Objektive und subjektive Rechtsansprüche in Sachen einer bildungsorientierten Kinder- und Jugendarbeit

Diese Seite fußt auf einer Fachtagung der AGOT-NRW, die am 19. Juni 2006 in Dortmund stattgefunden hat. Sach- und fachkundiger Referent war der emeritierte – und nach wie vor aktive – Kasseler Professor Dr. jur. Gerhard Fieseler. Er ist einer einer der kompetentesten Kommentatoren des deutschen Jugendhilferechts. Die Fachtagung fand statt unter dem Thema „Kinder- und Jugendarbeit der freien Träger – ein rechtsfreier Raum?“

Zur Pflichtigkeit der Kinder- und Jugendarbeit

Einer der zentralen Diskussions- bzw. Streitpunkte in der Vergangenheit und Gegenwart ist der Begriff der so genannten „freiwilligen Leistungen“ nach dem Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII). Nicht zuletzt im Zusammenhang der jugendpolitischen Aktionen gegen Mittelkürzungen im Bereich der Förderung der Kinder- und Jugendarbeit steht häufig die Frage im Raum: „Dürfen die das denn?“ Gemeint sind damit die politischen Kräfte, die im Land oder in der Kommune die politischen Entscheidungen von Mittelkürzungen getroffen haben. Auch die Verabschiedung des aktuellen Kinder- und Jugendförderungsgesetzes in Nordrhein-Westfalen ändert in einigen Orten nichts an dieser Debatte, obwohl dieses Gesetz die Förderung der Kinder- und Jugendarbeit sowie der Jugendsozialarbeit nach Auffassung der ExpertInnen endgültig zur Pflichtaufgabe macht. 

Objektive und subjektive Rechtsansprüche in Sachen einer bildungsorientierten Kinder- und Jugendarbeit

Referat Prof. Dr. Gerhard Fieseler

1. Lesefrüchte und kritische Bemerkungen dazu

Ich gehe aus von zwei Äußerungen von Reinhard Wiesner:

Angesichts (angeblich) „leerer“ kommunaler Kassen (Wiesner, ZfJ 2005, S. 377) … steht Jugendarbeit „unter Legitimationsdruck“ (Wiesner 2006, § 11 Rdnr. 8) und wurde und wird gerade in NRW ein „Wirksamkeitsdialog“ geführt. Dazu habe ich in der Vorbereitung auf heute gelesen:

Reinhard Liebig: Dialogstrukturen, Selbstreflexion und Fördergelder – Das Instrument des Wirksamkeitsdialogs in NRW am Beispiel der Offenen Jugendarbeit, in: Zentralblatt für Jugendrecht (ZfJ) 2005, S. 379-389.

Liebig (Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Forschungsverbund Deutsches Jugendinstitut/Universität Dortmund) meint, „(die) Existenzbegründung (sei) überzeugender als bisher (zu) formulieren und ihr Tun sowie ihr Ergebnis … (zu) … dokumentieren“ (S. 379).

Es müsse klar werden, was in der Kinder- und Jugendarbeit gemacht werde, wie und warum es getan wird und was es bewirke. Zu all dem gebe es keine zufriedenstellende Forschung (und auch keine „allgemeine Theorie“ der Jugendarbeit) und es „könne(n) in der Regel weder individuelle Problemmeldungen noch die von Fachkräften gestaltete Abfolge von Diagnose und Therapie sinnvolle Auslöser für die Bereitstellung von finanziellen Ressourcen“ (Seite 382 linke Spalte) sein.

Liebig meint, „aus diesem Grund sind für dieses Segment der Kinder- und Jugendhilfe auch keine individuellen Rechtsansprüche definiert, die das so genannte jugendhilferechtliche Dreiecksverhältnis begründen können, sondern der Zielpunkt für Leistungen (sei) die Infrastruktur bzw. der Sozialraum“ (Fußnote 8 unter Hinweis auf Münder 2001, 2002).

Liebig macht sich damit kritiklos und offensichtlich, ohne den Schimmer einer Ahnung davon zu haben, dass dies durchaus juristisch umstritten ist, unter Berufung auf Münder 2001, 2002, die „herrschende Meinung“ zu eigen, die mit der Leugnung der Rechtsverbindlichkeit der §§ 11 ff. deren Finanzierung (weitgehend) ins Belieben der Kommunen und Länder stellt.

2. Zur Rechtsverbindlichkeit der Jugendarbeit in den Kommunen

D a g e g en richtet sich mein Vortrag, in dem ich aufzuzeigen versuche, dass der Grad der Rechts-verbindlichkeit von Angeboten der Kinder- und Jugendarbeit denkbar hoch ist, wie sich aus § 11 – schon auf Grund seines Wortlautes, aber auch nach allen anderen anerkannten Auslegungsmethoden der Jurisprudenz  – ergibt. Ich werde mich dabei auf mehrere Beiträge stützen, die teils veröffentlicht sind, die teils zur Veröffentlichung anstehen, und zwar:

■ Mein Beitrag 2002 im ABA-TexteDienst (der einigen von Ihnen vielleicht bekannt ist); (Anmerkung: Die Broschüre befindet sich zum Herunterladen unten auf dieser Seite.)
■ ein Beitrag für die Zeitschrift Jugendhilfe – für deren nächstes Heft – von Manfred Busch und mir;
■ ein Gutachten von Peter Christian Kunkel für den Bremer Jugendring
und
■ insbesondere mein Lehrbuch (Fieseler/Herborth, Recht der Familie und Jugendhilfe, 6. Auflage 2005), auch unseren Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII, in dem wir gewiss die offensivste Auslegung der §§ 11 ff. SGB VIII betreiben, was – wie sich schon bei der Berufung Liebigs auf Münder zeigte – in dessen Kommentar zum KJHG (leider) gerade nicht (mehr) der Fall ist.

Ich bin nämlich der Meinung, dass auch die Jugendhilfewissenschaft – und gerade auch die von juristischer Seite – sich dem Einmischungsauftrag verpflichtet fühlen müssteund insbesondere vom SGB VIII – dem Artikel 1 des KJHG, die 19 anderen Artikel tun nichts zur Sache – her, eine Auslegung zu betreiben hätte, die den jungen Menschen und den in der Jugendhilfe Tätigen einen denkbar günstigen Rechtsrahmen bieten würde.

Ich arbeite also eine Auffassung heraus, die allerdings nicht „die herrschende“ ist, und von der Sie nicht (unbedingt) erwarten dürfen, dass sie sich durchsetzen wird. Dies auch nicht gegenüber den Gerichten, und daran trägt die Kinder- und Jugendhilfe selbst Schuld, wenn sie sich, wie das oft geschieht, nur auf „den“ Referentenkommentar „Wiesner“ und auf „den“ in den beiden letzten Auflagen zahmer gewordenen Kommentar „Münder“ stützt, obwohl steter Tropfen, das heißt, das Insistieren auf offensive Rechtspositionen, den Stein einer konservativen Justiz höhlen könnte, zumal der Richterschaft das SGB VIII meist ein Buch mit sieben Siegeln ist; und dies durchaus auch zugegebenermaßen, wie sich etwa eine Familienrichterin vor nicht allzu langer Zeit outete.

So können denn die Geldgeber, die Kommunen und die Länder, in der juristischen Literatur die Argumente finden, die ihnen das ruhige Gewissen verschaffen, alles geschehe nach Recht und Gesetz, wenn sie etwa die Mittel für Jugendhilfe kürzen oder auch von vornherein niemals ausreichend bereitstellten.

Dass dies aber ganz und gar nicht nach Recht und Gesetz geschieht, möchte ich hier näher ausführen, so dass Sie die Argumente haben werden, die sie sich von dieser Tagung laut Einladung versprechen.

Ich gehe aus von dem Kommentar von Jans/Happe/Saurbier/Mann, in dem es zu § 11 heißt:

„Bestrebungen in der Jugendhilferechtsreform, ein subjektiv-öffentliches Recht, einen Rechtsanspruch durchzusetzen, mussten an dem Fehlen einer realen Möglichkeit scheitern, konkrete Ansprüche auf Leistungen der Jugendarbeit zu konstruieren. Solche Angebote sind faktisch nicht vorstellbar; es mangelt in der Jugendforschung an gesicherten Erkenntnissen über die Wirkung der Teilnahme an Angeboten der Jugendarbeit.“

Dazu zwei frühe Anmerkungen:

Ich frage: Gibt es solche Angebote in der Praxis wirklich noch nicht? Und sind sie – sozialpädagogisch – wirklich nicht vorstellbar?

Und ich bin skeptisch bei der Frage nach den Erkenntnissen zur „Wirkung“ der Teilnahme an Angeboten der Jugendarbeit: Welche Wirkung ist damit gemeint?

Ich zitiere hierzu den von mir mit herausgegebenen GK-SGB VIII (Wabnitz/Fieseler in GK-SGB VIII 2005, § 11 Rz. 8):

„§ 11 Abs. 2 Satz 2 benennt – in Übereinstimmung mit § 1 – die Leitideen bzw. Ziele der Jugendarbeit:

■ Befähigung zur Selbstbestimmung
■ gesellschaftliche Mitverantwortung und
■ soziales Engagement.
■ Hier können junge Menschen mehr lernen als das, was sie für ihre spätere Eingliederung in die Arbeitswelt (§ 13 Abs. 1) brauchen. Jugendarbeit spricht nämlich die Probleme an, die Kinder und Jugendliche in ihren Familien, in der Schule, in ihrer sonstigen Lebenswelt haben. Bei den in Familien, Schule und Betrieben wie überhaupt in der („Ellenbogen“-)Gesellschaft vorfindlichen Grundeinstellungen kommt soziales Lernen zu kurz, finden junge Menschen nicht „den Mut, sich ihres Verstandes ohne Leitung eines anderen zu bedienen“ (nach Immanuel Kant „der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit“), werden sie vielmehr allzu häufig zu unkritischen Konsumenten und Arbeitnehmern erzogen. Hiergegen kann eine von den Grundsätzen des § 11 Abs. 1 Satz 2 bestimmte Jugendarbeit „Lernprozesse unterstützen, die zu einem mehr an Selbstständigkeit und Solidarität mit anderen führen“. Das gilt besonders, wenn in Zukunft mehr als bisher auf die Besonderheiten ihrer jeweiligen Lebenssituation – als Angehörige benachteiligter Familien, als Mädchen oder Junge, als Bewohner von Stadt und Land, als diesem oder jenem Kulturkreis zugehörig – eingegangen wird“.

3. Emanzipatorische, bildungsorientierte Jugendarbeit und ihre Verrechtlichung – verbunden mit der Bitte um eine Diskussion 

Ich verstehe also Jugendarbeit als Bildung im besten Sinne – als „selbsttätige Entwicklung mitverantwortlicher Selbstbestimmung“ , wie das Benedikt Sturzenhecker in zwei mir dankenswerter Weise von Rainer Deimel zur Verfügung gestellten Aufsätzen näher ausführt und dazu zu Recht meint, dieses emanzipatorische Bildungskonzept zeige § 11 „mit jedem Satz“ – eine solche Jugendarbeit kann nur „Entfaltungsmöglichkeiten in einem offenen Feld“ anbieten.

Heißt dies, dass ihre Angebote – anders als etwa die im SGB VIII ausdrücklich geregelten Hilfen zur Erziehung – so wenig bestimmbar sind, dass sie „nicht justiziabel“ sind, dass offen bleiben muss, was angeboten werden muss, damit jeder junge Mensch die Chance auf eine solche Bildung hat?

Wäre gar eine eindeutige Benennung der entsprechenden, rechtlich verbindlichen Angebote einer offenen Jugendarbeit abträglich? Ich meine im Gegensatz zu den Gegnern einer „Verrechtlichung sozialer Arbeit“, dass dies ganz und gar nicht der Fall ist. Das Gegenteil ist der Fall, wovon ich Sie bis zum Schluss meiner Ausführungen zu überzeugen hoffe. Vielmehr müssten Orte „ flächendeckend“ bereitstehen. Orte, an denen, und Räume in denen eine Jugendarbeit stattfindet, die den jungen Menschen eine Entwicklung im Sinne des § 1 Abs. 1 – „zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“ – anbieten kann.

Wie diese im Einzelnen aussieht, welche Angebote bereitzustellen wären, vermag ich nicht zu sagen, wir sollten aber, so meine ich, heute in Dortmund darüber sprechen.

Der Jugendarbeit sollte es jedenfalls nicht schwer fallen, das konkret zu benennen – und damit auch „justiziabel“ zu machen  –, was jungen Menschen unter den gegenwärtigen Lebensbedingungen (oft) fehlt und inwiefern ihre individuelle und soziale Entwicklung gefördert und dazu beigetragen werden kann, ihre Benachteiligung zu vermeiden oder abzubauen, wie es § 1 Abs. 3 Nr. 1 zur Verwirklichung ihres Rechtes nach § 1 Abs. 1 verheißt. Damit würde zugleich beigetragen, positive Lebensbedingungen für junge Menschen (und ihre Familien) zu erhalten oder zu schaffen (§ 1 Abs. 3 Nr. 4 – gleichfalls zur Verwirklichung des Rechtes nach § 1 Abs. 1 SGB VIII).

Rechtlich gesehen ist es eben deshalb so wichtig zu nennen, was junge Menschen an Angeboten der Jugendarbeit brauchen und was deshalb nach § 79 Abs. 2 Satz 1 an Einrichtungen, Diensten und Veranstaltungen zur Verfügung zu stellen ist, weil eine rechtliche Aktion, eine Klage vor Gericht insbesondere, ein konkretes Begehren, einen (Klage-)Antrag voraussetzt, über den letztlich im Rechtsstaat die (Verwaltungs-)Gerichte zu entscheiden bereit sind, über das allein sie so entscheiden können, dass diese Entscheidung auch vollstreckbar ist.

Es muss also – wie bei den Hilfen zur Erziehung – zum einen sozialpädagogisch bestimmt werden, was der jeweilige junge Mensch zu seiner Entwicklung braucht, es müssen die entsprechenden Einrichtungen und Dienste, die Angebote  „vor Ort“ (im jeweiligen Jugendamtsbezirk bzw. im jeweiligen „Sozialraum“) und damit die „richtige“, die „maßgeschneiderte“ Jugendarbeit, vorhanden sein, oder es müssten, weil eine Jugendhilfeplanung nach § 80 den Bedarf nicht zutreffend ermittelt wird, die zur Befriedigung des Bedarfs notwendigen Vorhaben so geplant (und geschaffen) werden, dass auch ein unvorhergesehener Bedarf befriedigt werden kann.

I s t das „richtige“, das „maßgeschneiderte“ Angebot – die Einrichtung, der Dienst – vorhanden, so hat der einzelne junge Mensch, bei entsprechendem Bedarf, nach längst gesicherter Rechtsauffassung einen (einklagbaren) Anspruch auf Teilnahme (anders wäre der Gleichbehandlungsgrundsatz verletzt), ist sie es nicht, so spitzen sich meine Ausführungen auf die Fragen zu:

Wie ist dann das von mir angenommene subjektiv-öffentliche Recht auf eine Leistung nach § 11 einklagbar; wer sorgt hier für den Rechtsschutz in dem Sinne, dass die Kommune die Einrichtung, den Dienst, den sie nach § 80 zu planen und nach § 79 Abs. 2 Satz 1 zu gewährleisten, also zu schaffen gehabt hätte, nun auch tatsächlich zur Verfügung stellt?

Hierzu findet sich in der Literatur in aller Regel – wenn überhaupt  – lediglich der Hinweis auf die Kommunalaufsicht, die dafür zu sorgen hätte. Dass dies nicht funktioniert, wissen Sie. Die Kommunalaufsicht hält die Kommunen eher zum „Sparen“ an. Dass sie je ein Defizit an Angeboten der Jugendarbeit gerügt hätte, ist mir nicht bekannt.

Mir ist  – bei der letztlich knappen Vorbereitungszeit  – jetzt nur ein Vorgang bekannt, den ich auch noch dem Kommentar von Jans/Happe/Saurbier/Mann entnehme (§ 11 Rdnr. 10), wo es heißt, dass „die stark angewachsene Jugendkriminalität abklang, als man die ursprünglich vorgesehenen Jugendfreizeitheime nachträglich errichtete“. Das in den 60er Jahren in Stuttgart in einem Neubaugebiet, in dem ursprünglich (jegliche) Angebote von Jugendarbeit fehlten. Ob dies allerdings auf Grund einer Intervention der Kommunalaufsicht hin oder gar einer Gerichtsentscheidung geschah, ich meine eher nicht, ist mir auch nicht bekannt, und ich hielte es auch für entschieden zu kurz gegriffen und, wie ich wohl genügend angedeutet habe, mit den Spezifika einer bildungsorientierten Jugendarbeit unvereinbar, wenn allein der Gefährdungsaspekt, der Aspekt einer Jugend, von der ohne Angebote der Jugendarbeit eine Vielzahl von Jugendstraftaten ausgingen, einen Rechtsanspruch auslösen würde.

Das Verwaltungsgericht, bei dem ein Antrag auf die Schaffung eines bestimmten Angebots der Jugendarbeit, etwa einer geeigneten Örtlichkeit, wo Jugendarbeit überhaupt stattfinden könnte, eingeht, wird – möglicherweise mit dem Totschlagargument einer rechtsstaatlichen Gewaltenteilung – hier Justiz, dort Exekutive – den Antrag ablehnen. Möglicherweise würde eine entsprechende Klage als unzulässig abgewiesen, geschweige denn, dass das Gericht sich mit der Sache überhaupt befasst.

Das liegt nun meines Erachtens daran, dass die ganze herrschende Meinung der Kommentatoren, nach einem Kommentar „so gut wie alle“, und der sonstigen Schreibzunft der Juristen, mit der Leugnung subjektiv-öffentlicher Rechte im Sinne von §§ 1 und 11, die nur mit einer kollektiven Denkhemmung erklärt werden kann, das Gericht darin bestätigt, und ich fürchte, dass eine Jugendarbeit, die ihre Angebote nicht konkretisieren, den Bedarf daran nicht benennen kann, daran nichts ändern wird.

Ich meine aber, dass aus der Erkenntnis der Gründe für die mangelnde Durchsetzbarkeit der bedarfsgerechten Angebote der Jugendarbeit – hier oder dort – eine Diskussion entstehen sollte, die sich darauf besinnt, wie Jugendarbeit klarstellen kann, was in der Kinder- und Jugendarbeit gemacht wird, wie und warum es getan wird und was es bewirkt. Damit meine ich beileibe nicht eine auf Prävention gegenüber Gefahren, die von jungen Menschen (angeblich) ausgehen, setzende Jugendarbeit, wie sie allerdings von ihr nur allzu oft, nicht nur von den Finanziers und von der Polizei, erwartet wird. 

Es ist zwar bedauerlich, aber zu verstehen, dass die Jugendarbeit sich deshalb oft so zu legitimieren versucht, so die angeblich leeren Kassen für sich geöffnet sehen will , sondern eine den „Arbeitsprinzipien bildungsorientierter Jugendarbeit“ im Sinne Sturzenheckers verpflichtete Jugendarbeit, wie sie das SGB VIII – recht verstanden – vorsieht. Das heißt – wiederum mit Sturzenhecker: Anzubieten ist „ein selbstgestalteter Sozialisationsbereich, in dem positive Entwicklung im Zentrum steht und nicht die Verhütung von negativer“. Zu schaffen sind, mit den jungen Menschen als „(potenziell) kompetente und gleichberechtigte Partner unterstützende, anregende und erholende Aktivitäten, Settings und Situationen“, wobei die Jugendarbeit Kinder und Jugendliche anwaltlich vertritt und sie gerade in „konfliktreichen Lebensbedingungen und Konfliktsituationen begleitet und sie qualifiziert, solche Probleme für sich und andere besser zu bewältigen“.

Wenn ich nochmals sage, das gilt es durch die Benennung entsprechender Angebote – gegen die allgemeine Rede der Juristen von der Unbestimmbarkeit der Angebote der Jugendarbeit – zu erarbeiten, so merken Sie, dass ich dabei wieder bei Liebig bin, mit dem ich begonnen habe, und ich meine abschließend:

So wie die anfangs von der Sozialen Arbeit mit so viel Befremden und mit (unbegründeter) Furcht aufgenommene Rechtsprechung zur Verantwortung der Jugendämter in Fällen von Kindesmisshandlung, Vernachlässigung und sexuellem Missbrauch zu einer fachlichen Diskussion darüber geführt hat, was insofern zu tun ist, so meine ich, dass eine konkrete Besinnung darauf, was in der Jugendarbeit, wo und unter welchen Rahmenbedingungen zur Entwicklung junger Menschen im Sinne des KJHG geschehen könnte, nicht nur zu einem besseren Rechtsschutz für die betroffenen jungen Menschen, sondern auch zu einer Qualifizierung der Jugendarbeit beitragen kann und – ggf. – wird.

Das soll (zunächst) meine Schlussthese sein, und ich hoffe, dass wir – und dass Sie untereinander – darüber ins Gespräch kommen. Auf Ergebnisse dieses Gespräches bin ich schon deshalb sehr gespannt, weil ich sie gerne in meinen Veröffentlichungen – im Kommentar, im Lehrbuch; Fieseler/Herborth liegt in der 6. Auflage vor – und in Aufsätzen zum Besten geben werde. Ich verstehe dies als Beitrag einer sich zu Gunsten junger Menschen und ihrer Familien einmischenden Rechtswissenschaft, so weit sie sich mit dem „Kinder- und Jugendhilfegesetz“ und den daraus herzuleitenden Konsequenzen befasst. 

Ich kann nun noch im Einzelnen auf die entsprechende Rechtsargumentation eingehen, die einen subjektiven Rechtsanspruch aus den §§ 1, 11, 79 herleitet, in dem ich mir mit Ihnen den Beitrag vornehme, den ich im Manuskript dabei habe, und der inzwischen, in dieser Woche (!) in Jugendhilfe Heft 3/2006 erschienen ist. Das muss aber nicht sein. Ich kann an dieser Stelle – zumindest zunächst einmal  – wirklich Schluss machen, und ich danke Ihnen dafür, dass Sie mir zugehört haben. 

Fragen an und Antworten von Prof. Dr. Gerhard Fieseler

Frage: Mein Informationsstand ist im Moment – was die Rechtsverbindlichkeit des Paragraphen 11 betrifft –, dass es nicht mehr wirklich abgestritten wird, dass es dem Grunde nach einen Rechtsanspruch auf Jugendarbeit gibt. Ich kenne also Situationen, zum Beispiel auch von meiner Frau (Jugendamtsleiterin), bei der es die Debatte über Jugendarbeit im Jugendhilfeausschuss gab und wo der Jugendhilfeausschuss sehr deutlich gesagt hat: „Liebe Verwaltung, diese Freiwilligkeit gibt es nicht.“ Schwierig wird es bei der Frage, wieviel zur Verfügung gestellt wird. Aber die können nicht sagen: Wir machen gar nichts. Das klang bei Ihnen eben etwas skeptischer. Soweit ich also weiß, sagt der Münder das auch so. Er sagt, eigentlich könne man nicht sagen, es gibt überhaupt nichts, sondern sie haben natürlich den Spielraum, ob man 1 Million oder 20 Millionen einstellt.

Antwort: Ja, das ist in der Tat oft so, dass man inzwischen sagt – aber das ist noch nicht so gesichert –, dass es einen Anspruch gibt. Dies aber nur „dem Grunde nach“.

Da würde ich einhaken und sagen, der Anspruch steht nur auf dem Papier, wenn es nicht entsprechende Angebote gibt. Und dann hat das Jugendamt die Steuerungsverantwortung, das ist ja heute auch in aller Munde, und es kann dann sagen: Für den oder dieses oder jenes ist der Anspruch geeignet. Wobei ich immer sage, es müsse mit den Kindern und Jugendlichen selbst ausgehandelt werden, wo sie hin wollen.

Und nun muss aber gesehen werden, dass alle vom Gesetz vorgesehenen Dienste, Einrichtungen und Veranstaltungen bereitzustellen sind. Und da kann man sich nicht auf ein Jugendfreizeitheim beschränken, wenn die Jugendarbeit aufzeigen kann, dass mehr erforderlich wäre.

Und der Anspruch geht auch dem Grunde nach ins Leere, wenn die Mittel beliebig zur Verfügung gestellt werden können  – wenn statt 20 Millionen nur 1 Million zur Verfügung gestellt wird. An diesem großen Unterschied wird das ja besonders deutlich.

Dabei wäre natürlich auch immer zu sehen, wofür viele Millionen zur Verfügung gestellt werden und gleichzeitig die Jugendarbeit mit einer Million abgefertigt wird.

Das ist der gesellschaftspolitische Hintergrund. Und wenn es gelingt, (überzeugend) aufzuzeigen, dass man emanzipatorische Jugendarbeit an diesem Ort, mit diesem Tiefgang und mit bestimmten, konkret zu benennenden Angeboten – immer natürlich vor dem Hintergrund einer Beteiligung der Jugendlichen selbst – mit den dafür erforderlichen Mitteln leisten könnte, so kann auch erkennbar aufgezeigt werden, dass nicht mal einem „Anspruch dem Grunde nach“ mit einer Million entsprochen wäre.

Im Übrigen will ich mich nicht darauf einlassen, dass es nur einen „Anspruch dem Grunde nach“ gäbe. Es mag nicht leicht sein, sich konkret vorzustellen, was ein Jugendlicher an Jugendarbeit braucht. Stellen Sie sich aber vor, man würde bei der Sozialhilfe von „einem Anspruch dem Grunde nach“ sprechen und willkürlich bestimmen, wie viel der Einzelne an Sozialhilfe bekommen soll. Das ist rechtsstrukturell gesehen bei der Jugendarbeit genauso, da kann man auch nicht jemanden mit dem  „Anspruch dem Grunde nach“ abspeisen, sondern muss bedarfsgerechte Angebote erreichbar machen.

Ich denke, das wäre juristisch gar nicht soweit ab von dem, was jemand zu sagen hätte, der sich – wie wir in unserem Gemeinschaftskommentar zu SGB VIII (Hrsg.: Fieseler/Schleicher/Busch) – einmischt in die Rechtsdiskussion und eine offensive Jugendhilfe fordert.

Johannes Münder hatte am Anfang (in seinem Kommentar zum SGB VIII) auch gesagt, es gäbe ein subjektives öffentliches Recht und eine öffentliche Verantwortung von Staat und Gemeinschaft für die Jugendlichen auf Erziehung und Bildung. Münder war dieser Ansicht, hat das aber zurückgenommen und sagt heute tatsächlich, der Paragraph 1 hätte lediglich „symbolische Bedeutung“.

Andere sagen, der Paragraph 1 ist bei jeder Ausführung im Einzelfall mit zu berücksichtigen.

Er wird aber meist nicht berücksichtigt, und wenn eine Familienrichterin sagte, „für mich ist das SGB VIII ein Buch mit sieben Siegeln“, dann kennt sie bestimmt auch den Paragraphen 1 nicht. In diesem wird aber ganz deutlich, deutlicher kann es im Gesetz gar nicht stehen, darauf hingewiesen, dass jedes Kind ein Recht auf eine entsprechende Erziehung, auf eine Förderung – ich ergänze auf Bildung – und auf Schutz hat.

Es wird allenfalls von Reinhard Wiesner anerkannt, dass jedes Kind ein subjektiv-öffentliches Recht darauf hat, dass es in seiner Familie nicht körperlich misshandelt, vernachlässigt und sexuell missbraucht wird. Meiner Meinung nach, und das ist im Gemeinschaftskommentar zum SGB VIII unter § 1 unter Heranziehung aller juristischer Auslegungsmethoden ausführlich begründet, muss jedes Kind auch dieses subjektiv-öffentliche Recht auf eine dem § 1 Abs. 1 SGB VIII entsprechende Erziehung und Bildung haben.

Es gibt zwar in vielen Familien eine bildungsferne Erziehung. Und es kann, aus Gründen, die man durchaus nachvollziehen kann, nicht in allen Familien alles bereitgestellt werden, was ein Kind für seine Entwicklung braucht. In solchen Fällen sollte meines Erachtens die Jugendarbeit neben die Eltern treten und vieles von dem für die Kinder leisten, was in der Familie nicht geleistet werden kann.

Man könnte sogar darüber nachdenken, ob die Familie überhaupt der geeignete Ort für so eine emanzipatorische Bildung ist, oder ob nicht Grundeinstellungen da an unsere Kinder und Jugendlichen vermittelt werden, die in der Jugendarbeit, wie ich sie mir vorstelle, endlich mal überwunden werden können. Und zwar so, dass die Kinder auch selbst etwas davon haben.

Frage: Die Schwierigkeiten, die ich mit ihrer Argumentation habe, liegen im Unterton. Im Unterton müssen Juristen, wenn sie Rechtsansprüche konstruieren, das Kind, den Jugendlichen zum Objekt machen. Der Jugendliche als Objekt jugendhilflichen Handelns ist aber nun der klare Widerspruch zu dem, was Jugendarbeit nach Selbstdefinition ausmacht, nämlich die Subjektorientierung.

Wir haben in der letzten Woche eine Studie von Niemeier und Artur Fischer über die Reichweite der evangelischen Jugendarbeit vorgestellt bekommen, in der noch mal sehr deutlich aufgezeigt wird, dass die Jugendlichen selbst – die wir übrigens in sehr viel größerer Anzahl erreichen, als man bisher geglaubt hat – das Setting von Jugendarbeit nutzen, um ihr Ding zu machen.

Das ist, was wir wollen. Damit fallen wir aber raus aus allen möglichen Gesamtzusammenhängen und aus allen Möglichkeiten unsere Wirkungen auch als Curriculum oder ähnlichem zu beschreiben. Und das ist für mich das Grundproblem. Ich kann nicht nachvollziehen, wenn Juristen sagen: „Das ist mir zu schwammig!“

Als Begründung für einen konkreten, gerechtfertigten Aufwand kann dieser Rechtsanspruch, so wie Sie es erläutert haben, sich sicherlich darauf richten, in angemessener Weise Infrastruktur für Jugendarbeit zu schaffen. Aber da behaupten dann Länder und Kommunen, sie hätten ja bereits genügend Infrastruktur, indem wir an bestimmten Orten Angebote bereitstellen. Ich weiß nicht, wie wir diesen Widerspruch aufheben können.

Antwort: Das sind ja ähnliche Argumente, wie sie gegen die „Verrechtlichung“ sozialer Arbeit weitestgehend vorgetragen werden und wie sie auch dagegen vorgetragen wurden, dass Gerichte überhaupt entscheiden können, ob ein Sozialarbeiter in einem Fall etwas unterlassen hat. Und da scheint sich meines Erachtens bei den Sozialarbeitern auch inzwischen nach langer Diskussion die Erkenntnis eingestellt zu haben, dass es eine geradezu ethische Anforderung an die Sozialarbeiter ist, Kinder bei schwerer Gefährdung vor ihrer Familie zu schützen. Ähnlich müsste man auch bei der Jugendarbeit verfahren. Ich erwarte ja auch hier Ihre Gegenargumente. Bedeutet ein rechtlicher Anspruch auch nur in irgendeiner Weise, dass eine Subjektorientierung „vor die Hunde gehen“ muss? Ich meine, das Gegenteil ist der Fall: Mit der Anerkennung eines Anspruches, eines subjektiv-öffentlichen Rechtes, ist zugleich eine Anerkennung der Person verbunden bzw. er ist Ausdruck einer solchen Anerkennung.

Ich frage wie in meinem Vortrag: Warum können bei Orten mit schwacher Infrastruktur nicht die Ansprüche so formuliert werden, dass solche Einrichtungen vorhanden seien müssen, in denen eine subjektorientierte Kinder- und Jugendarbeit überhaupt stattfinden kann ?

Die geschieht nicht sehr häufig. Das sind dann solche Fälle wie jener aus Stuttgart, bei dem jemand klagt, weil es hinten und vorne an einem ausreichenden Angebot an Jugendarbeit mangelt. Mit welchem Inhalt das dann zu füllen ist, wird natürlich in der Definitionsmacht der Kinder- und Jugendarbeit stehen müssen. Und da wünsche ich mir in der Tat solche Fachkräfte, die sich den Vorstellungen Sturzenheckers verpflichtet fühlen: nämlich im Sinne der Beteiligung der Jugendlichen bei der Problemdefinition und bei der Angebotsdefinition eine Subjektorientierung zu schaffen.

Vorrang haben bei mehreren Bewerbern um finanzielle Mittel juristisch gesehen übrigens diejenigen, bei denen die Subjektorientierung dadurch zum Ausdruck kommt, dass ihre Angebote stärker an den Interessen der Betroffenen orientiert sind und ihre Einflussnahme auf deren Ausgestaltung gewährleistet ist. Das bedeutet dann, dass man  – und wenn es einem auch widerstrebt  –  bei einer juristischen Aktion dem Richter sagen muss, inwiefern man wirklich subjektorientiert arbeitet.

Wenn dies nicht geschieht, so kann man nicht erwarten, dass die Rechtsprechung sich ändert. Es gibt ein paar erfreuliche Entscheidungen, wir versuchen in unserem Gemeinschaftskommentar, im GK-SGB VIII, zum Beispiel auch bei dem Paragraphen 74 (Finanzierung freier Träger) diese Entscheidungen herauszustellen. Aber die sind noch sehr in der Minderheit, und immer noch denken viele, die Jugendarbeit sei eine „weiche Leistung“, die man sich gar nicht konkret vorstellen kann.

Für die Hilfen zur Erziehung war es auch am Anfang schwierig, einen Rechtsanspruch zu erreichen. Inzwischen hat man den – (zum Teil wird dies jedenfalls behauptet) –aber eben nur auf die im Gesetz ausdrücklich genannten Hilfen. Obwohl es nach dem Gesetzeswortlaut („insbesondere nach Maßgabe der §§ 28-35“ ganz klar ist, dass auf jede neue von Sozialpädagogen entwickelte Hilfe zur Erziehung bei einem entsprechenden Bedarf genau ein Anspruch auf Förderung besteht, auch wenn sie nicht ausdrücklich im Gesetz genannt ist. Denn dieses Gesetz ist inzwischen 15 oder 16 Jahre alt, und man konnte seinerzeit selbstverständlich nur niederschreiben, welche Hilfen zur Erziehung es damals im Einzelnen gab.

Ich meine, dass der Rechtsanspruch für die Jugendarbeit einmal ähnlich gesichert werden kann wie für die Hilfe zur Erziehung, wenn die Finanziers vielleicht einsehen würden, dass wir dann schlichtweg weniger Hilfen zur Erziehung brauchten, weil die Kinder und Jugendlichen in einer subjektorientierten Jugendarbeit schon sehr viel lernen; auch wie sie klug mit ihren Problemen umgehen können – das ist dann eine präventive Hilfe.

Die Parallele ist mir weiterhin aufgefallen zum Recht der Aufsichtspflicht. Da werden Kinder ja auch als potenzielle Störer, als diejenigen von denen Gefahren ausgehen, begriffen, sodass auch die Rechtsprechung zur Aufsichtspflicht lange Zeit nicht begriffen hat, dass man auch da mit der Entwicklung eines Kindes – mit Blick auf den Umgang mit Gefahren usw. – besser umgehen muss. Ich finde, dass von der Jugendhilfe und speziell von der Jugendarbeit selbst bestimmt werden soll, was für Kinder und Jugendliche erforderlich ist. Zumindest für die, die in ihrer Familie nicht die Entwicklungsvoraussetzungen haben, die sie nach Paragraph 1, SGB VIII, haben sollten.

Letztendlich muss die Definitionsmacht in der Hand der Sozialarbeiter und der Jugendhilfe bleiben. Ein Richter müsste von der emanzipatorischen Jugendarbeit ebenso angetan sein, wie ich es bin. Die Berührungsängste zwischen Juristen und Sozialarbeit sind auch bei mir im Studium immer wieder schon vorgekommen, und ich kann sie im Grunde verstehen. Meines Erachtens bringen die Berührungsängste aber weder die Sozialarbeit, noch die Kinder und Jugendlichen, mit denen sie es zu tun hat, voran.

Frage: Deshalb machen wir ja auch diese Fachtagung heute hier, um Sozialpädagogik und Juristerei zusammen zu führen. Ich will noch mal zwei Aspekte aus meiner beruflichen Erfahrung einblenden. Alsdorf zum Beispiel ist eine Haushaltssicherungskommune. Nun hat die untere Kommunalaufsicht, also die Unterabteilung des Regierungspräsidiums in Köln, der Kommune aufgetragen, die Kinder- und Jugendförderung in die Konsolidierungsmasse fließen zu lassen, da sie ja lediglich eine freiwillige Aufgabe sei.

Ich will damit mal zeigen, wie Regierungsbehörden in NRW immer noch agieren. Und deshalb brauchen wir an dieser Stelle auch manchmal einfach einen Professorentitel in der Diskussionslandschaft, um unseren Standpunkt festigen zu können. Hier in NRW sind viele Minister – amtierende oder ehemalige Minister wie Ute Schäfer – der Auffassung, dass Jugendarbeit eine wichtige Leistung ist, und deswegen gehört es bei unseren Haushaltssicherungskommunen nicht in die Konsolidierungsmasse.

Der zweite Aspekt: Ich war im Vorstand des Maxus, das ist ein Kinder- und Jugendkulturhaus der Falken in Gladbeck. Dort ereignete sich grob Folgendes: Vier Kilometer von unserem Haus entfernt gibt es eine städtische Einrichtung mit drei Fachkräften und einem Etat, der doppelt so hoch ist, wie der in unserer Falkeneinrichtung bei vergleichbarer Situation. Da haben wir uns dann nach Jahren Kräfte zehrender Diskussion entschlossen, vor das Verwaltungsgericht zu ziehen und auf Gleichbehandlung nach dem KJHG zu klagen. Und da haben wir eine fundamentale Erfahrung gemacht: Vor dem Verwaltungsgericht haben die Richter überhaupt nicht debattiert, die haben gar nicht über unseren Antrag diskutiert! Die saßen da vorne wie die Ölgötzen und haben nur gesagt, die beiden Einrichtungen seien nicht vergleichbar. Punkt. Das war alles.

Und wir argumentierten da händeringend mit Konzepten und Punkten usw.– vielleicht nicht wissenschaftlich fundiert –, aber der Punkt ist wirklich, und das habe ich gerade von Ihnen gelernt, dass wir ja auch eine Definitionsmacht haben als Sozialpädagogen. Wenn wir sagen, wir brauchen bestimmte Mittel – worüber wir auch gar nicht mehr debattieren  –, sollten uns diese auch zustehen. Wir entwickeln gerade ein Papier – der Rainer  Deimel, der Marco Szlapka und ich (Norbert Kozicki) – zum Thema Zielvereinbarungen, weil der Wirksamkeitsdialog zu Zielvereinbarungen kommen soll. Da haben wir auch noch mal mit Erschrecken festgestellt: Wir reden gar nicht mehr über Bedarfe, wie noch in den siebziger Jahren, in denen die Sozialwissenschaftler den 2,5-cm-Kreis gemacht haben, da lebten dann ungefähr 25.000 Einwohner, und da gehörte dann eine OT rein. Diese ganzen Debatten haben wir nicht mehr, und von daher stehen wir jetzt ein bisschen nackt da. Bei dem Bewusstsein unserer Wirkung, die wir haben, sind wir erst am Anfang. Gucke ich nach rechts und nach links, sitzen da jetzt zwei Evaluatorinnen oder Evaluatoren, die gerade so ein Projekt machen. Welche Wirkungen haben wir denn, um da genauer hinzugucken? Wir haben hervorragende Wirkungen im Bereich der Jugendarbeit, und da bin ich ganz optimistisch.

Ich denke mal, da müssen wir dran. Und da biete ich Ihnen noch mal die Zusammenarbeit an, das möglicherweise auch juristisch zu unterfüttern. Also bei der Entwicklung, was wir für die ganz konkrete Jugendhilfe heute brauchen. Das muss nur stärker formuliert werden, da gibt es schon etliche Papiere. Aber die Frage ist immer die nach der konkreten Macht.

In Italien zum Beispiel war das mal folgendermaßen: Da sollte das oberste Verfassungsgericht entscheiden, ob der Generalstreik zulässig ist oder nicht. Das italienische Verfassungsgericht hat entschieden, dass er zulässig ist. Hätten sie nämlich anders entschieden, wäre er am nächsten Tag sowieso ausgebrochen. Das noch mal als Punkte aus meiner Sicht an dieser Stelle.

Antwort: Sie haben jetzt vieles gesagt und vielem würde ich zustimmen. Gleichbehandlung ist mit Sicherheit ein juristisches Instrument, aber es trägt nicht alleine. Es zählt der Bedarf, und über den müsste viel mehr noch nachgedacht werden.

Es gibt in der juristischen Diskussion einen starken Gegensatz zu meiner Position: Ich bin der Meinung, es ergibt sich aus dem Gesetz (Paragraph 79: die Gewährleistungspflicht in dessen Absatz 2), dass der Bedarf abzudecken ist und zwar in allen Bereichen der Jugendhilfe, und das hat selbstverständlich seine finanziellen Konsequenzen.

Es gibt einen Herrn Luthe, der ist in Braunschweig Fachhochschullehrer, und schreibt über optimale soziale Gestaltung, und er sagt: „Bedarf ist das, wofür Geld vorhanden ist“. Ich halte das für einen ausgesprochenen Denkfehler. Der Bedarf kann sich doch nicht nach dem Geld richten, sondern es ist erst zu fragen, was jemand braucht, und dann ist zu fragen, was muss dafür bereitgestellt werden – da sind wir uns einig.

Und die Definitionsmacht gibt man nicht aus der Hand, wenn man dem Richter über die Gleichbehandlung hinaus sagt: „In diesem begehrten Angebot wäre Folgendes zu leisten“. Meinetwegen auch zu fordern, da richten wir uns insbesondere nach dem, was nach dem SGB VIII  sogar vorrangig zu fördern ist. Insofern kommt man wieder auf diese Vergleichsebene der Beteiligung von Kindern und Jugendlichen. Und es ist nicht einfach nur zu sagen, man beteilige die Kinder und Jugendlichen, sondern die Beteiligung ist auch genauer herauszustellen.

Damit hat man definiert und gibt dem Richter diese Informationen, aber er entscheidet nun mal im Rechtsstaat letztendlich und da führt kein Weg daran vorbei. Es gibt erfreuliche Entscheidungen, die sogar besagen, dass sämtliche Angebote nicht nur bereitzustellen sind, sondern dass diese sogar so plural bereitgestellt werden müssen, dass das Wunsch- und das Wahlrecht nicht zu kurz kommen.

Es gibt eine Entscheidung vom Verwaltungsgericht Münster vom 18. August  2004, publiziert in der lesenswerten Zeitschrift „Jugendamt“, in der  die Jugendämter ihre schwierigen Fragen an das  Deutsche Institut für Jugendhilfe und Familienrecht in Heidelberg richten können. In dieser Entscheidung wird jedenfalls von einer „Verpflichtung der öffentlichen Jugendhilfe zur Zusammenarbeit mit der freien Jugendhilfe“ und vom Wunsch- und Wahlrecht, und zwar auch hinsichtlich der Konfession des Jugendhilfeträgers, gesprochen.

Das Wunsch- und Wahlrecht des Hilfeempfängers beinhaltet die Auswahl eines Trägers der freien Jugendhilfe der Konfession, der er angehört. Also wenn jemand sagt, ich will keine Familienhelferin, die katholisch ist, ich möchte eine, die evangelisch ist oder dem Islam angehört.

Wenn Gerichte auf dem Gebiet der Hilfe zur Erziehung – in diesem Fall Familienhilfe – schon so weit gehen, bei den Paragraphen 39 und 74, dann ist meine Prophezeiung, dass Jugendarbeit eines Tages genauso rechtlich anerkannt sein wird wie die Hilfen zur Erziehung.

Davon – und da sind wir uns alle einig – kann noch lange keine Rede sein, weil viele Juristen sagen, das sei gar nicht vorstellbar. Aber man kann das eben auch den Juristen klarmachen, dass das genauso konkret benannt werden muss wie eine Hilfe zur Erziehung. Bei manchen Hilfen zur Erziehung hat man sich ja schließlich am Anfang auch nicht vorstellen können, dass Jugendliche sie brauchen würden.

Frage: Eine Frage, die mehr so ins Rechtliche geht: Mir ist nicht so ganz klar, wer in diesem Fall der Hilfeempfänger ist. Also das Problem war ja: In der Erziehungshilfe sind die Hilfeempfänger die Eltern. Was ja eigentlich im Referentenentwurf damals anders vorgesehen war  – und das ist ja inzwischen populär geworden: Der berühmte Brief von Strauß, wo die Panzer der Jugendhilfe durch die Wohnzimmer fahren, wenn die Kinder das Recht hätten, Erziehungshilfe zu beantragen  – das  übertragen auf die Jugendarbeit: Wer wäre dann hier der Anspruchsberechtigte? Und wie soll das dann funktionieren, wenn es die Jugendlichen sind?

Antwort: Also zunächst einmal: Bei den Hilfen zur Erziehung und auch in anderen Bereichen halte ich das für mehr als einen Schönheitsfehler, dass nicht die Kinder und Jugendlichen die Anspruchsinhaber sind. Die Entwicklung ist anders gelaufen als manche – auch ich – das gefordert hatten: Es sind die Personensorgeberechtigten. Das gilt auch für die Kinder- und Jugendarbeit.

Es gibt ja nur zwei (bezeichnende) Ausnahmen: Das sind einmal der Anspruch auf einen Kindergartenplatz, dieser ist ein Anspruch der Kinder selbst, und eigenartigerweise auf Eingliederungshilfe nach Paragraph 35a (Eingliederungshilfe) besteht ein Anspruch der (seelisch behinderten) Kinder und Jugendlichen selbst. Das kam erst später ins Gesetz. Und ich interpretiere das so, dass der Gesetzgeber inzwischen selbst festgestellt hat, dass es nicht richtig war zu formulieren, die Eltern haben den Anspruch, ihre Kinder zu erziehen, statt zu sagen, dass die Kinder den Anspruch haben, von den Eltern erzogen zu werden.

Ich würde nach wie vor nach einem zu schaffenden Recht fordern, dass gerade auch die Jugendarbeit ein Recht von Kindern und Jugendlichen ist. Und sie haben ja auch ein Antragsrecht, sobald sie fünfzehn sind und was es da für weitere juristische Details noch gibt.

Aber es könnte in dem Moment zum Probierstein werden, wenn ein Jugendlicher an einem Angebot der Offenen Jugendarbeit interessiert ist, ihm die Teilnahme aber beispielsweise aus religiösen Gründen von der Familie her untersagt wird. Nach unserer Rechtskonstruktion wird es so ausgelegt, dass das Kind mit seinen Rechten – die es hier ja nun mal nicht selbst geltend machen kann – am Ende ist.

Und da gibt es die Gefährdungsschwelle. Wenn man nachweisen könnte, dass ein Jugendlicher in seinem Wohl erheblich gefährdet wäre, weil ihm dies im Gegensatz zu anderen nicht zuteil würde, dann könnte und müsste ein damit befasstes Familiengericht – und das kann von jedermann eingeschaltet werden (z.B. von den Nachbarn oder auch dem Jugendlichen selbst) – den Eltern nicht gleich die ganze elterliche Sorge entziehen, sondern nur die Befugnis, ja oder nein dazu zu sagen, ob das Kind nun an dem Angebot teilhaben kann oder nicht.

Da wäre ein Ergänzungspfleger – das könnte ein Sozialarbeiter sein – zu benennen, und der würde dafür sorgen, dass das Mädchen Zugang zu diesem Angebot erhält. Ein gutes Recht, das Kinder haben, das sie aber nicht selbstständig geltend machen können, ist ein Armutszeugnis für die Rechtsordnung. Man hat es verstanden im Familienrecht, indem man als Anwalt des Kindes den Verfahrenspfleger vorsieht. Und ich fordere den Verfahrenspfleger – da stehe ich ziemlich allein – sogar für die Verfahren der Jugendhilfe, wenn beim Jugendamt über Jahre debattiert wird, ob denn nun für das Kind eine Hilfe zur Erziehung richtig ist oder nicht. Dann wäre es gut, wenn das Kind vor Gericht die anwaltliche Vertretung durch einen Verfahrenspfleger hätte.

Ich muss aber sagen, dies geht nur über § 1666 BGB. Die Voraussetzungen kennen Sie vielleicht, ich brauche hier nur zu sagen: diese Hürde ist viel zu hoch, bis Richter gegen die Eltern entscheiden. Sie halten das Elternrecht sehr hoch und das Kindesrecht schreiben sie sehr klein, sodass man bei denen über 1666 nichts erreichen kann. Das sage ich meinen Studenten auch immer: Wenn ihr beim Jugendamt seid und in erster Instanz der Richter das nicht sieht, obwohl ihr alle Register gezogen habt, dann geht in die Berufung, die Instanzen hoch, weil eine reichhaltige Rechtsprechung zeigt, dass dann eben doch über § 1666 Elternrechte eingeschränkt werden können. Der direkte Weg – das war ja Ihr Ausgangspunkt – ist, dass man sagt, das sind Kinderrechte und wer ein Recht hat, muss das verfahrensrechtlich auch geltend machen können. Es beruht auch auf dem Verständnis von Erwachsenen, was Jugendliche können oder (vermeintlich) nicht können – ich sage immer: „Die Kinder sind Experten in eigener Sache“ – die wissen oft viel besser was sie brauchen, als das ihre Eltern wissen. Deshalb sollten kleine Kinder große Rechte haben, wie das mal formuliert worden ist.

Es betrifft auch die Anspruchsinhaberschaft. Aber jetzt kommen wir im Moment nicht darum herum, dass das Gesetz ganz allgemein anders ausgelegt wird.

Frage: Nicht verständlich

Antwort: Was ist Bildung? Da finde ich es gut, wenn die Jugendarbeit sich an den Paragraphen 11 und 1 orientiert. Ich finde das gar nicht so schlecht, dass man früher meinte, das Kind solle „gesellschaftlich tüchtig“ werden – heute sagt man: „Jeder Junge Mensch hat ein öffentliches Recht auf eine Förderung seiner Entwicklung und auf eine Erziehung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit“. Für mich sind das sehr beeindruckende „goldene Worte“ und das verstehe ich unter Bildung. Also jeder junge Mensch hat ein Recht auf Förderung seiner Entwicklung zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit: Förderung solcher Entwicklung kann nur heißen einschließlich der Bildung, die Sturzenhecker meint, die ich meine und die Sie ja offensichtlich auch meinen. Und das darf doch nicht nur auf dem Papier stehen und nur symbolischen Wert haben, auf den es keinen Anspruch gibt. Und so heißt es aber bei fast allen Kommentatoren. Ich fasse mir manchmal an den Kopf und frage mich, wessen Ding die da betreiben. Haben die diese Schere im Kopf? Woher kommen die Denkhemmungen? Das würde allerdings die Gesellschaft mehr Geld kosten, wenn man das ernst nähme. Zumindest die Sozialarbeit sollte das doch ernst nehmen und die Mittel guten Gewissens einfordern, die dafür nötig sind. Aber jetzt sage ich etwas, das nicht bei allen gut ankommen wird, aber ich würde immer die Partei wählen, die sich für eine Reichensteuer einsetzt und für eine Einkommens- oder Vermögenssteuer in der Form, dass diejenigen, die mehr haben als sie überhaupt vernünftig ausgeben können, höher besteuert werden. Arm werden sie davon nicht. Und dass dann vorgesehen ist, dieses Geld für solche gesellschaftlichen Ziele auszugeben, wie sie der Jugendhilfe zugrunde liegen. Es wird ja nur ein ganz minimaler Anteil am Haushalt für Jugendarbeit ausgegeben. Solange der noch so minimal ist und man der Jugendhilfe einen so k leinen Kuchen zur Verfügung stellt und sagt dann noch: Davon soll Jugendarbeit einen angemessenen Anteil haben. Manche haben 15 Prozent gefordert. 15 Prozent der Gesamtmenge können aber unter Umständen viel zu wenig sein, wenn es insgesamt zu wenig Geld ist, das für die Jugendhilfe ausgegeben wird, um den jungen Menschen zu ihrem Recht zu verhelfen. Und wenn ich Ihnen noch vorlesen würde, was Jugendhilfe zur Verwirklichung dieses Rechts alles leisten soll, dann würde es noch eindeutiger werden. Das war die eine Frage, die Sie stellten.

Die freien Träger sind natürlich genauso an die Grundziele des SGB VIII gebunden. Es ist Aufgabe der öffentlichen Träger, bei jeder Frage der Anerkennung, bei jeder Frage der Förderung und in mancher anderen Hinsicht, bei denen Vereinbarungen getroffen werden, auch danach zu fragen, was gemacht wird. Wenn da jetzt welche der rechten Ideologie nachhingen, das wird ja kaum der Fall sein, aber wo immer dieser Eindruck entsteht, wird man auch nicht anerkennen, wird man auch nicht fördern, wird man auch nicht finanzieren. Sondern man wird sich ein Konzept bildungsorientierter emanzipatorischer Jugendarbeit – schon nach dem Motto „Man wird ja noch mal fragen dürfen“ – vorlegen lassen. Oder hatten Sie mit der Frage zu den freien Trägern noch was anderes im Sinn?

unverständlich

Mancher wird gerade dadurch zum Subjekt, dass er klagt. Es kann auch manchmal gerade zu mehr Selbstbewusstsein verhelfen, zu dem man die Kinder und Jugendlichen führen will, geklagt zu haben und damit etwas erreicht zu haben.

Da könnte man natürlich einwenden: Wenn der Richter aber die Klage abweist, ist „der“ dann „so klein mit Hut“. Das stimmt so aber nicht: Man hat dann immerhin Schritte unternommen und dann gibt es Abwehrmechanismen. Ich bin sehr für eine Rechtsmobilisierung der Subjekte. Ist das ein bisschen in die Richtung?

Unverständlich  (Anm. Gerhard Fieseler: Wer kann aber vor Gericht gehen?)

Da ist zu unterscheiden: Es wird kein Träger – freier oder öffentlicher – zu Gericht gehen können und den Antrag stellen, dass ein Jugendlicher sein Recht bekommt; das ist gewissermaßen „sein Bier“. Aber es käme doch wieder die Fragestellung, wenn der freie Träger um Mittel kämpft – und das wird ja immer wieder geschehen: Da gibt’s eine Reihe von erfreulichen Entscheidungen, in denen es manchmal aber nur heißt, es müssen „überhaupt“ Mittel zur Verfügung gestellt werden, weil der Richter, wenn es ihm nicht so plausibel gemacht wird, wie ich mir das vorstelle, es natürlich auch schwer hat. Wie soll er denn jetzt auf einmal zu der beklagten Gemeinde sagen: „Ihr müsst aber zwanzig Millionen zur Verfügung stellen“. Und dann begnügen sich Juristen häufig mit dem Anspruch „nur dem Grunde nach“. Dagegen würde ich mir wünschen, dass nicht nur wir in unserem Kommentar, sondern dass auch Münder zukünftig wieder, und dass auch andere, das SGB VIII in diesem Sinne offensiv auslegen.

Und ich bin auch der Meinung – und es ist auch schon teilweise der Fall –, dass Sozialarbeiter oder Sozialpädagogen von freien oder öffentlichen Trägern oft mal den Finger auf die Wunde legen sollten, und dass Beiträge in  Zeitschriften wie ZKJ , „Jugendamt“ oder „Jugendhilfe“ sagen sollten, was in der Jugendarbeit noch im Argen liegt. Also: Den „Kampf um ein besseres Recht“führen.

Die Einzelaktionen können immer nur von demjenigen ausgehen, um dessen individuelles Recht es gerade geht. Das macht ja gerade den öffentlichen, subjektiven Anspruch aus. Es gibt keine Kollektivklage (die und jene Jugendlichen an dem und an jenem Ort). Da ist auch wiederum das Problem, dass erst einmal die Kommunalaufsicht überzeugt werden müsste einzusehen, dass mit diesen Mitteln die Aufgaben nach SGB VIII , insbesondere nach Paragraph 79 (Gesamtverantwortung; Gewährleistungspflicht), gar nicht wahrgenommen werden können. In dieser Richtung gilt es aber nicht nur  – davor würde ich sowieso warnen – juristisch zu argumentieren. Ich meine, man muss genauso politisch offensiv vorgehen. So wie Sie gegen Kürzungen durch ein neues Landesgesetz (in NRW), das auf einmal weniger Mittel vorsieht als vorher, nachdem sie bereits einmal erfolgreich eine Volksinitiative durchgeführt haben: Da muss politisch gekämpft werden! Oder jetzt bei der Föderalismuskommission. So, wenn ich meinem Lehrbuch „Recht der Familie und Jugendhilfe“ (mit Reinhard Herborth, 6. Auflage 2005) voranstelle, dass es in einer Zeit geschrieben ist, in der der Gesetzgeber sich zu dem Schildbürgerstreich versteht zu regeln, dass jedes Land sein ganz eigenes Kinder- und Jugendhilfegesetz haben kann; was von der Verfassung her (gleiche Lebensverhältnisse) schon problematisch ist. Das mag ja in Amerika angehen, wo es große Staaten gibt, aber hier in Deutschland eine solche Kleinstaaterei zu betreiben und sogar den Ländern – wenn das richtig interpretiert ist – die Handhabe zu geben, dass die Aufgaben der Jugendhilfe nicht mehr durch Jugendämter wahrgenommen werden, sondern durch Abteilungen, die auch ganz andere Aufgaben haben, dann halte ich das für geradezu unsäglich. (Nachträgliche Anmerkung von Gerhard Fieseler: Dazu jetzt Gabriele Bindel -Kögel, in Unsere Jugend 2006, S. 388-392). Warum sage ich das? Weil in der Hessisch-Niedersächsischen Allgemeinen gerade heute die Rede davon war, dass vor kurzem Experten sich gegen diese Föderalismusvorstellungen ausgesprochen haben. Da haben sich Reinhard Wiesner, Johannes Münder, Thomas  Meysen und viele andere dagegen ausgesprochen. Die haben mir vorab auch ihre Statements im Rechtsausschuss des Bundestages gegeben – die sind so einleuchtend; aber in der HNA steht nur, für den Bereich der Schule würde man den Föderalismus mit guten Argumenten ablehnen – da war überhaupt nicht die Rede davon, dass das auch gerade für die Jugendhilfe der Fall ist.

Da hätte ich mir gewünscht, dass – im Sinne einer sich einmischenden Jugendhilfe –, auch hervorgehoben wird, dass dies auch die Jugendämter betrifft.

Frage: unverständlich

Antwort: Man muss aktiv werden. Meine Frau hat mich ausgelacht, als ich in der letzten Legislaturperiode Herrn Müntefering geschrieben habe: Sie sind dabei, einen Schildbürgerstreich zu begehen: Wie können Sie so etwas für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe überhaupt nur erwägen? In diesem Bereich werden Sie eher Ihrer Partei geneigte Bürger finden als in vielen anderen Bereichen. Wollen sie die nun auch noch verprellen? Ich habe keine Antwort bekommen: die Föderalismusreform ist damals allerdings zunächst ja da ins Stocken geraten.

Die Frau Justizministerin Zypries – den ersten Rechtsunterricht hatte sie Anfang der siebziger Jahre bei mir an der Schule in Kassel. Ich würde sie jetzt auch mal gerne anschreiben und sagen: Was richtet Ihr eigentlich mit dieser Föderalismusreform an? Ihr habt doch offenbar keine blasse Ahnung, davon, was es bedeuten würde, wenn die Jugendämter auf einmal, wie meines Wissens unter anderem Herr Stoiber bzw. ihm nahe stehende Politiker aus Bayern es fordern, wegfallen würden. Das ist diese intensive Einmischung, die ich mir immer wieder wünschte, und die vielleicht auch hier und da geschieht oder in NRW mit der Volksinitiative sogar geradezu erfolgreich und Massen ergreifend geschehen ist.

Frage: Einen Satz dazu: Ich war vor sechs Wochen auf der Fachtagung zum 100-jährigen Bestehen des Heidelberger Institutes. Da hat der Staatssekretär des Bundesministeriums sich mal gerade zu der Äußerung hinreißen lassen, das Jugendamt würde „funktional erhalten bleiben“. Was auch immer das nun heißen mag.

Ich habe aber eigentlich eine andere Frage: Das Jugendfördergesetz: kann man das interpretieren als eine erstmalige Begründung der Förderung der Jugendarbeit, auch der Höhe nach, dadurch, dass ja eine feste Summe drin steht, auch wenn es jetzt nur 75 Millionen sind.

Und vor allem steht auch drin, die Verpflichtung der Kommunen zur Jugendhilfeplanung und es steht auch, glaube ich, drin: Wenn man Landesmittel in Anspruch nehmen will, muss man auch Kommunale Mittel dazugeben. Ist das so ein Schritt dahin, dass etwas nicht nur „dem Grunde nach“, sondern auch der Höhe nach festgeschrieben wird?

Antwort: Unbedingt. Als ich von Ihnen die Unterlagen bekam, habe ich dies sogleich bei uns im Gemeinschaftskommentar in den Erläuterungen zum  Paragraphen 15 als eine vorbildliche landesrechtliche Regelung hervorgehoben. Dies setzt natürlich voraus, dass man mit der dort ausgeworfenen Menge tatsächlich die (subjektorientierte) Jugendarbeit leisten kann, die man leisten will. Das war für mich ganz neu, dass in einem Gesetz ein bestimmter Betrag steht – und das hat man dann offenbar in der neuen Legislaturperiode sehr schnell bereut. Ich würde deshalb auch sagen, das liegt genau auf der Linie dessen, was ich mir vorstelle. Ich konnte 1998 schon ein Bremer Jugendförderungsgesetz nennen, in dem zwar keine konkrete Summe genannt war, aber die Ziele der Kinder- und Jugendarbeit für mich in vorbildlicher Weise am Paragraphen 1 orientiert waren. Es gibt auch einige Landesgesetze, die in der Tat den Anteil der Kinder- und Jugendarbeit – aber das ist ja immer nur ein Anteil an dem Gesamten für die Jugendhilfe Ausgeworfenen – festlegen.

Manche sagen zum Beispiel: „Es müssen 10 Prozent sein oder 15“. Nur, da habe ich Bauchschmerzen, wenn der Kuchen zu klein ist. Dann wird nämlich niemand davon satt – und am wenigsten die, die nur 10 oder 15 Prozent davon abbekommen. Also, wenn man das durchsetzen kann, ist das eine auch politisch sehr gelungene Aktion, dass man meines Wissens das erste Mal in einem Gesetz festlegen lassen konnte, was dem Land NRW seine Jugend wert ist. Dass da nicht nur von der öffentlichen Verantwortung gesprochen wird, sondern dass dafür auch die eingeforderten Mittel bereitgestellt wurden. Wobei die ursprünglich angeforderten Mittel angelehnt waren an dem, was schon einmal zuvor geleistet wurde. Dann kann ich mir gut vorstellen, dass Sie mit den Mitteln damals recht gute Arbeit leisten konnten. Man kann das natürlich überziehen und sagen: „Wenn ich jetzt noch einmal 10 Millionen mehr hätte, könnte ich noch bessere Arbeit leisten“. Da gibt es natürlich Kritiker die sagen, man solle „die Kirche im Dorf lassen“ oder „Man kann einem nackten Mann nicht in die Tasche greifen“.

Und dann bringt auch mehr Geld nicht ohne Weiters mehr gute Arbeit. Aber wo man nachweisen kann, dass mehr Geld gebraucht wird, um da oder dort auch (weitere) Angebote bereit zu halten, dann wäre es wieder der Kampf, dass die Summe, die im Gesetz steht, auch wirklich dem entspricht.

Ich habe mich ja schwer damit getan, auf die Frage einzugehen, die ursprünglich gestellt wurde. Von meiner Tochter, die in Dortmund lebt, habe ich gehört, dass diese Kürzung doch wieder gekürzt ist und es doch wieder etwas mehr geben soll. Ich habe Peter Christian Kunkel, ich habe Thomas Meysen, ich habe Reinhard Wiesner und Gert Papenheim – so wie Sie mich– gefragt:  „Was meint Ihr, dürfen die das?“ Sie waren alle vier als solche, die es besser wissen müssten, wenn es etwas besser zu wissen gäbe, der Meinung: „Die dürfen das“.

Wabnitz meinte: Allenfalls kann man damit rechtlich umgehen, wenn jetzt im Hinblick auf die anfangs hohe, landesrechtlich fest zugesagte Summe schon bestimmte Vorkehrungen getroffen sind. Wenn man also sagen könnte, hier gibt es schon so etwas wie einen Vertrauensschutz.  – man war auf einem Weg, hat investiert und jetzt gibt es auf einmal weniger Geld und jetzt muss man das Abblasen – das wäre wahrscheinlich sogar juristisch angreifbar. Aber ansonsten kenne ich in dem Bereich – ich bin kein Staatsrechtler – nur ein Mittel gegen ein erlassenes Gesetz, und das ist das der normativen Kontrollklage. Da spielen solche Fragen überhaupt keine Rolle, weil sie auch noch nie so formuliert waren. Da geht es nur um die Betroffenheit in Hinsicht von Grundrechten. Inwiefern dadurch Grundrechte eingeschränkt werden, dass es ursprünglich 96 und jetzt 75 Millionen sind, das wüsste ich nicht, und da bin ich auch nicht der geeignete Fachmann, das zu beurteilen. Ich glaube, den gibt es auch gar nicht, weil diejenigen, die ich in dieser Hinsicht für besonders kompetent halte, gesagt haben „Was macht es?“ Die können das ruhig streichen – in der Praxis kommt es immer noch darauf an, dass nach Paragraph 79 (Gewährleistungsverpflichtung) alle Dienste und Einrichtungen bereitgestellt werden. Genauso wie der Gesetzgeber nicht hätte sagen können, wir geben nur 30 Millionen, denn damit wäre ja klar, dass der Gewährleistungspflicht nicht hätte entsprochen werden können.

Über diese Schiene löst  Kunkel die Problematik und darauf läuft auch meine Argumentation zu § 79 im Gemeinschaftskommentar hinaus. Aber das ist jetzt nun – und darauf wollte ich auch hinaus – Ihre politische Einstellung, ob man das hinnehmen kann.

Frage: Bei dieser Geschichte, sich möglicherweise juristisch dagegen zu wehren, sagten Sie gerade: Wenn man jetzt bestimmte Dinge eingestellt hätte, und man sich darauf verlassen hätte. Ich sag jetzt mal ein Beispiel: Bei uns gab es Betriebsvereinbarungen über Einschränkung von Stunden, Reduzierung von Gehalt und ähnliche Geschichten, die darauf gebaut haben, dass irgendwann die 96 Millionen kommen, sodass man den alten Zustand wieder herstellen könnte. Wäre das so ein Fakt? Die Frage wäre ja, ob wir die einzigen waren oder ob es so was eventuell noch in einem anderen Umfang gibt. Man könnte das ja mal eventuell juristisch prüfen lassen, ob man mit so einer Geschichte da an der Stelle einen Versuch machen könnte.

Antwort: Ich würde es nicht von vornherein als aussichtslos ansehen. Ich würde mich dann aber eines guten Rechtsbeistandes bedienen – jemand, der sich vielleicht gut auskennt. Ich selbst würde sagen, wenn Sie zu mir kämen, dass ich nicht der Sachkundigste bin. Also ich kenne mich im Haushaltsrecht nicht aus, ich kenne mich im Kommunalrecht nicht aus, ich kenne mich im Staatsrecht nicht aus. Meine Schwerpunkte sind Familienrecht, Kinder- und Jugendhilferecht, Strafrecht  – und wenn man das nur unterrichtet, und gar, wenn man wie ich seit vier Jahren pensioniert ist, habe ich mich jetzt nicht so sehr damit beschäftigt, dass ich Ihnen mehr dazu sagen könnte als das, was auch Reinhard Wabnitz, Mitautor unseres Gemeinschaftskommentars, bereits sagen konnte: Es gibt einen Rechtsgrundsatz des Vertrauensschutzes und das grundlegende Problem ist da die Gewaltenteilung. Wie kann ein Richter einem Gesetzgeber sagen: „Das durftest du nicht!“? Manche sind ja grundsätzlich dagegen, dass die Justiz überhaupt gesetzgeberisches Handeln überprüft. Da hat sich bei uns aus den Erfahrungen der Nazi-Zeit herauskristallisiert, dass es immerhin eine normative Kontrollklage gibt. Aber in der konkreten Situation, wenn ich etwas getan habe in Erwartung dieses Versprechens, und ich nehme den Gesetzgeber ja ernst, und habe daraus einen Schaden, dann könnte über den Vertrauensschutz eventuell sogar ein Schadensersatzanspruch bestehen. Und ein Schadensersatzanspruch besteht nicht immer nur in Form einer geldlichen Abfindung, sondern vom Prinzip her in der Wiederherstellung des vorherigen Zustandes. In diese Richtung zu denken lohnt sich auf jeden Fall.

Frage: Eine Bemerkung noch mal zu dem Gesetz: der § 16 war gültig seit dem 01.01. Dieser Haushaltsverzug im Laufe des Jahres kommt ja noch verschärfend hinzu.

Aber noch mal zu dem Vertrauensschutz: Nehmen wir mal die Frauenhäuser. Im Rahmen der Aufstellung des Gesamthaushaltes 2006 sind also die Frauenhäuser am 21. Dezember – das betrifft unseren Bereich auch – aus dem Ministerium angerufen worden, mit dem Hinweis an die Geschäftsführung, dass es ab dem Ersten sagen wir mal 30.000 Euro weniger gäbe. Was haben die in ihrer Panik getan? Die haben Personal entlassen. Da sträuben sich mir die Nackenhaare – das kann doch nicht dem Rechtsstaatsgebot des Vertrauensschutzes entsprechen!

Antwort: Gewiss nicht, da das ja auch ein laufendes Haushaltsjahr ist und die Mittel zu Beginn des Haushaltsjahres offenbar ausgewiesen waren.

Anmerkung: Die waren noch nicht ausgewiesen.

Antwort: Die waren noch nicht ausgewiesen? Worauf beruht dann das Vertrauen, dass die Mittel auch eingehen? Auf der bisherigen Praxis? Da gibt es auch eine Rechtsprechung, aber darauf hätte ich mich vorbereiten müssen – die eben das zum Ausdruck bringt. Da gibt es einen Anspruch auf eine weitere Förderung in bisheriger Höhe, bis der Träger sich darauf eingestellt haben kann, dass eine Kürzung stattfindet. Das klingt zwar auch hart, aber dass man dann im Dezember dasteht und muss kurzfristig Leute entlassen – das kann meines Erachtens nicht rechtens sein. Jedoch: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Frage: Ich möchte noch mal auf den Punkt Vertrauensschutz und die Diskussion der Träger eingehen. Und zwar war es speziell für die Situation so, dass unser Kinder- und Jugendfördergesetz bereits am 01. Mai in Kraft getreten ist. Man hat aber diese beiden Finanzierungsregelungen auf kommunaler und auf Landesebene, also auf die Einstellung des fest bezifferten Betrages. Also da steht nicht, es ist nach Maßgabe des Haushaltes, sondern es ist jährlich eine bestimmte Summe zu Verfügung zu stellen. Diese Finanzierungsregelung tritt als einzige ein Jahr später in Kraft. Die politische Situation war so, dass bis zur Landtagswahl, die dann im Frühjahr stattgefunden hat, alle sich geschlossen einig waren, dass diese 96 Millionen bereitgestellt werden. Die Träger haben aufgrund der Tatsache, dass das Gesetz bereits am 01. Januar 2005 in Kraft trat, begonnen, ihre inhaltlichen Verpflichtungen und Planungsverpflichtungen umzusetzen, haben also Dispositionen getroffen und auch Überbrückungsmaßnahmen. Das ist sicherlich ein Aspekt, den man prüfen müsste. Dann ist es so, dass der Haushalt beschlossen worden ist, als die Finanzierungsregelung schon ab 01. Januar in Kraft getreten ist, und bei der Zulässigkeit von der Rückwirkung von Gesetzen kann m an zwei Aspekte betrachten. Einmal den Aspekt des Vertrauensschutzes. Laut Paragraph 8 der Landesverfassung ist Kinder- und Jugendförderung in NRW vorgegeben. […]

Antwort: Also, es leuchtet mir sofort ein, dass man vor Gericht, um etwas mehr finanzielle Mittel vom einzelnen Träger zu bekommen, mit der Argumentation kommt, dass sich das ja aus Paragraph 79 ergibt: Es sind sämtliche Einrichtungen und Dienstleistungen bereitzustellen. In unserem Sozialraum oder Jugendamtsbezirk ist das aber nicht der Fall – wir könnten es jedoch anbieten, wenn wir mehr Geld hätten. Und bei der Gelegenheit würde ich das Argument bringen, dass der Landesgesetzgeber ja selbst zunächst einmal davon ausgegangen ist, dass den Aufgaben des SGB VIII nur dadurch Rechnung getragen werden kann, das diese Summe (96 Millionen Euro) auch zur Verfügung steht.

Und dann kommt Kunkel wieder zu Wort: Es hilft dem Gesetzgeber gar nicht, wenn sich die Summe jetzt im Nachhinein als zu gering herausstellt, er muss sie bereitstellen. Ich zeige das mal an einem anderen Bereich. Bei der Jugendberufshilfe in Kassel will ein Jugendlicher so eine Maßnahme der Jugendberufshilfe machen. Dann sagt das Jugendamt, es habe aber in diesem Jahr schon zwei oder drei Jugendberufshilfen geleistet und damit seien die Mittel erschöpft.

Der geht vor Gericht und mit meiner Hilfe hat das Gericht gesagt, dass das so nicht geht. Es kann nicht sein, dass ein Jugendlicher im Angebot der Jugendberufshilfe dadurch beschnitten wird, das „kein Geld mehr“ dafür „da“ ist. Die anderen haben alles und er hat nichts. Und dann muss die Kommune tatsächlich in einem Nachtragshaushalt mehr Mittel ausweisen. Das liegt auch so ein bisschen auf der Linie der von Ihnen angedeuteten, von mir nachhaltig betonten Argumentation, dass man sich auch rechtlich nicht schnell ins Boxhorn jagen lässt.

Aber ich sage noch mal: Das sind hauptsächlich politisch zu betrachtende Dinge. Ich habe damals (2002) in dem ABA-Gutachten geschrieben: Mir will nicht einleuchten, wie die für die Kürzung der Mittel verantwortlichen Politiker abends noch in den Spiegel gucken können, wenn sie so etwas der Jugend, den Kindern und ihren Eltern zumuten.

Also, so wie ich auch sage, dieses oder jenes sei ein Schildbürgerstreich: man muss die Leute auch beschämen, man muss politisch unglaublich aktiv werden, dass „die“ wenigstens ein bisschen was tun. Das ist die politische Seite. Und das heißt ja nicht, dass man rechtlich etwas unterlässt – ob man rechtlich etwas tun kann, hängt vom jeweiligen Einzelfall ab.

Und da habe ich noch einen recht brauchbaren Ratschlag für Sie, wenn Sie sich doch mit solchen Fragen rumschlagen, wie Sie sie mir hier stellen: Warum wenden Sie sich nicht an das Heidelberger Institut? Mir hat auch Thomas Meysen gesagt, um jetzt noch mehr Auskunft geben zu können, müsste ich mehrere Umstände im einzelnen kennen. Vertrauensschutz ja – aber worin liegt der nun? Und dieses Heidelberger Institut – wenn man nur Mitglied ist, und das sind fast alle Jugendämter – da können Sie sicher sein, dass da ganz ausgezeichnete Leute ganz ausgezeichnet juristisch argumentieren. Und sogar kostenlos.

Frage: Wenn man nur mal wieder zu dem Aspekt der Haushaltssicherungskommunen läuft wie bei uns in der schönen Stadt Herne: Da gab es den abschließenden Bewilligungsbescheid für die Jugendverbände im November – und im September haben wir immer noch darüber diskutiert, dass wieder 5 Prozent konsolidiert werden sollen; diese Verfahren – da können Sie politisch argumentieren, bis Sie schwarz werden. Da muss es doch im Gesetz irgendwelche Dinge geben. Wir haben ja eine Geschichte, da werden Sie mir Recht geben, dass wir politisch eine Menge machen, aber auch juristisch manchmal die Dinge liegen lassen. […]

Ich hätte aber noch mal eine Frage zur Jugendhilfeplanung, die geht so in  die Richtung von heute morgen. Ich habe bei Wabnitz gelesen, es gibt ein OVG-Urteil, bei dem ein freier Träger aus dem Kindertagesstättenbereich geklagt hatte, weil in einem Stadtteil X eine neue Einrichtung vorgesehen war, und es war klar, dass dieser Träger die Einrichtung bekommen sollte und dieser hatte nun einen Förderungsantrag gestellt. Der Antrag wurde abgelehnt.  Das OVG hat dem Antragssteller Recht gegeben, weil ausgewiesen war, weil Bedarf da war usw. sei diese Einrichtung zu fördern. Da taucht die Frage auf, wie es mit der Rechtsverbindlichkeit der Jugendhilfeplanung aussieht. Wir haben ja in der Vergangenheit immer die Diskussion gehabt, zum Beispiel, dass „wenn Einrichtungen in der Jugendhilfeplanung als Bedarf ausgewiesen sind, diese nicht so einfach ohne weiteres zu kürzen sind“. Da müsse dann erst die Jugendhilfeplanung umgestellt werden. Da habe ich Gerichtsurteile gelesen, bei denen Verwaltungsgerichte gesagt haben: „Alles Quatsch!“. Dann haben wir die Debatte, wenn neue Einrichtungen eröffnet werden sollen, um Bedarfe zu decken, wie kann man da Rechtsverbindlichkeit herstellen?

Ein weiterer Aspekt ist für uns von zentraler Bedeutung: Wir haben in dem Landesgesetz stehen, dass die Einrichtungen zum Beispiel der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die mit Landesmitteln bedacht werden, die die Kommunen weiter bewilligen, in der Jugendhilfeplanung ausgewiesen werden. Bedeutet dies im Umkehrschluss zum Beispiel auch, dass die nicht in der Jugendhilfeplanung ausgewiesen sind, weil es in vielen Städten nämlich überhaupt keine Jugendhilfeplanung gibt? Da haben Sie ja in der ABA-Broschüre von 2002 schon mal an einer Stelle drauf hingewiesen, dass gerade mal 14 Prozent eine aktualisierte Jugendhilfeplanung haben. Wie geht man mit solchen Konstruktionen um, dass in einem Gesetz vorgeschrieben ist: Alle in der Jugendhilfeplanung; diese findet aber gar nicht statt, haben aber einen Förderanspruch. Und wenn die nicht in der Jugendhilfeplanung drinstehen, dann entfällt der Anspruch auf Förderung durch Landesgeld. Vielleicht können Sie, aus Ihrer laut Wabnitz-originellen Sicht auf die deutschen Rechtssprechung, das mal so einschätzen.

Antwort: Reinhard Wabnitz hat bei uns im GK-SGB VIII die Jugendhilfeplanung nicht kommentiert, sondern das ist Christian Meineke. Ich habe mich auch noch nicht so intensiv damit beschäftigt. Ich müsste mich zunächst einlesen in die Rechtsprechung, aber ich sehe immer wieder, dass das Vorhandensein einer Jugendhilfeplanung oder das Nichtvorhandensein in Fragen der Finanzierung von Trägern eine große Rolle spielt. Und das einerseits, wenn ein Träger in der Jugendhilfeplanung anerkannt ist als derjenige, der einen Bedarf abdeckt; dann ist die Rechtsstellung eigentlich sehr gut. Da wird der Richter oft sagen: „Da steht es ja!“ – Ihr habt das ja so geplant. Umgekehrt, wenn Ihr noch nicht drin steht, könnte das dann eine schwierigere Position ausmachen. Wenn es aber an Ort und Stelle überhaupt noch keine Jugendhilfeplanung gibt – jedenfalls keine, die sich auch auf das Arbeitsfeld Jugendarbeit bezieht, und das scheint es immer noch zu geben – dann gerät, jedenfalls nach meiner Auslegung, der Finanzier in eine ganz große Schwierigkeit, zu sagen, wir fördern nicht. Denn es wird inzwischen, nach 15 Jahren SGB VIII zu Recht erwartet, dass eine Jugendhilfeplanung steht.

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Broschüre „Zur Rechtsverbindlichkeit der Leistungen nach SGB VIII in Zeiten ‚leerer Kassen'“ von Prof. Dr. Gerhard Fieseler herunterladen

Bereits seit dem 28. Juni 2008 ist der Beitrag im ABA-Netz zu finden. Er kann als druckfähige PDF-Datei heruntergeladen werden.
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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 31. August 2011 (de)

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