Jugendfarm Bonn e.V., Bonn

Von der kleinen Jugendfarm zum Trägerverein der Jugendhilfe

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Foto: Jugendfarm Bonn

Die Jugendfarm Bonn als Beispiel, wie sich ein Platz der Offenen Kinder- und Jugendarbeit in der Jugendhilfelandschaft etabliert

 Mit dem Ziel, in Bonn eine Jugendfarm aufzubauen, gründete im Jahr 1980 eine kleine Gruppe junger Leute – größtenteils Pädagogikstudenten – den Verein Jugendfarm Bonn e.V. Nach erheblichen Schwierigkeiten auf der Suche nach einem geeigneten Grundstück sowie intensiver Überzeugungsarbeit in verschiedenen Gremien der Stadt konnte die Farm fünf Jahre nach der Gründung des Vereins auf dem Gelände der alten Stadtgärtnerei eröffnet werden.

Seitdem hat sich beim Trägerverein wie auf der Farm selbst vieles verändert und getan. Die Jugendfarm Bonn hat es bis heute geschafft, die Kernidee der Jugendfarmen im Sinne eines Stadtteilbauernhofes für Kinder und Jugendliche aufrecht zu erhalten und gleichzeitig auf die verschiedenen Anforderungen unserer schnelllebigen Zeit zu reagieren.

Wie bei vielen anderen Einrichtungen bedrohte auch auf der Jugendfarm Bonn immer wieder beträchtlicher Geldmangel die Arbeit. Tatsächlich war die Farm im Jahre 1993 durch ein enormes Haushaltsdefizit erstmals von der Schließung bedroht. Ein erfolgreicher Spendenaufruf und eine Nachzahlung der Stadt rettete die Farm vor dem Aus.

Gleichwohl steckt in jeder Krise das Potenzial zur Veränderung; so auch auf der Jugendfarm Bonn. Noch während der Finanzkrise wurden neue Ideen und Konzepte entwickelt, wie die Farm ihr Profil stärken und ihre Angebote für die Offene Kinder- und Jugendarbeit und in der Erziehungshilfe ausweiten und attraktiver gestalten kann.

Seitdem wurden immer wieder neue Standbeine (der Erziehungshilfe) hinzugefügt, die die originäre Offene Arbeit der Farm (finanziell) mittragen. Im Umkehrschluss profitieren die Angebote zur Erziehungshilfe gleichzeitig von der Idee der Jugendfarm mit ihrer erlebnis-, natur- und tiergestützten Pädagogik.

Tagesgruppen

1995 entstand auf der Farm die erste Tagesgruppe (§ 32 KJHG) als Erziehungshilfeangebot. Mittlerweile bietet die Farm auf ihrem Gelände zwei Tagesgruppen mit 17 Plätzen sowie eine Gruppe der flexiblen Tagesbetreuung mit 6 Plätzen an.

Heilpädagogisches Reiten

Das heilpädagogische Reiten wurde als Angebot der Erziehungshilfe eingeführt und wird von den eigenen Tagesgruppen und externen NutzerInnen in Anspruch genommen.

Errichtung eines Stadteiltreffs mit Erziehungshilfeangeboten

1999 übernahm die Jugendfarm die Planung und Konzeption des Spielplatzes Finkenweg im nahe gelegenen sozialen Brennpunkt Kohlkaul. Hier entstanden ein Kinder- und ein Jugendtreff. Auch hier wurden die offenen Angebote mit Hilfen zur Erziehung verzahnt, je eine Mädchen- und eine Jungengruppe wurden im Rahmen der flexiblen Tagesbetreuung in die Strukturen des Platzes integriert.

Jugendfarm als Träger von Offenen Ganztagsschulen (OGS)

Die bisher letzte Herausforderung für die Jugendfarm ergab sich infolge der ersten Pisa-Studie. Damals wurden von Bund, Ländern und Kommunen Finanzpläne zum Ausbau von Ganztagesschulen beschlossen. Programme und Konzepte entstanden und wurden an einigen Schulen schon 2003 umgesetzt. Bereits kurz danach begann auch die Jugendfarm, sich in diese neue Schulform einzubringen und bot an zwei nahe gelegenen Schulen Übermittagsbetreuung an und entwickelte daraus dann zwei verschiedene Angebote.

Nach den Sommerferien 2005 wurde die Übermittagsbetreuung an der Marktschule in eine der ersten Offenen Ganztagsschulen der Stadt Bonn mit mittlerweile 150 Plätzen umgewandelt. An der Gartenschule entstand zudem die „OGS plus“, ein Kooperationsprojekt zwischen Schule, Jugendamt und Jugendfarm mit insgesamt 16 Plätzen, bei der die Erziehungshilfe in die Betreuung integriert wird.

Nach den Sommerferien 2006 wird die Farm bei zwei weiteren Schulen die Trägerschaft der Offenen Ganztagsschulen mit insgesamt 150 Plätzen übernehmen und diese organisieren und beleiten. Die verschiedenen OGS-Gruppen nutzen dabei die Möglichkeiten der Farm und bieten regelmäßig unterschiedliche nachmittägliche Freizeit-Angebote für die Kinder, die die offene Ganztagsschule nutzen, auf der Farm selbst an.

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Foto: Rainer Deimel

Für Mitte 2007 werden dann noch drei weitere Grundschulen unter der Trägerschaft der Jugendfarm zur OGS umgewandelt, eine davon wiederum als Förderschule mit einem Mischkonzept zwischen Betreuung und Hilfen zur Erziehung.

Es gibt zudem aktuell (2006) zwei kommunale Anfragen für die Errichtung einer weiteren Jugendfarm beziehungsweise eines Stadtteiltreffpunktes; die Übernahme eines Jugendzentrums wird diskutiert.

Zum Sommer 2006 beschäftigt der Verein Jugendfarm Bonn e.V. über 75 Festangestellte, 15 Honorarkräfte, 8 Praktikantinnen und 4 Zivildienstleistende. Die geschilderte Entwicklung war nur möglich, weil verschiedene Gremien von Mitarbeitern Projektentwicklungsteams bildeten und von Seiten des Vorstandes größtmögliche Freiheit bei der Umsetzung gewährt wurde.

Bericht: Stephan Dülberg/Heike Merx

 

Die Entwicklung der Jugendfarm Bonn mitzuerleben, war „von außen“ wie ein „kleines Wunder“ zu beobachten. Der ABA Fachverband hat die Farm mittlerweile über viele Jahre interessiert begleitet. Enthusiastisch erteilte der Wissenschaftsladen Bonn e.V. (Zentrum für bürgernahen Wissenschaftstransfer) unter dem Titel „Die Farm ist das Programm“ (ca. 1996/97) diverse auffallende Prädikate. Unter anderem stufte er sie als „Baustelle mit Charme und Charakter“ ein. Ohne die rasante Weiterentwicklung neuer Medien – wie wir sie gegenwärtig erleben – voraussehen zu können, dass also Kinder immer mehr zu Gefangenen ihrer selbst oder möglicherweise ihrer Eltern im häuslichen Wohn- bzw. Kinderzimmer werden, weist er darauf hin, dass hier Abenteuer- und Naturerlebnisse genau das bewirken, was Kinder für eine gedeihliche Entwicklung benötigen; virtuelle Scheinwelten, so der Wissenschaftsladen, können dies nicht ersetzen. Dass die Jugendfarm Bonn nicht nur in besonderer Weise in hoher Verantwortung mit Kindern arbeitet, sondern auch Kindern ein großes Verantwortungsbewusstsein und soziale Kompetenzen vermittelt, wollen wir hier gern noch erwähnen. An einer Stelle haben wir den Ausführungen des Wissenschaftsladens Bonn bereits seinerzeit widersprochen, nämlich seiner Einschätzung, dass „alles, was normalerweise unter dem Etikett ‚Abenteuerspielplatz’ angepriesen wird“, nach kurzer Zeit langweilig und öde erscheine. Da waren die KollegInnen vom Wissenschaftsladen wohl auf einer „anderen Veranstaltung“! Die Jugendfarm Bonn ist ein Abenteuerspielplatz! Und was für einer! Das, was man sich im Wissenschaftsladen (damals) unter Abenteuerspielplätzen vorstellte, waren keine Abenteuerspielplätze.

Der ABA Fachverband hätte keine Probleme gehabt, für die vorbildliche Arbeit der Jugendfarm Bonn – als solcher – vier Sterne zu vergeben. Die auffallende Regsamkeit, das Nutzbarmachen konstruktiver offener Angebote auch für andere Obliegenheiten – wie erzieherische Hilfen und die offene Ganztagsschule – lässt uns nicht dran vorbeikommen, hier allen Ernstes fünf Sterne zu vergeben. Die übrigen Kriterien, die auf unserer Internetseite unter „Qualität: Inspiration“ nachgelesen werden können, sind ebenfalls allesamt erfüllt. Wollen Sie Ihre Arbeit verbessern? Brauchen Sie Anregungen? Fahren Sie nach Bonn! Der ABA Fachverband vergibt fünf (*****) Sterne!

(1 ) Anmerkung des ABA Fachverbandes: Tendenziell ist hier einer der jüngsten Abenteuerspielplätze in NRW entstanden.

(2) Leider ist es nicht gelungen, den Begriff „Abenteuerspielplatz“ patentrechtlich schützen zu lassen. Wir sollten es gelegentlich erneut versuchen. Allerdings gibt es Kriterien, die auf den Internetseiten des ABA Fachverbandes unter „Qualitätsentwicklung“ zu finden sind, denn immer wieder wurde Hochstapelei mit dem Begriff betrieben. Zur Klarstellung: Der Abenteuerspielplatz ist eine Einrichtung der Offenen Arbeit mit Kindern, die regulär von pädagogischen Fachkräften organisiert wird! Weiteres finden interessierte Leser an der angegebenen Stelle im Netz des Verbandes.

Juli 2006 
Letzte Aktualisierung: 2. August 2014

 

Mehr Platz für wilde Spiele an der Schule

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Hüttenstadt auf der Jugendfarm Bonn (Foto: Jugendfarm Bonn)

Schule und Jugendfarm, zwei Orte, die unterschiedlicher nicht seinkönnten. Letztendlich definiert die eine sich sogar in Abgrenzung zur anderen: Pflicht vs. Freiwilligkeit, Lehrplan vs. Freiraum, formelles Lernen vs. informelles Lernen … Auch zeitlich war diese Abgrenzung lange gegeben: Unterricht in der Schule am Vormittag und Spielen auf der Jugendfarm am Nachmittag!

Mit der Entwicklung der Ganztagsschule wird diese Grenze in Frage gestellt. Mit der Ganztagsschule beschränkt sich Schule nicht mehr nur auf den Vormittag. Und damit ist letztendlich auch die Aufgabe verbunden, Schule ganz neu zu denken, Schule interprofessionell zu denken. Schule ist aufgefordert, mit anderen Bildungspartnern zu kooperieren. Zu diesen Bildungspartnern gehören auch die Jugendfarmen.

Als Träger der freien Jugendhilfe haben Jugendfarmen und Aktivspielplätze den
gesetzlich verankerten Auftrag, an den Lebensbedingungen für Kinder und Jugendliche in ihrem Einzugsbereich positiv mitzuwirken und als so genannte „dritte Sozialisationsinstanz“ neben Elternhaus und Schule bei der Gestaltung der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen mitzuhelfen. Die Entwicklung von Ganztagsangeboten an Schulen gehört daher mit zu ihrem originären Auftrag.

Die Jugendfarm Bonn e.V. hat sich im Zuge der Entwicklung der Offenen Ganztagsgrundschule in Nordrhein-Westfahlen entschlossen, für interessierte Schulen ein verlässlicher, kompetenter, innovativer und verhandlungsstarker Partner bei der Einrichtung von ganztägigen Bildungs- und Betreuungsangeboten zu sein. Die Jugendfarm Bonn ist längst keine Jugendfarm mehr, deren Angebot sich auf die Offene Arbeit auf einem Platz beschränkt. Sie ist zu einem Jugendhilfeträger geworden, der sich mit seinen Erziehungs-, Förderungs- und Bildungsanliegen stadtweit einmischen möchte. Dabei geht es der Jugendfarm Bonn um die (ganzheitliche) Gestaltung von Lebensräumen mit Hilfe der Vernetzung mit anderen Erziehungs- und Bildungspartnern. Sie übernimmt Lobby- und Anwaltsfunktionen für Kinder und Jugendliche.

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Weltspieltag 2009 an der OGS Marktschule: Bau einer Kartonstadt (Foto: Jugendfarm Bonn)

Die Jugendfarm Bonn steht dem jetzigen Schulsystem in seiner Aufgliederung in Gymnasien, Real-, Haupt- und Förderschulen durchaus kritisch gegenüber und setzt sich für eine Integration der verschiedenen Schulformen und ein über die Grundschulzeit hinaus dauerndes, gemeinsames Lernen ein. Dieses Lernen beschränkt sich im Idealfall nicht auf einen vormittäglichen Unterricht, sondern verteilt sich im Rahmen eines Ganztagsangebotes für alle Kinder einer Schule über eine größere Zeitspanne bis in den Nachmittag hinein. Die Schule wird damit zum Lern- und Lebensort. Durch eine entsprechende Vernetzung mit umliegenden Einrichtungen gestaltet sich das Lernen sozialraumbezogen.

Ihr Jugendhilfeangebot, das ein verlässliches Betreuungsangebot einschließlich Mittagstisch, Hausaufgabenbetreuung und Raum für selbstbestimmtes Spiel und Kreativität sowie darüber hinausgehende Förderungs- und Erziehungshilfeangebote beinhaltet, versteht die Jugendfarm Bonn nicht als Teil einer schulpädagogischen Veranstaltung. Vielmehr ist es ihr Anliegen, das schulpädagogische Angebot um ein gleichberechtigtes sozialpädagogisches Angebot zu erweitern. Die Zusammenarbeit von Lehrer/innen, sozialpädagogischen Fachkräften (Erzieher/innen, Sozialpäda-gog/innen …) und ergänzendem pädagogisch tätigen Personal (vorrangig aus dem sportpädagogischen und musisch-kulturellen Bereich) ist multiprofessionell und auf Augenhöhe angelegt. Die Kooperation auf personeller Ebene geht einher mit dem Ziel einer langfristigen Zusammenarbeit auf institutioneller Ebene. Die Offene Arbeit stellt insbesondere für die jugendlichen Schüler/innen einen Ansatz dar, der auch mit einer zunehmenden Ganztagsbetreuung an den Schulen nicht wegzudenken ist. Kein Schulgelände kann den jugendlichen Interessen weder zeitlich noch inhaltlich in dem Maße gerecht werden, wie es in der Offenen Arbeit vom Konzept her angelegt ist.

In diesem Sinne strebt die Jugendfarm Bonn die Zusammenarbeit vorrangig an Standorten an, an denen im Idealfall die Möglichkeit einer Kooperation der Schule mit ihren Einrichtungen bzw. Plätzen der Offenen Arbeit gegeben ist oder die räumlichen Voraussetzungen dafür bestehen, die Angebote der Offenen Arbeit langfristig an der Schule zu integrieren.

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RTEmagicC_ogsrkangebot309_IN.jpg Robert-Koch-Schule, Bonn (Foto: Jugendfarm Bonn)

Ein Projekt, dem sich die Jugendfarm Bonn seit geraumer Zeit verschrieben hat, ist die Einrichtung eines Bauspielplatzes an der Schule. In anderen Kommunen in Nordrhein-Westfalen wie beispielsweise in Oberhausen ist dieses Konzept bereits erfolgreich umgesetzt worden. Zusammen mit einer Mitarbeiterin des städtischen Gebäudemanagements hat sich die Jugendfarm Bonn dort Anregungen geholt, wie das Konzept mit den strengen Sicherheitsauflagen der Stadt Bonn auch in Bonn möglich gemacht werden könnte. Damit begann die Suche nach einem Platz, der vom öffentlichen Schulhof durch einen entsprechend hohen Zaun abgetrennt ist, keine direkte Nähe zu den anliegenden Nachbarn aufweist und zudem auch keinen unmittelbaren Einblick für vorbeiziehende Passanten bietet.

An der Robert-Koch-Schule in Bonn-Pennenfeld lag es aufgrund des bereits bestehenden Schulgartens auf der Hand, dieses Vorhaben zu realisieren. Die nötige Wiederinstandsetzung der bestehenden Umzäunung verzögert die Umsetzung aktuell noch auf unbestimmte Zeit. Anders sieht es an der Katholischen Grundschule in Bonn-Ippendorf aus. Dort hat das Städtische Gebäudemanagement den verwilderten Innenhof der Schule zur neuen Gestaltung freigegeben. Jetzt geht es darum, diesen Gestaltungsprozess mit allen beteiligten Partnern (Schule, Eltern, Kindern, Jugendfarm und Stadt) auszuhandeln.

Dort kann die Jugendfarm Bonn jetzt ihrem Anliegen entsprechend, die Grundgedanken der „Offenen Arbeit“ in die Schule zu tragen, tätig werden. Damit die Wirksamkeit eines Aktivspielplatzes in vollem Umfang gegeben ist, müsste der Innenhof der Schule im Idealfall folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Er müsste ein Platz werden, auf dem junge Menschen sich in geschütztem und betreutem Rahmen frei bewegen können.
2. Kalkulierbare Gefahren müssten als wichtiges pädagogisches Lernmittel bei der Gestaltung des Platzes bewusst integriert werden.
3. Den Kindern dürfte kein festes Konzept vorgegeben werden.
4. Die freie Willensentscheidung wäre grundlegendes Prinzip.
5. Die Kinder würden durch selbstständiges Ausprobieren lernen. Eingriffe seitens der Aufsichtskräfte würden nur zur Abwendung offensichtlicher Gefahren erfolgen.
6. Eigeninitiative zur Förderung der Identifikation mit dem Platz wäre ein weiteres Grundprinzip.
7. Der Platz wäre ausschließlich Kindern vorbehalten. Erwachsenen (Aufsicht ausgenommen) würde nur zu besonderen Anlässen Zutritt gewährt.
8. Die Aufsichtsperson sollte nach Möglichkeit „großes Kind“, Jugendlicher und Erwachsener zugleich sein.
9. Selbstgestaltung bzw. Selbstverwaltung wäre als weitere Stufe einer Ausbaumöglichkeit bei dem Konzept direkt mitgedacht.
10. Die Freiwilligkeit der Kinder wäre grundsätzlich zu berücksichtigen.

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Robert-Koch-Schule (Foto: Jugendfarm Bonn)

Diese Punkte sind mehrheitlich in Schule nicht selbstverständlich und werden auch in Schule nicht uneingeschränkt und kompromisslos berücksichtigt werden können. Es geht auch nicht darum, Schule in einen Bauspielplatz zu verwandeln. Vielmehr wird die Jugendfarm Bonn im anstehenden Aushandlungsprozess gemäß Karlheinz Thimm, Professor für Soziale Arbeit an der Evangelischen Fachhochschule Berlin, die Rolle eines „produktiven Fremdkörpers an Schule mit Strahleffekten“ übernehmen und damit „zur Überprüfung schulischer Üblichkeiten einladen: den Inhalten, den Zielen, den Methoden, dem Umgang mit Zeit, der Herrichtung von Räumen, der Gestaltung von Beziehungen.“

Der Aushandlungsprozess soll über drei Jahre von August 2010 bis Dezember 2013 professionell begleitet und im Sinne eines Modellprojektes unter dem Motto „Offene Arbeit gestaltet Räume in der kommunalen Bildungslandschaft“ besonders gefördert werden. Die dafür nötigen Ressourcen sind im Rahmen eines breit angelegten Projektes von der AGOT NRW beim Land beantragt worden.

Andrea Steuernagel, Dipl. Päd.
Fachbereichsleitung Jugendhilfe & Schule
Jugendfarm Bonn
Am Weidenbach 26
53229 Bonn
0228 629879-16

Der Beitrag wurde uns freundlicherweise von Andrea Steuernagel zur Verwendung zur Verfügung gestellt.

Beitrag vom 7. Oktober 2010 (de)
Letzte Aktualisierung: 2. August 2014

 

Großen Mini-Beuel, Filzblumen und jede Menge Freiraum

Kinder brauchen Platz. Sie brauchen Raum und Zeit zum Spielen und zum eigenen Handeln, und sie brauchen Erwachsene, die für sie diese Rechte einfordern und ihnen Räume bieten. Die erste Bonner Kinderstadt „Mini-Beuel“ ermöglichte rund 400 Kindern zwei Wochen lang im Juli 2009 genau dies.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Um aus dem Konzept zu zitieren: „Die Kinderstadt Mini-Beuel ist ein Kooperationsprojekt von Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen im Beueler Raum, der Kirche und der Stadt Bonn, ein Sommerferienangebot für Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren, ein erlebnisorientiertes Planspiel, das die Partizipation der Kinder in den Mittelpunkt stellt, eine Spielstadt von Kindern und für Kinder, in der die alltäglichen Abläufe einer Stadt spielerisch erfahren und gelebt werden.“

Dies beschreibt sehr genau, worum es in Mini-Beuel, der „Stadt der Kinder“ des Bonner Stadtteils Beuel, eigentlich ging. Innerhalb des Stadtteilarbeitskreises Offener Türen, in dem sich die Leiter der Offenen Kinder- und Jugendeinrichtungen in regelmäßigen Abständen austauschen, entstand im Jahr 2007 der Wunsch, das Ferienprojekt „Kinderstadt“ nach Bonn zu holen, das ja in anderen Städten schon seit einigen Jahren erfolgreich durchgeführt wird. Zu diesem Zweck haben sich einige Träger zu einer Projektgruppe zusammengeschlossen, die den Wunsch hatte, sich der Herausforderung eines solch faszinierenden, innovativen und pädagogisch fundierten Projektes zu stellen. Nach rund zwei Jahren Vorbereitungszeit gelang es nun, in zwei Sommerferienwochen im Juli dieses Jahres eine erfolgreiche und spannende Kinderstadt durchzuführen.

Verantwortung, Selbstbestimmung und Demokratie

Hier regieren wir! Die Bürgerinnen und Bürger von Mini-Beuel waren selbstbestimmt. Den Kindern wurde nicht dazwischengefunkt, wenn es um ihre Stadt ging. Und sie bewiesen es allen mit erstaunlicher Schnelligkeit und Einfallsreichtum, wie kompetent Kinder wirklich sind, wenn sie die Möglichkeit und den Freiraum bekommen.

Schon ab dem ersten Tag ging das Konzept der Kinderstadt auf und bildete die Abläufe einer Stadt bestens ab. Von Wahlplakaten über Werbung einzelner Betriebe an Taxis bis hin zu alltäglichen Problemen wie Materialbesorgung für die Produktion und langen Schlangen bei der Arbeitsagentur: alles war „geboten“. Während der beiden Wochen verwandelten sich das Gelände der Bonner Jugendfarm und der gegenüberliegende und für die Kinderstadt eigens umzäunte städtische Bolzplatz mehr und mehr in eine Stadt mit Eigenleben. Die Kinder hatten Freiraum, um selbst zu denken und zu entwickeln, für Auseinandersetzungen mit Konflikten, für die selbstständige Erarbeitung eigener Kommunikationsprozesse und für eigenes Erfahren von Demokratie. Sie erlebten Gerechtigkeiten und Ungerechtigkeiten und die Veränderbarkeit der letzteren durch das Erarbeiten von Regeln und Normen.

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RTEmagicC_BigMB_02_IN.jpg Foto: Jugendfarm Bonn

Einschränkungen sollte es nach Möglichkeit nicht geben. Voraussetzung waren Anmeldung am Morgen und Abmeldung am Abend. Betreut wurden die Kinder im Alter von 7 bis 12 Jahren von vorab geschulten Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren, die die Kinder in den insgesamt 55 Bereichen, „Betriebe“ genannt, unterstützten. Wichtig hierbei waren primär zwei Dinge: Kinder in ihrem eigenen Handeln zu begleiten und für Sicherheit zu sorgen.

Wann greift man ein, wann lässt man es laufen, und wer ist überhaupt zuständig?

Mini-Beuel bot unendlich viele Möglichkeiten zum Lernen sowohl für die Kinder als auch für die Jugendlichen und für das Projektteam. Auf verschiedenen organisatorischen Ebenen konnten wichtige Erfahrungen gemacht werden, die sich als über Mini-Beuel hinaus nutzbringend und als auf andere Felder übertragbar erwiesen.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Die Kinder selbst lernten, wie es ist, vollständig eigene Verantwortung über einen bestimmten Bereich (= Betrieb) zu haben, und was es heißt, ein vollwertiger und wichtiger Teil einer Gesellschaft (= als Bürger/-in der eigenen Stadt) zu sein.

Es tauchten viele Fragen auf, deren Antworten sich den Kindern durch das Spiel häufig von selbst erschlossen: Wie kann mein Betrieb erfolgreich laufen, und wovon hängt das ab? Welche internen und externen Faktoren spielen eine Rolle? Welche Verantwortung habe ich innerhalb meiner Stadt, meinem Stadtteils – habe ich überhaupt welche? Was passiert sonst noch in der Stadt? Gehe ich wählen oder nicht? Habe ich zu Polizeigewalt, rasenden Taxis oder einem teilweise chaotischen Bastel- und Baustoffladen etwas zu sagen, und wenn ja, was?

Lange, komplexe Handlungsabläufe gab es zur Genüge – und die Kinder konnten mit den unterschiedlichsten Situationen durchaus umgehen, da sie unterstützt vom Planspiel diese leichter nachvollziehen konnten. Sie hatten die Ressourcen, Sicherheiten und den Freiraum bekommen, wodurch sie sich ausreichend unterstützt wussten. Dabei zeigte sich Tag für Tag der hohe Bildungswert des freien gemeinsamen Spielens von Kindern in Natur und in offener, anregender Umgebung.

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OLYMPUS DIGITAL CAMERA Foto: Jugendfarm Bonn

Auch die Arbeit mit den Jugendlichen hatte für alle viel Erfahrungswert. Zwei Wochen lang für jeweils 250 Kinder verantwortlich zu sein, war eine große pädagogische und gute Nerven erfordernde Aufgabe, die die Jugendlichen sehr erfolgreich meisterten. Die abendlichen Besprechungsrunden zeigten die jeweils aktuellen Brennpunkte auf: Welcher Betrieb läuft erfolgreich und warum? Liegt es an dem Material, den pädagogischen Ideen, den Kindern, oder vielleicht dem Standort, der Nachfrage? Klappt es, dass alle eine Mittagspause haben? Wie funktioniert die Zusammenarbeit innerhalb des Teams von Betreuern und Betreuerinnen?

Die größte Herausforderung aber war sicherlich, dass sich sechs Einrichtungen der Offenen Arbeit zusammenfanden zu einer gemeinsame Planung und Durchführung durch die Einsetzung eines gemeinsamen Projektteams. Die durchaus anstrengende gemeinsame Arbeit zeigte jedoch wieder sehr klar, wie viele Vorteile Kooperation für jeden einzelnen und somit auch die Offene Arbeit insgesamt hat. Der Pool an Ressourcen konnte effektiv genutzt werden; der gemeinsame Nenner „Offene Kinder- und Jugendarbeit“ verband die durchaus unterschiedlichen Einrichtungen, und durch die damit gegebene Vielfalt konnten viele Ideen und Inputs in maximalem Nutzen für die Teilnehmer/-innen umgewandelt werden.

Alles Gold, was glänzt?

Die Reaktion der Öffentlichkeit und der Medien zeigte deutlich, dass Mini-Beuel und damit das Konzept einer Kinderstadt durchweg positiv auf- und angenommen wurde. Ob nun Lokalzeitung, Radio und Fernsehen oder die lokale Politik und Fachkollegen und -kolleginnen, alle begleiteten das Projekt mit Freude. Die Unterstützung durch zahlreicher Sponsoren, Firmen und Privatpersonen sind ebenso Belege dafür, dass die Wichtigkeit und Besonderheit dieses Projektes allgemein anerkannt wurde.

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Foto: Jugendfarm Bonn

 

Aber ist das auch alles? Natürlich nicht, es gibt einige Baustellen, an denen man noch nachbessern kann. In der Organisation und Aufgabenverteilung innerhalb des Projektteams können in Zukunft Aufgaben noch genauer und spezifischer verteilt werden, um die Arbeitskraft optimal über die mit Auf- und Abbau insgesamt vier Umsetzungswochen hinweg zu verteilen.

Im Nachhinein kann man feststellen, dass die Vorbereitung durch das Projektteam geprägt war von einer einzigen Leitfrage, nämlich der, welcher Grad an Durchplanung für das Projekt optimal sein würde: Was wird vorab festgelegt, was wird geplant? Wieviel soll vorgegeben sein, und wieviel sollen bzw. können die Kinder selbst innerhalb der beiden Wochen entwickeln? Was kann ihnen zugetraut werden? Mit wieviel Verantwortung können die jugendlichen Betreuer/-innen umgehen? Und was möchten wir überhaupt, dass die Kinder erleben? Chaos, Unklarheiten und Unsicherheiten gehören schließlich auch zu dem Aufbau einer Stadt dazu, und auch damit muss man umgehen lernen (können).

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Foto: Jugendfarm Bonn

Diese grundlegenden Fragen waren und sind schwer generell zu beantworten, und vieles zeigt sich wirklich erst in der Praxis. Es zeigte sich aber doch, dass, wenn bei der gemeinsamen Grundidee Konsens herrscht, es die Stadt der Kinder sein soll, man zu einer klaren gemeinsamen Linie findet.

Ein Beispiel: Den Abschluss jeder Woche bildete der gemeinsame Familiensamstag. Der Idee nach sollte dieser in der Woche davor von den Kindern selbst mit vorbereitet und präsentiert werden, vor allem auch dem Stadtrat. Wenn dieser Kinderstadt-Grundidee streng gefolgt wird, kann dies durchaus einen etwas unsortierten Samstag ergeben.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Ein weiteres Beispiel: Der Umgang mir Geld in der Kinderstadt. Wer setzt die Preise des Bastel- und Baustoffladens fest? Wie verläuft es mit der Preisfestlegung innerhalb der Stadt? Wie geht ein Projektteam damit um, wenn Preise sich nicht erhöhen, Kinder Geld horten, die Bank kein Geld mehr hat? Wo schreitet man ein und setzt Grenzen, und wo lässt man das Spiel „einfach mal laufen“?

Eine Stadt, die lebt

Unabhängig von den organisatorischen und pädagogischen Fragen – Mini-Beuel war voller Leben, Freude und Lust am Ausprobieren, Lernen und Entdecken. Die Betriebe liefen erfolgreich.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Eine tägliche Stadtzeitung wurde produziert, etliche stadtinterne Radio- und TV-Beiträge (= Stadtnachrichten, Werbung, Kundgebungen über den Radiosender „Big MB“ und den Mini-Beuel TV-Sender) entstanden. Viele engagierte Stadträte und höchst engagierte BürgermeisterInnen kümmerten sich voller Freude um Besuche aus der Außenwelt wie auch um Probleme der Innenwelt. Die Müllabfuhr prosperierte und der Zirkus boomte. Im Elterngarten gingen die von den Betrieben erstellten Produkte „weg wie warme Semmeln“. Die Bürgerinnen und Bürger von Mini-Beuel fanden ihre Nischen, und der Bürgerservice zeichnete mehr und mehr Meister in ihren Betrieben aus. Die Polizei hatte alle Hände voll zu tun, angefangen mit Bankräubern bis zu den alltäglichen Kleinigkeiten, bei denen die Bürgerinnen und Bürger Unterstützung wollten oder benötigten. Die Universität erstellte mehrere erfolgreiche Umfragen, die Bank war vielbeschäftigt mit der Ausgabe von Sparbüchern und in der ökumenischen Kirche heirateten zahlreiche gemischt- und gleichgeschlechtliche Paare jeden Alters.

Ausblick

Das Ziel des Projektteams war, dass Kinder gesellschaftliche und kulturelle Zusammenhänge einer Demokratie verstehen lernen, ihre eigenen Ideen und Gesellschaftsentwürfe umsetzen können, die von Arbeit, Geld und Konsum bestimmte „Erwachsenenwelt“ am einfachen Modell erfahren, sich selbstbestimmt handwerkliche und musisch-kreative Fähigkeiten aneignen, die Notwendigkeit von Regeln und Normen, aber auch ihre Veränderbarkeit erkennen, die Chance bekommen, ihr Freizeitangebot mit zu gestalten, weitgehend selbstständig handeln, ein ansprechendes und unvergessliches Ferienangebot erleben. All dies war und ist durch Mini-Beuel realisierbar!

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Foto: Jugendfarm Bonn

Das Projektteam, die Jugendlichen und die Familien waren zufrieden – dies heißt für das Team, dass es in zwei Jahren wieder ein Mini-Beuel geben wird. Die Prämisse des Projektteams war und es bleibt auch dabei: Kinder an die Macht! Kinder haben ein Recht auf ihre Freiheit und Selbstbestimmung. Sie haben ihre eigenen Ideen, die genauso viel Wertigkeit haben wie die eines jeden anderen Menschen, ob groß oder klein. Sie haben und brauchen das Recht auf ihre eigene Meinung, ihre eigenen Ideen. Mit Unterstützung, Ressourcen, Raum und „Anwälten“ sind Kinder und Jugendliche imstande, Großes zu tun und die Erwachsenen „vom Hocker zu reißen“.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Der Schlüssel hierzu sind die Grundsätze der Offenen Arbeit sowie Kooperation. Nur in diesem Feld und durch diese Grundsätze sind solche Projekte wirklich durchführbar – und gemeinsam sind wir stark.

Quelle: Offizielles Konzept der Kinderstadt Mini-Beuel
Fotos: © Projektteam Mini-Beuel

Weitere Informationen und Kontakt

Autorin: Elisabeth Koppitz

Eingestellt am 2. November 2010 (de)
Letzte Aktualisierung: 2. August 2014

 

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Foto: Jugendfarm Bonn

Spieplatz Finkenweg, Bonn: Handwerk fördert Jugend

Der betreute Spielplatz Finkenweg ist seit seinem Bestehen Mitglied im ABA Fachverband und befindet sich in Trägerschaft des Vereins Jugendfarm Bonn e.V. Nachfolgend wird ein nachahmenswertes Projekt dokumentiert, das gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft Bonn • Rhein-Sieg durchgeführt wurde.

Handwerk fördert Jugend: Der langersehnte Umbruch

Alte Bahnwaggons mit Holzöfen als Heizung haben ihren Charme – auch noch nach acht Jahren intensivster Nutzung unter jeder Wetterbedingung. Dennoch reicht dies leider langfristig bei weitem nicht aus, um ein nachhaltiges und adäquates pädagogisches Angebot als offener Jugendtreff für den sehr hohen Bedarf zu stellen. Der Jugendtreff des Spielplatzes Finkenweg hat daher in einem beispielhaften Projekt seinen Treff um ein festes Gebäude erweitert.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Abdallah und Denis kuscheln sich in ihre Jacken und halten ihren heißen, süßen Apfeltee ganz nah – es ist nämlich besonders kalt heute im Jugendtreff. Besser gesagt, im Bahnwaggon. Der Offene Treff des Spielplatzes Finkenweg in Bonn-Holzlar besteht nämlich seit seiner Gründung im Jahre 2001 aus zwei alten, gespendeten Bahnwaggons. Diese dienen seither als Offener Jugendtreff, der hier entstanden ist, um dem dringenden Bedarf entsprechen zu können.

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Foto: Jugendfarm Bonn

In den Jahren hat sich dort so einiges getan, und viele Besucherhände haben ihren Treff gestaltet und erweitert – so kamen Wege und Beete, Gartengestaltung und eine Werkstatt, zuletzt eine Beach-Area und Basketballfeld dazu. Im Sommer wird immer intensiv der Außenbereich genutzt, im Winter rücken alle näher zusammen, um die Wärme zu halten. Die Waggons werden mit einfachen Holzöfen geheizt – um den Holzbestand kümmern sich die Jugendlichen natürlich auch. Fließendes Wasser gibt es nicht, das wird vom 400 Meter weiter vorne gelegenen Kindertreff geholt, dort werden auch bei Bedarf die Toiletten genutzt.

Die Besucherinnen und Besucher des Treffs haben zu 80 Prozent Migrationshintergrund. Sie wohnen meist in der näheren Umgebung und den umliegenden Stadtteilen – der Treff ist absichtlich mitten im bevölkerungsreichen Stadtteil Holzlar an einem allgemeinen Platz angesiedelt und der einzige Anlaufpunkt mit Angeboten für die Jugendlichen. Delinquenz, Gewalt und Cliquenrivalitäten sind für die Jugendlichen Alltag, neben Zukunftsängsten, Lethargie und Schulmüdigkeit sowie der Dauerberieselung verschiedenster neuen Medien bewegen sie sich in ihren eingeschworenen Gruppierungen, in der Sicherheit des ihnen Vertrauten.

Verantwortung übernehmen und Gestaltungsmöglichkeiten durch Selbstbestimmung

Jugendliche haben ein Recht auf Raum und Platz, in dem sie ihre Freizeit ausleben können und sich – sowohl in der Gruppe als auch individuell – geschützt und bei Bedarf angeleitet entwickeln und entfalten dürfen. Der Jugendtreff ist nach den Bedürfnissen der Besucherinnen und Besucher ausgerichtet – das Programm wird nach ihren Wünschen und Ideen gestaltet und mit ihnen zusammen durchgeführt.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Der Offene Treff baut auf erlebnis-, natur-, bewegungs- und freizeitpädagogischen Ansätzen. Gerade die Bahnwaggons und eben auch die Tatsache, dass die Bedingungen in ihnen jahrelang mangelhaft waren, haben doch auch ihren Charme und sind wichtiger Bestandteil der pädagogischen Arbeit. In einer Welt, in der die Jugendlichen (ob sie nun wirklich wollen oder nicht) sich dauerhaft mit verschiedensten neuen Medien auseinander setzen müssen, sich ihnen anpassen, von ihnen berieselt und beherrscht werden, stellt der Jugendtreff einen ruhigen Ort dar, der in starkem Kontrast zu dieser Welt steht. Hier wird auf Natur sowie auf ein ehrliches, offenes und respektvolles Miteinander gebaut, in der einer auf den anderen achtet.

All diese sinnvollen und guten Vorsätze, Konzepte und alltägliche Praktiken können aber sehr erschwert werden – so vor allem durch chronische räumliche Enge, fehlende räumliche Alternativen, die je nach pädagogischem Bedarf genutzt werden könnten. Auch die Jugendlichen selbst bemerkten die Mängel – nicht der marode Zustand der Waggons selbst war ihnen ein Dorn im Auge – sie äußerten vielmehr das Bedürfnis nach mehr Platz, um mehr schaffen, initiieren und gemeinsam erreichen zu können.

Handwerk fördert Jugend – Jugend fordert Handwerk!

Im Sommer 2008 schrieb die Kreishandwerkerschaft einen Wettbewerb aus: „Handwerk fördert Jugend“. Im Rahmen dieses Projektes sollte gemeinsam mit Jugendlichen etwas erbaut, saniert, erweitert werden, eingebettet in Nachwuchsförderung für die beteiligten Innungen. Der Bereich „Offene Arbeit Spielplatz Finkenweg“ der Jugendfarm Bonn e.V. sah seine einmalige Chance und bewarb sich – aber direkt auch mit einer eigenen Rückforderung: Jugend fordert Handwerk!

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Foto: Jugendfarm Bonn

Mit diesem Konzept, das nicht nur die Sanierung unserer inzwischen maroden, vollkommen überholten und lange nicht mehr dem Bedarf und der Nachfrage entsprechenden Waggons vorsah, sondern vor allem auch die Verknüpfung mit einer Berufsförderung der Besucherinnen und Besucher vorsah, stachen wir heraus. Im Laufe der Bewerbungsphase kristallisierte sich heraus, dass sich eine Sanierung allein nicht lohne – eine Erweiterung der Räumlichkeiten musste notwenig hinzugefügt werden. Der ursprüngliche Antrag wurde dementsprechend verändert und angepasst.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Am Ende überzeugte das Konzept, das mit den ungewöhnlichen örtlichen und baulichen Begebenheiten durchaus auch für die Handwerkerinnungen eine Herausforderung darstellte, und der gesamte Bereich Offene Arbeit Spielplatz Finkenweg jubelte im Herbst 2008, als die Nachricht kam, dass die Ausschreibung mit 100.000 Euro in Sach- und Dienstleistungen gewonnen worden war – ohne die Kooperation mit der Kreishandwerkerschaft wäre das gemeinsame Projekt aufgrund der knappen finanziellen Ressourcen nicht durchführbar gewesen. Wie damals schon im Anschreiben so schön formuliert wurde: „Der Spielplatz Finkenweg möchte die Träume der Jugendlichen wahrmachen!“

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Foto: Jugendfarm Bonn

Folgend sind auszugsweise die pädagogischen Ziele des Projektes, welche im Mittelpunkt stehen, dargestellt:

• Unterstützung bei der Entwicklung einer selbstbewussten Identität
• Förderung der Verständigung zwischen Jugendlichen unterschiedlicher kultureller Hintergründe
• Verbesserung der sozialen Kompetenz
• Initiierung und Begleitung von Gruppenprozessen zur Förderung von Kommunikationskultur, Solidarität, emotionaler Verbundenheit und Konfliktfähigkeit
• Vertrauen auf eigene Gefühle
• Auseinandersetzung mit traditionellen Geschlechterrollen, Erweiterung des persönlichen Horizontes und Unterstützung von Chancengleichheit
• Einblicke in unterschiedliche handwerkliche Berufsfelder
• Praktische Erfahrungen im Handwerk, Freude am Handwerk
• Kreative Gestaltung der Räumlichkeiten
• Berufliche Perspektiven entwickeln
• Öffentlichkeitsarbeit

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Foto: Jugendfarm Bonn

Höhen und Tiefen – wie Theorie und Praxis aneinandergeraten

Nun ging es an die eigentliche Arbeit: mit den Jugendlichen gemeinsam begann im Januar 2009 die Planungsphase. Es gab vieles zu besprechen, denn schließlich waren auch etliche Innungen beteiligt – von Hoch- und Tiefbau über Elektrik, Kfz und vielen weiteren bis hin zu den Frisör-, Goldschmiede-, Fleischerei- und Informationstechnik-Innungen – alles war mit im Boot.

Gemeinsam wurde nicht nur erörtert, wie die Bauarbeiten selbst vor Ort ablaufen könnten, was alles ansteht und was für Vorstellungen, Wünsche und Möglichkeiten die Jugendlichen selbst haben; wichtig war auch die Arbeit „hinter den Kulissen“, allem voran der Bauantrag an die Stadt und der politische Prozess, der damit verbunden war, den Antrag bewilligt zu bekommen.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Ein wichtiger und langer Prozess war es vor allem auch im Hinblick auf den Naturschutz. Das neue Gebäude sollte auf einem Teilstück der großen Wiese des Geländes erbaut werden, die als Ausgleichsfläche dient. Hintergrund war hierbei nicht primär ein pädagogischer, sondern vielmehr einer dem Naturschutz verbundener – die optimale und sinnvolle Nutzung eines großen, weitgehend nicht gepflegten Geländes zu erreichen; durch die Erweiterung des Jugendtreffs konnte ein großes Stück sowohl der brachliegenden Wiese als auch des Naturstückes entlang des benachbarten Teiches für den Treff gewonnen werden. Diese offenen, frei zugänglichen Flächen wurden bisher zwar immer intensiv von Kindern, Jugendlichen und Familien in ihrer Freizeit genutzt, jedoch kaum gepflegt und gewartet.

Nunmehr können innerhalb des Treffs im Rahmen regelmäßigen Naturangebotes Büsche und Bäume, Grünflächen und Wege sinnvoll gepflegt und von vielen gemeinsam und im Einklang mit der Natur selbst genutzt werden. Mit den Jugendlichen gemeinsam kann man den Fragen nach der gerechten Nutzung von Natur und Umwelt, von ökologischem Gleichgewicht und Naturschutz nachgehen sowie die Antworten und Ideale hautnah und praktisch anwenden und ausleben.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Im Juli 2009 kam nach etlichen Gesprächen, Besichtigungen und Absprachen endlich die langersehnte Bewilligung des Bauantrages. Ab Herbst war der Spielplatz Finkenweg dann auch von vorne bis hinten Baustelle, und bis in den kalten Winter hinein wurde unter ungünstigsten Wetterbedingungen geschuftet. Und, wie es leider bei vielen Bauvorhaben so ist, kamen immer wieder unvorhergesehene Hürden in den Weg, deren man sich – meist mit erhöhten Kosten – annehmen und die man bewältigen musste.

Vor allem in den aktiven Bauphasen kamen dann die Tücken eines gemeinsamen Projektes von Jugendlichen und Handwerkern zum Vorschein – alleine das zeitliche Arrangieren gestaltete sich schwierig. Die Jugendlichen gingen vormittags zur Schule, die Handwerker begannen meist um 7 oder 8 Uhr morgens und beide Seiten trafen sich meist nur im Vorübergehen am frühen Nachmittag – die Jugendlichen beim Ankommen, die Handwerker auf dem Weg in den Feierabend.

So wurde der Schwerpunkt mit den Jugendlichen auf die Nachbearbeitung und Nachbesprechung der Bauarbeiten gelegt. Und Kontakte gab es dennoch zu Genüge, denn die Neugierde der Jugendlichen, gerade der Älteren, war groß – mitten in der Suche danach, wie ihre Zukunft aussehen soll, was sie interessieren könnte und wo sie Chancen auf einen Ausbildungsplatz hätten, war dieses Projekt – wie erhofft – eine hilfreiche Stütze für sie.

So konnte z.B. auch Daniel konkreter werden: „Ich weiß, dass ich eine Ausbildung machen möchte und dass ich auch eine machen muss, um eine Zukunft zu haben. Ich wusste aber nicht wirklich, was das für eine Ausbildung sein sollte – Handwerker ist ja ein sehr allgemeiner Begriff. Nun kann ich mir etwas unter den verschiedenen Möglichkeiten vorstellen und gezielter um Praktikumsplätze und einen Ausbildungsplatz kümmern.“

Und was kommt als nächstes?

Am 22. Januar 2010 war es endlich soweit – das neue Gebäude, leider bisher nur innen fertig und außen herum noch umgeben von Baustelle, konnte eröffnet werden. Im Rahmen der deutschlandweiten Imagekampagne des deutschen Handwerks kamen zahlreiche Interessierte, unter ihnen auch der Kölner Regierungspräsident, Hans Peter Lindlar, der Schirmherr unseres Projektes.

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Foto: Jugendfarm Bonn

Fertig ist jedoch noch lange nicht alles: Vor allem der Außenbereich benötigt noch einiges an Arbeit – jedoch sind dies Arbeiten, die mit den Jugendlichen wieder gemeinsam angegangen werden können. Von Plattenverlegung über Grünanlagenpflege bis zur Verschönerung der Außenwände durch einen Graffiti- und Künstlerworkshop, – alles Dinge, die die Jugendlichen ohne Probleme „drauf haben“. Denn schließlich sind genau dieses die Dinge, die schon seit Jahren gemeinsam im Jugendtreff gemacht werden und bei denen die BesucherInnen ihren Treff gestalten, sich selbst verewigen und den Treff für die nächsten Generationen vorbereiten können.

Alles in allem sind wir alle sehr stolz auf unseren Mut, dieses Projekt gemeinsam anzugehen. Die vielen Hochs und Tiefs haben keinen davon abgehalten, ehrgeizig die gesetzten Ziele zu verfolgen und erfolgreich, gestärkt und mit einigem an neuem Wissen daraus hervorzugehen. Und die nächsten Ideen, wie der Stadtteil und vor allem seine BewohnerInnen, Eltern, Kinder und Jugendliche unterstützt werden können, gären schon.

In den nächsten Monaten widmen wir uns dem „Feinschliff“, um Ende Mai mit unserem gemeinsamen Finkenweg-Sommerfest einen gebührenden Abschluss des Projektes zu gestalten. Gemeinsam mit den Handwerkerinnungen, der Kreishandwerkerschaft und der Politik wird es einen Handwerkermarkt geben, Spiel und Spaß für Groß und Klein, ein Fußballturnier und ein allgemeines fröhliches Fest für alle BesucherInnen, Familien und Freunde und den gesamten Stadtteil.

Autorin: Elisabeth Koppitz

 

Eingestellt: 12. Oktober 2010 (de)
Letzte Aktualisierung: 2. August 2014

 

 

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