- und Wirklichkeitserfahrung und bei der Bewältigung von Kindheit zu. Abenteuerspielplätze bieten Raum zur Rückeroberung von Kindheit.

Abenteuerspielplatzarbeit heute

Die Arbeit auf dem Abenteuerspielplatz, der tägliche Ablauf und die Probleme haben sich im Laufe der Jahre verändert. Die gesellschaftliche Entwicklung seit Ende der 70er Jahre hat Arbeitslosigkeit, Wohnungsnot, Obdachlosigkeit, Abhängigkeit von öffentlicher Fürsorge bei gleichzeitigem erschwerten Zugang dazu, Ausländerfeindlichkeit und Konflikte zwischen gesellschaftlichen Gruppen, Ausgrenzung von „Randgruppen“, Neonazismus usw. rapide ansteigen lassen.
Die Kinder in der heutigen Gesellschaft befinden sich in schwierigen, ihnen feindlich gegenüberstehenden Lebenszusammenhängen, die Probleme hervorbringen, auf die pädagogische Einrichtungen Antworten finden müssen. Diese äußeren Einflüsse wirken auch auf unsere Einrichtungen und haben die pädagogischen Zielsetzungen und Konzepte verändert. Neben den klassischen Abenteuerspielplatzangeboten Feuer, Hüttenbau, Werkstätten, Tiere usw. übernehmen Abenteuerspielplätze heute weit mehr Funktionen für die Kinder und ihre Eltern. Die Abenteuerspielplätze, die ja als Einrichtungen aus dem Stadtteil entstanden sind, haben immer schon eine wichtige Bedeutung für die Bewohner des Stadtteils gehabt. Sie sind nicht nur der Spielort der Kinder von sechs bis vierzehn Jahren, sondern auch häufig „Hort“ für die kleineren Geschwister, Treffpunkt für die jungen Mütter mit ihren Babys, die sich zur Mutter-Kind-Gruppe treffen, der Väter, die auch mal eine Sandkiste bauen, der Jugendlichen, die auf dem Platz „herumlungern“, weil sie – obwohl aus dem Abenteuerspielplatz herausgewachsen – keine Jugendeinrichtung am Ort besuchen können oder wollen. Die Mitarbeiterteams leisten auch einen sehr großen Teil informeller Beratung zu allen alltäglich auftretenden Fragen und Konflikten mit den Ämtern.
Viele Abenteuerspielplätze führen zum Beispiel auch intensive Schülerarbeit durch. Das heißt nicht nur Aufsicht und Hilfe bei den Schularbeiten, sondern auch kostenlose Nachhilfe, Einübung und Kontrolle des regelmäßigen Schulbesuchs, Gespräche mit den Lehrern und Intervention bei Konflikten mit der Schule. Für viele Kinder ist diese Betreuung die einzige Hilfe zur Verhinderung des Absturzes aus der Schule.
Auch die spezielle Arbeit mit Mädchen ist in den Abenteuerspielplatz-Konzeptionen verankert. Abenteuerspielplätze sind aufgrund ihrer Angebote v.a. Jungen-Domänen. Durch die Stärkung der Mädchen sollen auch sie sich die Einrichtung Abenteuerspielplatz erobern. So gibt es etwa Mädchengruppenarbeit, aber auch Jungenarbeit, um ein verändertes Verhalten miteinander zu erlernen.
Die pädagogischen Teams werden auf den Abenteuerspielplätzen auch mit Problemen konfrontiert wie Gewalt gegen Kinder, sexuellem Missbrauch, Weglaufen von Zuhause, Stehlen und Kinderprostitution. Diesen Problemen gehen sie nicht aus dem Wege, sondern greifen ein, helfen, beraten und leiten weiter. Dies ist nur möglich aufgrund des großen Vertrauens zwischen Kindern, Jugendlichen und Eltern gegenüber den Betreuern, denen unabhängiges und unbürokratisches, individuelles und flexibles Handeln möglich ist.
Es genügt bei weitem nicht mehr, ein Gelände mit Werkzeug zur Verfügung zu haben, damit Kinder dieses für ihre Freizeit nutzen. Die Kinder müssen häufig erst wieder lernen zu spielen. Wir helfen ihnen dabei, ihre Kindheit wieder zu erobern. Sie lernen, Spaß daran zu haben, etwas selbst zu bauen und nicht fertig zu kaufen; sie lernen, miteinander zu spielen, zu sprechen, zu singen, lesen, malen und Theater zu spielen anstatt nur bewegliche Bilder passiv aufzunehmen; sie lernen z.B., sich in Gruppen ihrer Rolle bewusst zu werden, Solidarität zu üben und sich gegenseitig zu stärken; sie lernen, ihre Umwelt bewusst wahrzunehmen und damit ökologisch umzugehen, wenn wir einen Garten anlegen oder Vollwertkost kochen; sie lernen, sich und ihre Interessen auszudrücken und durchzusetzen, wenn wir Platzversammlungen durchführen; Kinder verschiedener Nationalitäten spielen zusammen, sie lernen gesellschaftliche Zusammenhänge kennen, wenn wir z.B. mit ihnen über Neonazis sprechen; sie lernen Verantwortung zu übernehmen, wenn sie bei der Planung der Fahrten und Feste Aufgaben übernehmen.
Abenteuerspielplätze heute – das bedeutet eine Vielfalt und Breite an Angeboten und pädagogischen Schwerpunkten, die versuchen, einen Umgang zu finden mit vielschichtigen Problemen des Stadtteils. Diese Situation im Stadtteil, die Bedürfnisse der Bewohner und Platzbesucher, die Möglichkeiten des Vereins, die Schwerpunktsetzung der Kolleginnen und Kollegen vor Ort: Das bestimmt die Arbeit des jeweiligen Abenteuerspielplatzes.
Gemeinsam ist allen Abenteuerspielplätzen nach wie vor, Kindern Platz zur freien Entfaltung und Aneignung der Umwelt zu geben, ihnen die gesellschaftlichen Zusammenhänge bewusst zu machen und ihnen dabei zu helfen, darin ihren Platz zu finden, sie für die Natur und die ökologischen Zusammenhänge zu sensibilisieren, ihnen Möglichkeiten zu geben, solidarisch und freundschaftlich miteinander umzugehen und bei Auseinandersetzungen alternative Verhaltensweisen zu benutzen, selbstständiges und eigenverantwortliches Handeln einzuüben, gemeinsam zu spielen und Spaß zu haben. (aus: DIE BROSCHÜRE. Dokumentation der Arbeit Hamburger Abenteuerspielplätze, hrsg. vom Verband Hamburger Spielplatzinitiativen e.V., Hamburg 1990, S. 12, 13, 16.)

Abenteuerspielplätze im Jahr 2000

Abenteuerspielplätze haben sich traditionell an Kinder und Familien gerichtet, die als sozial schwach, randständig oder im Brennpunkt lebend beschrieben wurden oder werden. Die gesellschaftlichen Entwicklungen, die die Gegensätze von arm und reich wieder sehr verschärft haben, haben nicht dazu beigetragen, dass die Zielgruppen sich verändern. Abenteuerspielplätze erfahren sogar eher eine zunehmende und verschärfte Marginalisierung in den Einzugsgebieten.   In den 70er Jahren entstanden vor allem in neubebauten Gebieten, in denen ein Abenteuerspielplatz neu gestaltet werden konnte, die ersten Initiativen. Dass diese zu sozialen Brennpunkten geworden sind, liegt an der Art der Bebauung. In Stadtteilen, in denen sich das Sozialgefüge stabilisiert hat (man rechnet dafür den Zeitraum, in dem eine Generation heranwächst), standen nur kleine Flächen zur Verfügung. Trotzdem konnten sich in vielen, sehr verschiedenen Hamburger Stadtteilen Initiativen durchsetzen und ihre Einrichtungen, bei vielen bereits seit 20 Jahren, betreiben.
In Hamburg verändern sich in den letzten zwei, drei Jahren die Stadtteile ganz rapide. Auch bisher für „Normal-“ bzw. Besserverdienende unattraktive Straßen und Stadtteile fallen in die Begehrlichkeit von Immobilien- und Sanierungsfirmen. Die massenhafte Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentums- oder Luxuswohnungen hat die Zusammensetzung der Wohnbevölkerung verändert. Immer mehr gutverdienende, durchschnittlich 30 – 40-Jährige ohne oder mit nur einem Kind drängen in diese umgewandelten Stadtgebiete. Ihre Vorstellungen von einer optimalen Kindererziehung und die Erwartungen an die entsprechenden Angebote und Einrichtungen der Stadt und des Einzugsgebietes sind ganz andere als die in den meisten ASP-Konzeptionen formulierten. Die folgenden Ausführungen sind mehreren Gesprächen zu verdanken, die ich mit Christa Stamer-Heyer vom Aktivspielplatz Hamburger Straße führte, einer Einrichtung, die im stark umgewandelten Stadtteil Winterhude liegt.
Die Eltern haben genaue Vorstellungen über die Möglichkeiten, die ihr Kind haben muss, gehen dafür auch hohe finanzielle und zeitliche Belastungen ein bzw. sind dazu in der Lage. Sie erwarten z.B. vom Abenteuerspielplatz ein nahtloses Funktionieren bzw. Einreihen in das Ziel, das Kind zu einer erfolgreichen, allseits ausgebildeten, durchsetzungsfähigen Einzelpersönlichkeit zu machen – und das übrigens ohne Elterninitiative für den Verein aufzubringen.   Wir sehen uns heute einer Kindheit gegenüber, die im Vergleich zu den Möglichkeiten von Kindern vor 20 Jahren luxuriös, üppig bestückt, umfassend versorgt, geradezu erdrückend gut ausgestattet ist. Mit Kindheiten, die nicht so gestaltet sind, armen Kindern, Flüchtlingskindern, behinderten Kindern, finden keine Berührungen mehr statt. Nicht nur, dass die Kinderzimmer voll mit Spielzeug sind, auch die Tagesabläufe der Kinder sind randvoll mit Angeboten, die sie wahrnehmen können und sollen. Programme werden von den Eltern ausgewählt. Der Abenteuerspielplatz wird für ein, zwei Stunden pro Woche in dieses Programm eingereiht. Spätestens hier kollidieren pädagogisches Konzept und Zielsetzung mit täglicher Praxis und Elternanforderung.
Wer nun glaubte, der Abenteuerspielplatz mit seinen Angeboten der emanzipatorischen Spielpädagogik, der Zielsetzungen, Kindern gesellschaftliche Zusammenhänge bewusst zu machen, Rollen zu hinterfragen und Verhalten zu erproben, Gemeinschaft und solidarisches Verhalten zu erlernen, Umwelt zu verändern und ökologisches Bewusstsein zu erlangen, sei für diese „überversorgten“ Kinder ohne Belang, irrt. Abenteuerspielplatz wird im Zusammenhang mit der neuen, verwerteten, „entfremdeten“ Kindheit wichtiger denn je. Nicht nur, dass der offene Rahmen, das Außengelände, das Ausgesetztsein gegenüber den „Naturgewalten“ (damit ist Kälte, Wind und Regen gemeint), die „altmodischen“ Materialien, Schmutz, provisorische Bauten usw. Erlebnisse zulassen, die immer mehr im Stadtleben und besonders im Leben von Kindern, die einen hohen Lebensstandard gewohnt sind, unmöglich werden. Nicht nur, dass die Gruppenerlebnisse Freundschaften und Feindschaften möglich machen, die vielfältig und beweglich sind und sich von den bereits gesiebten Zusammensetzungen z.B. in der Schule unterscheiden. Für viele Kinder ist der ASP der einzige Ort, wo sie Kinder, die aus anderen sozialen Zusammenhängen kommen, kennen lernen können. ASP führt Menschen und Nationen zusammen. Er ermöglicht Begegnung und Auseinandersetzung. Die Einrichtung in der Averhoffstraße hatte aufgrund des gestiegenen Lebensstandards der Bewohner der Umgebung Kinder aus 12 Nationen, Kinder jedoch, die entgegen der sonstigen Kategorien in der Sozialarbeit nicht aus benachteiligten oder armen Familien kommen, sondern einen hohen Lebensstandard kennen. Gleichzeitig sind die Kinder der wenigen verbliebenen deutschen Familien unteren Einkommens mit diesen Kindern und den „neuen“ Kindern auf dem Platz zusammen.
Die Anforderungen, denen die Kinder über den Tag ausgesetzt sind, sind in den letzten Jahren merklich gestiegen. Schule, Hausaufgaben, Förderunterricht, Neigungskurse – alles, was gut ist, wird dem Kind angetan. ASP ist ein Ort, an dem sich Kinder zurückziehen können, zurückziehen aus den Anforderungen von Schule, Kursen, Eltern. Die Formulierung: „Der ASP ist ein Freiraum“ gewinnt unter diesem Aspekt eine neue Bedeutung: Freisein von der Notwendigkeit zu produzieren, auf ein Ziel, auf Verwertbarkeit hin zu agieren. Beziehungen werden um der Beziehung willen eingegangen und nicht, weil es sich um den Kursleiter handelt oder den Kursteilnehmer. Hier kann man sich mal ausspannen und nichts tun – wenn auch dieses Verhalten für die Pädagogen schwer aushaltbar ist. ASP macht möglich, Qualität von Zeit, von Raum und Nähe zu erfahren und auszuleben. Das heißt jedoch nicht, dass ASP seine Funktion nur auf ein Da-sein beschränkt. Sicherlich spielt dies auch eine große Rolle. Auf dem ASP ist immer jemand da: Dies ist ja in den Familien nicht mehr selbstverständlich. Wenn keine Geschwister da sind, gibt der ASP die Möglichkeit, Spielkameraden zu treffen. Auf der Straße findet man die nicht mehr. Aber der ASP und seine Regeln lehrt auch, Situationen auszuhalten, zu gestalten und zu verändern, ohne auszugrenzen und sich zu entziehen. Aus den Zusammenhängen Schule usw. ist bekannt, dass Störungen des Ablaufs und der Effektivität möglichst schnell beseitigt werden. Solche Störungen sind oft auch störende Kinder, aggressive Kinder, Kinder, die nicht mitkommen. Diese Kinder werden auf dem ASP bewusst nicht ausgegrenzt. Der ASP hilft dabei, sich auseinandersetzen zu lernen, andere Sichtweisen und Verhaltensweisen zu akzeptieren, gemeinsam Kompromisse zu finden. Angesichts der Gewalttätigkeiten und rassistischen Übergriffe liegt gerade hier die präventive Kraft der Abenteuerspielplatzarbeit.
Vorstehender Beitrag stand in: DER NAGEL 55/1993. Ins Internet gestellt wurde er im August 2002.

Die Autorin Antje Meyer war seinerzeit als Referentin beim Verband Hamburger Spielplatzinitiativen (heute: Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg) beschäftigt und ist mittlerweile als Lehrerin im Schuldienst tätig.

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