Von Marco Szlapka
Die Ausgliederung von Verwaltungseinheiten, das sogenannte Outsourcing, um Verwaltungseinheiten flexibler zu steuern und vor allem Geld einzusparen, ist aktuell auch im Bereich der Jugendhilfe zu beobachten. Immer mehr Kommunen gehen dazu über, Einrichtungen und Dienste der Jugendhilfe als Eigenbetriebe, als GmbH´s mit kommunaler Beteiligung oder ganz an freie Träger der Jugendhilfe abzugeben beziehungsweise zu überführen. Die damit verbundenen Prozesse sind häufig – vor allem für die betroffenen Mitarbeiter/innen – mit einer ganzen Reihe von Ängsten und Problemen verbunden. Drei unterschiedliche Beispiele aus der letzten Zeit.
Köln: Betriebsgesellschaft Jugendzentren Köln gGmbH
Ende 1996 wurde es zum ersten Mal öffentlich: Die Stadt Köln beabsichtigt, zum 1. Januar 1998 alle 18 städtischen Jugendzentren an eine gemeinnützige Gesellschaft abzugeben, um über diesen Weg jährlich 400.000 bis 500.000 DM zu sparen. Ein entsprechender Gesellschaftsvertrag sieht die Gründung einer gemeinnützigen Gesellschaft mit beschränkter Haftung (gGmbH) vor, an der die Stadt Köln 51 Prozent der Anteile und als Mitgesellschafterin ein Jugendhilfe e.V. die verbleibenden 49 Prozent übernimmt. Die Stadt Köln hat mit der Gründung von gGmbH´s in der Jugendhilfe schon Erfahrungen gesammelt, so wurde vor Mitte der neunziger Jahre eine gGmbH als Betriebsgesellschaft für Tageseinrichtungen für Kinder gegründet.
Die Stadt Köln rechnet im Bereich der Jugendfreizeitstätten mit einer Kostenersparnis im Jahr 1998 gegenüber dem Haushaltsjahr 1997 in Höhe von 473.900,- DM. Die Ersparnis soll erreicht werden, indem die Zuschüsse der Stadt nur 95 Prozent der Betriebskosten ausmachen und die Betriebsgesellschaft die fehlenden fünf Prozent selbst erwirtschaften muss. Da die Betriebsgesellschaft im Gegensatz zu einem freien Träger der Jugendhilfe über keine eigenen Finanzmittel verfügt, können die fehlenden Finanzmittel nur über den Weg der Raumvermietung, des Sponsoring bzw. aus Einnahmen von Veranstaltungen erzielt werden. Ob dies im Umfang von einer halben Million DM gelingen kann, bleibt abzuwarten.
Dem Aufsichtsrat der neuen Betriebsgesellschaft sollen kraft Amtes der zuständige Beigeordnete, der Vorsitzende sowie der stellvertretende Vorsitzende des Jugendhilfeausschusses sowie die Leitung der Verwaltung des Jugendamtes angehören. Über diesen Weg ist „gesichert“, dass die Politik der Betriebsgesellschaft weiterhin über den öffentlichen Träger der Jugendhilfe bestimmt wird. Die Chance für eine größere Autonomie besteht lediglich durch die vorgesehene Gründung von Beiräten in den jeweiligen Stadtbezirken, deren Aufgabe und Funktion noch nicht näher definiert ist. In diesen Beiräten sollen nicht nur alle Fraktionen vor Ort vertreten sein, sondern neben dem oder der Bezirksjugendpfleger/in noch weitere Personen aus den Bezirken. Die Beiräte könnten so zu Gremien werden, die nicht nur eine Unterstützung für die Stadtteil- und Lebensweltorientierung der pädagogischen Arbeit leisten, sondern sich gleichzeitig zu echten Lobbyisten für die Einrichtungen entwickeln und damit die Autonomie gegenüber der städtischen Politik stärken.
Die zur Zeit noch 47 städtischen Mitarbeiter/innen in den Einrichtungen erhalten von der gGmbH unter Anerkennung ihrer bisher erworbenen Beschäftigungszeiten Arbeitsverträge nach dem Bundes-Angestellten-Tarif. Den übergeleiteten Mitarbeiter/innen soll zugesichert werden, dass sie bei Kündigung, Auflösung oder Liquidation der Gesellschaft wieder bei der Stadt Köln beschäftigt werden. Für welchen Zeitraum diese Zusage gilt, steht noch nicht fest. Zur Zeit haben sich nur 17 der Mitarbeiter/innen bereit erklärt, in die gGmbH zu wechseln, alle anderen wollen bei der Stadt Köln bleiben und werden in andere Aufgabengebiete versetzt. Da im Fall der Kindertagesstätten nur zehn Einrichtungen und damit längst nicht alle städtischen Einrichtungen in die gGmbH überführt wurden, liegen noch keine ausreichenden Erfahrungen mit entsprechenden Personalvereinbarungen in der Stadt Köln vor.
Die vor einem Wechsel in die gGmbH stehenden Mitarbeiter/innen erwarten von der neuen Betriebsform vor allem eine stärkere Transparenz bei Entscheidungen, eine flachere Hierarchie und vor allem größere Autonomie der Einrichtungen. Mit Unterstützung der Gewerkschaften bemühen sie sich nun, eigene Vorschläge zur Strukturierung und Steuerung der Arbeit innerhalb der Betriebsgesellschaft zu entwickeln.
Dortmund: „Feindliche Übernahme“ durch die Falken?
Das Angebot kam, wie in Fällen der „feindlichen Übernahme“ üblich, ohne dass mit den betroffenen Kindern und Jugendlichen gesprochen wurde, ohne dass die städtischen Mitarbeiter/innen informiert waren und vor allem ohne dass es vorher eine fachliche Auseinandersetzung über die Sinnhaftigkeit einer Übertragung von städtischen Einrichtungen in die Trägerschaft freier Träger gegeben hätte. Die Falken als Jugendverband haben Ende 1996 der Stadt Dortmund angeboten, sowohl eine städtische Jugendfreizeitstätte als auch einen entsprechenden Kinder- und Jugendtreff zu übernehmen.
Das Interesse der Falken an einer solchen Übernahme ist vor dem Hintergrund der Neuordnung des Landesjugendplanes NRW verständlich. So entwickeln sich die Falken immer stärker von einem „Mitgliederverband“ zu einem „Strukturverband“ der Jugendarbeit. Allein in Dortmund haben die Falken in den letzten Jahren eine ganze Reihe von Einrichtungen und Strukturen für die Jugendarbeit geschaffen bzw. übernommen. Die Offene Jugendarbeit der Falken, zum Beispiel in den Städten Essen und Gelsenkirchen, genießt einen guten Ruf und verdient Anerkennung, auch über die Grenzen dieser Städte hinaus. Der Protest und der Vorwurf einer „feindlichen Übernahme“ in Dortmund, vor allem von Kindern- und Jugendlichen sowie den Mitarbeiter/innen aus den betroffenen Einrichtungen erhoben, liegt daher auch vor allem im Verfahren begründet.
Ausschließlich über die politische Ebene ein Angebot zur Übernahme von städtischen Einrichtungen zu unterbreiten, ohne dass es vorher eine fachliche Diskussionen in der Jugendhilfe, eine Debatte mit den Betroffenen über Ziele und Perspektiven der Arbeit gegeben hätte, musste auf Unverständnis und Protest stoßen.
Letztlich wurde in Dortmund auch nur die Übernahme der beiden Einrichtungen für eine Modellphase von drei Jahren beschlossen (1998 bis 2001), wobei das vorhandene Personal in andere städtische Einrichtungen gewechselt ist. Die Stadt spart 21.500,- DM jährlich, die nun von den Falken selbst erwirtschaftet werden müssen.
Festzuhalten bleibt: Die Diskussion über eine Ausgliederung von Einrichtungen, über die Chancen und Grenzen einer Übertragung an freie Träger, wurde in Dortmund möglicherweise unzureichend geführt.
Remscheid: Autonomie und Eigenverantwortung gestärkt
In der Stadt Remscheid wurde vor ca. zwei Jahren eine offene Diskussion über Möglichkeiten und Grenzen der Übertragung von Einrichtungen an freie Träger geführt. Als Ergebnis wurde eine Reihe von Einrichtungen an freie Träger – vor allem waren es Jugendhilfevereine – überführt und die Arbeit in den Einrichtungen per Vertrag abgesichert. Die Mitarbeiter/innen erhielten die Chance, erst einmal in die neue Trägerform zu wechseln und innerhalb der ersten fünf Jahre zu entscheiden, ob sie bleiben oder zur Stadt zurück wollen.
Sowohl der Prozess als auch die ersten Erfahrungen nach der Überleitung werden von fast allen Mitarbeiter/innen als positiv bewertet. So ist es tatsächlich gelungen, die Einrichtungen in ihrer Autonomie zu stärken und vor allem die Offene Arbeit abzusichern, was angesichts der Haushaltslage der Stadt Remscheid in städtischer Trägerschaft nur sehr schwer möglich gewesen wäre.
Entwicklungen beobachten
Eine abschließende Beurteilung der Frage, welche Chancen und Risiken in einer Übertragung von Einrichtungen der Jugendhilfe liegen, ist aktuell kaum möglich. Zu kurz und zu unterschiedlich sind die Erfahrungen in den Städten, um zu einem abschließenden Urteil zu gelangen. Festgehalten werden kann nur: Eine Übertragung von Einrichtungen setzt einen möglichst offenen Prozess voraus, an dem die Mitarbeiter/innen ausreichend beteiligt werden. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) sowie der ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern werden zusammen mit den Kolleginnen und Kollegen in den Einrichtungen die aktuellen Prozesse weiter verfolgen. Daneben ist eine Fachtagung geplant, auf der die unterschiedlichen Erfahrungen ausgetauscht und Forderungen für die Gestaltung entsprechender Prozesse formuliert werden sollen. Die Jugendhilfe muss sich in der nächsten Zeit verstärkt auf solche Prozesse – auf ein sogenanntes Outsourcing von Einrichtungen und Dienste – einstellen.
Der Autor Marco Szlapka (wohnhaft in Seeshaupt) ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Universität Essen (jetzt Duisburg-Essen) und Geschäftsführer des Instituts für Sozialplanung und Organisationsentwicklung (INSO) sowie Mitglied im Beirat des ABA Fachverbandes Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen.
Vorstehender Beitrag wurde in DER NAGEL 59/1997 veröffentlicht, hier eingestellt im Juli 2003.