Der Jugendclub Escher Straße ist eine Jugendeinrichtung in einem sozialen Brennpunkt in Köln; gegründet 1979 in Trägerschaft der Stadt, gehört er seit 1998 zur Jugendzentren Köln gGmbH (JugZ). Der Club, in der Bevölkerung als „Escher Club“ bekannt, ist eine Einrichtung der Offenen Tür im Stadtteil Kölner Bilderstöckchen, untergebracht in einem der städtischen Sozialhäuser in der Escher Straße 152.
HINWEIS:
Die Jugendeinrichtung Escher Club gibt es mittlerweile nicht mehr. Gleichwohl möchten wir die Beschreibung und Bewertung der damaligen Arbeit als gelungenes Beispiel und konzeptionelle Anregung in dieser Rubrik weiterhin aufführen.
Den Jugendclub besuchen Kinder und Jugendliche aus allen sozialen Schichten; sie sind in vier Zielgruppen einzuordnen: Siedlungskinder 7-10 Jahre (in den Ferien und bei Sonderaktionen), Siedlungskinder ab 11 Jahre, Jugendliche von 13-26 Jahre, Siedlungsbewohner(innen) und ehemalige Clubbesucher(innen) ab 26 Jahren; dabei handelt es sich um Menschen aus unterschiedlichen kulturellen, religiösen und familiären Herkunftshintergründen und aus dem gesamten Stadtteil Bilderstöckchen sowie den angrenzenden und weiteren Kölner Stadtteilen. Viele Kinder und Jugendliche erleben in ihren Familien Armut, Gewalt, Drogenkonsum, haben arbeitslose Elternteile, alleinerziehende Mütter, enge räumliche Wohnverhältnisse und viele Geschwister.
Der Jugendclub Escherstraße hat ca. 120 Stammbesucher(innen), die zu unterschiedlichen Zeiten und Angeboten die Einrichtung aufsuchen, wobei der Zulauf der 11-Jährigen stetig zunimmt. Durchschnittlich besuchten etwa 30-40 Besucher(innen) täglich den Club. 40 Prozent sind Mädchen (Erhebung 2006), wiederum 40 Prozent dieser Mädchen haben einen so genannten Migrationshintergrund. Bei den Jungen (60 Prozent der Gesamtbesuchergruppe) liegt deren Anteil bei ca. 45 Prozent. Die Eltern oder Großeltern der genannten Besuchergruppe kommen zumeist aus der Türkei, aus Kurdistan, Russland, Mazedonien, dem Kosovo, Pakistan, Polen, Tunesien, Marokko und aus weiteren afrikanischen Staaten.
Partizipationsform JUGENDRAT
Neben den allgemeinen Freizeit- und Bildungsangeboten (also: Siedlungsarbeit, Hausaufgabenhilfe, punktuelle Hilfe bei der Berufsorientierung, Sportförderung, Förderung der Integration usw.) ermöglicht der Jugendclub diverse Formen der Partizipation und konkrete Verantwortungsübernahme. Ein Ziel dieser Mitbestimmung ist die Erprobung eines respektvollen und demokratischen Miteinanders.
Die Partizipationsmöglichkeiten der Jugendlichen in der Einrichtung sind seit 2004 in einem Prozess der Demokratisierung erweitert und konzeptionell festgeschrieben worden. Im Februar 2004 gab es die ersten Wahlen der Jugendräte (2 Mädchen, 2 Jungen), und seitdem finden monatlich Jugendratssitzungen und Vollversammlungen (VV) statt. Die Themen auf den Vollversammlungen sind mit den gewählten Jugendräten abgestimmt, werden teilweise auch unmittelbar vorgetragen und von einzelnen Jugendlichen moderiert.
Da das Modell „Jugendrat“ erfolgreich und engagiert verlief, wurde entschieden, die Jugendlichen durch einen eigenen „Jugendratsetat“ von 500 Euro jährlich (aus dem pädagogischen Etat der Einrichtung) noch unmittelbarer mitbestimmen zu lassen und die Wirkung ihrer ehrenamtlichen Arbeit sowie ihre Bedeutung „als gewählter Jugendrat“ zu erweitern. Beflügelt wurde das Engagement der Jugendlichen auch durch erlebbare Erfolge (eigener Etat, Durchsetzung eines selbstverwalteten Kiosks); sie erfuhren wachsende Anerkennung als Jugendrat. Ebenso verdient die Beschäftigung mit drohenden Einrichtungsschließungen im Kölner Stadtgebiet 2002/2003 Erwähnung.
Durch Fördermittel des Landes NRW 2006 und 2007 konnte der Jugendrat noch zeit- und personalintensiver begleitet werden; dies wirkte sich nachhaltig auf die Beteiligungsstrukturen und deren Stabilität sowie insgesamt auf die basisdemokratische Diskussionskultur innerhalb der Einrichtung aus. Den Jugendlichen wurden Zusammenhänge von Politik und Jugendhilfe (Rat der Stadt Köln, Jugendhilfeausschuss, Etat der Einrichtung) vermittelt. Sie befass(t)en sich mit den Hintergründen der Entscheidungsgremien für finanzielle Ressourcen und begrenzende Rahmenbedingungen (z.B. Grenzen der Öffnungszeiten, Personalengpässe, Haftungsrecht, Verantwortung der Mitarbeiter(innen) usw.) sowie andere Themen zur Findung ihrer Rolle als gewählte Jugendratsmitglieder in Fortbildungen und im offenen Dialog mit den Mitarbeiter(inne)n.
Durch die Fördergelder des Landes wurden Seminare mit externen Referenten möglich, die mit den Jugendlichen daran arbeiteten, ihre Rolle als gewählte Jugendratsmitglieder zu reflektieren und Vorschläge sowie konstruktive Kritik gegenüber den Mitarbeiter(inne)n und anderen Entscheidungsbefugten formulieren zu lernen. Diese Jugendlichen werden seit 2006 an den Planungen für das darauffolgende Jahr in einer Zukunftswerkstatt für den Escher Club (unter Beteiligung von zwei Bewohner(inne)n) beteiligt; wichtig ist nach wie vor, dass die Arbeit auch Freude bereitet; zentral ebenso: Besprechungen müssen ergebnisorientiert sein. Die Jugendlichen sollen so noch stärker bei der Programmgestaltung und der Angebotsstruktur der Einrichtung mitbestimmen können sowie Demokratie erlernen. Zusätzliche Fortbildungen zu Jugendgruppenleiter(inne)n trugen dazu bei wie etwa die Übernahme von kleineren Verantwortungsbereichen (Tunierleitungen bei Jüngeren usw.). Hierbei konnte Partizipation erlebbar und ehrliche Interessenvertretung der Jugendlichen gegenüber den Mitarbeiter(inne)n sowie Politik („Demokratie im Kleinen“) direkt erfahrbar werden (Wahrnehmung und Artikulation eigener Interessen sowie der Wünsche ihrer Wähler(innen).
Bloßer „Freizeitkonsum“ ist zwar weiterhin möglich, aber das Mitgestalten des Programmangebots und das Ansehen des Jugendrats in der Öffentlichkeit wurden für immer mehr Jugendliche der Einrichtung attraktiv. Trotz unterschiedlicher Phasen des Engagements wurde die Bereitschaft der Besucher(innen), den Jugendrat zu akzeptieren bzw. sich selbst als Jugendrat aktiv einzubringen, seit den ersten Wahlen 2004 von den Jugendlichen grundsätzlich nie in Frage gestellt.
Der Gestaltungsfreiraum für die jedes Jahr neu gewählten, paritätisch besetzten Jugendräte und andere engagierte Jugendliche basiert auf einem verlässlichen Partizipationsangebot, einer intensiven Beziehungsarbeit vor Ort, konzeptionellen Grundlagen und zielgruppengerechten Beteiligungsformen sowie der Bereitschaft der pädagogischen Mitarbeiter(innen), sich diesem teilweise dynamischen Prozess der Demokratisierung und Alltagspartizipation zu stellen. Die inhaltlichen Auseinandersetzungen zu diversen Themen fordern die Mitarbeiter(innen) in ihrer Offenheit, Flexibilität und Reflexionsfähigkeit.
Grundlagen des Jugendrates sind die Clubregeln, das Jugendschutzgesetz, geltendes Recht und das Grundgesetz. Seit 2006 gibt es eine Geschäftsordnung, die von den Jugendlichen während eines Seminars (mit einem externen Referenten des ABA Fachverbandes) verändert wurde. Weitere Planungen: Teilnahme des Jugendrats auf Einrichtungsebene sowie in stadtweiten Gremien (Kölner Praktiker-AG der AG 78 des Jugendamts, Treffen der Kinder- und Jugendforen beim Amt für Kinderinteressen), Beantragung von Geldern, Vernetzungsaktivitäten usw.
Jugendrat Escher Club als „Kinder – und Jugendforum Bilderstöckchen“ anerkannt
Durch die Etablierung der speziellen Formen der Partizipation, durch Verantwortungsübernahme und Mitbestimmung sowie praktiziertes respektvolles und demokratisches Miteinander (geregelt durch die vom Jugendrat in Absprache mit den Mitarbeiter(inne)n 2006 modifizierten Clubregeln) ist dafür gesorgt, dass für alle Besucher(innen) ein attraktives Programm angeboten werden kann.
Da der Jugendrat nach dem Beschluss des Jugendhilfeausschusses nun als „Kinder- und Jugendforum Bilderstöckchen“ anerkannt wurde und eine finanzielle Förderung erhielt, hofft die Einrichtung, die Arbeit des Jugendrats erfolgreich fortsetzen zu können. Schon jetzt sehen sich die gewählten Jugendlichen als „Vorbilder“ im Club, sind interessiert am Austausch mit anderen und erleben, dass eine „Diskussionskultur“ und der ehrenamtliche Einsatz durchaus etwas bewirken können. Die Transparenz der Arbeit des Jugendrats, die Förderung der Jugendlichen als Interessenvertretung und die Förderung von Beteiligungsformen sowie die sinnvollen Vernetzungsmöglichkeiten in Stadtteil, Bezirk und Kommune werden sich an Attraktivität, Wirksamkeit und bei aller Ernsthaftigkeit des jugendlichen Engagements auch am „Spaßfaktor“ messen lassen müssen, wenn es dauerhafte Partizipationsmöglichkeiten werden sollen.
Kontakt
Jugendeinrichtung Escher Club
Escher Straße 152
50739 Köln
0221/170 7990
Nähert man sich dem Escher Club, lässt sich unschwer erahnen, dass es sich hierbei (wie im Text erwähnt) um ein „städtisches Sozialhaus“ handelt : das Ganze wirkt zunächst wenig einladend! Hat man aber erst einmal die zweite Etage erreicht und den Club betreten, so befindet man sich quasi in einer „anderen Welt“. Die Etage des Jugendclubs ist überaus freundlich gestaltet, die Räume sind offen zugänglich: mit großer Liebe zum Detail wurde hier eine einladende Atmosphäre geschaffen. Bei allen Besuchen erlebten wir aufgeräumte junge Leute, die sich sehr mit „ihrem Club“ identifizieren. Gäste werden von ihnen mit offenen Armen empfangen – möglicherweise eine Folge der beschriebenen Umsetzung von Partizipation und Wertschätzung. Die schrittweise Entwicklung der Mitbestimmung im Haus stellt ein hervorragendes Beispiel dar, wie die Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen diese konstruktiv und effektvoll in den Alltag einbeziehen kann. Hier können sich Mitarbeiter(innen) anderer Einrichtungen, die darüber nachdenken, ebenfalls mehr Partizipation zu wagen, sich in der Tat auf empfehlenswerte Weise inspirieren lassen. Der ABA Fachverband vergibt für die Arbeit des Escher Clubs gern vier (****) Sterne.
Februar 2008
Aktualisierung: 22. April 2009