AbenteuerHallen Kalk

Die AbenteuerHallen in KölnJugendzentren Köln gGmbH (JugZ)

 AHKIn unserer heutigen Gesellschaft hat „Erleben“ und „Erlebnis“ Konjunktur, was Begriffe wie Erlebnisparks, Erlebnisreisen oder Erlebnisbäder belegen. Es erscheint fast, dass der Erlebniswert der Dinge wichtiger ist als der Gebrauchswert. Kann Leben oder die Erfahrung von Leben nur noch über inszenierte Orte, wie Parks, Reisen, Schwimmbäder erreicht werden?

So werden etwa normale Konsumgüter zum Erlebnis gemacht, um sie besser verkaufen zu können. Doch muss man immer beachten, dass man nicht das Erlebnis selbst kaufen kann, sondern nur das Erlebnisangebot. (1)

Eine der zahlreichen Einrichtungen der Jugendzentren Köln gGmbH nennt sich sogar AbenteuerHallen – nicht nur eine, sondern gleich in der Mehrzahl! Soll das Erlebnisangebot mit AbenteuerHallen vervielfacht werden?

kalkDabei gibt es gar keine allgemeingültige Definition des Wortes „Abenteuerpädagogik“ und ebenfalls nicht von „Erlebnispädagogik“. (2) Fast inflationär finden wir diese Begriffe heute in den erfolgreichen Anträgen auf Zuschüsse und Konzepten der sozialen Arbeit. Eine begrifflich saubere und nach einer Theorie abgestimmte Begriffsbestimmung ist kaum noch möglich, und es besteht die Gefahr einer Ausuferung, indem „… jedes Lernen in Lebenszusammenhängen bzw. jedes handlungsorientierte Lernarrangement als Erlebnispädagogik bezeichnet wird.“ (3)

Sicher muss mit dem Terminus „Abenteuer“ vorsichtig umgegangen werden, denn wirkliche Abenteuer sind nicht planbar und treten meist überraschend und risikoreich auf. Die pädagogische Arbeit der Abenteuerpädagogik muss aber geplant, vorbereitet und kalkulierbar sein. Dabei geht es nicht nur allein um eine Risikovermeidung, sondern auch um den pädagogischen Wert der Arbeit als solcher, die ja auf Lerneffekte ausgerichtet ist.

Andererseits ist der Begriff „Alltag“ ebenso wenig bestimmbar, seine Eingrenzung nicht möglich. Was für den einen Jugendlichen langweiliger, ätzender Alltag ist, kann für den anderen bereits verschärftes Risiko und spannender Alltag sein. Jugendliche holen sich ihre „Kicks“ durch Drogenkonsum, waghalsige Autorennen, Schlägereien, S-Bahn-Surfen usw. – den „logischen“ Steigerungsformen riskanten Verhaltens. Erlebnisse sind dabei nicht etwas, was man haben kann, sondern etwas, was man haben muss, um „Jemand“ zu sein. Für manche Jugendlichen ist allein der Übergang von etwa der Schule in den Beruf ein Abenteuer, welches sie nicht mehr bewältigen können.

kalk 3Bei der 6. Bundesweiten Fachtagung zur Erlebnispädagogik wurden die AbenteuerHallen Köln in das Tagungsthema „Alltag und Außergewöhnliches“ einordnet. Die Angebote der AbenteuerHallen sind Alltag und Außergewöhnliches zugleich. Einerseits reklamieren Träger und Mitarbeiter(innen) für sich, eine ganz normale Jugendeinrichtung zu sein – mit Öffnungszeiten, offenem Betrieb, mit konkreten Angeboten und dem Offenen Treff, also der Unstrukturiertheit eines Raumangebotes, bei dem die Jugendlichen selbst eine Struktur entwickeln müssen/dürfen/können. Andererseits zeigen allein die Bilder und die Optik der Gebäude, dass die AbenteuerHallen einmalig in der Region sind. „Hier kannst du Dinge tun, die sonst nirgends möglich sind! Hier ist der Alltag nicht alltäglich. Und du kannst es haben, so oft du willst.“

Es entspricht der Konzeption, Jugendarbeit einfach lebbar zu machen mit dem Ziel, die Jugendlichen über die Widersprüchlichkeit von Alltag und Außergewöhnlichem in Bewegung zu bringen. Genau dieser Spagat eröffnet im großstädtischen Kontext die Inszenierung eines neuen Lernfeldes.

Die AbenteuerHallen leisten

  • Handlungsorientierung und Ganzheitlichkeit: Lernprozesse sind mit Aufgaben verbunden, die ein Handeln erfordern, bei dem alle Sinne, d.h. Geist, Körper und Seele angesprochen werden.
  • Lernen in Situationen mit Ernstcharakter: Der Lernprozess ergibt sich aus den Sachzwängen der Situation, ohne dass die Pädagogin/der Pädagoge persönlich involviert ist.
  • Gruppe als Lerngemeinschaft: Nur in echter Gemeinschaftsleistung können die geforderten Aufgaben gelöst werden, wodurch insbesondere die soziale Kompetenz und die Kooperationsfähigkeit gefördert werden.
  • Erlebnischarakter: Die Lernsituation besitzt einen außergewöhnlichen Charakter und ermöglicht Grenzerfahrungen. Intention ist es, aus einem Ereignis ein inneres, bewegendes und nachhaltig wirkendes Erlebnis zu machen.
  • Pädagogisches Arrangement: Angestrebt wird eine pädagogische Instrumentalisierung der erlebnispädagogischen Situation durch gezielte Planung und Realisierung sowie entsprechend geschultes Personal. (4)

Damit wird ein fundierter erlebnispädagogischer Ansatz in der Praxis organisiert. Ferner wird versucht, die alternativen Interventionsstrategien, die die Erlebnispädagogik bietet, zu nutzen. Das Milieu unterscheidet sich jedoch erheblich von den gängigen erlebnispädagogischen Maßnahmen, denn alle Angebote unterliegen gleichermaßen den Regeln und Methoden der Offenen Jugendarbeit: Freiwilligkeit, Selbstorgansiation, Niedrigschwelligkeit und Freizeitorientierung dominieren. Damit ist das Angebot natürlich auch sehr nah am Alltag der Kinder und Jugendlichen. Gleichzeitig ist der Nachteil unvermeidlich, dass die Jugendlichen jederzeit und sehr früh aussteigen können, wenn sie mit ihren Grenzen, Ängsten, Fähigkeiten und ihrer Betroffenheit konfrontiert sind.

Mit den AbenteuerHallen ist es gelungen, den Jugendlichen bedeutsame und bisweilen geradezu lebensnotwendige Erfahrungen und Erlebnisse zu verschaffen. Die Freizeitinteressen sind nahe an ihren Forderungen: Eigenbeteiligung und Selbstorganisation sind Konzeptbestandteil. Dies wiegt den scheinbaren Nachteil der Unverbindlichkeit der Offenen Jugendarbeit auf. Der Aufwand ist jedoch erheblich. Politik und Öffentlichkeit müssen die Bereitschaft haben, ein solches Projekt zu unterstützen und vor allem zu finanzieren! Es braucht Energie und Überzeugungskraft, diese überwiegend erlebnispädagogisch ausgerichtete Jugendeinrichtung von der Idee zur Realität bringen.

Die AbenteuerHallen sind

  • ein Millionenobjekt bei der Baufinanzierung mit ca. 2 Mio. Euro Herstellungskosten
  • ein Netzwerkprojekt der Stadt Köln, dem Land NRW, dem Stadtteil Kalk, der JugZ Köln gGmbH und zahlreichen Unterstützern und Kooperationspartnern aus Schulen und der Landschaft der freien Träger
  • ein unterfinanziertes Jugendzentrum mit ca. 30 Prozent zu erbringenden Eigenmitteln bei ca. 350.000 Euro Betriebskosten
  • ein „normales Jugendzentrum“ mit Pflichtangeboten und Pflichtöffnungszeiten
  • eine Ergänzung (oder Konkurrenz – je nach Standort) zur traditionellen Offenen Jugendarbeit
  • eine tägliche Herausforderung, weil mit drei Pädagogenstellen und sieben Tagen Öffnungszeit chronisch unterbesetzt
  • ein Multitalent, weil hier alles möglich ist: Klettern, Basketball, Fußball, Inlinefahren, Hockey, Skaten, BMX, Trial, Parcours, Musikveranstaltungen, LAN-Partys, Computercamps, Indoor-Flohmarkt, Zirkus, Kleinkunst und Kultur und natürlich Sport

Die AbenteuerHallen Köln konkurrieren mit der eigenen Branche, der Offenen Jugendarbeit, aber auch mit kommerziellen Anbietern. Vielleicht trägt das Angebot dazu bei, die Strukturen und Angebote der Offenen Kinder- und Jugendarbeit zu modernisieren. Die AbenteuerHallen Köln entsprechen nicht mehr dem überkommenem Image von Kicker/Tischtennis und Billard der Standard-Jugendeinrichtung: „… die Angebote der kommerziellen Freizeitindustrie sind in der Regel betont ausdrucksintensiv, mit einer hohen Anmache, situationswechselnd, unverbindlich, augenblicksorientiert, kontrastreich. Sie können Jugendlichen oft eine Resonanz für den eigenen Status geben, den die Pädagogen, die Eltern, die Umwelt, die Öffentlichkeit in seiner Selbstständigkeit nicht anerkennen.“ (5)

Die AbenteuerHallen müssen sich daher eher mit diesen Anbietern vergleichen. Die Konkurrenz anderer Anbieter – insbesondere bezüglich Kletterhallen und Indoorskating – verhindert allerdings den „Elfenbeinturm der reinen Lehre“. Abenteuer und Alltag bewegen sich auf der gleichen Handlungsebene. Wenn mit den Reizen der kommerziellen Freizeitindustrie nicht mitgehalten werden kann (im Sinne von langweilig), werden die pädagogischen Anliegen und Aufgaben nicht in relevantem Maße an die Jugendlichen gebracht werden können.

Die Nähe der Hallen zum Alltag der Besucher erleichtert allerdings den Transfer der Erlebnisse in den Alltag. Die Lernsituation ist ähnlich komplex gestaltet, wie die Alltagssituation der Jugendlichen. Tägliche Nutzer(innen) dieser „kurzzeitpädagogischen Maßnahme“ können durch die dauerhafte oder zumindest längerfristige Nutzung des Angebotes langfristige Lernprozesse erfahren. Vielleicht ergibt sich dadurch sogar eine besondere Nachhaltigkeit, die intensive „sonderpädagogische“ Maßnahmen aufgrund der zeitlichen Befristung möglicherweise nicht erreichen können. Transferhindernisse und fördernde Elemente sind somit gleichermaßen vorhanden. Die Qualität der Angebote hängt mehr davon ab, ob auch in Zukunft genügend Mittel für Fachpersonal aufgebracht werden kann, das die Besucher(innen) im Transferprozess begleitet. Jugendarbeit in diesem Sinne braucht den persönlich-emotionellen Bezug.

Auch hier ist die Mittelknappheit Fluch und Segen zugleich. Der Sozialarbeiter – und gleichzeitig Manager – hat gar keine andere Wahl, als die Kompetenzen der Jugendlichen einzubeziehen. Jugendliche, die sich auf das Abenteuer einlassen und selber (mit Hilfe) hochwertigste Skaterrampen bauen, helfen den Sozialarbeiter(inne)n das Abenteuer „Management“ aufzunehmen und zu bestehen.

Die AbenteuerHallen sind noch frisch „am Markt der Abenteuer“. In zwei bis drei Jahren, wird man feststellen können, ob der „rote Faden“ der modernen Jugendarbeit beibehalten werden konnte.

Kontakt

AbenteuerHallen Köln
Christian-Sünner-Straße
51103 Köln
0221 88 08 408

AbenteuerHallen Kalk
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Auch innerhalb des ABA Fachverbandes hat man das Staunen darüber noch nicht verlernt, welche Vielfalt sich unter seinem Dach organisiert hat – und dies in der Regel auf einem qualitativ hochwertigen Niveau. Einige dieser inspirierenden Einrichtungen verdienen besondere Erwähnung – deshalb gibt es die Sparte „Qualität: Inspiration“. Die AbenteuerHallen Köln gehören dazu. Auch bei einem Besuch mit fachlichem Blick ist es wahrlich beachtlich, was einen erwartet, wenn man den Eingang zu diesen ehemaligen Industriehallen betreten hat – gelegen auf dem ehemaligen Gelände der Klöckner-Humboldt-Deutz AG im Stadtteil Kalk. Hier ist ein innovatives Konzept in der Landschaft der Offenen Jugendarbeit entwickelt worden. Intention, Methoden und Zielsetzungen sollten nach der Lektüre vorstehenden Textes deutlich geworden sein. Wer mehr erfahren will, dem sei ein Besuch in den AbenteuerHallen wärmstens empfohlen. Mit Blick auf Konzept und Bemühungen von Träger und Mitarbeiter(inne)n stellt es für die Redaktion kein Problem dar, für diese vorbildliche Arbeit vier Sterne zu vergeben. Normalerweise begnügen wir uns bei Einrichtungen, die sich unter dem Dach eine „potenten“ Trägers befinden, damit; dies auch deshalb, um „Potenz“ nicht zum Leitbild zu machen. Dies geschähe unter Umständen zulasten kleinerer Träger, die ebenfalls mit Spitzenleistungen aufwarten können. Der innovative Aspekt allerdings, mit dem die AbenteuerHallen aufwarten, veranlasst uns, den fünften Stern noch hinzu zu geben. Der ABA Fachverband vergibt also für die Arbeit gern fünf (*****) Sterne.

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(1) www.wikipedia.org/wiki/Erlebnispädagogik
(2) Die Begriffe Abenteuer und Erlebnispädagogik werden vereinfachend gleichrangig verwendet.
(3) Michael Galuske: Methoden der Sozialen Arbeit. 2001, S. 243
(4) vgl. ebenda, S. 244 ff.
(5) Lothar Böhnisch/Richard Münchmeier: Wozu Jugendarbeit? 1992, S. 229

Dezember 2007
Aktualisierung: 22. April 2009
Letzte Aktualisierung: 5. August 2014

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