ABA-BLOG

NAGEL-Redaktion – Kindermuseen sind keine überdachten Abenteuerspielplätze

Unter diesem Titel veröffentlichte Frau Dr. Gabriele König vom Kindermuseum in Fulda, einer beachtlichen Einrichtung, am 8. November 2001 einen Beitrag in der Internet-Zeitung des „Forum Bildung“. Er kann nachgelesen werden unter www.forum-bildung.de unter der Rubrik „Themen“, Quartal 4/2001. Ihre Eingabe veranlasste uns zu folgender Reaktion, die in gekürzter Form ebenfalls beim „Forum Bildung“ unter „Freies Forum“ mit Datum vom 23. November 2001 nachgelesen werden kann.
Nachfolgend das Original-Schreiben an Frau König vom 13. November 2001, das leider unbeantwortet blieb.

Sehr geehrte Frau Dr. König,

seit geraumer Zeit nehmen wir – wenn auch aus der Ferne – interessiert Kenntnis von Ihren Aktivitäten im Kindermuseum Fulda. Vor allem die Veröffentlichungen von Donata Elschenbroich vom Deutschen Jugendinstitut haben uns einigermaßen plastisch mit Ihrer Arbeit vertraut gemacht. Wir, das ist der ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen. Einer unserer inhaltlichen Schwerpunkte ist die Organisation von Abenteuerspielplätzen; dies vorwiegend in Nordrhein-Westfalen, aber auch darüber hinaus, zumal in den meisten anderen Bundesländern (wie etwa Hessen) vergleichbare Strukturen überhaupt nicht existieren. Ich schreibe Ihnen aufgrund Ihres Interviews „Kindermuseen sind keine überdachten Abenteuerspielplätze“ im Internet-„Forum Bildung“.
Ganz nüchtern betrachtet vermag ich Ihnen zustimmen: Kindermuseen sind keine überdachten Abenteuerspielplätze. Betrachten wir das Ganze aber einmal aus einer fachlichen Sicht, ist dieser Vergleich, sind die Assoziationen, die Sie mit dieser Feststellung bewirken, in erheblicher Weise kontraproduktiv. Diese Aussage bestätigt leider, dass Ihnen, liebe Frau Dr. König, das Konzept des Abenteuerspielplatzes nicht vertraut sein dürfte. Sonst würde unmöglich ein solcher Vergleich angeführt werden.
Beim Abenteuerspielplatz handelt es sich um ein wohldurchdachtes Konzept, das Kindern in erheblichem Maße Sozialisations- und Lernhilfen einzuräumen imstande ist. Die Verbände der Offenen Arbeit mit Kindern haben mittlerweile Standards formuliert, die deutlich machen, wann ein sogenannter Abenteuerspielplatz auch tatsächlich ein Abenteuerspielplatz ist. Da dies offenbar in Fulda nicht bekannt ist, möchte ich Sie hier aufführen. Ein Abenteuerspielplatz verfügt über folgende Erfahrungsfelder (Bildungsfelder):

  • Sozialer Bereich
  • Handwerklich-technischer Bereich
  • Natur-/Umweltbereich
  • Landwirtschaftlich-gärtnerischer Bereich
  • Kreativ-schöpferischer Bereich
  • Senso-motorischer Bereich

 

Mindestens neun der folgenden Ausstattungsmerkmale werden von einem Abenteuerspielplatz erwartet:

 

  • Freiflächen und überdachte Aufenthaltsbereiche (mindestens zum Teil beheizbar)
  • Küche
  • Werkstätten mit Lagerräumen
  • Bauspielbereich
  • Wasserbereich/e
  • Feuerstelle/n
  • Grünflächen, Biotopen, Gärten und Gehölze
  • Tiergehege, Reitkoppel, Ställe
  • Bühne, Raum für Veranstaltungen
  • Spiel- und Sportflächen
  • Klettermöglichkeiten
  • Kleinkinderspielbereich

 

Ergänzend hinzufügen könnte man noch Kommunikationsbereiche für ältere Besucher (Eltern, Anwohner usw.).

In den letzten Jahren haben wir uns in unseren Veranstaltungen häufig gezielt damit beschäftigt, in welcher Weise gerade der Abenteuerspielplatz Bildungsarbeit leistet. Wir haben festgestellt – und scheinen uns damit z.B. mit Donata Elschenbroich und Otto Schweitzer im Einklang zu befinden -, dass Bildung keineswegs das Privileg von Schulen ist. Abenteuerspielplätze verfügen nicht selten über geeignetere Möglichkeiten und Methoden zum Bildungserwerb. Ein wesentliches Merkmal auf Abenteuerspielplätzen ist, dass Bildung im Transfer stattfindet. Damit berücksichtigen sie ganz konkret die Erkenntnis, die Professor Gerold Scholz von der Universität Frankfurt im Rahmen einer Ihrer Kinderakademien formuliert hat und die sich Donata Elschenbroich wie einen Leitfaden zueigen gemacht hat: Jedes Kind ist unbelehrbar. Kinder können nur lernen. Auf Abenteuerspielplätzen eignen sich junge Leute Erfahrungen und deren Reflexion durch aktive Auseinandersetzung und konkretes Handeln – im Sinne von Lösungen finden – an. Wie diese Prozesse stattfinden und welche Ergebnisse sie bewirken, wurde einmal mehr von Elisabeth C. Gründler und Norbert Schäfer in ihrem sehr hilfreichen Buch „Naturnahe Spiel- und Erlebnisräume“ (Luchterhand, Neuwied 2000) beschrieben. Hier möchte ich vor allem auf das 2. Kapitel „Nur im freien Spiel entfaltet sich menschliche Intelligenz“ verweisen.
Ihr Vergleich, liebe Frau Dr. König, ist geeignet Spiel als zweckfrei zu verorten, dem Spiel seine konkrete Funktion als hervorragend geeignete Bildungsmethode abzusprechen. Unserer Erkenntnis zufolge werden allerdings – gerade auf dem Abenteuerspielplatz – folgende Bildungskomplexe stimuliert:

 

  • Sensitive Bildung -> mit allen Sinnen lernen
  • Praktische Bildung -> manuelles, grob- wie feinmotorisches Lernen
  • Persönliche Bildung -> Erwerb von Kompetenz
  • Kognitive Bildung -> abstraktes Lernen -> Lösung von Problemen
  • Soziale Bildung/Kulturelle Bildung
  • Methodische Bildung -> Erwerb spezifischer Fähigkeiten
  • Emotionale Bildung -> Erwerb emotionaler Kompetenz
  • Politische Bildung -> Herstellung gesellschaftlicher Zusammenhänge, Kinderrechte
  • Künstlerische Bildung -> Erwerb künstlerischer Kompetenzen

In einem solchen Kontext begreift sich professionelle Pädagogik als Rahmenkonstrukteur und Milieuschaffer. Sie nimmt eine Lobby-Rolle ein, sorgt ferner für Animation und vernachlässigt auch nicht den Aspekt der „Beziehungs-Arbeit“ (bei Interesse kann ich Ihnen hierzu gern weitere Ausführungen zukommen lassen).
Wenn Sie einmal in den 10. Kinder- und Jugendbericht der Bundesregierung (Bonn 1998) hineinschauen, werden Sie feststellen, dass den Abenteuerspielplätzen (wie ihren Varianten Kinderbauernhöfen, Bauspielplätzen usw.) seitens der Sachverständigenkommission unter der Leitung von Professor Dr. Lothar Krappmann von der FU Berlin bestätigt wird, dort hätten sich am „ehesten originär kinderspezifische Ansätze entwickelt“ (S. 223). Die Bundesregierung greift dies in ihrer Kommentierung auf und empfiehlt eine flächendeckende Errichtung derartiger Plätze. Und genau in jedem Kontext werden auch Kindermuseen als „kinderbezogene Angebote“ genannt (S. IX, Ziffer 19).
M.E. könnte ein Kindermuseum eine hervorragende Ergänzung eines Abenteuerspielplatzes sein. Ebenso wäre denkbar, dass man eine sehr geeignete Kombinationseinrichtung kreieren könnte.
Wir fänden es sinnvoll, wenn Sie unsere kritischen Anmerkungen bewegen könnten, noch einmal deutlich zu machen, dass Sie einem der geeignetesten Konzepte für die Bildung junger Menschen nicht schaden wollten. Der Abenteuerspielplatz befindet sich – wie Kindermuseen – immer noch in einer Nischenposition. Dies muss geändert werden. Das könnten wir z.B. auch gemeinsam vorantreiben. Es führt aber zu keinem Erfolg, wenn durch schädliche Vergleiche Konkurrenzen – bewusst oder unbewusst – aufgebaut werden, die am Ende den Kindern, um die es erklärtermaßen geht, Bildungsmöglichkeiten eher vorenthalten als – wie von der Bundesregierung angeregt – flächendeckend zu verstärken.

Mit freundlichen Grüßen

Rainer Deimel

Referent für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit
Systemischer Berater DGSF

NAGEL-Redaktion – Kindermuseen sind keine überdachten Abenteuerspielplätze Read More »

NAGEL-Redaktion – Kinder lernen VAKOG

Ganztagsschulen – ein Paradigmenwechsel?

Von Rainer Deimel

In der Folge von PISA stehen die bildungspolitischen Zeichen auf Veränderung. Hierin stecken Chan-ce und Gefahr zugleich. Gefahr vor allem deshalb, dass Reaktionen auf PISA schnellschussartig den Weg vom „mehr Desselben“ beschreiten. Plötzlich besinnt man sich in der Politik diverser Tugenden wie einer verstärkten Übernahme sozialer Aufgaben und Verantwortung (1). Dies ist um so erstaunli-cher, als in den letzten zwei Jahrzehnten nichts unversucht blieb, Kinder und Jugendliche einerseits systematisch zu entmündigen, was seine Entsprechung in der scheinbar allgegenwärtigen „Betreu-ungs-Situation“ findet, und andererseits der alltägliche „Über-Lebenskampf“ für junge Leute zuneh-mend dramatischer wurde; dies wird deutlich in einer bisher nicht erlebten Orientierungslosigkeit. Unübersehbar auch die Tendenzen in Richtung mehr „Paukerei“ und dies möglichst vom Kindergarten an. Diesen Weg zu beschreiten, hieße, die bislang offenkundig wenig erfolgreichen Bemühungen von Schule weiter zu manifestieren. Ein Beispiel: In jüngerer Zeit wird in Schulen vermehrt auf das „IT-Pferd“ gesetzt. Kinder sollen „von Anfang an“ elektroniktauglich gemacht werden, ohne dass sie zuvor „das echte Leben“ auch nur ansatzweise gelernt hätten. Dabei wird zudem übersehen, dass „das Wissen“, das Kinder in Sachen „Computer“ erwerben, bei der Schnelligkeit der Entwicklung moderner Medien bereits nach dem Verlassen der Grundschule wieder überaltert sein muss.
Bevor wir uns weiter mit möglichen unbefriedigenden Folgen aus PISA beschäftigen, sollten wir den Blick nach vorn werfen. Eine der Grundlagen für eine kindgerechte Bildungskonzeption stammt von niemand Geringerem als von Albert Einstein. Sein „Ansatz“ ließe sich in seinem Satz zusammenfassen: „Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich darin zurechtfinden.“ Er selbst schilderte seinen Weg zur Genialität dahingehend, dass er als Kind hinsichtlich seiner Entwicklung eher ein „Spätzünder“ gewesen sei. In der Schule war er gar ein „Sitzenbleiber“. Seiner Meinung nach aber war es gerade seine Langsamkeit, die ihm später nützlich war. Er schaffte es, in seine Arbeit zur Raum-Zeit-Beziehung (Relativitätstheorie) seine jugendliche Neugier und sein kindliches Staunen hinüber zu retten. Weiterhin war er der Auffassung, dass „früh Entwickelte“ im Erwachsenenalter be-reits derart geprägt und festgefahren sind, dass sie kaum noch Raum für Kreativität entwickeln können.
Kinder sind unbelehrbar. Sie können nur lernen. Lernen zu lernen, das ist ein Weg, den erwachsene PädagogInnen mit Kindern entdecken und entwickeln müssen. Kinder lernen VAKOG – ein Kunstbegriff aus dem NLP. Kinder lernen ganzheitlich, unter Beteiligung aller ihrer Sinne, nämlich visuell, auditiv, kinästhetisch, olfaktorisch und gustatorisch. Schnell gelingt es der „überkommenen“ Schule, Schwergewichte so zu verlagern, dass Ganzheitlichkeit kaum noch eine Rolle spielt. Bei fast allen Menschen mit einer „durchschnittlichen Schulkarriere“ sind diese ungleich entwickelten Phänomene zu beobachten. 
Die Entwicklung einer Ganztags-Grundschul-Konzeption kann nicht bedeuten, den ganzen Tag „Schule“ zu haben. Im Gegenteil: Das, was jetzt Schule besonders ausmacht, müsste auf ein Minimum zurückgebracht werden. Kinder müssen sich entwickeln. Dazu hat beispielweise die Offene Ar-beit mit Kindern ganz hervorragend geeignete konzeptionelle Ansätze entwickelt. Die wohl originell-sten und konstruktivsten sind die des Abenteuerspielplatzes und des Kinderbauernhofes. Der 10. Kinder- und Jugendbericht (1998) bescheinigt diesen, dass sich dort „am ehesten originär kinderspezifische Ansätze“ entwickelt hätten. Demzufolge empfiehlt die Bundesregierung deren flächendeckende Ausweitung. Damit es keine neuen Missverständnisse gibt: Spielen ist nicht zweckfrei; Spielen ist die bewährteste Bildungsmethode, zumal dann, wenn Spielen in einem spannenden, abenteuerlichen und gleichsam entspannenden Kontext stattfindet. Die Konsequenz kann im Grunde nur die sein, aus bisherigen Grundschulen völlig neue Lern- und Begegnungseinrichtungen zu kreieren, in denen Abenteuerspielplätze integrierte Bildungsbestandteile sein werden. Für die Kinder und Jugendlichen, die das Nobel-Internat Schloss Salem besuchen, ist dies seit langem selbstverständlicher Lebens- und Lernalltag. Für den Auf- und Ausbau derartiger neuer Bildungseinrichtungen ist Geld, Platz, Material und vor allem qualifiziertes Personal erforderlich. 

Wenn wir uns vorstellen, dass es nicht darum geht, für den „Nürnberger Trichter“ wieder neue Löcher in die Köpfe der Kinder zu bohren und auch nicht darum, Spielen weiterhin als „zweckfrei“ zu verorten, kommen wir zu der Erkenntnis, dass sowohl auf Seiten der Schule als auch in der Jugendhilfe ein erheblicher Qualifizierungsbedarf besteht, dem es parallel mit dem Ausbau zur Ganztagsschule zu entsprechen gilt. In denjenigen Ländern, in denen die PISA-Studie nicht den fernöstlichen Drill als „Erfolgsgeheimnis“ aufgedeckt hat, sondern Zuwendung, Angebote (Optionen, Optionen, Optionen …)  und menschengerechte Förderung, können wir ebenfalls Ansätze finden, die den hier vorgeschlagen zumindest vergleichbar sind. Es spräche auch nichts dagegen, VAKOG (2) zum zentralen Bildungsansatz im Vorschulbereich zu entwickeln.

Datteln 2002

Anmerkungen:

1 Randbemerkung: Diese Ziele habe ich bislang während meiner beruflichen Tätigkeit zu keinem Zeitpunkt außer Acht gelassen.
2 Um an dieser Stelle nicht allzu tief in der Fachmaterie zu „versinken“, wird darauf verzichtet, das kinästhetische System um die Aspekte des vestibulären, propriozeptiven und taktilen Systems zu erweitern. Interessierte Einrichtungen können mich im Bedarfsfall gern ansprechen, etwa um ein passgerechtes Seminar zu organisieren.

NAGEL-Redaktion – Kinder lernen VAKOG Read More »

NAGEL-Redaktion – Kinderernährung

Stichprobe der Verbraucherzentrale belegt: Lebensmittel für Kinder oft zu süß, zu fett und teuer

Die Palette der Lebensmittel mit Spaßfaktor wird immer umfangreicher. Bärchenwurst, Fruchtzwerge und Knisterperlen im Joghurt sollen vor allem Kinder zum Konsum von Fun-Food animieren. Doch Ernährungsexperten und Verbraucherschützern vergeht bei der angeblich gesunden Kost häufig der Appetit. 

„Mama, ich will das Krokodil!“: Lautstark quengelt der kleine Georg im Supermarkt. Der Knirps besteht auf Fricos „Safari Käse“ mit dem knallgelben „Crrroco“-Kopf auf jeder Scheibe, auch wenn 100 Gramm Schmelzkäse 1,59 Euro kosten. Natürlich weiß Georg auch, wo er Geflügelmortadella in Bärchenform, wo er seine Fruchtzwerge findet.

Mit Comics und Stickern, mit Sammelfiguren und auffälliger Verpackung locken Lebensmittelhersteller junge Kunden. Klassiker der Kinderkost sind Milchprodukte, fruchtsafthaltige Getränke und Frühstücksflocken. Inzwischen gehören auch Tütensuppen, Fischkonserven und Nudeln zum Sortiment. 

Selbst die Fleischindustrie müht sich mittlerweile, ihren rückläufigen Wurstkonsum wieder anzukurbeln, beispielsweise mit einer „Bärchenwurst“ von Reinert, mit Schattenrissen der Comicfiguren von Tom und Jerry auf einer Brühwurstpastete der Fleischwarenfabrik Feldhues.

Selten fehlt der Hinweis für Eltern, dass Kinderlebensmittel gesund seien, dass sie den Nachwuchs mit der „Extraportion Calcium“ oder dem „Plus für eine ausgewogene Ernährung“ besonders Gutes angedeihen ließen. Der süße Mix der Danone-„Fruchtzwerge“ wird zum kleinen Steak, Brauseexperten werten einen Ehrmann-Fruchtgummi-Joghurt zum „Knister-Spaß“ auf. 

Ernüchternd ist dagegen das Ergebnis einer Stichprobe der Verbraucherzentrale. Zwölf Kinderlebensmittel sammelte deren Redaktion dazu in einem Supermarkt ein. Im Einkaufswagen landeten sowohl Joghurts von Rhöngold und Ehrmann, zwei Kindergetränke „Fruchttiger“ und „Qoo“, Bärchenwurst, Pastete und Käse als auch Schokolade „Kinder Prof. Rino“, Frühstücksflocken „Dailycer“ von Harrison´s, Kuchenmeisters „Kinder Hörnchen“ sowie die Klassiker Danone-„Fruchtzwerge“ und Ferreros „Kinder Country Riegel“. 

Keins dieser Produkte mag Ursula Tenberge-Weber für Kinder empfehlen. Die Kritikpunkte der Ernährungsexpertin der Verbraucherzentrale NRW: „Oft extra teuer und aufwendig verpackt, zu süß, zu fett.“ Auch mit Farb- und Aromastoffen geizten die Kinderlebensmittel selten. Dabei „brauchen Kinder keine Extrawurst“, versichert Tenberge-Weber, „weder eine fette noch eine süße.“ 

Gerade vor Zucker aber strotzen viele Produkte. In 100 Gramm „Rhöngold Happy Jogurt“ der Molkerei Fricke, mit einrührbaren „M&M´s Minis“ aus Schokolade fand schon die Zeitschrift Öko-Test mehr als 18 Gramm Zucker. Das sei vergleichbar mit einem Teetrinker, der sich eine kleine Tasse des Heißgetränks mit sieben Stück Würfelzucker versüße, weiß Tenberge-Weber. 

Zucker satt steckt auch in anderen Kinderlebensmitteln: im Ehrmann-Joghurt „Knister Spaß“, in Danone-„Fruchtzwergen“ wie im Mixgetränkt der Marke „Qoo“. Sogar Zuckeranteile bis zu 50 Prozent entdeckten Ernährungsexperten der Verbraucherzentrale abseits der aktuellen Stichprobe. In einer 30-Gramm-Portion sind somit 15 Gramm Zucker (rund sechs Stück Würfelzucker) enthalten. 

Dabei ist die Detektivarbeit nicht einfach. Oftmals fehlt der exakte Zuckergehalt auf dem Etikett. Dann können sich Konsumenten nur mit einer Eselsbrücke helfen. Ein Blick auf die Zutatenliste gibt einen Hinweis: Diese beginnt stets mit dem Hauptbestandteil des Produkts. Wenn in Schokocreme „36 Prozent gesunde Haselnüsse“ beworben werden, die Zutatenliste aber mit „Zucker“ beginnt, liegt dessen Anteil auf jeden Fall bei mehr als 36 Prozent. 

Zucker und Fett: Beide Kalorienbringer stecken en masse in Kinderlebensmitteln. Wenn etwa Crrroco“-Käsescheiben 48 Prozent Fett enthalten, dann ist das für Ernährungsexperten keine ausgesprochen kindgerechte Kost. Da wundert es nicht, dass statistisch mittlerweile jedes fünfte Kind in Deutschland als übergewichtig oder fettsüchtig gilt. Die gleiche Zahl, so schätzen Experten, müsse als gefährdet angesehen werden. 

Mittlerweile schlagen sich übergewichtige Kids bereits mit einer Reihe von Leiden herum: beispielsweise Störungen des Fettstoffwechsels und Bluthochdruck, Beeinträchtigungen des Stütz- und Halteapparates sowie „Altersdiabetes“. Prävention ist daher dringend geboten. Verbraucherschützer fordern ein Werbeverbot in den TV-Kinderprogrammen und die deutliche Kennzeichnung des Nährwerts aller Lebensmittel. 

Ärgerlich zudem: Die Produkte „sind in aller Regel teurer als ihre normalen Varianten“, rügt die Verbraucherschützerin Tenberge-Weber. So kosteten beim Verbraucher-Aktuell-Einkauf 80 Gramm Bärchenwurst 99 Cent. Nebendran lagen 200 Gramm Geflügelmortadella für 55 Cent: und das „mit Pistazienstücken“. 

Heftig attackieren Ernährungsexperten auch die Mär von der gesunden Extraportion Calcium, die in den vielen Kinderlebensmitteln steckt. Wer seinen Calciumbedarf mit Frischmilch deckt, lebe in der Regel gesünder als mit spezieller Kost. So enthalten sowohl ein Viertelliter Milch wie 100 Gramm Kinderschokolade jeweils 300 Milligramm Calcium, im ersten Fall aber mit 8,8, im zweiten mit 31,2 Gramm Fett angereichert. 

Charakteristisch für Kinderfänger ist außerdem die aufwendige Verpackung, oft verbrämt als „kindgerechte Einzelportionen“. In Minipacks stecken beispielsweise Frühstücksflocken von Harrison, Danone-„Fruchtzwerge“ wie „Prof. Rino“ und „Kinder Hörnchen“. Schon Kids würden damit hemmungslos zugemüllt und zum Weg-Werf-Verhalten verführt, kritisieren Verbraucherschützer. 

„Kinderlebensmittel nutzen vor allem den Vertreibern“, sagt Tenberge-Weber. Ein Beweis: Ungeniert versucht Coca Cola in der Zeitschrift Lebensmittelpraxis den Handel für „Qoo“ zu begeistern – für „das erste sympathische Kindergetränk, das Ihre Kasse klingeln lässt“. 

Abwechslung

„Eine abwechslungsreiche Kost versorgt Kinder mit allen Nährstoffen, die sie für ein gesundes, aktives Leben und Wachstum benötigen“, weiß Ursula Tenberge-Weber von der Verbraucherzentrale NRW. Abwechslungsreich heißt: Täglich fünf Portionen Obst und Gemüse, Milch und Milchprodukte sowie Brot, Bachwaren, Getreideflocken auf Vollkornbasis. Eine untergeordnete Rolle spielen dabei eher Fleisch, Fisch und Eier. (Pressemitteilung der Verbraucherzentralen Baden-Württemberg, Bayern, Brandenburg und NRW vom 24. Juni 2003)

NAGEL-Redaktion – Kinderernährung Read More »

NAGEL-Redaktion – Jugendpolitische Überlegungen aus Sicht eines aktiven Politikers

Ein Interview mit Prof. Dr. Gerd Bollermann

Interview mit Prof. Dr. Gerd Bollermann anlässlich des 20-jährigen Bestehens des ABA Fachverbandes (1993).

Gerd Bollermann war 1973 einer der Initiatoren und Gründungsmitglied des Verbandes (damals Landesarbeitsgemeinschaft Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze NRW). Zum Zeitpunkt des Interviews war er beschäftigt als Hochschullehrer an der Fachhochschule für öffentliche Verwaltung und seit 1999 deren Leiter. In seiner politischen Funktion war er zum Zeitpunkt des Interviews Vorsitzender des Jugendhilfeausschusses in Dortmund (1987 – 1994). Seit dem Jahr 2000 gehört er als Abgeordneter dem nordrhein-westfälischen Landtag an. Dort nimmt er das Amt des stellvertretenden Vorsitzenden des Rechtsausschusses wahr. Das Interview wurde von Rainer Deimel, Referent beim ABA Fachverband und verantwortlicher Redakteur, geführt. Es wurde zuerst veröffentlicht in: DER NAGEL 56/1994. Interessanterweise scheint sich an vielen politischen Umständen, die zum Teil Inhalt des Gesprächs waren – vor allem hinsichtlich der kommunalpolitischen Dimensionen – bis heute, also fast zehn Jahre später – kaum etwas geändert zu haben. Die den Texte ergänzenden bzw. erläuternden Fußnoten wurden vor der Einstellung in das Internet eingefügt.

DER NAGEL: Herr Prof. Bollermann, 20 Jahre ABA, lag eine solche oder gar längere Zeit in Ihrer und in der Vorstellung Ihrer Mitstreiter, als Sie Anfang der siebziger Jahre die LAG ABA gründeten?

Gerd Bollermann: Nein, überhaupt nicht. Wir haben in einer Notsituation diese Gründung vorgenommen. Wir waren am Anfang auch in einer Kampfsituation, die Idee durchzusetzen. Wir haben nicht einen Zeitraum von zwanzig Jahren gesehen; wir haben vielleicht über fünf Jahre geblickt und gesagt, wenn wir es in diesen fünf Jahren schaffen, die Idee in Deutschland und hier in Nordrhein-Westfalen stärker zu etablieren, dann haben wir einen tollen Erfolg erzielt. Da hat sich auch relativ schnell gezeigt, dass die eine Initiative oder das andere Projekt erfolgreich war. Nach den ersten fünf Jahren war wohl erkennbar, dass es länger gehen würde, dass wir über den ersten kleinen Berg hinweg waren. Wir wussten allerdings lange nicht, ob sich die Idee wirklich durchsetzen würde. Im Rückblick muss man auch sagen, dass es immer Hochs und Tiefs gegeben hat.

DER NAGEL: Was haben Sie sich damals dabei gedacht, die Organisation „Landesarbeitsgemeinschaft Abenteuer-, Bau- und Aktivspielplätze“ (LAG ABA) zu nennen? Wie war das mit den Begriffen?

G.B.: Seinerzeit gab es eine sehr deutliche inhaltliche Auseinandersetzung – auch – über die Begrifflichkeit. Der Begriff „Abenteuerspielplatz“ war geprägt durch den ersten Abenteuerspielplatz, den es in Deutschland überhaupt gab, nämlich den Abenteuerspielplatz im Märkischen Viertel in Berlin. Der Begriff „Bauspielplatz“ kam aus Dänemark zu uns herüber und wurde favorisiert von Prof. Schottmeier aus Hamburg, der auch in seiner wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Themenbereich seinerzeit versucht hat, den Begriff „Aktivspielplatz“ einzuführen. Dann gab es hier eine besondere Dortmunder Entwicklung. Hier wollte man eigentlich auch auf den Begriff „Aktivspielplatz“ hinaus. Es gab auch Zeiten, in denen es Mehrheiten für den einen oder anderen Begriff gab – ich will mal eine Klammer aufmachen: Jugendfarmen, Spielmobile usw., das spielte zu diesem Zeitpunkt überhaupt keine Rolle. In unserem Team, auf dem Abenteuerspielplatz in Dortmund-Lütgendortmund (Anm. d. Red.: Hierbei handelte es sich 1970 um den ersten Abenteuerspielplatz in Nordrhein-Westfalen), in dem ich hauptamtlicher Mitarbeiter war und die übrigen Praktikantinnen und Praktikanten waren, haben wir um den Begriff, wie denn der zu gründende Verein/Verband heißen sollte, geknobelt. Eine Praktikantin kam auf die Idee, einen Namen zu wählen, der auch klingt, unabhängig von den begrifflichen Auseinandersetzungen. Unter Beteiligung der Kinder des ASP in Lütgendortmund kam es dann zu der Namensgebung. Damals ist auch unser Maskottchen, der Hamster, kreiert worden. Der Hamster mit seinem Werkzeug, der Dokumentation dessen, was die Kinder auf einem ASP tun, half auch mit, ein Stück Identität aufzubauen.

DER NAGEL: Was bewegt Sie, wenn Sie gegenwärtig über die lange Vereinsgeschichte nachdenken?

G. B.: Mich bewegt, dass es in der zwanzigjährigen Verbandsgeschichte immer wieder ein Auf und Ab gegeben hat durch Personen, die diesen Verein mitgeprägt haben. Es sind nicht immer innerverbandlich harmonische Phasen gewesen. Ich habe manchmal den Eindruck gehabt – als später Außenstehender -, es würde nicht weitergehen. An manchen Stellen hätte ich mir den Verlauf etwas harmonischer gewünscht. Das gilt allerdings auch für die Anfangsphasen, in denen wir uns manches Mal im Vorstand gefetzt haben, da es unterschiedliche Interessen gab. Wir waren alle Individualisten mit einem hohen Sendungsbewusstsein. In so einem Zusammenhang sind Reibungen dann zwangsläufig.
Das Zweite, was mich bewegt, ist der Blick nach außen. Wir haben in einer für Kinder gesellschaftspolitisch schwierigen Situation angefangen. Ich hatte geglaubt, wir hätten die Situation für Kinder in diesen zwanzig Jahren ein Stück weiter entwickelt. Es gibt heute das eine oder andere mehr an Angeboten. Defizite allerdings gibt es nach wie vor. Viele Dinge zeichnen sich heute noch viel deutlicher ab als vor zwanzig Jahren. Ich denke da z.B. an das Thema „Gewalt“.
Ein Drittes ist die finanzpolitische Situation. Wir haben als Leute angefangen, die improvisiert haben, die ein Sendungsbewusstsein hatten und davon überzeugt waren, dass die Aufgabe zu schaffen sei. Finanzpolitisch gesehen waren das keine rosigen Zeiten, obwohl es irgendwie ging. In den zwanzig Jahren hat es auch in dieser Beziehung ein Hoch und Nieder gegeben. Augenblicklich sind wir bezüglich der kommunalpolitischen Seite der Finanzierung in einem deutlichen Tief. So schlecht, wie es heute aussieht, war es in der Anfangszeit – selbst bei einer Verklärung, die man manchmal vornimmt – nicht.

DER NAGEL: Sie sind uns nach wie vor als Mitglied verbunden. Für wie wichtig halten Sie die ABA-Arbeit im Augenblick? Worin sehen Sie gegenwärtig die wichtigsten Aufgaben für ABA?

G.B.: Ich bin ABA als Mitglied verbunden – wenn auch in den letzten Jahren eher als passives Mitglied – und werde das auch bleiben. Ich halte den Blick von „außen“ zeitweise für interessant: Ich halte es für wichtig, dass es einen Landesverband gibt, der Interessen artikuliert, der auch sehr deutlich gegenüber Financiers – wie den Kommunen – einen bestimmten fachlichen Anspruch erhebt sowie Interessen und Macht dokumentiert. Viele Leute zeigen Macht; warum nicht auch die PädagogInnen? Zum Zweiten halte ich einen solchen Verband elementar wichtig hinsichtlich Informationsaustausches und Qualifizierung. Fortbildung ist ein ganz wesentliches Instrument. Ein Letztes: Als wir anfingen, waren wir Exoten, die aus einzelnen Städten, z.B. Berlin, Köln und Dortmund kamen, die weite Reisen machen mussten, um sich kennen zu lernen und auszutauschen. Heute ist das Regionalprinzip wichtig. Ich persönlich habe mich seinerzeit lange dagegen gesträubt; inzwischen bin ich davon überzeugt, dass regionale Zusammenhänge einen wichtigen Teil der verbandlichen Arbeit ausmachen.

DER NAGEL: Sie werden es mitbekommen haben, und unsere diesjährige Mitgliederversammlung wird voraussichtlich eine Satzungsänderung beschließen, die zum Ziel hat, (politische) „Interessenvertretung für Kinder“ ebenfalls als Verbandsaufgabe festzuschreiben. Wie stehen Sie dieser Entwicklung gegenüber?

G.B.: Da müssen wir über Politik streiten, was man unter einer politischen Interessenvertretung versteht. Für mich persönlich war der Weg in eine politische Partei in meiner weiteren Entwicklung irgendwie zwangsläufig als jemand, der sich engagiert hat für Bürgerinitiativen. Ich halte von einer Interessenvertretung sehr viel, wenn man politisch als gesellschaftspolitisch versteht. Insofern ist für mich ABA auch immer eine gesellschaftspolitische Interessenvertretung für Kinder gewesen. Man muss Politik in Gesamtzusammenhängen sehen und diskutieren. Insofern kann ich eine Entwicklung hin zu einer global-gesellschaftspolitischen Interessenvertretung sehr gut vertreten. Eine zu enge politische Sichtweise würde ich nicht für gut halten.

DER NAGEL: Unserer Auffassung nach wird es höchste Zeit, dass die VertreterInnen und MitarbeiterInnen der Einrichtungen wieder deutlich an politischem Profil zulegen, und zwar auch genau in dem von Ihnen genannte Sinn, gesellschaftspolitisches Bewusstsein wieder stärker entwickeln, dies sowohl in Richtung Absicherung einer professionellen Arbeit mit Kindern als auch im Sinne o.g. Interessenvertretung für Kinder. Im Zuge dieser Überlegungen haben wir teilweise das Schwergewicht unserer Bildungsarbeit verstärkt auf Perspektiven zur Klärung (fach-)politischer Fragen gelenkt. Würden Sie unsere Auffassung teilen, und könnten Sie uns ad hoc Einschätzungen geben, was Ihrer Meinung nach dabei vor allem zu beachten ist?

G.B.: Wer sich für Kinder einsetzt, wer Defizite deutlich machen will, muss auch politisches Profil zeigen. Für mich gibt es nur wenige demokratische Parteien, die in der Vergangenheit Politik für Kinder gemacht haben; deshalb will ich das nicht parteipolitisch sehen. Dem, was hinter der Frage steht, ist voll zuzustimmen. Ich habe bedauert, dass viele, die in den pädagogischen Bereich gegangen sind, sich apolitisch entwickelt haben. Ich halte es für sträflich, wenn pädagogische Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter nicht über die politischen Zusammenhänge, in denen sie arbeiten, Bescheid wissen. Zu einer vernünftigen pädagogischen Arbeit gehört auch ein politisches Grundbewusstsein. Dazu gehört auch, den Kindern deutlich zu machen, warum man dieses Grundbewusstsein hat. Ich bin dagegen, jemanden – auch im pädagogischen Prozess – auf eine politische Partei hin auszurichten. Als Demokrat muss man Kindern sehr deutlich sagen, welches demokratische Spektrum vorhanden ist. Ich bin erschrocken über die Rechtsentwicklung, über die Gewaltauseinandersetzung. Ich meine, genau an der Stelle ist ein Pädagoge oder eine Pädagogin gefragt. Wir müssen als Pädagogen Farbe bekennen und deutliche Signale setzen, deutliche Signale gegen Rechts, gegen die Braunen und gegen Gewalt. Es ist der richtige Weg, stärker Perspektiven zu entwickeln und ein Schwergewicht der Bildungsarbeit hierauf zu setzen.

DER NAGEL: Wir stellen in immer größerem Maße eklatante Widersprüche innerhalb der politischen Parteien fest. Diese beginnen bei Aussagen der Bundesregierung im Verhältnis zu der von Bonn betriebenen Politik und setzen sich häufig mit unterschiedlich großen Divergenzen bis hin auf die kommunale Ebene fort. Wir sehen bei den GRÜNEN augenblicklich das größte Maß an Glaubwürdigkeit, was gewiss auch aus der politischen Opposition heraus nicht sehr schwer ist. Der außerordentliche Landesparteitag der NRW-Sozialdemokraten am 5.3.1994 in Rheine hat beschlossen, dass in der nächsten Legislaturperiode des Landtages ein „Gesetz zur Förderung der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit als 3. Ausführungsgesetz“ zum KJHG durchgesetzt werden soll. In vielen, auch neu formulierten Inhalten und Zielen sozialdemokratischer Politik sehen wir unsere Arbeit in weiten Teilen bestätigt. Wir erleben aber, dass es vor allem sozialdemokratische KommunalpolitikerInnen sind, die mit Nachdruck – und offensichtlich schamlos und wider besseres Wissen – sozial- und jugendpolitischen Kahlschlag betreiben. Wie schätzen Sie diesen Widerspruch ein?

G.B.: Ich will mit dem Stichwort „Glaubwürdigkeit“ beginnen. Es ist richtig, dass eine Partei in der Opposition nicht nachzuweisen braucht, ob sie das, was sie verspricht, auch hält. Da würde ich dann manchmal auch ein großes Fragezeichen setzen. Zur Oppositionsarbeit gehört meines Erachtens dazu, dass das, was man meint und fordert, auch ehrlicherweise umsetzbar ist. Das Schlimme, was ich derzeit im politischen Geschäft erlebe, ist, dass es Unmengen von Schauanträgen gibt, Unmengen an Vernebelungstaktiken laufen und jeder versucht, sich auf Kosten des anderen zu profilieren. Entkleidet man mal diese ganzen Nebelschwaden und kommt auf den Kernpunkt, dann ist es in der Kommunalpolitik vielfach auch eine Frage der Glaubwürdigkeit und der Durchsetzungsfähigkeit von Personen.
Die Sozialdemokraten haben meines Erachtens jugendpolitisch wieder Tritt gefasst. Wir haben uns einige Zeit lang viel zu sehr nur mit einem Teilbereich beschäftigt, nämlich dem des Kindergartens. Wenn man die Vorgaben der Bundesregierung und die Nachfolgeentwicklungen des Landes sieht, wird ein Großteil des Geldes für den Kindergartenbereich aus den anderen Bereichen der Jugendhilfe herausgenommen. Das ist der Punkt, dass sich diese Widersprüche zwangsläufig ergeben. Mit dem Landesparteitag haben wir jugendpolitisch einen deutlichen Akzent gesetzt. Ich hoffe, dass Franz Müntefering, der Arbeits- und Sozialminister, aber auch der Jugendminister (Anm. d. Red.: des Landes Nordrhein-Westfalen) erkannt hat, dass das Thema „Kinder- und Jugendarbeit“ über den Bereich des Kindergartens hinaus ein ganz wichtiges Thema für die gesellschaftliche Entwicklung dieses Landes ist. Aus Gesprächen mit dem Minister weiß ich, dass er das so sieht. Ich bin der Hoffnung, dass wir mit dem „Gesetz zur Förderung der Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit“, also dem 3. Ausführungsgesetz, etwas Vernünftiges hinbekommen werden. Wie das im Detail aussehen wird, das muss man nach den nächsten Landtagswahlen abschätzen und auch sehen, wie sich die wirtschaftspolitischen Entwicklungen darstellen werden.  
Nun zu den offensichtlich sozialdemokratischen Kahlschlägen: Wenn man politische Verantwortung zu übernehmen hat, muss man auch finanzpolitische Verantwortung übernehmen, und hier darf man nicht verkennen, dass derzeit enorme Finanzmittel in Richtung Osten gelenkt werden. Es ist tatsächlich so, dass die Kommunen ganz erhebliche Finanzierungsschwierigkeiten haben, dass sie sich beschränken, dass sie Prioritäten setzen müssen. So kommt es dann dazu, dass es in Nordrhein-Westfalen ganz unterschiedliche jugendpolitische Entwicklungen gibt. Es gibt Städte, in denen alle Jugendheime geschlossen werden, in denen beim Bau von Kindergärten und Kinderspielplätzen nichts mehr funktioniert. Es gibt Städte, die die Abenteuerspielplätze abschaffen  , weil sie der Auffassung sind, dass deren Aufgaben auch vom Jugendheim übernommen werden können  , und, und, und…  Oftmals wird eine Politik des geringsten Widerstandes betrieben. Wo sind die wenigsten betroffen, und wo sind diejenigen, die sich am wenigsten stark durchsetzen können? Dann muss man sich fragen, wenn in einer Stadt den Abenteuerspielplätzen „das Messer an die Kehle gesetzt“ wird: Wie haben wir uns denn eigentlich politisch aktiv beteiligt? Sind wir in einem Stadtteil so verwurzelt, dass wir durch unsere Arbeit Legitimation nachweisen können? Ich könnte das nicht für jede Einrichtung beantworten. So kommt es natürlich auch, dass es Widersprüche gibt, die sich über Personen, in ihren politischen Zielvorstellungen zeigen, aber auch Widersprüche, die sich aus dem Umfeld einer Stadt ergeben. Insofern ist das nie eine einseitige Sache, egal ob das nun SPD-, CDU- oder Koalitionsregierungen auf kommunaler Ebene sind. Ich glaube, wenn es zu so eklatanten Widersprüchen kommt, dass Abenteuerspielplätze geschlossen werden, dann hat das auch was mit denjenigen zu tun, die die Arbeit dort machen. Per Order de Mufti schließt keiner eine Einrichtung. Da heißt es dann wiederum, politisches Profil zeigen. Es wird nur der in ein politisches Geschehen eingreifen können, der, bevor es Konflikte gegeben hat, mit Politikern geredet, der Interessen deutlich gemacht, der Menschen gezeigt hat, dass die Arbeit, die dort geleistet wird, interessant ist.

DER NAGEL: In letzter Zeit lässt sich mancherorts der Eindruck nicht verdrängen, dass die gesetzlich vorgeschriebene Jugendhilfeplanung instrumentalisiert wird, um Kahlschläge zu legitimieren. An einigen Stellen laufen gegenwärtig Verwaltungsgerichtsprozesse gegen die öffentliche Jugendhilfe mit – nach Meinung renommierter Jugendhilferechtsexperten – durchaus berechtigter Hoffnung auf Erfolg. Würden Sie als Jugendpolitiker auch die Auffassung vertreten, dass die Jugendarbeit sich u.U. mithilfe der Gerichte aus der Zange zwischen dem GTK (2. AG KJHG) und den erzieherischen Hilfen befreien soll?

G.B.: Nach meinen Erfahrungen – auch im Umgang mit Gerichten in der Jugendhilfe – führt das langfristig nicht sehr weit. Im Einzelfall kann der Weg über die Gerichte mal der richtige sein. Viel wichtiger ist, im Bereich der Jugendhilfeplanung offensiver zu werden. Ich weiß, dass das Instrument der Jugendhilfeplanung in jeder Stadt anders benutzt wird, in jeder Stadt andere Formen der Partizipation gefunden werden. Trotzdem ist es ein Instrument – das uns der Gesetzgeber vorgegeben hat -, mit dem man arbeiten kann, ob nun in der „klassischen“ Jugendhilfeplanung oder in der sogenannten Vorfeldplanung zur Jugendhilfeplanung. Entscheidend ist, dass der öffentliche Träger mit den freien Trägern und den Initiativen in einen Kommunikationsprozess kommt. Ich sehe auch, dass die Initiativen dabei manchmal benachteiligt sind, da sie zuwenig Kapazitäten haben. Unterm Strich glaube ich, dass der Weg der Gerichte ein zu umständlicher, ein zu wenig effektiver und vor allem kein auf Dialog gerichteter ist, sondern er zementiert Fronten. Das halte ich für nicht gut.  

DER NAGEL: Können Sie auch unsere Auffassung teilen, dass sich viele JugendpolitikerInnen nicht in ausreichendem Maße ihrer Verantwortung und ihres Gewichtes, das sie durch das KJHG gewonnen haben, bewusst sind?

G.B.: Ich kenne viele, die damit überfordert sind, weil sie Jugendpolitik als „Feierabend-Politik“ neben anderen Politikfeldern haben. Der Kernpunkt ist meines Erachtens ein anderer: Dieses Bundesgesetz ist ein Gesetz, dem der „richtige Biss“ fehlt. Der richtige Biss in das Gesetz wäre gekommen, wenn es gleichzeitig ein Leistungsgesetz wäre mit einem echten Anspruch. Der Bund und die Länder haben sich gedrückt bei diesem Gesetz; sie haben nicht gesagt, wer „die Zeche bezahlen“ soll. Das beste Beispiel sind die Kindergärten, wo der Bund zwar richtige Entscheidungen getroffen hat, aber im Grunde genommen mit seinem Gesetz in die Tasche der Kommunen oder der Länder greift. Jugendhilfeplanung, vernünftig gemacht, kostet Geld. Nicht jede Stadt, nicht jede Kommune kann sich einen Wissenschaftler, einen langen Prozess der Partizipation erlauben. Es fehlt meines Erachtens da, wie an vielen anderen Stellen, im KJHG an wirklich harten Fakten. Von daher sehe ich die Perspektive etwas verschobener. Ich hätte mir ein besseres Gesetz, eine Leistungsverpflichtung von Bund und Land gewünscht. Dann würde es der eine oder andere auf der kommunalen Ebene auch besser durchsetzen können.

DER NAGEL: Wir sehen auch die finanzielle Misere der Kommunen, die wir für unerträglich halten. Gleichwohl sind wir der Auffassung, dass es gerade jetzt darauf ankommt, dass die Jugendpolitik ihr „Schwergewicht“ in die Waagschale wirft. Kinder und Jugendliche sind „die Zukunft unserer Gesellschaft“  . Was halten Sie von der Vorstellung, dass z.B. alle JugendpolitikerInnen ihr Amt zur Verfügung stellen würden – aparter Gedanke: Deutschland ohne JugendpolitikerInnen, um deren Gewicht einmal auf praktische Weise belegen zu können -, anstatt immer wieder darüber zu lamentieren, dass die Hände gebunden seien, kein Geld da sei usw.?

G.B.: Ein aparter und spontaner Gedanke, in der Tat, der aber letztendlich mehr Schaden provozieren und im Ergebnis noch weniger bringen würde, als das, was dahinter steckt. Wenn alle Jugendpolitiker oder diejenigen, die sich für Jugendpolitik engagieren, nicht gleichzeitig in derart schwierigen Situationen auch Lobbyisten in ihren Fraktionen für Jugend wären – und das würde das ja bedeuten: sie würden dieses Lobbyistentum in den Fraktionen aufgeben -, dann würde es noch viel düsterer, und wir würden um Jahre zurückgeworfen. Trotz aller Schwierigkeiten bin ich der Meinung, die Jugendpolitiker sollten bei der Stange bleiben. Ich würde mir wünschen, sie würden sich manchmal von dem einen oder anderen Finanzpolitiker nicht „unterbuttern“ lassen.

DER NAGEL: Wir beabsichtigen, im Laufe des Jahres Wahlprüfsteine zu entwickeln, in denen für uns die Glaubwürdigkeit der Politik hinsichtlich Kinderfreundlichkeit – nicht im formalisierten Sinne, sondern als politisches Konzept – eine zentrale Rolle spielen wird. Welche Kriterien wären für Sie erheblich in derartigen Wahlprüfsteinen?

G.B.: Wahlprüfsteine sind ein Instrument, das der Verband bereits in seiner frühen Geschichte benutzt hat. Es war seinerzeit kein sehr erfolgreiches Instrument. Trotzdem ist es legitim, Politiker, die sich zur Wahl stellen, zu fragen: Wie haltet ihr es denn mit den Interessen von Kindern? Wie wäre es zu fragen, wie man sich denn die Sozialpolitik in einer Stadt vorstellt? Kinderpolitik muss in einem Kontext mit Jugend- und Sozialpolitik gesehen werden. Wird z.B. im Bereich der Sozialpolitik ein Schwerpunkt gesetzt oder nicht? Oder gehört zur Kinderpolitik die Schaffung von Arbeitsplätzen dazu? Wird darin investiert oder nicht? Auch Kinder leiden ganz enorm unter Arbeitslosigkeit. Das wären für mich die beiden Eckpfeiler für derartige Kriterien:

1. Wie steht es mit Ideen zur Arbeitsmarktpolitik, zur Arbeitsplatzschaffung und zur Arbeit überhaupt;
2. Wie steht es mit der Sozialpolitik, und wie ist Kinderpolitik in diese eingebettet?

Ich halte diese beiden Punkte für die zentralen. Eine Partei, die sich zu diesen Punkten nicht äußert, wäre für mich auf kommunaler Ebene nicht wählbar.

DER NAGEL: Herr Prof. Bollermann, lassen Sie uns noch einmal zurückkommen auf den Kreis, der sich, nachdem ABA vor über zwanzig Jahren in Dortmund gegründet wurde, vor einiger Zeit geschlossen hat, indem die Landesgeschäftsstelle wieder nach Dortmund gekommen ist. Unterschwellig schwingen nach zwei Jahrzehnten seitens der Stadt immer noch irgendwelche „Animositäten“ mit, die wir bedauern, da sie bislang eine wünschenswerte fachliche Kooperation behindern. Über lange Jahre waren Träger der freien Jugendhilfe ein nicht unbedingt beliebtes Kind in dieser Stadt. Das scheint sich geändert zu haben. Gleichwohl haben wir das Gefühl, dass gegen unsere Arbeit immer noch ziemliche Vorbehalte bestehen, die wir in anderen Kommunen nicht haben, im Gegenteil: in zahlreichen Kommunen arbeiten wir sehr vertrauensvoll und intensiv mit dem Träger der öffentlichen Jugendhilfe zusammen. Plakativ gesprochen könnten wir feststellen, dass andere Kommunen unsere Geschäftsstelle „eher verdient“ hätte als Dortmund. Sehen Sie Möglichkeiten, diese unleidige Situation zu verbessern?  

G.B.: Am liebsten würde ich sie morgen am Tage verbessern. Ich muss allerdings auch hier die Geschichte sehen. Die Tatsache, dass wir die erste Geschäftsstelle nach der Gründung von ABA nicht in Dortmund angesiedelt haben, fiel unter anderem damit zusammen, dass wir bei der Gründung erhebliche Schwierigkeiten mit dem Jugendamt Dortmund hatten. Der damalige Jugendamtsleiter fand die ABA-Gründung nicht gut und sah überhaupt keine Notwendigkeit dafür. Wenn man so will, hat es in Dortmund von der Gründung an eine gewisse Aversion gegen diesen Verband gegeben. Nichtsdestotrotz muss man sagen, dass die Stadt Dortmund sehr zentral liegt, bezogen auf Nordrhein-Westfalen im Schnittpunkt angesiedelt. Auch von der Anzahl der Abenteuerspielplätze, die wir haben, gibt es eine gute Berechtigung, in dieser Stadt zu bleiben. Es ist richtig, festzustellen, dass Initiativen außerhalb der klassischen Wohlfahrts- und Jugendverbände in Dortmund ganz deutliche Beachtung gefunden haben. Das ist auch ein Stückchen Politik, das ich mitverantwortet habe und zu der ich auch stehe. Schwierig empfinde ich, dass wir in dieser Stadt zur Zeit nicht über ausreichend städtischen oder anderen billigen Büroraum verfügen, was sich hinsichtlich einer Kooperation mit dem Verband oder auch einer besseren Betreuung des Verbandes durch die Stadt erschwerend auswirkt. Es gibt nicht ausreichend Platz, wo Initiativen Raum hätten, ihre Geschäftsstellen bedarfsgerecht zu realisieren. Das trifft nicht nur ABA, sondern auch noch verschiedene andere Jugendverbände in dieser Stadt. Das kann man nicht so einfach lösen. Ich zumindest bin gern bereit, Vermittler zu sein. Mehr kann ich in dieser Situation wohl nicht, aber das will ich gerne tun.

DER NAGEL: Stünden Sie noch einmal für ein Mandat in unserem Verband, z.B. im Vorstand, zur Verfügung?

G.B.: Das kann ich mir nicht vorstellen. Aber man soll nie „nie“ oder „nicht mehr“ sagen. Im Moment habe ich andere Prioritäten in meiner politischen Arbeit. Ich begleite die ABA-Arbeit aus einer gewissen wohlwollenden Distanz und fände es gut, wenn möglichst viele junge Pädagoginnen und Pädagogen sich bereit finden würden, sich hier zu engagieren, Ideen einzubringen, einen Verband nach vorn zu tragen und den Geist der Gründung mit einem „Pusch“ wieder aufzugreifen, um auf Dauer einen lebhaften Verband zu erhalten.

DER NAGEL: Herr Prof. Bollermann, wir danken Ihnen für dieses Gespräch.

NAGEL-Redaktion – Jugendpolitische Überlegungen aus Sicht eines aktiven Politikers Read More »

NAGEL-Redaktion – „Abenteuerspielplatz“ an der Schnittstelle zwischen Freizeit und Schule

Entwurf und Dokumentation: Rainer Deimel
Vierte, für das Internet überarbeitete Auflage
Dortmund, September 2002

Die vorherigen Auflagen erschienen in Broschürenform, zuletzt im Februar 1995
ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen e.V.
Postfach 160 160
44331 Dortmund
Tel. 0231/985 20 53
Fax 0231/985 20 55
ABA@ABA-Fachverband.org

Vorwort

1995 handelte es sich hier um eine Dokumentation über die konzeptionelle Arbeit an einem Projekt, das sich seinerzeit in der Entwicklung befand. Im damaligen Vorwort hieß es, dass es auch in Zukunft keinen abschließenden Bericht über eine „fertige Einrichtung“ werde geben können, da es sich bei diesem Projekt um ein sich stetig entwickelndes Vorhaben handeln sollte, das zu permanenten Veränderungen auffordert. Das Projekt wurde veröffentlicht, da die ehemalige fachliche Leitung die geplanten durchgeführten Aktivitäten für interessant genug bewertete, um sie einer breiteren Fachöffentlichkeit zugänglich zu machen. Gleichzeitig wurde auch auf Nachahmer gehofft.
Die hier beschriebenen Inhalte sind u.a. Arbeitsgrundlage des Arbeitskreises „Abenteuerspielplatz an der Schule“, der sich im Umfeld der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule (Gesamtschule Hagen-Nord) gebildet hatte. Sie wurden darüber hinaus als Motivationsgrundlage für die Jugendarbeit und für Schulen, einmal über ihre bisherigen Strukturen hinauszudenken, betrachtet. Blieb weiterhin zu konstatieren, dass über Vernetzung und Kooperation eine Menge geredet wurde, in der Umsetzung aber eher spärliche Versuche zu verzeichnen waren und sind. Als ein Vorteil der Entwicklung des Hagener Projekts wurde gesehen, dass keine Einrichtung der Jugendhilfe sich Verdrängungsgefahren ausgesetzt fühlen musste, da hier ein völlig neuer Ansatz entwickelt werden sollte. Bisher existierenden Einrichtungen sollte es freistehen, sich einzubringen oder nicht.
Die Berührungsängste zwischen Jugendhilfeeinrichtungen und Schulen waren seinerzeit noch erheblich. Das Konzept „Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule/GÖS“ des Landesinstituts für Schule und Weiterbildung (seit 2002: Landesinstitut für Schule) brachte seinerzeit erstmalig etwas Bewegung in die verkrusteten Strukturen, die regelmäßig die Beziehung von Jugendhilfe und Schule charakterisierten. Zu beobachten war an mancher Stelle auch, dass eine Kenntnisnahme praktischer Innovationen auch Nachahmungseffekte provozierte (und provozieren soll). Eine Erklärung für diese Berührungsängste war, dass schulische Pädagogik in ihren Methoden von sozialpädagogischen Ansätzen her als kontraproduktiv empfunden wurde und Schule oft nicht nachvollziehen kann, dass Transfer-Lernen – etwa in der Offenen Arbeit – nicht augenfällig mit den von ihr entwickelten Curricula harmoniert. Von daher hat sich die „Freizeitpädagogik“ über lange Zeit nicht nur missverstanden, sondern auch ausgenutzt gefühlt. Dies dokumentierte sich etwa in der Forderung nach Schulaufgabenhilfe.
Das hier vorgestellte Projektvorhaben ist nicht realisiert worden. Es „scheiterte“ an diversen Hindernissen. Vielleicht haben wir seinerzeit auch schlicht zu früh begonnen. Es sei mir allerdings – aus aktuellem Anlass – gestattet, einen Hinderungsgrund anzuführen: Ein Abenteuerspielplatz an der Schule war mit den seinerzeitigen schulischen Erfordernissen kaum in Übereinstimmung zu bringen. Er hätte selbst im Falle seiner Realisierung eher ein Schattendasein geführt. Davon kann man sich z.B. auch überzeugen, wenn man sich einmal das „Lernfeld Bauspielplatz“ an der Laborschule in Bielefeld ansieht. Nach wie vor dominiert in der Schule „curriculares Denken“. Um mit Heinz von Foerster zu sprechen, könnte man konstatieren, dass SchülerInnen wie „triviale Maschinen“ begriffen werden, im linear-kausalen Sinne: Wenn ich vorn das und das hinein tue, kommt hinten das und jenes heraus. Schule funktioniert nicht systemisch. Von daher wird sie von Heinz von Foerster auch als „staatliche Trivilisationsanstalt“ bezeichnet.
Die Ergebnisse der PISA-Studie machen das Dilemma deutlich. Zu befürchten ist, dass sich künftig diejenigen, die sich in ihrem westlich rationalistischen Denken noch weiter in ihre Trivilisationsoperationen verlieben werden, um in der Folge daraus die Kinder noch stärker zu ihren Maschinen zu funktionalisieren. In den Erkenntnissen der PISA-Studie steckt allerdings auch die Chance, es künftig besser machen zu können. Vor diesem Hintergrund soll das praktisch gescheiterte Projektvorhaben erneut – nämlich an dieser Stelle – öffentlich zugänglich gemacht werden. Zur praktischen Umsetzung ist gewiss ein großes Maß an zusätzlicher Qualifikation erforderlich. Das betrifft diejenigen, die in der Schule arbeiten, genauso wie die MitarbeiterInnen der Jugendarbeit.
Jugendarbeit und Schule können voneinander lernen. Zum Teil sind Methoden übertragbar, und sie stellen eine innovative Bereicherung bisheriger Ansätze dar. Uns hat seinerzeit – also Mitte der vergangenen 90er Jahre – überrascht, dass Kinder in zahlreichen Interviews angaben, sich von der Schule als solcher nicht abgeschreckt zu fühlen. Sie empfinden gegen vieles an Schulen eine Abneigung, haben aber durchaus Ideen der Verbesserung. Das bedeutet, dass sie nicht unbedingt die Distanz zur Schule suchen, sondern sie sich Schule attraktiver wünschen und sich vorstellen können, auch einen Teil ihrer Freizeit an der Schule zu verbringen.
Dass Schule und Offene Arbeit voneinander lernen können, dazu möchten wir mit dieser Dokumentation einen Beitrag leisten und Anstöße geben. Wer Lust bekommt, in Zukunft weitere, möglicherweise andersartige Projekte der Kooperation zu entwickeln, kann sich zwecks Unterstützung gern an den ABA Fachverband wenden. Die hier vorliegende Dokumentation wurde so überarbeitet, dass sie als Arbeitshilfe für vergleichbare Projekte dienen kann. Sie will auch fachpolitische Impulse setzen. Es ist nicht auszuschließen, dass es an der einen oder anderen Stelle zu sprachlichen Holprigkeiten kommen kann, da die frühren Auflagen von der Gegenwart Mitte der neunziger Jahre aus dokumentierten, augenblicklich allerdings eher retrospektiv berichtet wird. Ich habe versucht, dies in dieser Überarbeitung entsprechend zu berücksichtigen. Möglicherweise wurde an der einen oder anderen Stelle etwas übersehen. Dafür bitte ich um Nachsicht.

I. Einführung

Ort des Projekts

Gelände und Gebäude der Gesamtschule Hagen-Nord (Fritz-Steinhoff-Gesamtschule), Am Bügel 20, 58099 Hagen, Tel. 02331/65071

Fachliche Leitung (in alphabetischer Reihenfolge)

Helga B.-S. (Lehrerin, Fritz-Steinhoff-Gesamtschule), Rainer D. (Bildungsreferent, ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern e.V., Dortmund), Werner K. (Schulleiter, Fritz-Steinhoff-Gesamtschule, Hagen), Susanne K. (Lehrerin, Betriebswirtin, Fritz-Steinhoff-Gesamtschule, Hagen), Hans-Georg O. (Lehrer, Fritz-Steinhoff-Gesamtschule), Detlef P. (Leiter Freizeit, Fritz-Steinhoff-Gesamtschule), Ingrid R. (Didaktische Leiterin, Fritz-Steinhoff-Gesamtschule, Hagen)

Projektbegleitung (in alphabetischer Reihenfolge)

Dieter A. (Liegenschaftsamt, Stadt Hagen), Margot A. (Bezirksvorsteherin Stadtbezirk Hagen-Nord bis 1994, Hagen), Heinz B. (Vorsitzender Schul- und Sportausschuss, Hagen), Christa B. (Dipl. Päd., Deutscher Kinderschutzbund, OV Hagen), Reinhard G. (Kinderbeauftragter, Jugendamt, Stadt Hagen), Thomas G. (Architekt, Iserlohn), Winfried H. (Grünflächenamt Hagen, Sachgruppenleiter Spielplatzplanung und Kleingartenwesen), Hans Peter J. (Bezirksvorsteher Stadtbezirk Hagen-Nord seit 1994), Jochen J. (Sponsoring-Entwickler), Roger K. (Student, Fachhochschule Bochum, Fachbereich Architektur, Wahlfach Freiraum und Gartengestaltung), Renate K.-M. (Dipl. Päd., Landesvereinigung Kulturelle Jugendarbeit NRW, Dortmund), Steffen M. (ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern e.V., Dortmund), Prof. Dr. Dipl. Ing. Egon O. (Fachhochschule Bochum, Fachbereich Architektur), Lothar S. (HGW Wohnungsverein, Hagen), Gaby T. (Jugendamt, Stadt Hagen), Jürgen Z. (Grünflächenamt, Stadt Hagen).

Lage

Das Projekt ist räumlich angesiedelt im Hagener Norden und liegt in dem Dreieck zwischen den Ortsteilen Boele, Kabel und Helfe. Besonders der Ortsteil Helfe, zu dem die Schule gerechnet wird, fällt auf durch dichte Hochhausbebauung mit relativ magerer Infrastruktur. Nach Einschätzung des Ortsvereins Hagen des Deutschen Kinderschutzbundes besteht im Hagener Norden ein hoher Bedarf an Spiel- und Erfahrungsmöglichkeiten für Kinder: dies trifft insbesondere für Kinder und Teens zwischen zehn und 15 Jahren zu.

Statistik (1995)

Im Ortsteil Helfe beträgt der Anteil der 7- bis 15-Jährigen (also die originäre Zielgruppe der Einrichtung) an der Gesamtwohnbevölkerung 10 Prozent (5361 Personen). Da der Anteil der bis zu 6 Jahre alten Kinder in Helfe nahezu doppelt so hoch ist wie die jetzige Altersgruppe der 7- bis 10-Jährigen 1, ist in den nächsten fünf Jahren mit einer deutlichen Bedarfssteigerung zu rechnen. 

Insgesamt leben im Stadtbezirk Hagen-Nord 41156 Menschen, davon sind gut 10 Prozent bis zu 9 Jahre alt und knapp 10 Prozent zwischen 10 und 19 Jahren. Am höchsten liegt der Anteil der Menschen zwischen 20 und 39 Jahren, nämlich bei fast 29 Prozent. Vor diesem Hintergrund ist damit zu rechnen, das aufgrund dieser zahlreichen Menschen in einer Altersgruppe, die für eine Elternschaft in Frage kommt, auch in den nächsten Jahren der Kinderanteil eher steigen als sinken wird. Im benachbarten Lennetal leben noch einmal 4880 Menschen, von denen gut 11 Prozent bis 9 Jahre alt sind und knapp 11 Prozent zwischen 10 und 19 Jahren 2. Insgesamt könnten (geschätzt) zwischen 3000 – 4000 junge Menschen von der geplanten Einrichtung regelmäßig profitieren.

Erwähnenswert erscheint noch der Anteil der Wohnbevölkerung mit Migrationshintergrund. Dieser beträgt im Stadtbezirk Hagen-Nord über 10 Prozent und im Lennetal 6,5 Prozent.

II. Idee

Seit ihrem Bestehen bietet die Gesamtschule Hagen-Nord für ihre Schülerinnen und Schüler (Freizeit-) Arbeitsgemeinschaften an. Wegen einer zehnprozentigen Kürzung des Ganztagszuschlages bei den Lehrerstunden geriet die Konzeption des Ganztages an der Schule in Gefahr. Neue Wege mussten gefunden werden, die entstandenen Lücken mit außerschulischen PartnerInnen zu füllen. Dieser Umstand fiel zeitlich zusammen mit der Absicht der Schule, sich stärker mit anderen Strukturen im Hagener Norden zu vernetzen. Die Schule selbst ist als Ganztagsbetrieb eingerichtet, und ein hoher Anteil der Kinder hat keine Alternative hinsichtlich Betreuungsangeboten. Aufgrund dieser Tatsache ist über die Schulleitung und unter Kontaktaufnahme durch noch bestehende Arbeitsgemeinschaften verstärkt die Kooperation zu anderen Organisationen gesucht worden. In diesem Falle handelt es sich um Kontakte zum ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern (inzwischen: ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern uned Jugendlichen), für den ein derartiges Modell von großem Interesse ist, zur Landesvereinigung Kulturelle Jugendarbeit (LKJ) NRW und zum Deutschen Kinderschutzbund, OV Hagen.
Nach ersten Kooperationsgesprächen und einer fundierten Ortsbegehung wurden kontinuierliche Arbeitstreffen installiert. Im Rahmen des so entstandenen Arbeitskreises (AK ASP/Schule) wurde die Idee eines Projektes „Abenteuerspielplatz an der Schule“ entwickelt. Der AK ASP/Schule und das Grünflächenamt Hagen gehen konform, dass die zu überplanende Fläche gegenwärtig funktionslos ist; zusätzliche Motivation zur Projektentwicklung leistete die Intention der Jugendarbeit, sich verstärkt mit Schulen zu vernetzen sowie das Konzept „Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule/GÖS“ des nordrhein-westfälischen Landesinstituts für Schule und Weiterbildung 
3. Der Gedanke, Jugendhilfe deutlicher mit Schule in einen Zusammenhang zu bringen, schlägt sich ebenso gesetzlich nieder. So weist der § 11 (Jugendarbeit) Abs. 3, 3 SGB VIII (Kinder- und Jugendhilfegesetz/KJHG) z. B. darauf hin, dass schulbezogene Jugendarbeit zu den Schwerpunkten der Jugendarbeit zählt. Ein weiterer Auftrag an die öffentliche Jugendhilfe, mit Schulen zusammenzuarbeiten, ergibt sich aus dem § 81, 1 SGB VIII. Ein augenblicklich in Vorbereitung befindlicher Gesetzentwurf zur Sicherung und Förderung der Kinder- und Jugendarbeit, der Jugendsozialarbeit und des erzieherischen Kinder- und Jugendschutzes (3. Ausführungsgesetz NRW zum KJHG) würdigt die gleichberechtigte Kooperation von Jugendarbeit und Schule in einer spezifischen Nennung (einem separaten Paragraphen), u.a. unter folgenden Stichworten: Herausbildung demokratischen Bewusstseins, Bereitschaft und Fähigkeit gesellschaftlicher Partizipation, Übernahme von Verantwortung, solidarisches Lernen und Handeln, Prävention bei Risiken und Gefährdungen, Schaffung neuer Lebens- und Entfaltungsräume, Ganztagsbetreuung, Anregung der Lernfähigkeit und -bereitschaft von Jungen und Mädchen 4.

III. Zielsetzung

Der Abenteuerspielplatz als Einrichtung soll auf dem Gelände der Gesamtschule Hagen-Nord (westlicher Schulhof) installiert werden. Es steht dort eine Gesamtfläche von ca. 10.000 qm zur Verfügung. Etwa 1.800 qm hügeliges Gelände wären vollständig nutzbar, da sie gegenwärtig brachliegen. Bei der übrigen Fläche handelt es sich vorwiegend um sportliche Einrichtungen, die auch von der Schule genutzt werden. Hier böte sich eine entsprechende Mehrfachnutzung an. Ein als „Schutzwall mit Trimm-Dich-Bereich“ ausgewiesener Abschnitt soll ebenfalls überplant und einbezogen werden. 
Der Abenteuerspielplatz umfasst dreierlei konzeptionelle Aspekte. Eine weitere – ebenfalls im folgenden aufgeführte – Perspektive kann ebenso von politischem wie fachlichem Interesse sein.

1.

Es findet eine Nutzung statt innerhalb der schulischen (unterrichtlichen) Pädagogik. Eine solche Einrichtung eignet sich für ganz unterschiedliche Fächer 5, z.B.

  • Biologie (Garten, Pflanzenzucht und -beobachtung, Ökologieerziehung, Biotop, Tierbereich, andere erlebbare Natur usw.);
  • Sport (Geländespiele, Bolzplatz usw.);
  • Werken (Holz-, Metall-, andere Materialerfahrungen und -bearbeitung);
  • Gesellschaftskunde (praktische Erfahrungen im sozialen Miteinander, Rollenspiele usw.);
  • Kunst (Skulpturen, Bauwerke usw.);
  • andere naturwissenschaftliche Fächer wie Chemie und Physik (Feuer, Materialverbindungen, wie Sand-Wasser, Lehm-Wasser usw.);
  • Religion, Ethik (Förderung des menschlichen Miteinanders, Begegnungen auf mitmenschlicher Ebene, in Natur- und kulturellen Zusammenhängen);
  • Musik (Bau von Klangkörpern usw.);
  • u.a.m.: Der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt, allerdings eher den vorhandenen Ressourcen.

2.

Der Abenteuerspielplatz dient als Freizeiteinrichtung für die betreffenden Stadtteile. Das Materialangebot ist dem für den schulischen Bereich vorgeschlagenen sehr ähnlich;. die pädagogische Ausrichtung tendiert hier in den Freizeitbereich. Gemäß dieser Absicht würde der Abenteuerspielplatz in die Struktur der Jugendhilfe im Hagener Norden eingefügt. Hierzu sind Öffnungszeiten außerhalb des Schulbetriebes erforderlich (bis ca. 18.30/19.00 Uhr). Es muss versucht werden, für den regelmäßigen Betrieb (zunächst) zwei Stellen für pädagogisches und handwerklich versiertes Fachpersonal zu schaffen. Eine detaillierte pädagogische Rahmenkonzeption würde bei Realisierung dieses Aspektes vorgelegt.

3.

Der Abenteuerspielplatz ist eine konkrete, praktische und regelmäßige Umsetzung der Vorstellungen des Schulministeriums, wie sie in dem Konzept „Gestaltung des Schullebens und Öffnung von Schule“ (GÖS) vorgesehen sind. Vor allem hinsichtlich bestehender und neu zu schaffender Arbeitsgemeinschaften an der Schule werden hier mannigfaltige Möglichkeiten gesehen. In der Zwischenzeit sind bereits Arbeitsgemeinschaften, die seitens der Schule für den schulischen wie den Freizeitbereich (also im Sinne von Offener Arbeit) angeboten wurden, vom Landesjugendamt Rheinland (aufgrund des Vereinssitzes des ABA Fachverbandes im Rheinland) als landesweit richtungsweisend befunden und durch den Landesjugendplan NRW unterstützt worden. Denkbar wäre mittelfristig auch die Einbindung anderer Personen, wie z.B. Eltern, interessierte Senioren usw.

4.

Von der Öffentlichkeit – speziell auch von Eltern – und der Politik wird immer noch zu wenig zur Kenntnis genommen, dass offene Angebote/Offene Arbeit mit Kindern eine wichtige (Ersatz-)Funktion hinsichtlich des Bedarfs an Regelbetreuung übernehmen. Offene Arbeit mit Kindern schließt eine Lücke bei potentiell vorhandenem „Regelbetreuungsbedarf“ und nimmt so quasi eine Hortfunktion ein.

Es gilt

a) ein Informationsdefizit in Öffentlichkeit und Politik zu überwinden und

b) genannte Funktion entsprechend konzeptionell zu berücksichtigen.

Künftig muss deutlicher werden, dass eine vertragliche Übernahme z.B. von Aufsichtspflicht nicht automatisch eine bessere pädagogische Betreuung 6 und Versorgung von Kindern garantiert. Versorgungsbedarf könnte über die Schule (z.B. Mensa) geregelt werden. Für weiteren Bedarf, z.B. Hausaufgabenhilfe, Ruheräume usw. müssten entsprechende Vereinbarungen getroffen werden.

IV. Pädagogische Begründung

Aus schulischer Sicht stellt sich das Angebot von Arbeitsgemeinschaften als unbedingt wichtig dar. Vor dem Hintergrund der Erkenntnisse des Landesinstituts für Schule des Landes NRW, wie sie auch im GÖS-Konzept formuliert werden, kann die Schule ihren Bildungsauftrag und ihren pädagogischen Auftrag mit möglicherweise neuen, bisher unkonventionellen und sehr erfolgversprechenden Methoden und Materialien deutlich verbessern. Aufgrund fachlicher sowie kinder- und jugendpolitischer Erkenntnisse schafft ein Projekt „Abenteuerspielplatz“ zahlreiche zeitgemäße Voraussetzungen zur Begegnung aktueller Probleme einerseits; andererseits würde die soziale Infrastruktur des Hagener Nordens wesentlich aufgewertet.
Ein solches Projekt fügt sich konsequent ein in politische Forderungen hinsichtlich mehr Kinderfreundlichkeit und Kinderbeteiligung; es würde wertvolle Hilfestellung leisten in Richtung Aggressionsabbau bzw. der Sublimierung von Aggressionen (Miteinander statt Gegeneinander, Erfahren und Erlernen von Solidarität, Mutproben, Kräftemessen, weniger Konsum, mehr eigene Tätigkeit usw.). Den Möglichkeiten zur Förderung von Kreativität sind hierbei kaum Grenzen gesetzt. In der (postmoderen) Stadt verlorenengegangen Möglichkeiten wird auf „künstlich-natürliche“ Weise entgegengearbeitet: Kinder erfahren deutlicher als anderswo ihre Wertigkeit (in psychologischer Hinsicht) und bekommen somit Hilfestellungen zur Bewältigung ihres künftigen Lebens. Dies scheint vor allem wichtig vor dem Hintergrund zunehmender materieller, sozialer und psychischer Verarmung, von Wohnungsnot, Arbeitslosigkeit in den Familien usw. Kinder können so ein Selbstwertgefühl entwickeln, was ihnen ansonsten oft – aufgrund beschriebener Umstände – nicht möglich ist. Hier kann eine solche Einrichtung – wie die geplante – aufbauend und stabilisierend wirken. Dies gilt auch für Phänomene wie Drogenmissbrauch und andere Delinquenz. Darüber hinaus leistet ein Abenteuerspielplatz wichtige Beiträge bezüglich gezielter geschlechtsspezifischer Konzeptionen: Mädchen wie Jungen können gemäß ihren Bedürfnissen und Lebenswelten gezielte Förderung und Unterstützung erhalten.
Da eine solche Einrichtung eine Reihe grobmotorischer Möglichkeiten bieten würde, wäre davon auszugehen, dass sich (auch aufgrund einer größeren Gefahrenkonfrontation) das Sicherheitsbewusstsein der Kinder deutlich verbessern würde. Es ist belegbar, dass Kinder generell weniger gefährdet sind, wenn ihnen vielfältige grobmotorische und „gefährliche“ Tätigkeiten ermöglicht werden. Ein Abschirmen von Kindern bzw. ein unnatürliches Beschützen führt in der Umkehrung zu einer nicht zu unterschätzenden, möglicherweise das ganze Leben beeinträchtigenden negativen „Hypothek“ in Richtung Gefährdungen (Unfälle usw.). Diese von der Offenen Arbeit mit Kindern entwickelte Theorie findet im Laufe ihrer über dreißigjährigen Praxis permanente Bestätigung. Umfangreiche Untersuchungen von Dr. Torsten Kunz von der gesetzlichen Unfallversicherung (Eigenunfallversicherung der Stadt Frankfurt am Main) im schulischen und im Vorschulbereich kommen zu adäquaten Ergebnissen, die verschiedentlich dokumentiert sind (vgl. z.B.: T. Kunz: Weniger Unfälle durch Bewegung, Schorndorf 1993; T. Kunz: Mit Bewegungsspielen gegen Unfälle und Gesundheitsschäden bei Kindern, in: DER NAGEL 54, Dortmund 1992. Eine weitere Veröffentlichung von Dr. Kunz zu diesem Thema (Weniger Unfälle durch Bewegung) befindet sich im NAGELKOPF 22 (Risiko als Spielwert, ABA Fachverband 1997).
Bezüglich ökologischer Aspekte ist die Palette von Möglichkeiten nahezu unbegrenzt. Bei entsprechender Sachkompetenz zukünftiger MitarbeiterInnen bietet ein Abenteuerspielplatz die besten Voraussetzungen für einen ganzheitlichen pädagogischen Ansatz.
Innerhalb der Offenen Arbeit mit Kindern bestand jederzeit ein Bildungsanspruch. Dieser wurde über eine lange Zeit nicht ausreichend verdeutlicht. Zumindest wurde das Bildungs-Idiom zwischenzeitlich vollständig von der Schule okkupiert. Eine Erklärung  hierfür ist in der Abgrenzung der Offenen Arbeit gegenüber „klassischen“ Bildungseinrichtungen, wie sie die Schule darstellt, zu finden. Offene Arbeit hat die Erfahrung gemacht, dass produkt- und vor allem prozessorientiertes Lernen für Kinder in der Regel effizienter ist, als beispielsweise Frontalunterricht. Assoziativ sei hier an die Aussage Bruno Bettelheims erinnert, der feststellt, dass ein Erlernen des Umgangs mit Werkzeugen (Frontalunterricht) sinnlos sei, wenn es keinen Einsatz von Werkzeugen (Produktorientiertheit) gebe (vgl. Bruno Bettelheim: Kinder brauchen Bücher, Stuttgart 1992 und ders.: Ein Leben für Kinder, Stuttgart 1989). Weiterhin muss festgestellt werden, dass der Offenen Arbeit in der Vergangenheit auch oft das Selbstbewusstsein fehlte, ihren Bildungsanspruch ausreichend deutlich zu machen. Insofern ergeben sich mit Hilfe des vorliegenden Konzepts ganz hervorragende Gelegenheiten, diesbezügliche Lücken (pionierhaft) zu schließen 
7.

V. Initiative Netzwerk e.V.

Nach den Sommerferien 1994 wurde von Lehrerinnen und Lehrern die „Initiative Netzwerk e.V.“ als Trägerverein für das hier beschriebene Projekt gegründet.
Über seinen Zweck sagt der Verein in seiner Satzung u.a. aus, dass er Projekte und  Aktivitäten für Kinder und Jugendliche vornehmlich im Hagener Norden plane und organisiere und er diese Projekte pädagogisch und finanziell betreue; ferner strebe er innerhalb des Stadtteils eine soziale Vernetzung an. Die Satzung sieht darüber hinaus vor, nach Möglichkeit LehrerInnen der Schule sowie andere in der Kinder- und Jugendarbeit Involvierte in die Vorstandstätigkeit des Vereins einzubinden.

VI. Stadtteilorientierung/Vernetzung

Das Projekt „Abenteuerspielplatz“ wird als fester Bestandteil der drei angrenzenden Stadtteile angelegt. Demzufolge wird von Beginn an ein stadtteilbezogener Ansatz umgesetzt; dies dokumentiert sich durch eine von der Schule durchgeführte Stadtteilkonferenz. Die Stadtteilkonferenz soll zu einem regelmäßigen begleitenden Instrumentarium werden: Ziel ist, neben einer Vorstellung des Projekts im Stadtteil Kooperationsmöglichkeiten zu klären und einzuleiten. Eventuell anstehende Konkurrenzsituationen werden transparent gemacht und nach Möglichkeit abgestellt. Ressourcen im Stadtteil sollten von vornherein sach- und fachgerecht gebündelt werden. Augenblicklich vorstellbare Kooperations- und Gesprächspartner sind die Kirchengemeinden, Häuser der Offenen Tür, die Volkshochschule, stadtteilrelevante Vereine und Organisationen, andere Schulen, die Familienfürsorge, aber auch Kaufleute usw.
Interesse zur Mitarbeit/Vernetzung wurde bislang bekundet von dem Förderverein der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule, dem Arbeitskreis Kinder- und Jugendarbeit Hagen-Nord, der Interessengemeinschaft Hagen-Nord, dem Jugendpfarramt, der Arbeiterwohlfahrt, der AWO-Jugendorganisation, den Pfadfindern u.a.m.

VII. Zusätzliche/begleitende Projekt-Bereiche

Zum Teil haben sich die Bemühungen um das Gesamtprojekt bereits in bestehenden Arbeitsgemeinschaften niedergeschlagen. So finden beispielsweise jetzt schon Aktivitäten gegen Ausländerfeindlich-keit sowie geschlechtsspezifische Angebote mit Mädchen (z.B. Selbstverteidigung usw.) statt; hierbei sollte erwähnt werden, dass ein Großteil der Besucherinnen nicht Schülerinnen der Schule sind (Verhältnis 18:7). Ferner soll darauf hingewiesen werden, dass sich unter den Mädchen eine Gruppe von Roma und Sinti und eine Gruppe von Asylbewerberinnen befindet. Eine Begegnung mit Schülerinnen zu organisieren, kann in diesem Fall als bereits gelungen bezeichnet werden. Gegenwärtig gibt es zusätzlich Bemühungen um Kontakte mit dem Ziel, weitere Projektbereiche zu akquirieren und zu etablieren (z.B. Kontakt zum Hagener Künstlerhaus usw.).
Für das Schuljahr 1995/96 war die Erweiterung bzw. Fortführung des Mädchenprojekts, das von der Bund-Länder-Kommission gefördert wurde, geplant. Bei der Fortsetzung dieses geschlechtsspezifischen Projekts ging es speziell um die Förderung der Jungenarbeit. Bei der Projektbeschreibung ist dabei u.a. auch eine „AG Spielplatz“ nur für Jungen berücksichtigt worden.
Mit über sechzig Kindern und einigen LehrerInnen wurde im Frühjahr 1994 eine Exkursion auf den Abenteuerspielplatz in Düsseldorf-Eller organisiert. Die Beteiligten hatten bei dieser Tagesveranstaltung die Möglichkeit, sich fundiert über Inhalte und Methoden eines „klassischen“ Abenteuerspielplatzes zu informieren. In begleitenden Interviews äußerten sich alle Kinder begeistert über die angebotenen Aktivitäten. Durchweg waren sie der Auffassung, dass eine vergleichbare Einrichtung an der Schule deren Attraktivität grundsätzlich erhöhe und sie – die Kinder – voraussichtlich mehr Zeit an der Schule verbringen würden, als sie dies zur Zeit täten. Erstaunlicherweise spielte die Tatsache, dass die Einrichtung am organisierten „Pflichtlernort“ Schule eingebunden sein würde, keine Rolle bezüglich der eingeschätzten Attraktivität. Im Gegenteil vertraten manche Kinder die Position, dass durch einen solchen „Ausgleich“ auch die eher belastenden Momente der Schule reduziert würden. Es scheint sinnvoll, auch künftig Exkursionen mit SchülerInnen zum Anlass zu nehmen, die Palette der Anregungen bezüglich der Umsetzung des geplanten Projekts zu vergrößern.
Bei weiteren geplanten bzw. zu planenden Arbeitsgemeinschaften im GÖS-Bereich wird eine jeweilige Anbindung an das Projekt „Abenteuerspielplatz“ bedacht (z.B. Interkulturelle Aktivitäten, Musik, Sport, Gestaltung, Theater usw.)
Seit der Sommerpause 1994 werden Lehrerinnen und Lehrer gezielt sowohl in das Gesamtprojekt als auch in einzelne Projekt-Bereiche eingebunden. Begleitet wird auf dieser Ebene das Projekt durch Lehrerfortbildungen, z.B. Mädchen- und Jungenarbeit, Haftungs- und Versicherungsfragen, Aufsichts- und Verkehrssicherungspflicht u.a.m. Ende 1995 wurde vom ABA Fachverband in Kooperation mit der Schule ein Fachkongress unter Motto „Risiko als Spielwert“ durchgeführt. Die Kongressbeiträge sind gleichnamigen NAGELKOPF 22 veröffentlicht. Die während des Kongresses verabschiedete „Hagener Erklärung“ kann im Internet aufgerufen werden.
Seit Januar 1995 ist die „Initiative Netzwerk e.V.“ Träger des „Jugendcafés Kabel“. Gegen Jahresende stellte sich heraus, dass das Jugendcafé in Hagen-Kabel, das sich bisher fünf Jahre lang in Trägerschaft des Diakonischen Werkes befand, akut von Schließung bedroht war. Die „Initiative Netzwerk e.V.“ bemühte sich mit anderen Personen und Organisationen um die Rettung des Cafés. 
Der Erhalt des Jugendcafés konnte zunächst gesichert werden. Eine Fortführung ist von Seiten der Stadt Hagen wurde in Aussicht gestellt. Bis auf Weiteres war die Stadt Hagen bereit, einen Lohnkostenzuschuss zu zahlen. Ca. 30 Prozent der Gesamtkosten für den Betrieb übernimmt der Trägerverein. Dies wurde durch eine Spende der Petrus-Kirchengemeinde möglich. 
Ohne einen Trägerverein wäre die Rettung des Jugendcafés undenkbar gewesen. Bei diesem Jugendtreff handelt es sich um die einzige Einrichtung im Stadtteil, die Jugendlichen Möglichkeiten zur Kommunikation, Beratung und Anleitung zu sinnvoller Freizeitgestaltung bietet. Es war ein interessantes Experiment der „Initiative Netzwerk e.V.“ (als ein sehr junger Träger mit wenigen Mitgliedern), die sich anschickte, Jugendhilfe-Erfahrungen zu sammeln. Die Tatsache, dass vorwiegend Lehrerinnen und Lehrer einer Schule derartige Aktivitäten auf dem Jugendhilfesektor entwickeln, sollte Impulse im Bereich der Freizeitarbeit setzen, verstärkt die Kooperation mit Schulen vor Ort zu suchen. In Hagen jedenfalls hat die Bereitschaft der „Initiative Netzwerk e.V.“, das Jugendcafé zu übernehmen, erstaunliche Wirkung innerhalb des Stadtteils gezeigt. Bei mehreren Konferenzen am „Rundes Tisch“ wurde von den beteiligten VertreterInnen von Verbänden, Parteien und anderen Organisationen deutliches Interesse geäußert und dieses auch durch tatkräftige Unterstützung und Angebote finanzieller Beihilfen untermauert. Die „Initiative Netzwerk e.V.“ hoffte seinerzeit, nach einem gelungenen Abschluss der Verhandlungen mit der Stadt und einer erfolgreichen Arbeit im Jugendcafé ebenfalls die Trägerschaft für den Abenteuerspielplatz übernehmen zu können. Die Einbeziehung des im Jugendcafé beschäftigten Sozialarbeiters in die Spielplatzarbeit wurde bereits eingeplant in der Hoffnung, auf diesem Wege eine Verknüpfung des Jugendcafés mit dem Abenteuerspielplatz erreichen zu können.

VIII. Dokumentation und Öffentlichkeitsarbeit

Das gesamte Projekt wurde auf einer großflächigen Wand, auf der die einzelnen Schritte planerisch und zeitlich anschaulich dargestellt werden, dokumentiert. Ferner sind dieser Darstellung auch die abgeschlossenen Realisierungsphasen sowie neu entwickelte praktische Schritte zu entnehmen. Diese Dokumentation wurde in der Landesgeschäftsstelle des ABA Fachverbandes in Dortmund ausgestellt und konnte dort eingesehen werden.
Ferner existierten Fotos von Einrichtungen und beteiligten Kindern sowie Interviews mit Kindern. Im „Lehrerinfo“ der Fritz-Steinhoff-Gesamtschule vom 18.5.1994 wurde das Kollegium von der didaktischen Leiterin über den Stand des Projekts informiert. 
Vor allem die großflächige Dokumentation sorgte im Binnenbereich der Schule für einen erfreulichen Ideentransfer und somit für einen Schneeball-Effekt hinsichtlich einer zu erweiternden Unterstützung des Vorhabens. Eine über den Schulalltag hinausgehende Funktion übernahm die Dokumentation im Rahmen des Gesamtschultages Anfang Mai 1994, was seitens anderer Schulen prompt zu Rückfragen führte, ob derartige Projekte nicht auch dort angegangen werden könnten. Mittelfristig sollte das Projekt einer breiteren (Fach-)Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. 

IX. Politische Strategien

Trotz aller „pädagogischer Begeisterung“ (oder vielleicht gerade deshalb) standen politische Strategien zur Umsetzung des Projekts nicht im Vordergrund. Primär musste die Frage geklärt werden, ob ein derartiges Unternehmen innerhalb der „Binnenstruktur Schule“ überhaupt realistisch sein würde. Durch die Arbeit des „Arbeitskreises ASP/Schule“ dynamisierten sich die Arbeitsinhalte allerdings schneller, als dies vom Arbeitskreis übersehen werden konnte. Kaum Kenntnis von dem Vorhaben genommen, wurde durch außenstehende Personen und Institutionen größeres fachliches Interesse (Landesinstitut für Schule, Landesjugendämter Rheinland und Westfalen-Lippe usw.) bekundet als ursprünglich angenommen.
Aufgrund dieses Umstandes konnte nicht verhindert werden, hiermit auch politische Empfindlichkeiten zu berühren. Der fachlichen Leitung kam es vor allem darauf an, von vornherein ein umsetzungsfähiges Konzept vorzubereiten, bevor es formell den Gremien auf der politischen Ebene unterbreitet wurde.
Gleichwohl bekundete die Bezirksvertretung Hagen-Nord relativ früh ihr Interesse an dem Projekt. Seitens des Hagener Jugendamtes wurde zunächst darauf verwiesen, dass für ein solches Vorhaben keine Mittel zur Verfügung stünden. Unabhängig davon sah die fachliche Leitung es als ein Ziel an, dass das Gesamtprojekt und die einzelnen Projektteile ihren Niederschlag in der Jugendhilfeplanung der Stadt Hagen finden sollten. 

Vor diesem Hintergrund sollten gezielt Kontakte vertieft werden:

–       zur Bezirksvertretung Hagen-Nord
–       zum Jugendhilfeausschuss der Stadt Hagen
–       zum Schul- und Sportausschuss der Stadt Hagen
–       zum Jugendamt (Amtsleitung)
–       zum Schulamt (Amtsleitung).
–       zum Grünflächenamt

In zu planenden Gesprächen sollten einerseits fachliche Fragen und andererseits Leistungsmöglichkeiten erörtert werden. Die Entwicklung weitergehender Strategien wurde vorangetrieben. Zwischenzeitlich wurden sämtliche Angelegenheiten der politischen Außenvertretung über die „Initiative Netzwerk e.V.“ gebündelt (s. Kap. V).

X. Personal

Neben Arbeitsgemeinschaftsleiter/innen und dem Lehrpersonal der Schule ist es erforderlich, die Einrichtung mit regulärem Personal auszustatten. Eine Mindestvoraussetzung sind zwei volle Stellen, möglicherweise verstärkt durch Honorarkräfte. Hierzu müssen Verhandlungen mit der Stadt geführt werden. Mit der Perspektive, Personalkostenzuschüsse zu erhalten, sollte ebenso das Schulministerium einbezogen werden (z.B. in Richtung Anschubfinanzierung). Hierbei ist vor allem auf den Modellcharakter der Einrichtung hinzuweisen. Denkbar ist ebenso, dass zunächst Kräfte aus dem ABM-Programm der Arbeitsverwaltung und aus dem Programm „Hilfe zur Arbeit“ (Landesprogramm zur Bereitstellung von Arbeitsgelegenheiten für arbeitslose Sozialhilfeempfänger/ASHE) eingestellt werden 8. Vorstellbar ist ebenso der Kontakt zu Fachhochschulen und Fachschulen, mit dem Ziel, Praktikantinnen zu interessieren.

Bezüglich einer eventuellen „Regelbetreuung“ (Hortbetrieb) müssten zusätzliche Absprachen und Regelungen getroffen werden.

XI. Jugendhilfeplanung

Im jugendpolitischen Gesamtzusammenhang ist dafür Sorge zu tragen, dass das Projekt Eingang in die Jugendhilfeplanung der Kommune integriert wird.
Hinsichtlich der Planungskriterien, wie sie durch den 8. Jugendbericht der Bundesregierung vorgegeben und aus fachlicher Sicht unangezweifelt sind, böte das Projekt ausgezeichnete – auch experimentelle – Ansätze (Sozialraumorientierung statt quantitativer Flächendeckung, Lebensweltorientierung statt Einrichtungsplanung, Einmischung statt Abgrenzung, (fach-)politischer Diskurs statt Konfliktvermeidung, Beteiligung statt Ausgrenzung). Weitere Gebote des SGB VIII (KJHG) könnten ebenfalls eingelöst werden (z.B. §§ 1, 3, 4, 8, 9, 11 u.a.m.).
Ferner ist das Projekt geeignet, auch innerhalb unterrichtlicher Zusammenhänge Kinder- und Jugendbeteiligung zu proben und umzusetzen (Stichworte: Gesellschaftslehre, politische Partizipation von Kindern).

XII. Trägerschaft

In ersten Überlegungen wurden als mögliche Träger fr das Projekt „Abenteuerspielplatz Gesamtschule Hagen-Nord“ der Deutsche Kinderschutzbund, der ABA Fachverband und der Förderverein der Schule genannt. Ein weiteres Arbeitstreffen favorisierte ein Träger-Kooperationsmodell, dem angehören sollten:

– die Gesamtschule Hagen-Nord
– der ABA Fachverband
– der Deutsche Kinderschutzbund
– die Stadt Hagen (Jugendamt)
– der Arbeitskreis Kinder- und Jugendarbeit Hagen-Nord
– die Interessengemeinschaft Hagen-Nord.

Als Trägerverein wurde schließlich 1994 die „Initiative Netzwerk e.V.“ gegründet (s. Kap. V.). 

XIII. Umsetzung

Das Projekt sollte in mehreren Phasen umgesetzt werden, wobei zunächst vorhandene Ressourcen innerhalb der Schule deutlicher ermittelt und aktiviert werden sollten. Dies bezog sich beispielsweise auf den Technikbereich, der zwischenzeitlich einen Teil seiner Aktivitäten auf das Projekt konzentrierte.
Im Projektunterricht wurde nach den Sommerferien 1994 damit begonnen, das Gelände zu bearbeiten. Der Unterricht wurde durch verschiedene Anregungen (z.B. Besuch einer Kükelhaus-Ausstellung u.a.m.) flankiert.
Daneben wurden die SchülerInnen direkt in Planung und Umsetzung integriert. Ihre Vorstellungen und konzeptionellen Ideen sollten – soweit eben möglich – grundsätzlich in die Umsetzung einfließen. Foren hierfür sollten Arbeitsgemeinschaften und der Unterricht sein.
Hinsichtlich der Gestaltung des Geländes waren zeitweise drei Bereiche in Planung: ein Abenteuerbereich (Bauspielplatz, Biotop, Totholzbiotop usw.), ein Erlebnisbereich (unter Einbeziehung von Geräten) und ein Ruhe- und Kommunikationsbereich.
Bei der „künstlichen“ Ausgestaltung sollte nach Möglichkeit darauf geachtet werden, dass natürliche und naturnahe Stoffe verwandt werden, z.B. Steine und Stämme als Sitzgelegenheiten. Derartige Materialien steigern nicht nur den ästhetischen Wert der Anlage, sie verhindern in der Regel auch größere Zerstörungen durch Übergriffe von außen 
9.
Von der von Anfang an verfügbaren Infrastruktur sollten die sanitären Anlagen, Teile der Schule, Lagerräume sowie ein Materialhaus übernommen werden. Das vorhandene „Atrium“ böte sich – nach einer Renovierung z.B. durch eine AG – als Theater- und Mehrzweckbühne (Rockveranstaltungen, Open-Air-Konzerte) an. Die vorhandenen Felsen/Felswände sollten nicht überplant werden. Ferner sollte der im Gelände befindliche Hügel zunächst größtenteils als ökologische Reserve bestehen bleiben. 
In der weiteren Entwicklungs- und Investitionsschritten des Projekts war vorstellbar, auf dem Gelände einen Wasser-/Wasser-Sand-Matsch-Bereich sowie einen Tierbereich zu integrieren; letzter wäre in guter Weise geeignet gewesen, den Kindern(auch in ihrer Identität als „SchülerInnen“) zusätzliche Anreize zur Übernahme von (Eigen-) Verantwortlichkeit zu schaffen.

XIV. Ausbau anderer Kontakte

Zu unterschiedlichen Zwecken wurde es als sinnvoll betrachtet, gezielt diverse Kontakte aufzubauen.
Hinsichtlich einer Unterstützung bei der Gestaltung des Geländes war vorstellbar, das Technische Hilfswerk u.ä. Organisationen einzubeziehen. Beim Erstellen des Ökotops und anderer Naturelemente schien die Kooperation mit dem BUND als vorteilhaft; Kontakte bestanden hier seit dem Herbst 1994. So gab es beispielsweise eine persönliche Beratung beim Anlegen von Schneisen im Gelände und beim Rückschnitt von Gehölzen.
Über Kontakte zu Hochschulen (Fachrichtungen Pädagogik, Architektur usw.) hätte versucht werden können, StudentInnen und Lehrende für das Projekt zu interessieren und sie mit ihren Fähigkeiten und Fertigkeiten für eine Beteiligung zu gewinnen. Seit April 1994 bestand ein Bezug zur Fachhochschule Bochum, Fachbereich Architektur. Das „Projekt Abenteuerspielplatz“ wurde dort im Rahmen einer Semesterhausarbeit einer Studentengruppe zur Verfügung gestellt. Deren Ergebnisse flossen zum Teil dann wieder in die Planungen ein.
Sofern Sachzusammenhänge auf der Hand liegen, hätten über die Initiative von Schul-Arbeitsgemeinschaften erfolgreiche Kontakte hergestellt werden, z.B. Musikveranstaltungen – Rockkünstler, bildnerisches Gestalten – darstellende Künstler/Künstlerhaus, Tierhaltung/Naturbezüge – landwirtschaftliche Betriebe usw. Ebenso schien der Kontakt zu Theater, Feuerwehr, Freilichtmuseum, Volkshochschule usw. durchaus potentielle Kooperation zu beinhalten. Der Phantasie waren weniger Grenzen gesetzt als den Ressourcen. Allerdings sollten alle Beteiligten, bevor sie die Ressourcenfrage als Quasi-Entscheidung über die Unmöglichkeit eines Vorhabens stellen, zuvor die Phantasie „grenzenlos“ ausschöpfen.

XV. Finanzierung

Wäre der AK ASP/Schule den seinerzeitigen Erfahrungen hinsichtlich etwaiger Finanzierungsmöglichkeiten gefolgt, wäre das Projekt bereits nach wenigen Arbeitssitzungen abgebrochen worden. Der Wille zur Realisierung war bei den Beteiligten zwischenzeitlich so groß, dass auch die Hinweise der Stadt, es gebe überhaupt keine Realisierungschancen, nichts von dem Engagement und der festen Absicht, den Plan umzusetzen, nehmen konnte.
Der Wohnungsverein (HGW), der auch dafür bekannt ist, sich auf sozialem Gebiet zu engagieren, zeigte sich von dem Konzept überzeugt und signalisierte eine – möglicherweise nicht unbedeutende – Beteiligung an den Kosten.
Ferner sollte ein gezieltes Sponsoring-Konzept aufgelegt sowie um Spenden (als Starthilfe) ersucht werden. Ob sich Sponsoren bereit gefunden hätten, sich an der Regelfinanzierung zu beteiligen, hat das Projekt leider nicht mehr erleben können. Im damaligen Planungszeitraum war neben einem Großsponsor an etliche Kleinsponsoren gedacht. Eine Liste potentieller Kleinsponsoren existierte bereits und sollte bei den weiteren Bemühungen „abgearbeitet“ werden.
Des weiteren sollten Verhandlungen mit der Stadt zeigen, ob es nicht doch noch Möglichkeiten gegeben hätte, das Konzept als Leistung der Jugendhilfe zu fördern.
Ferner sollten Schritte eingeleitet werden, das Land Nordrhein-Westfalen vom Modellcharakter des Projekts zu überzeugen, um auf diese Weise eventuell eine (Anschub-)Finanzierung zu erreichen.
Die Personalkosten sollen zunächst durch Drittmittel aufgebracht werden. In Frage hierfür wären gekommen die Arbeitsverwaltung (ABM) und das Sozialamt (Arbeit statt Sozialhilfe). Ebenfalls sollte darüber verhandelt werden, ob der Verein „Initiative Netzwerk e.V.“ nicht in die Lage hätte versetzt werden können, eine oder zwei Stellen über das Bundesamt für Zivildienst einzurichten.
Weitere potenzielle Quellen sollten ein: Stiftungsmittel, „Geld statt Stellen “ (GÖS), Freiwilliges Soziales Jahr usw.

XVI. Aktualisierung 2002

Das Experiment war möglicherweise „der Zeit voraus“. Jedenfalls ist es gescheitert. Die Hauptlast blieb bei der didaktischen Leiterin der Schule, die Vereinsvorsitzende der „Initiative Netzwerk e.V.“ war, „hängen“. Erforderliche Unterstützung durch andere Kräfte blieb – nach anfänglicher großer Euphorie – weitgehend aus. Die Seinerzeitige „Rettungsaktion“ – das Jugendcafé betreffend – schöpfte ungeahnte Energien und Ressourcen bei dem kleinen Trägerverein ab. Die Rettung des Jugendcafés wurde auch vom Konsultat der Republik Italien unterstützt, da es im Einzugsgebiet viele italienische StaatsbürgerInnen gibt und es sich bei den BesucherInnen häufig um junge ItalienerInnen handelte. Es gab eine Phase, in der die Aktivitäten um das Jugendcafé derart dominierten, dass die Bemühungen um das Projekt „Abenteuerspielplatz“ förmlich „unter die Räder“ gerieten. Ob Schule in Zukunft insgesamt ein feineres Gespür für die Aktualität und Sinnhaftigkeit solcher Bildungsmethoden entwickelt, die die Offene Arbeit mit Kindern anzubieten hätte, bleibt abzuwarten. Die Ergebnisse der PISA-Studien lassen ein wenig darauf hoffen, dass die Organisation einer staatlichen Trivilisationsanstalt (Heinz von Foerster) bei weitem nicht ausreicht, dem Bedarf junger Menschen adäquat zu entsprechen. An unserem hier dokumentierten Beispiel wird deutlich, dass – der ersten Euphorie folgend – das Schulsystem bislang geeignet war, KollegInnen, die etwas Neues, über das bislang Übliche Hinausgehendes anzufassen und auszuprobieren, auf treffliche Weise zu verheizen in der Lage war und ist.
In unserem Beispiel konnte mit einer Art erneuten „Rettungsaktion“ erreicht werden, die Trägerschaft für das Jugendcafé wieder an die Diakonie abzutreten. Der Trägerverein „Initiative Netzwerk“ wurde 1999 aufgelöst. Der Abenteuerspielplatz ist bis heute nicht realisiert worden. Bereits in seinen zarten Anfängen blieb die ganz praktische Arbeit fast ausschließlich bei der Vereinsvorsitzenden sowie den WerklehrerInnen hängen. Ohne vielfältige und vielseitige Unterstützung bzw. ohne, dass die Philosophie eines „Lernfeldes Abenteuerspielplatz“ umfassend in die Konzeption der Schule hätte integriert werden können, war das Projekt zum „Scheitern“ verurteilt. Möglicherweise hätte dies verhindert werden können, wenn die PISA-Studie ein paar Jahre früher erstellt worden wäre. 

Anmerkungen:
1 Angaben 1993 des Hagener Amtes für Statistik
2 Angaben 1992 des Hagener Amtes für Statistik
3 Aufgrund geänderter ministerieller Zuständigkeiten gibt es seit 2002 zwei Institute unter einem Dach, nämlich das Institut für Schule sowie das Institut für Qualifizierung
4 Ein solches Gesetz ist bis dato in NRW nicht realisiert worden.
5 Selbstverständlich ist eine fächerübergreifende Nutzung sehr gewünscht.
6 Aus fachlich-qualitativer Sicht böte sich eher an, von pädagogischer Begleitung“ zu sprechen.
7 Nach den Erkenntnissen, die uns die PISA-Studie beschert hat, können „die Karten“ ohnehin noch einmal neu „gemischt“ werden.
8 Das Landesprogramm wurde mittlerweile eingestellt. Es gibt aber noch die Möglichkeit, an kommunalen Programmen zu partizipieren.
9 Zwischenzeitlich ist hierzu ein sehr empfehlenswertes Buch erschienen, nämlich: Manfred Pappler/Reinhard Witt: NaturErlebnisRäume. Neue Wege für Schulhöfe, Kindergärten und Spielplätze, Seelze-Velber 2001.

NAGEL-Redaktion – „Abenteuerspielplatz“ an der Schnittstelle zwischen Freizeit und Schule Read More »

Mitglied werden

ABA-Mitglieder begreifen sich als Solidargemeinschaft. Sie setzen sich in besonderer Weise für die Belange der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen ein.

Mehr …

Aktuelle Projekte

Was macht der ABA Fachverband eigentlich? Hier stehts´s! Besuchen Sie die derzeitigen ABA-Baustellen.

Mehr …

Der i-Punkt Informationsdienst: handverlesene Infos aus der ABA-Welt, regelmäßig und kostenlos, direkt in Ihr Postfach.
Hinweis: Ihre E-Mail Adresse wird gespeichert und verarbeitet, damit wir Ihnen eine Bestätigungsmail schicken können. Weitere Informationen finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
Nach oben scrollen