Die Offene Jugendarbeit bekam in Wassenberg 1993 als Jugendcafé ein gemietetes „Dach über den Kopf“. Ende 2005 zog das städtische Jugendcafé in ein eigenes Gebäude und wurde in „Jugendzentrum Wassenberg“ umbenannt. Es wurde größer, bekam mehr Räume, dazu ein Außengelände – man zog weg aus unmittelbarer Wohnnachbarschaft und blieb dennoch im Zentrum Wassenbergs, 50 Meter neben dem alten Gebäude.
Das Konzept der Einrichtung (2003 aktualisiert) ist seinen Grundsätzen und Zielen treu geblieben. Die Ziele allerdings werden inzwischen besser erreicht, die Optionen in der Arbeit konnten erweitert und die Methoden vielfältiger werden.
Die Einrichtung wird von einer hauptamtlichen Pädagogin – Angestellte der Stadt Wassenberg – geleitet. Unterstützt wird sie von einer Praktikantin und vielen ehrenamtlichen Helfern. Das Jugendzentrum (JuZe) hat ganzjährig von dienstags bis samstags geregelte Öffnungszeiten. Wann die Chefin anzutreffen ist, verrät die Internetseite der Einrichtung. Des weiteren gibt es flexible Aktionstermine, die nach Absprache von Jugendlichen gestaltet und begleitet werden können.
Das Jugendzentrum übernimmt zwischen Familie und Peergruppe sowie Gesellschaft und Schule quasi die dritte „Sozialisationssäule“ im Leben und Alltag der jungen Menschen zwischen 12 und 27 Jahren. Es begleitet sie in ziemlich allen Lebenslagen auf ihrem Weg zum Erwachsenwerden.
Aufgaben des Jugendzentrums
Das Zentrum fördert demokratische Erziehung und Bildung. Das Soziale, das Gemeinwesen, in dem die jungen Leute sich bewegen, bietet dabei die Erfahrungs- und Reflexionsbasis für erfolgreiche Entwicklungsprozesse. Nicht Ausgrenzung, vielmehr Einbeziehung von Randgruppen, Problemfällen und Einzelgängern sind Aufgabe der Offenen Jugendarbeit. Unabhängig von Herkunft, Überzeugung, Religion und Nationalität sollen alle in ihrer Lebenswirklichkeit erstgenommen werden und Unterstützung bei ihrer Identitätsbildung erfahren. Jedem Individuum soll Wertschätzung und Respekt entgegengebracht werden und alle sollen das Recht auf Beteiligung, Mitbestimmung, freie Meinungsäußerung, Bildung und Gleichbehandlung beeinflussen und ausgestalten können. Solidarisches und demokratisches Denken und Handeln müssen gefördert werden, auch um dem allseitigen Leistungs- und Konkurrenzdruck in unserer Gesellschaft verstärkt begegnen zu können.
Es ist wichtig, einen Freiraum für Entscheidungsmöglichkeiten zu schaffen, in dem Selbstverantwortung und Selbstorganisation erprobt werden können. Die pädagogische Arbeit im Jugendzentrum hat somit die Aufgabe, das Selbstbewusstsein und das Selbstwertgefühl der Jugendlichen zu stärken, Orientierungshilfen zu geben, mit gefährdeten Jugendlichen Problemlösungen zu erarbeiten bzw. sie mit speziellem Fachpersonal bekannt zu machen, Hemmschwellen zu Institutionen abzubauen sowie Kreativität und Mut zur Eigeninitiative zu fördern.
Die Zielgruppe
Zielgruppe sind alle Jugendlichen zwischen 14 und 25 Jahren. Unter bestimmten Gegebenheiten sind Kinder ab 12 Jahre zugelassen und junge Erwachsene bis 27 Jahre. Die Arbeit richtet sich an alle Jugendlichen und jungen Erwachsenen des Wassenberger Stadtgebietes und seiner Umgebung. Die Einrichtung wird von Jugendlichen aller weiterführenden Schularten sowie von Azubis, Studenten und Arbeitslosen genutzt. Ausländische Jugendliche (z.B. Türken, Albaner, Russen, Polen) fühlen sich genauso willkommen wie deutsche.
Die drei wichtigsten Aspekte der pädagogischen Arbeit sind hier
- Partizipation
- Unterstützung in allen Lebenslagen
- Spiel, Spaß, Sport und Irritation
Wie wird Partizipation im Jugendzentrum Wassenberg verstanden und umgesetzt und was soll sie bewirken?
Die Jugendlichen werden – unter professioneller Begleitung – in alle Angelegenheiten der Einrichtung einbezogen. Dabei entwickeln sie die Fähigkeiten, selbstständig und im Team zu agieren und reagieren. Sie entwickeln ganz praktische Kompetenzen, Verantwortung zu übernehmen und verantwortlich zu handeln. Im Grunde erhalten sie Chancen, selbstständig zu werden und gleichzeitig sozial zu bleiben; dies gepaart mit unterstützenden Reflexionsherausforderungen.
Partizipation der Besucher/innen ist zum A und O des Jugendzentrums Wassenberg geworden. Für die Leiterin ist sie inzwischen das leitende Motiv, der Grundbestandteil einer funktionierenden Offenen Jugendarbeit. Das „spezielle Modell“ wäre ohne Beteiligung aller am Geschehen gar nicht möglich, da es z.B. während der Öffnungszeiten für die Leiterin keine Zeit zum Rückzug und für die wichtige Einzelarbeit gäbe.
Das ehrenamtliche Team
Eine der tragenden Gruppen ist das „Team der Ehrenamtlichen“. Aufgrund des schnellen Wandels ist hier permanente Ausbildung erforderlich, die durch die Leitung geleistet wird. Jugendliche, die erhebliche Verantwortung und ganz konkrete Aufgaben übernehmen, fallen nicht „vom Himmel“. „Nachwuchsprofis“ können auch nicht gleich eine AG leiten, eine Kasse führen oder gar einen Streit zwischen zwei rivalisierenden Gruppen schlichten. Die Arbeit mit dem Ehrenamtlerteam ist ein ständiger Prozess, der begleitet, angeleitet und reflektiert werden muss.
Aus den Besucherreihen, den Stammgästen heraus wachsen Teamer heran. Es entwickelt sich der Wunsch, selbst etwas in die Hand zu nehmen, die Gestaltung der Räume mitzubestimmen oder Veranstaltungen gemeinsam in die Tat umzusetzen. In Wassenberg haben sie die Chance, lange genug zuzuschauen, wie das bei anderen geht.
Die Jugendlichen entwickeln auf diese Weise Interesse an Verantwortung und lernen mit dieser umzugehen. Sie begreifen den Sinn und Zweck von Regeln und lernen, diese mit Konsequenz zu vermitteln. Die Ehrenamtlichen lernen ferner, sich für Schwächere einzusetzen, mit Vorurteilen umzugehen und reflektieren wöchentlich gemeinsam mit der Leiterin ihr eigenes Verhalten, ihre eigene Entwicklung sowie das, was sie mit anderen Besucher/innen erleben.
Hat sich ein „Stammgast“ entschieden, Teamer zu werden, bekommt er einen Fragebogen: Wie lange er schon Besucher ist, wo er herkommt, wieso er ins Team und was er gerne mal veranstalten möchte. Vor diesem Hintergrund findet ein „Vorstellungsgespräch“ bei der Leiterin statt. Anschließend sucht der Bewerber sich einen Fürsprecher im bestehenden Team, der ihn auf der nächsten Sitzung vorschlägt. Das Team berät im Beisein der Leiterin wie ein Personalrat über den Bewerber. Es wägt ab, wie er ins Profil der Einrichtung passt, wie sie ihn als Besucher wahrgenommen haben und was es ihm persönlich in seiner Entwicklung bringen könnte. Wenn das Urteil positiv ausfällt (das war bisher immer der Fall, selbst bei den zweifelhaftesten Bewerbern zählt: Jeder bekommt eine Chance!), wird er nach Abstimmung für einen Probemonat aufgenommen. Er bekommt für den Monat einen Teamer als Anleiter an die Seite gestellt, der ihm die freudige Nachricht der Aufnahme überbringt. Der Bewerber kann das Besprochene selbstverständlich im Protokoll nachlesen und sich auch berichten lassen – es ist kein Geheimnis, was besprochen wurde. Der Anleiter begleitet seinen Schützling über den gesamten Monat und zeigt ihm alles, was es zu wissen gilt. Anschließend werden seine Erwartungen und die der Teamer mit der Realität verglichen, und derjenige, wenn er noch möchte, wird fest aufgenommen; dies selbstverständlich unter Beteiligung des Bewerbers. Das Prozedere insgesamt ist recht aufwändig und dennoch lohnenswert; dies nicht nur aktuell für die Arbeit im Jugendzentrum. Die Nachhaltigkeit des Verfahrens zahlt sich auch hinsichtlich der beruflichen Perspektiven für die jungen Leute aus, was bereits mit dem Vorstellungsgespräch für eine Lehrstelle beginnt: Durch die Übungen in der Jugendarbeit ist ein solches ein „Klacks“. (1)
Wer selbst ein Kind im Jugendalter oder in anderer Weise mit Jugendlichen Kontakt hat, kann sich vielleicht in die Lage hineinversetzen, was es bedeutet, 16 Jugendliche (im Durchschnitt 16 Jahre, unterschiedlicher Sozialisation, beide Geschlechter …) zu verantwortungsbewusstem, demokratischem, kontinuierlichem, zuverlässigem und reflektierendem Handeln auszubilden. Diese Ausbildung ist ein ständiger Prozess und bedarf ständiger Gespräche, gezielter Fortbildungen und eines Übungsfeldes, in dem man sich Fehler leisten darf. Durch die wöchentlichen Teamgespräche und viele Randgespräche im Laufe der Woche erhalten die Jugendlichen eine gute Grundlage, um der Leitung bei Aktionen zur Seite zu stehen. Um weitere Verantwortung tragen zu können, bedarf es gezielter Fortbildungen, wie Deeskalationstraining, Suchttraining, Gruppenseminar und vielem mehr, woran die ehrenamtlichen Mitarbeiter/innen jährlich teilnehmen müssen, um sich weiterzubilden und speziellere Aufgaben übernehmen zu können.
Man muss sich immer vor Augen halten, dass sich diese Jugendlichen freiwillig an der Arbeit im Jugendzentrum beteiligen und wöchentlich mindestens 3 Stunden ihrer Freizeit in gemeinnützige Arbeit investieren. Zusätzlich sind die „Klienten“, mit denen sich diese Jugendlichen beschäftigen, mindestens gleich alt, wenn nicht älter als sie selber. Sie müssen also zusätzlich lernen, sich durchzusetzen, ihre Aufgabe ernst und gewissenhaft zu erledigen und sie als wertvoll und wichtig zu verstehen.
Kontakt
Jugendzentrum Wassenberg
Melanie Albrecht-Dohmen
Pontorsonallee 20
41849 Wassenberg
Telefon 02432/20 609
Fax 02432/89 05 89
Der ABA Fachverband begleitet die Arbeit des Jugendzentrums bereits seit längerem. Dies war auch schon zu den Zeiten der Fall, als die Einrichtung noch an anderer Stelle als Jugendcafé existierte. Wie beschrieben, kann hier tagtäglich das hohe Maß an Partizipation wahrgenommen werden. Das Jugendzentrum Wassenberg mit seiner Leiterin Melanie Albrecht-Dohmen hat sich in der Gemeinde zu einem großartigen Übungsfeld in Sachen Demokratie gemausert. Darüber hinaus gibt es eine breite Palette an attraktiven und abwechslungsreichen Optionen, die die Einrichtung bietet. Zu Recht wurde über sie von der Rheinischen Post Erkelenz am 19. Dezember 2006 mit dem Titel „Raum für 1.000 Möglichkeiten“ berichtet. Kolleginnen und Kollegen, die sich überzeugen wollen, wie man konstruktiv und nachhaltig junge Leute in die Arbeit einbindet, sei angeraten, sich zur Weiterentwicklung der eigenen Arbeit in Wassenberg inspirieren zu lassen. Der ABA Fachverband vergibt für die vorbildliche Arbeit vier (****) Sterne.
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(1) Der ABA Fachverband bemüht sich um einen forschenden Kooperationspartner, um herauszufinden, wie sich die Partizipation im Jugendzentrum Wassenberg insgesamt bei den jungen Leuten biografisch auswirkt.
Hier noch ein ein Beispiel, was Jugendliche leisten können, wenn man sie begleitet und „machen lässt“.
Die Streicharbeiten im gesamten Jugendzentrum (Keller und Erdgeschoss) haben Jugendliche selber übernommen – von der Farbauswahl über den Materialeinkauf, bis hin zur fertigen Gestaltung.
Den Bau der Theke, der Bühne und dem DJ-Bereich, die man unten auf der linken Seite im Ansatz erkennen kann, haben die Jugendlichen selber konstruiert, Materialien besorgt (zum Teil über Sponsoring) und zusammengezimmert.
Zuvor gab es gemeinsame Gespräche mit der Stadt als Träger, dem Architekten und dem Stadtrat, bei denen die Jugendlichen Stellung zu ihren Ideen nehmen konnten. Auch die Einrichtungsgegenstände haben Jugendliche mit ausgesucht. Die Raumgestaltung nahmen sie in die eigene Hand, ebenso entstehen aus den formulierten Bedürfnissen der Jugendlichen die Veranstaltungen, die seit Anfang 2006 im Jugendzentrum stattfinden.
Kontinuierlich sind 14 Jugendliche zwischen 14 und 22 Jahren im Team Als feste Zeiten übernehmen sie zweimal ein Stunde den Thekendienst der Einrichtung und haben eine Stunde pro Woche Teamsitzung, in der die Arbeit vor Ort besprochen wird.
April 2007
Aktualisierung: 24. November 2009
Letzte Aktualisierung: 3. August 2014