Spielmobile, Bildung, Politik

Von Max Fuchs

Im Folgenden will ich in sieben Punkten einige Überlegungen zu dem mir gestellten Thema vortragen.

  1. Jede bildungs-, jugend- und kulturpolitische Diskussion, die nach dem 8.12.2001 stattgefunden hat und noch stattfinden wird, wird diesen Termin berücksichtigen müssen: Denn an diesem Tag wurde die PISA-Studie der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Studie hat – und dies mag angesichts des für Deutschland vernichtenden Ergebnisses überraschen – durchaus positive Wirkungen gehabt. Denn endlich wurde Bildung zu einem relevanten Thema in der Politik und in den Medien. Positiv ist auch der bildungstheoretische Ansatz der Studie. Denn es werden ausdrücklich unterschiedliche „Modi der Weltbegegnung“ vorgestellt, zu denen auch Spiel und Kunst gehören. Das grundlegende Konzept der „literacy“ liegt zudem auf der Linie der Bildungsdiskussion in unseren Fachorganisationen. Denn es geht dabei vom Anspruch her um „Lebenskompetenzen“, die sich in der Praxis bewähren müssen.

So positiv diese Anschlussmöglichkeiten an die Studie selbst sind, so negativ sind allerdings die politischen Diskurse. Denn hier dominieren – entgegen expliziten Aussagen und konzeptionellen Grundlagen der Studie – mehrfache Engführungen:

  • Bildung wird auf Schule reduziert,
  • Bildung wird auf das Kognitive und die drei PISA-Fächer reduziert,
  • Bildung wird fast ausschließlich in ihrer ökonomischen Verwertbarkeit diskutiert.
  1. Grundlegendes Ziel vieler Trägerstrukturen – speziell in der Jugendpolitik – ist daher eine Durchsetzung eines weiten Bildungsbegriffs, der Bildung in Beziehung zur Lebensbewältigung oder zur „Lebenskunst“ (so die BKJ) setzt. Doch bestehen erhebliche Gefahren, dass diese Bemühungen nicht aufgegriffen werden. In der Jugendpolitik gibt es insbesondere zwei Gefahren:

a) Die Instrumentalisierung des Kindergartens für eine (kognitiv orientierte) vorschulische Wissensvermittlung.

b) Die Instrumentalisierung der Jugendarbeit als reine außerunterrichtliche Bewahranstalt bzw. als bloße Freizeitgestaltung zur Sicherstellung einer „Ganztagsschule“.

Vor diesem möglichen Schreckensszenario, das leider nicht nur erfunden ist, ist es wichtig, die Bundesländer mit ihren Aktivitäten zur Einrichtung von Ganztagsschulen zu beobachten. Positiv ist uns dabei Rheinland-Pfalz aufgefallen, wo zwar die Schulen das Heft (= Finanzen) in der Hand behalten sollen, jedoch keine Dumpingverträge mit Trägern der Jugendhilfe abschließen dürfen. Hier scheint eine Aushandlung einer Zusammenarbeit von Schule und Jugendarbeit auf „gleicher Augenhöhe“ zumindest im Ansatz vorgesehen zu sein.

  1. Wir müssen jedoch auch unsere eigenen Trägerstrukturen beobachten, wie sie in Verhandlungen mit der Schule eintreten. Sind sie offensiv genug und stellen die Spezifik der außerschulischen Arbeit selbstbewusst heraus? Leider gibt es hier bereits negative Beispiele, wo etwa eine Fachorganisation sich geradezu anbiedert mit Argumenten, die ihre Angebote als „schulnah“ verkaufen, um so die Akzeptanz auf der Schulseite zu steigern. Ich halte dies zwar für verständlich, aber für falsch.
  2. Was tut der Bund in dieser Situation? Bekanntlich sind die Länder sehr darauf bedacht, ihre Kompetenzen im Bildungs- und Kulturbereich nicht angetastet zu sehen. Trotzdem hat der Bund klare Aufgaben und Kompetenzen in allen drei Politikfeldern:

In der Jugend-, Kultur- und Bildungspolitik. In der Jugendpolitik ist insbesondere das Bundesjugendkuratorium (BJK) zu erwähnen, immerhin das vom Bund selbst berufene oberste Beratungsorgan in jugendpolitischen Fragen. Dieses BJK hat sich – mit wohlwollender Unterstützung durch die Jugendministerin – offensiv zu Gunsten eines weiten Bildungsbegriffs und einem eigenständigen Bildungsauftrag der Jugendhilfe positioniert. Repräsentanten der meisten bundesweiten Trägerstrukturen in der Jugendhilfe haben zudem ein Eckpunktepapier erarbeitet, in dem so deutlich wie bislang an keiner anderen Stelle die Eigenwertigkeit der Jugendhilfe in Bildungsfragen herausgearbeitet wird.

  1. Der Zentralbegriff, der unser Arbeitsfeld mit der allgemeinen Bildungsdiskussion verbindet, ist die „nonformale Bildung“, also pädagogisch professionell gestaltete Bildungsmöglichkeiten außerhalb des Unterrichts ohne festgelegtes Curriculum. Sehr schön beschreibt dies der Text in der Tagungsausschreibung:

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Spielmobilen schaffen mit ihren Materialien einen spielerischen Lernrahmen, der an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen orientiert ist. Sie inszenieren Räume, erfinden Rollen, Ereignisse und gestalten Erfahrungswelten, die mit den Kindern reflektiert werden und aus deren Erfahrungen gelernt wird. Spielmobile tragen damit ihren speziellen Teil zu einer Bildungsgesellschaft bei.“

  1. Zur Zeit läuft außerdem das Projekt „Schlüsselkompetenzen durch kulturelle Bildung“, bei dem wir einige strategische Ziele verfolgen:
  • Anerkennung dessen, was man in nonformalen Bildungsprozessen lernt.
  • Anbindung unserer Diskussion an eine lebendige internationale Debatte rund um den Begriff der Schlüsselkompetenz.
  • Entwicklung geeigneter Verfahren, die Lernergebnisse von Jugendlichen in der Jugendkulturarbeit zu sichern und zu beschreiben.

Eine wichtige Initiative im Kulturbereich wird vom Spitzenverband der Bundeskulturverbände, dem Deutschen Kulturrat, vorangetrieben. Es geht hierbei um die Überarbeitung der „Konzeption kulturelle Bildung“, mit der wichtige Bildungsziele und notwendige Maßnahmen vorgestellt werden, so dass weitere Argumente für die Bereitstellung notwendiger Ressourcen gefunden werden.

  1. Die Spielmobile bringen sich offensiv in diese Debatten ein und haben allen Grund, mit ihren Stärken zu wuchern:
  • Auf Grund ihrer Mobilität sind sie geradezu maßgeschneidert, auch dort wirksam zu werden, wo üblicherweise die Dichte von Jugend- und Kultureinrichtungen gering ist.
  • Sie erreichen dadurch sehr viel besser als andere Angebote der Jugend- und Kulturarbeit benachteiligte Stadtteile und Kinder und Jugendliche.
  • Sie sind auf Grund ihrer Arbeitsweise sehr gut dazu geeignet, interkulturelle Angebote zu machen und damit den oft abstrakt diskutierten „Dialog der Kulturen“ praktisch wirksam werden zu lassen.
  • Sie sind ein wichtiges Praxisfeld zur Einübung in die Partizipation.

Kurz: Spielmobile haben allen Grund, sich selbst als wichtigen Bildungs- und Lernort zu definieren.

Wenn unser Bundespräsident präzise formuliert, dass es in der Bildungsarbeit darum geht, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen, dann darf dies geradezu als Motto der Spielmobile gelten.

Literaturhinweise:

Die Papiere des Bundesjugendkuratoriums sind dokumentiert in:
Münchmeier, R. u. a. (Hg.): Bildung und Lebenskompetenz. Opladen 2002.

Kulturelle Bildung wird zeitgemäß und in aller Breite dargestellt in:
BKJ (Hg.): Kultur leben lernen. Remscheid 2002.

Weitere Informationen finden sich auf der Homepage www.bkj.de.
Für alle Fragen der Qualifizierung konsultiere man die Homepage der Akademie Remscheid

Der Autor:

Prof. Dr. Max Fuchs ist Direktor der Akademie Remscheid; Vorsitzender von Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, Deutscher Kulturrat und Institut für Bildung und Kultur. Lehrt Kulturarbeit an der Universität Essen-Duisburg.

Bei vorstehendem Beitrag handelt es sich um einen Vortrag, der auf der Fachtagung „Spielen – Lernen -Bilden“ im November 2002 in Berlin gehalten wurde. Veröffentlicht war er zunächst in der „Spielmobilszene“ 14/2003. Wir bedanken uns bei Claudius Beck von der BAG Spielmobile für die Erlaubnis, ihn hier einstellen zu dürfen.

Dortmund, im Juli 2003

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