Christopher Roch

NAGEL-Redaktion – Abwehrkräfte bei Kindern

Armin Heils von der Klinik für Epileptologie an der Uni Bonn weist darauf hin, dass Fieberkrämpfe bei Kindern meist harmlos sind. Dass sie auftreten, hänge vermutlich mit dem Stadium der Hirnreifung im Alter von unter sechs Jahren zusammen. Wiederholte Fieberkämpfe mit rasch steigendem Fieber, zuckenden Gliedmaßen, Bewusstlosigkeit und Schaum vor dem Mund werden eher als bedenklich eingeschätzt. (ap) Dies bestätigt die auch vom ABA Fachverband vertretene Position, dass man dem kindlichen Organismus nach Möglichkeit die Chance geben sollte, Abwehrkräfte aufzubauen, sein Immunsystem zu stärken. In eine vergleichbare Richtung geht auch eine Verlautbarung des Landesverbandes Nordrhein-Westfalen im Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die diese am 10. April 2003 in Düsseldorf abgegeben haben: Übermäßige Reinheit schadet Kindern. Angesprochen wird unter anderem die Verwendung von desinfizierendem Haushaltsreiniger. Das Gegenteil der elterlichen Absichten werde erreicht: Das Training des Immunsystems, sich gegen Keime von außen zu Wehr zu setzen, wird unterbunden. Damit werden die Grundsteine für künftige Allergien gelegt. In den Reinigungsmitteln selbst könnten ebenfalls allergieauslösende Stoffe vorhanden sein. Ab und zu die Händewaschen reicht aus. (ap/dpa) Eine bundesweite ?Studie zur Gesundheit von Kindern und Jugendlichen?, an der 18.000 junge Leute unter 18 Jahren beteiligt sind, hat das Robert-Koch-Institut (Berlin) im Auftrag der Bundesregierung begonnen. Die Untersuchung läuft über drei Jahre. Nähere Informationen gibt es unter www.kinder-jugend-gesundheit21.de. 

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NAGEL-Redaktion – Kopfläuse

Berichte aus dem „i-Punkt“

Kopfläuse sind seit Jahrzehnten in Einrichtungen, in denen sich Kinder aufhalten, ein Thema. Der Leiter der Hygieneabteilung im Kasseler Gesundheitsamt geht beispielsweise davon aus, dass keine Schule läusefrei sei. In diesem Zusammenhang sei daran erinnert, dass Kopfläuse vor allem Ekel bewirken. Dies wird besonders deutlich, wenn man sich einen so genannten „Weichselzopf“ vorstellt. So wird die Verfilzung des Haares durch Nissen bei hochgradiger Verlausung bezeichnet. Läusefall ist nicht frei von Mythen: Läuse können zwar in Ausnahmefällen Wundinfektionen (als Folge des Kratzens bei Jucken) und möglicherweise Allergien, nicht aber gefährliche Krankheiten auslösen. Der Befall mit Läusen geschieht zumeist über nahen körperlichen Kontakt, die Nutzung gemeinschaftlicher Bettwäsche, Kuscheltiere, Kämme, Bürsten oder auch das Übereinanderhängen von Kopfbedeckungen an der Garderobe und hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun. Im Gegenteil: Läuse bevorzugen Köpfe, die oft gewaschen werden, da eine saubere Kopfhaut von den Tierchen viel besser anzuzapfen ist. Um zu überleben, benötigen Läuse in ihrem drei bis vier Wochen dauernden Leben Blut, das sie ihren Wirten entsaugen. Bereits nach 48 Stunden ohne Blut sind sie verhungert. Ein Lausweibchen legt bis zu 200 Eier. Durch die genannten Übertragungswege ist erklärbar, warum Kopfläuse im Winter zahlreicher auftreten als zu wärmeren Zeiten. Grundsätzlich ist Verlausung gesundheitsbehördlich meldepflichtig. Befallene Kinder dürfen erst wieder in die Einrichtung (z.B. die Schule), wenn sie lausfrei sind. Mittel gegen Kopfläuse gibt es in der Apotheke. Hilfreich sollen vor allem Mittel sein, die auf Chysanthemen-Blüten basieren. Diese töten nicht nur die Läuse, sondern auch die Nissen, die Verursacher des Weichselzopfes. Auch die Wäsche ist im Betroffenheitsfall bei 60 Grad zu waschen.

InformationsDienst 12/2002

 

Das Thema „Läuse“ hatten wir bereits vor einiger Zeit schon einmal im i-Punkt aufgegriffen. Da die Kopfläuse-Saison sich wieder einmal ihrem Höhepunkt nähert, hier erneut ein paar Informationen. Wir übernehmen einen Bericht der WAZ vom 20. Oktober 2003. Nach den Ferien eingeschleppt, haben Läuse in Kindergärten und Grundschulen (sowie anderen Einrichtungen, die Redaktion) leichtes Spiel: Dort stecken Kinder ihre Köpfe zusammen, tauschen Kleidung aus – ruck zuck ist eine Laus übergelaufen. „In unseren Breiten sind Läuse keine Krankheitsüberträger“, betont Dr. Petra Freynik, beim Gesundheitsamt Essen zuständig für den Kinder- und Jugendgesundheitsdienst. Läuse sind lästig – und bedeuten viel Arbeit. Denn nicht nur die Haare müssen mit abtötenden Substanzen behandelt werden. Auch Kleidung, Bettwäsche, Kuscheltiere, Haarbürsten, Teppiche, Polster und das Auto müssen lausfrei sein. Denn wenn nur wenige Tiere überleben – oder auch die Lauseier, die Nissen, nicht komplett getötet werden – vermehren sich die Plagegeister wieder. Dr. Freynik rät, nach acht Tagen zu kontrollieren – vor allem in der Nackengegend, hinter den Ohren und an den Schläfen. Läuse vertragen starke Kälte und Wärme nicht; wenn sie kein Blut saugen können, verhungern sie. Das hilft: Textilien mit mindestens 60 Grad waschen, Kissen und alles, was nicht waschbar ist, im Plastikbeutel verschließen und drei bis vier Wochen lagern. Polster und Teppiche oft saugen. Stichwort Hygiene: Läuse besiedeln auch supersaubere Köpfe (Hierauf hatten wir bereits schon in einem frühren i-Punkt hingewiesen: Je häufiger die Kopfhaut gewaschen wird, um so attraktiver ist sie für das lausige Mahl. Die Redaktion), und wer sie schon hat, kriegt sie durch Waschen allein nicht mehr weg. Die drei Millimeter großen Insekten können sich mit einer 2000fachen Zugkraft ihres Gewichtes ans Haar klammern. Ihre Eier kleben bombenfest und lassen sich nur durch Auskämmen mit dem Nissenkamm entfernen. Dazu rät Dr. Freynik, um kein Risiko einzugehen, Essigwasser (ein Teil Essig auf zwei Teile Wasser) macht die Aktion leichter. Man kann auch die weichen Haare an den zumeist betroffenen Stellen (Schläfen, Ohren, Nacken) wegschneiden. Von dem Tipp, Läuse mit einem Saunabesuch oder unter der Trockenhaube den Garaus zu machen, rät Dr. Freynik ab: „Unter dem Hygieneaspekt ist ein Saunabesuch nicht witzig“, meint sie, und warnt vor Trockenhauben: „Bei Kindern kann die Kopfhaut geschädigt werden.“ Schwangere sollten vor der Anwendung eines Antiparasitikums mit ihrem Arzt sprechen. Bettina Kutzner in der WAZ

i-Punkt 11/2003

 

Foto: WAZ

 

Angesichts des mehr oder weniger fragwürdigen „Läuseatlasses“ eines Arzneimittelherstellers, der in diesen Tagen durch die Medien „geistert“, haben wir uns dazu entschlossen, diese Seite zu aktualisieren, um unseren Leser(inne)n eine einigermaßen brauchbare Hilfestellung zu geben.

ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen (Oktober 2008)

 

Befall erkennen und bekämpfen

Erste Kennzeichen eines Läusebefalls sind Pusteln hinter den Ohren, die als Reizung vom Speichel der Läuse auftreten. später entwickelt sich ein Ekzem im Nacken, und Juckreiz tritt auf. Beweis für die Anwesenheit der Parasiten sind dann die Läuseeier, die nahe der Haarwurzeln zu finden sind. Sie ähneln Schuppen, lassen sich aber nicht wegschütteln, sondern kleben fest. Die Läuse sollten möglichst rasch bekämpft werden. Chemische Mittel schädigen das Nervensystem der Tiere, physikalische verstpopfen etwa ihre Atmewege: Die Läsue ersticken. Mittel gegen Läusebefall sind – wenn von Arzt verordnet – für Kinder bis zwölf Jahren eine Kassenleistung.

Quelle: WAZ vom 10. Oktober 2008

 

 Foto: WAZ

 

Sensible Blutsauger

Ein Interview mit dem Läuseexperten Michael Forßbohm über die angebliche Zunahme des Läusebefalls

Jedes Jahr zehn Prozent mehr Läuse, meldet der Arzneimittelhersteller Dr. Wolff. Können Sie das bestätigen?

Forßbohm: Nein. Es gibt keine belastbaren Daten, dass es mehr werden. Denn es gibt ja keine Meldepflicht bei Ärzten. Auch der Verkauf von Mitteln ist überhaupt kein verlässlichen Indiz.

Aber viele Eltern sagen, bei uns hat es das früher nicht gegeben …

Forßbohm: Mit Sicherheit hat es in früheren Zeiten genauso viele Läuse gegeben wie heute. Nur früher wurde das bewusst vertuscht. Heute wird zum Glück darüber gesprochen. Das kommt in der Öffentlichkeit als Zunahme an.

Viele schämen sich aber auch heute noch für Läuse.

Forßbohm: Die Laus ernährt sich von menschlichem Blut. Nicht von Schmutz, auch nicht von Teddyhaar. Sie kann weder fliegen noch springen, und geht sie auf einem Teddy verloren, dann blüht ihr am dritten Tag das sichere Ende.

Aber man hört doch immer wieder, dass man sich Läuse auch dort holt, wo der hygienische Standard noch nicht so hoch ist?

Forßbohm: Nochmal: Läuse sind keine Urlaubsmitbringsel. Sie kommen in den besten Vierteln vor, gedeihen dort am besten, wo man nicht drüber redet. Läuse und Dreck haben nichts miteinander zu tun, weder von Körperpflege noch von Putzmitteln lassen sie sich schrecken. Und: Sie sind auch keine Krankheitserreger, es handelt sich schlicht um Insektenbefall.

Was also tun, wenn man befallen ist?

Forßbohm: Fakt ist: Ist ein Läusemittel einmal richtig angewendet worden, sind alle Läuse vernichtet. Und das heißt: Es kann keine Laus übertragen werden. Die Eier werden von den Mitteln aber nicht angegriffen, deswegen sollte man nach einer Woche etwa die Anwendung wiederholen. So lange dauert es, bis die Larven schlüpfen. Die müssen sich drei Mal häuten, können in dieser ganzen Zeit den Kopf nicht verlassen, stellen also keine Ansteckungsgefahr dar. Übertragen werden nur erwachsene Läuse, sonst nichts! Außerdem muss gewaschen werden: die Bett- und die Leibwäsche, alles was mit dem Kopf in Berührung gekommen ist – oder man packt es mindestens drei Tage in eine Tüte.

Was ist dann mit der oft geforderten Nissenfreiheit?

Forßbohm: Das ist schlimm: Die Nisse ist nur die Hülle, nicht das Ei! Dennoch hält sich die Forderung hartnäckig. Dabei gilt: Alles was weiter als ein Zentimeter von der Kopfhaut entfernt an den Haaren klebt, muss leer sein – das ist biologisch anders gar nicht möglich. Es gehört zu den Abstrusitäten in unserem Land, dass Kinder nach Hause geschickt werden, weil irgendwo in ihren Haaren eine Nisse entdeckt wurde.

Was ist also Ihre Empfehlung gegen Läuse?

Forßbohm: Reden! Es den anderen sagen, mit denen man zusammen war, das ist das Allerwichtigste. Dann alle umgehend untersuchen, die Betroffenen behandeln, so bekommt man jede Gruppe lausfrei. Außerdem fordere ich die Gesundheitsämter auf, ihrer Beratungs- und Aufkärungspflicht nachzukommen. Das ist eine richtige und wichtige Aufgabe. Wer sich hier wegduckt, entzieht Hilfe.

Dr. Michael Forßbohm ist Leiter der Abteilung für Infektionsschutz im Gesundheitsamt Wiesbaden und war als Läuseexperte mehrfach für die Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung (BZgA) tätig.

Quelle: WAZ vom 10. Oktober 2008 – Das Interview führt Britta Bingmann

 

Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Zur Seite der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BzgA) zum Thema gelangt man hier. Eine PDF-Broschüre der BzgA kann hier geladen werden.

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NAGEL-Redaktion – Was Kinder brauchen

Gesundheit ist nicht konsumierbar

Kinder und Jugendliche von heute erleben vielfach ein Wechselbad zwischen Über- und Unterforderung, Überfluss und Mangel. Immer mehr Kinder reagieren darauf mit psychosomatischen und mentalen Störungen. Der Einsatz von Medikamenten dagegen sollte kritischer hinterfragt werden. Der Schlüssel zu mehr Gesundheit und Wohlbefinden liegt im Elternhaus, im Kindergarten und in der Schule

Von Prof. Dr. Klaus Hurrelmann

Gesundheit ist viel mehr als die Abwesenheit von Krankheit. Gesundheit und Krankheit haben neben der körperlichen auch eine psychische und soziale Komponente. Die Weltgesundheitsorganisation drängt seit 50 Jahren auf diese umfassende Betrachtung, die im Bewusstsein der Menschen noch wenig verankert ist. In der gesundheitswissenschaftlichen Forschung hat sie sich inzwischen durchgesetzt. Danach bildet Gesundheit ein Gleichgewicht von störenden und schützenden körperlichen und geistigen Faktoren, die täglich ins Gleichgewicht zu bringen sind. Das gelingt nur, wenn der Mensch seinen Körper, seine genetische Ausstattung und seine Persönlichkeit akzeptiert und souverän damit umgehen kann. Aber auch die allgemeine Lebenssituation trägt maßgeblich zu Wohlbefnden und Lebensfreude bei: Familie und Freundschaften, Wohn- und Ernährungsbedingungen, der Ausgleich zwischen Leistungsanforderungen und entspannenden Freizeitaktivitäten.

Genau hier haben Kinder und Jugendliche heute die größten Probleme. Gesundheitliche Störungen liegen im Schnittbereich zwischen Körper, Psyche und Umwelt. Die Alarmsignale sind nicht zu übersehen.

Alarmsignal 1: Bei immer mehr Kindern und Jugendlichen streikt das Immunsystem

Etwa 20 Prozent aller Kinder leiden unter allergischen Erkrankungen. Darunter sind eher harmlose Beeinträchtigungen wie zum Beispiel leichter Heuschnupfen oder eine gelegentliche Bindehautentzündung. Es treten aber auch gefährliche, teils lebensbedrohliche Atemwegsstörungen vom Typ Asthma sowie schwere Hauterkrankungen vom Typ Neurodermitis auf. Ganz offensichtlich hat ein mangelhaft trainiertes Immunsystem mit der sprunghaften Ausbreitung dieser Krankheiten zu tun.

Es rächt sich, dass Kinder in klimatisierten Räumen mit kuscheligen Teppichböden groß werden und nur noch in hygienisch einwandfreien Sandkästen spielen. Die Widerstandskräfte des Körpers werden nicht trainiert, Belastungen durch psychischen Druck können nicht richtig abgewehrt werden. Dabei fällt auf, dass von Asthma und Neurodermitis verstärkt Kinder aus den wohlhabenden Familien heimgesucht werden – es handelt sich um echte Zivilisationskrankheiten. 

Alarmsignal 2: Fehlsteuerungen in der Ernährung

Hier sind es vor allem Kinder und Jugendliche aus sozial schlechter gestellten Familien, die preiswerte, kalorienreiche Fast-Food-Gerichte zu essen bekommen. Diese Produkte sind zu fett, zu süß, zu salzig und enthalten zu wenig Ballaststoffe. Der Darm wird gerade noch zu „Teilzeitarbeit“ ermuntert. Die Folge von überschüssigen Kalorien bei gleichzeitigem Bewegungsmangel ist Übergewicht. Der Haltungsapparat wird völlig überlastet, die Blutfettwerte übersteigen den Normbereich. In Deutschland weisen inzwischen rund zehn Prozent der Kinder und Jugendlichen erschreckendes Übergewicht auf.

Alarmsignal 3: Fehlende Anregung und Schulung der Sinne

Bewegungsmangel und eine einseitige Anregung des Hör- und Sehsinns treten oft zusammen auf. Riechen, Fühlen und Sprechen werden vernachlässigt und verkümmern immer mehr. Gameboy und Bildschirm, teils aber auch Familie, Kindergarten und Schule bieten eine unausgewogene „Sinneskost“. Dieser Mangel führt bei Kindern und Jugendlichen verstärkt zu motorischen Koordinationsproblemen. Erzieherinnen und Grundschullehrerinnen klagen bereits bei kleinen Kindern über eine schlechte Feinmotorik. Die Verbindungen zwischen den Schaltzentren im Gehirn werden nicht hergestellt, es kommt zu Unsicherheiten und Ungeschicklichkeiten. Bereits bei zehn Prozent aller Kinder und Jugendlichen. Viele können nicht sicher mit einem Bleistift zeichnen, andere können kaum richtig gehen. Überschneiden sich diese Probleme mit schlechtem Ernährungsverhalten und mangelnder Bewegung, wird die Entwicklung mehrfach beeinträchtigt. 

Alarmsignal 4: Aufmerksamkeitsdefzite und Hyperaktivität steigen

An und für sich hoch intelligente Kinder können sich nicht konzentrieren, sind unruhig und außerstande, eine Arbeit oder eine Aktivität zu Ende zu führen – man schätzt bis zu vier Prozent eines Jahrgangs. Zugrunde liegt eine Stoffwechselstörung im Gehirn, die aber offensichtlich durch hektischen Lebensstil und unsichere Beziehungen zu den Eltern erst freigelegt wird. Mitunter neigen Ärzte zu einer Behandlung mit Psychostimulanzien (z. B. Ritalin), vergessen aber die psychische und soziale Einbettung dieser Störung, die nach ruhiger und konsequenter Erziehung und zumindest zeitweiser psychotherapeutischer Begleitung verlangt.

Alarmsignal 5: „Bewältigungsverhalten“ mangelhaft

Viele Kinder und Jugendliche können mit seelischen Konflikten und sozialen Anspannungen nicht richtig umgehen. Sie haben nicht gelernt, Enttäuschungen hinzunehmen, einen Misserfolg wegzustecken oder mal ein kritisches Wort zu verdauen: Sie knicken bei den kleinsten Irritationen ein. So ist es wohl zu erklären, dass in allen Untersuchungen immer mehr psychosomatische Störungen wie Verdauungsprobleme, Kopf-, Magen- und Rücken schmerzen, bis hin zu Depressionen und Suizidversuchen festgestellt werden, vor allem bei den Mädchen. Jungen reagieren ihre innere Anspannung häufiger mit Überaktivität, Gereiztheit und Aggressivität nach außen ab, bis hin zu gewalttätigem und kriminellem Verhalten. Bei fünf Prozent der Mädchen und zehn Prozent der Jungen ist diese nach innen oder nach außen gerichtete krankhafte Form der Spannungsbewältigung zu beobachten – Tendenz steigend.

Alarmsignal 6: Druckabbau durch Drogen und Medikamente

Eine weitere Variante dieses krankhaften Spannungsausgleichs ist der Konsum von Medikamenten und psychoaktiven Substanzen. Schmerzstillende Arzneimittel, Zigaretten und Alkohol werden in immer jüngerem Alter genutzt, in einer so intensiven Form, dass schon früh körperliche und psychische Schäden entstehen. Die Kinder weichen den Problemen und Konfikten in Familie und Schule damit aus und flüchten in die Clique, die oft nur durch Tabak und Alkohol, später auch illegale Drogen zusammengehalten wird. In den letzten Jahren macht vor allem der früh einsetzende unkontrollierte Alkoholkonsum große Sorgen, der zu regelrechten Vergiftungserscheinungen vorwiegend bei Jugendlichen zwischen 12 und 16 Jahren führt.

Diese Alarmsignale zeigen, wodurch heute die meisten Krankheiten von Kindern und Jugendlichen entstehen: Der elementare Ausgleich zwischen den Anforderungen der inneren und äußeren Welt gelingt nicht, es kommt zu keinem befriedigenden Gleichgewicht von Risiko- und Schutzfaktoren. Die Folgen können die genannten Gesundheitsstörungen sein, Vorboten oftmals chronischer Krankheiten mit immer mehr psychischen und mentalen Komponenten. Viele Kinder leben heute wie kleine Erwachsene: Sie sind viel allein und müssen sich selbst managen. Sie haben häufig den gleichen Zugang zu Medien und Konsumartikeln wie ihre Eltern. Sie sind schon früh verantwortlich für ihre Schullaufbahn mit allen Folgen für die spätere Berufskarriere. Den Wertekompass, den sie in dieser komplex gewordenen Gesellschaft brauchen, müssen sie sich selbst entwickeln. Das ist zu viel für manche kleine Seele. In der stürmischen Phase der Pubertät spitzen sich diese Überforderungen dann noch weiter zu.

Wie können Eltern auf diese Herausforderung reagieren?

Meist fühlen Eltern sich entlastet, wenn sie einen Arzt finden, der auf die psychosomatische und mentale Gesundheitsstörung ihres Kindes mit medizinischer Behandlung und geeigneten Arzneimitteln einwirkt. Aber Eltern spüren zugleich, dass sie damit nicht aus der Verantwortung entlassen sind. Die eigentliche Antwort liegt darin, in die Beziehung zu ihrem Kind und in die Erziehung immer neu zu investieren.

Diese Beziehungsgestaltung ist in einer Gesellschaft mit viel Individualität und Freiheit eine komplizierte Gratwanderung zwischen Ausübung gesunder Autorität als Mutter oder als Vater und Berücksichtigung der kindlichen Bedürfnisse. Das „Erziehungsdreieck“, das jeder Vater und jede Mutter zu lösen hat, hat es in sich: Es besteht aus der richtigen Dosierung von Anerkennung, Anregung und Anleitung.

Das richtige Maß Anerkennung mit Wärme und Zuwendung ist zu finden. Nicht leicht, wenn eine Mutter oder ein Vater selbst unter voller Anspannung steht und durch das Kind beansprucht wird – aber auch dann, wenn das Kind ein geliebtes Einzelkind und die Projektion aller eigenen Wünsche ist. Erziehungsprobleme entstehen heute durch Beziehungen, in denen es einfach nicht zu der notwendigen Anerkennung und Würdigung der Persönlichkeit des Kindes kommt, aber auch durch eine „Überhitzung“ oder eine Überidentifzierung mit dem Kind, die keine emotionale Distanz für eine selbstständige Entwicklung lässt.

Das richtige Maß Anregung soll die Selbstständigkeit fördern und Impulse setzen, die dem Kind zur Weiterentwicklung helfen. Hier machen fast alle Eltern heute den Fehler, überehrgeizig auf die schulische Entwicklung zu achten und nervös auf jedes kleine Versagen zu reagieren. Überforderung und viel innerer Entwicklungsdruck entstehen deshalb schon bei Grundschulkindern. Stattdessen brauchen sie Mitdenken und Mitfühlen und ganz individuelle Unterstützung.

Die richtige Anleitung bildet den dritten Pol. Hier geht es um das Setzen von Regeln, Grenzen und Vereinbarungen, und das fällt Vätern und Müttern heute ebenfalls schwer. Die meisten versuchen, einem autoritären Stil auszuweichen und ohne feste Vereinbarungen und Sanktionen auszukommen. Dabei übersehen sie aber, dass sie damit das Kind ins Leere laufen lassen und eine verbindliche Beziehung verweigern. Richtig strafen zu lernen, wenn Vereinbarungen gebrochen wurden, das gelingt vielen Eltern nicht.

Werden diese drei Pole des „Erziehungsdreieckes“ nicht richtig eingestellt, dann leidet die Beziehung. Viele gesundheitliche Störungen der Kinder haben hier ihre Ursachen. Deshalb brauchen wir nicht nur einfühlsame Ärzte und Psychologen und gute Medikamente, sondern vor allem kompetente Eltern. Wichtig sind Elternseminare, die Tipps und Anleitungen geben, wie sie Persönlichkeit und Gesundheit ihrer Kinder fördern können.

Alle müssen mithelfen – auch in Kindergärten und Schulen sind mehr Aktivitäten zur Gesundheitserziehung und Persönlichkeitsbildung notwendig.

Viele Schulen machen bereits ermutigende Erfahrungen, indem sie Ernährung, Bewegung, Sinneskoordination und Stressbewältigung, Gewalt- und Drogenprävention in ihre Lehrpläne einbeziehen. Die Vorstellung von Gesundheit als einer gelungenen Auseinandersetzung mit den inneren und äußeren Lebensanforderungen hat sich pädagogisch durchgesetzt.

Es wird Zeit, neben den Pädagoginnen und Pädagogen auch die Eltern und dann andere Berufe in die Gesundheitsförderung für Kinder und Jugendliche mit einzubeziehen: Ärzte, Psychologen, Sozialarbeiter, Arbeitstherapeuten, Architekten, Raumgestalter, Physiotherapeuten. Besonders wichtig bei der Gesundheitsförderung sind Kindergärten, Schulen und auch Jugendzentren. Dort müssen Ärzte, Psychologen und andere Fachleute in Beratungsstunden gezielt mit den Kindern und Jugendlichen arbeiten.

Klaus Hurrelmann ist seit 2009 Senior Professor of Public Health and Education an der Hertie School of Governance in Berlin. Zuvor war es als Professor für Sozial- und Gesundheitswissenschaften lange Jahre in Lehre und Forschung an der Universität Bielefeld tätig sowie u. a. Leiter des Kooperationszentrums für Kinder- und Jugendgesundheit der Weltgesundheitsorganisation.

Prof. Dr. Klaus Hurrelmann ist Mitglied im Beirat des ABA Fachverbandes Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Sein Beitrag wurde von der „GESUNDHEIT konkret 3/2010“, dem Versichertenmagazin der BARMER GEK, veröffentlicht. Die Veröffentlichung im ABA-Netz erfolgte mit freundlicher Genehmigung der leitenden Redakteurin Doris Goedecke-Vorberg. Wir bedanken uns sehr.

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NAGEL-Redaktion – Allergieschützender Stoff im Stallstaub identifiziert

Zuckermolekül aus Futterpflanzen dämpft Überreaktion des Immunsystems

Forscher haben im Stallstaub den Stoff identifiziert, der Landkinder möglicherweise vor Allergien und allergischem Asthma schützt: Arabinogalaktan, ein pflanzliches Zuckermolekül, hindert das Immunsystem an überschießenden Abwehrreaktionen, wenn es im ersten Lebensjahr in hoher Konzentration eingeatmet wird. Das Molekül kommt in großen Mengen in Futterpflanzen vor, wie Wissenschaftler im „Journal of Allergy and Clinical Immunology“ berichten.

Dass Kinder, die auf Bauernhöfen aufwachsen, seltener an Allergien und allergischem Asthma leiden, ist lange bekannt. Was sie allerdings davor schützt, war lange rätselhaft. „Die Suche nach der schützenden Substanz war wie die Suche nach der Stecknadel im Heuhaufen“, erklärt Marcus Peters, Pneumologe an der Ruhr-Universität Bochum. Gemeinsam mit Kollegen aus München und Borstel analysierte er Stallstaub, der in den Stallungen von verschiedenen Bauernhöfen in Deutschland, Österreich und der Schweiz eingesammelt worden war.

Zuckermolekül Arabinogalaktan entscheidend

Die Analyse des Staubs ergab, dass er sich hauptsächlich aus pflanzlichen Bestandteilen zusammensetzt, darunter mehr als zehn Prozent Arabinogalaktan, einem großen Zuckermolekül, das sich somit als verdächtig qualifizierte. Die Forscher prüften nun, wie sich das Immunsystem von Mäusen gegenüber potenziellen Allergenen verhält, wenn Arabinogalaktan-Moleküle anwesend sind. „Es hat sich gezeigt, dass die dendritischen Zellen, die den Immunzellen schädliche Eindringlinge präsentieren, so dass diese dagegen vorgehen, in Anwesenheit von Arabinogalaktan ihr Verhalten ändern“, beschreibt Peters. „Sie produzieren dann einen bestimmten Botenstoff, der die Immunreaktion dämpft.“

Überreaktion des Immunsystems verhindert

Welche Rezeptoren der dendritischen Zellen für den Mechanismus verantwortlich sind, muss noch untersucht werden. Zuckerrezeptoren sind generell wichtig für die Erkennung von fremden Partikeln durch das Immunsystem. „Die Abschwächung der Immunreaktion auf diesem Wege ist uns nicht neu“, erklärt Peters. „Auch manche Bakterien machen sich den Mechanismus gezielt zunutze, um die Immunantwort des Wirts abzuschwächen.“ Durch Arabinogalaktan wird aber nur die übersteigerte Wachsamkeit des Immunsystems verhindert – die Abwehr von Krankheitserregern funktioniert weiterhin normal.

Dass ausgerechnet ein Gras-Bestandteil vor Heuschnupfen schützt, wundert die Forscher nicht: „Das ist eine Konzentrationsfrage“, meint Peters. „In kleineren Konzentrationen können die Pollen des Wiesenfuchsschwanzes Allergien auslösen, in großen Dosen und sehr früh im Leben aber auch verhindern. Nichts anderes als eine Dosissteigerung ist ja auch die Strategie bei der Hyposensibilisierung.“

Ob sich Arabinogalaktan zur Prophylaxe oder auch zur Therapie von Allergien und allergischem Asthma einsetzen lässt, werden die Forscher jetzt untersuchen. Denkbar wäre eine Anwendung als Spray oder Nasentropfen, da die Substanz gut wasserlöslich ist.

Ruhr-Universität Bochum vom 20. Juli 2010

 

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