NAGEL-Redaktion – Aus Politik & Zeitgeschehen 2011

Dezember 2011

Flüchtlinge: Kinderrechte nicht gewahrt – Pro Asyl moniert Symbolpolitik

Der Umgang mit Flüchtlingskindern verletzt nach Ansicht der Pro Asyl die UN-Kinderrechtskonvention. Die medizinische Versorgung reiche nicht aus, der Zugang zur Bildung sei erschwert und minderjährige Flüchtlinge gälten bereits ab 16 Jahren als Erwachsene, so die Vorwürfe der Flüchtlingshilfsorganisation.

Das berichtete die taz am 18. November 2011 – Artikel komplett lesen

Kampagne „Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingkinder!“

Die Flüchtlingskinder

Sie kommen aus Ländern, in denen ihre Rechte massiv verletzt werden, in denen Krieg und Terror herrschen, in denen sie kaum eine Zukunftsperspektive haben. Jetzt sind sie in einem fremden Land. Sie wissen nicht, was aus ihnen werden soll. Etwa 16.000 Kinder warten in Deutschland auf ihre Entscheidung im Asylverfahren. Etwa 24.000 Kinder sind lediglich „geduldet“, also ständig von der Abschiebung bedroht. Diese Kinder brauchen unsere Unterstützung.

Die Kampagne

Seit 1992 gilt in Deutschland die UN-Kinderrechtskonvention – allerdings mit Einschränkungen. Vor allem Flüchtlingskinder sind dadurch benachteiligt, im Asylverfahren und im täglichen Leben. Im Mai 2010 nahm die Bundesregierung diese Einschränkungen formal zurück. Doch an der Situation der Kinder will sie nichts ändern. Deshalb fordert die Kampagne „Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingskinder!“ umfassende Gesetzesänderungen und praktische Verbesserungen.

Die Forderungen

● Flüchtlingskinder, die ohne Eltern nach Deutschland kommen, brauchen eine auf ihre Bedürfnisse spezialisierte Anlaufstelle.
● Der Vorrang des Kindeswohls muss im Aufenthalts- und im Asylrecht verankert werden.
● Kinder dürfen nicht in Abschiebungshaft genommen werden.
● Wir müssen allen Kindern, die hier aufwachsen, die gleichen Chancen geben, d.h. eine angemessene Grundversorgung und den Zugang zu Ärzten und Bildung. Integration gibt es nur mit Zukunftsperspektive!

Kinderrechte sind die Rechte aller Kinder, auch der Kinder auf der Fluch!

Mehr Info
Quelle: Jetzt erst Recht(e) für Flüchtlingkinder!

Fast jeder Sechste von Armut bedroht

Rund 12,9 Millionen Menschen in Deutschland waren im Jahr 2009 von Armut bedroht – das sind 15,6 Prozent der Bevölkerung. Am meisten gefährdet sind Arbeitslose und Alleinerziehende, so das Statistische Bundesamt. Frauen sind häufiger betroffen als Männer, Jugendliche stärker als Ältere, Singles öfter als Menschen mit Familie. Das Armutsrisiko blieb in den vergangenen Jahren aber ziemlich konstant. Den mehr als 12 Millionen Armen steht ein privates Vermögen von 5 Billionen Euro gegenüber.
Quelle: taz vom 4. November 2011

84 Prozent aller Bürger fürchten Egoismus und Verlust des sozialen Zusammenhalts

Aktuelle Umfrage des AWO Sozialbarometers

84 Prozent aller befragten Bürger befürchten laut AWO Sozialbarometer ein egoistisches Deutschland. Nur 13 Prozent dagegen glauben, dass die Gesellschaft in den kommenden fünf Jahren eher solidarischer wird. „Die Bürger haben offensichtlich ein starkes Gespür für tiefgreifende Veränderungen“, so der AWO Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. „Ihr Glaube und das Vertrauen in die soziale Gestaltungskraft von Politik und Gesellschaft sind scheinbar verloren gegangen.“ Natürlich sei den Bürgern klar, dass die Wirtschafts- und Finanzkrise nicht ohne Folgen für die deutsche Haushaltspolitik und damit auch für sie bleiben werde. „Angesichts der unsozialen Politik der letzten Jahre fürchten sie jedoch eine ungerechte Lastenverteilung“, betont Stadler.

Die wachsende Spaltung zwischen Arm und Reich ist eines der größten gegenwärtigen Probleme. „Wenn es den Verantwortlichen aus Politik, Wirtschaft und Gesellschaft nicht gelingt, gemeinsam diese Spaltung zu bekämpfen, hat dies unabsehbare Folgen auf das demokratische Gemeinwesen insgesamt“, so Stadler. Schon jetzt hänge gute Bildung, angemessener Wohnraum, stabile Gesundheits- und Altersvorsorge und damit eine Zunahme der Teilhabechancen maßgeblich vom Geldbeutel ab. „Die Politik der Bundesregierung darf diese Entwicklung nicht noch weiter verschärfen“, fordert Stadler.

Die AWO fragte 1.000 Menschen: Wenn Sie einmal an die kommenden 5 Jahre denken, glauben Sie, dass die deutsche Gesellschaft a) eher solidarischer wird und der soziale Zusammenhalt zunimmt oder dass jeder eher seinen eigenen Vorteil sucht, es mehr Egoismus geben wird? oder dass sich nicht viel verändern wird? (Studie von TNS-Infratest) 
Quelle: AWO Bundesverband vom 7. November 2011

Zur Seite AWO-Sozialbarometer

Jugendliche fordern vor dem Reichstag nachhaltiges Wirtschaften ein

UNICEF-Aktionswoche Kinderrechte vom 14.-20. November 2011 – „Eure Schulden – unsere Zukunft!“

Kurz vor der Schlussabstimmung über den Haushalt 2012 haben Jugendliche vor dem Reichstag mit Plakaten die Politiker aufgefordert, nicht länger auf Kosten der nachwachsenden Generationen zu leben. Mit Botschaften wie „Eure Schulden – unsere Zukunft!“, „Unsere Zukunft im Minus?“, „Kinder sind die Bank“ oder „Unsere Zukunft ist kein Monopolyspiel“ machten Hannah Lefel (16), Malin Eh (16), Madita Eh (14) und Üwen Ergün (15) aus dem UNICEF-JuniorTeam auf die dramatische Schuldenlast aufmerksam, die den Kindern bereits heute auferlegt ist. Zum Abschluss der bundesweiten UNICEF-Aktionswoche für Kinderrechte riefen sie dazu auf, alle öffentlichen Ausgaben daraufhin zu überprüfen, ob sie zum Wohlergehen der Kinder beitragen.

Nach Angaben des Bundes der Steuerzahler werden Kinder heute mit einer persönlichen Schuldenlast von knapp 25.000 Euro geboren. Würde die Gesamtschuldenlast auf die rund elf Millionen Kinder und Jugendlichen in Deutschland zwischen 1 und 15 Jahren alleine verteilt werden, müsste jeder Einzelne statistisch bereits rund 187.970 Euro zurückzahlen. Und jede Sekunde wird der Schuldenberg größer.

Unter dem Motto „Ich hab immer Rechte“ fanden in dieser Woche auf Initiative von UNICEF und dem Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung Markus Löning in bundesweit rund 200 Schulen Aktionen zum Thema Kinderrechte statt. Zahlreiche Bundestagsabgeordnete stellten sich dabei in ihren Wahlkreisen den Fragen und Argumenten der Kinder und Jugendlichen – darunter Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP), der Vizepräsident des deutschen Bundestags Wolfgang Thierse (SPD) und die Vizepräsidentin des Deutschen Bundestags Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Die Grünen).

Unterstützt wurde der Aktionstag von dem Netzwerk aus rund 150 ehrenamtlichen UNICEF-Gruppen. Auf der Internetplattform www.aktionstag-kinderrechte.de können die Schulen ihre Aktionen darstellen und jeder seine Meinung zum Thema Kinderrechte veröffentlichen.

Am 20. November ist der Jahrestag der UN-Konvention über die Rechte des Kindes. Dieses „weltweite Grundgesetz“ für Kinder wurde 1989 verabschiedet. Deutschland hat die Konvention 1992 ratifiziert.
Quelle: UNICEF Pressestelle vom 18. November 2011 

November 2011

Bildungspaket gescheitert

Hartz IV-Bildungspaket: Erfolgsmeldung entpuppt sich als Schaumschlägerei

Paritätischer kritisiert Einsparungen zu Lasten einkommensschwacher Kinder

Als Schaumschlägerei kritisiert der Paritätische Wohlfahrtsverband die positive Zwischenbilanz des Bundesarbeitsministeriums zur Umsetzung des Bildungspaketes für Kinder aus Hartz-IV-Haushalten. Auch sieben Monate nach Inkrafttreten der Hartz IV-Reform erhalte die Mehrheit der 2,5 Millionen betroffenen Kinder und Jugendlichen überhaupt keine der neuen Leistungen. Der Verband wirft der Bundesregierung vor, Sparpolitik zu Lasten einkommensschwacher Kinder zu betreiben und fordert eine völlige Neukonzipierung des Gesetzes.

Der Paritätische bestätigt die Angaben des Deutschen Städtetages, dass bisher fast ausschließlich Leistungen für Klassenfahrten und Mittagessen abgerufen werden. Dass hierfür nach den Sommerferien die Zahlen nach oben gehen, sei kein Erfolg, sondern liege auf der Hand. „Alle anderen Leistungen wie Nachhilfe oder Zuschüsse zur kulturellen und sportlichen Teilhabe wurden von vorneherein falsch angelegt. Entweder sind die Hürden zu hoch oder die Zuschüsse zu gering, als dass die Eltern die Leistungen überhaupt in Anspruch nehmen könnten. Selbst für das von Frau von der Leyen eingerichtete Beratungstelefon zum Bildungspaket werden happige Gebühren genommen, die eindeutig abschrecken“, kritisiert Hauptgeschäftsführer Ulrich Schneider.

Sollten die Angaben des Deutschen Städtetages stimmen, dass bisher maximal 44 Prozent der Anspruchsberechtigten Leistungen aus dem Bildungspaket beantragt haben, führt das nach Schätzungen des Paritätischen allein im Haushaltsjahr 2011 zu Minderausgaben und damit Einsparungen von rund einer halben Milliarde Euro. „Das Bildungspaket entpuppt sich als Sparpaket. Das ist keine Bildungsoffensive für arme Kinder, sondern ganz offensichtlich die für die Bundesregierung kostengünstigste Form, das Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Februar 2009 umzusetzen“, so Schneider.

Der Paritätische fordert eine grundlegende Reform des Gesetzes. „Das Gesetz ist in der Praxis gescheitert und nicht mehr zu retten. Die Teilhabeleistungen müssen vollkommen neu konzipiert werden, um einfach und unbürokratisch für alle Kinder zugänglich zu sein“, fordert Schneider.
Quelle: DPWV vom 2. November 2011

Kultusminister ignorieren die Ziele der UN-Behindertenrechtskonvention

Nach über zwei Jahren Beratung sind die heute veröffentlichten Empfehlungen der Kultusministerkonferenz eine tiefe Enttäuschung. Anstatt das gemeinsame Lernen von Kindern mit und ohne Behinderungen voranzubringen, bleiben die KMK-Empfehlungen ein zahnloser Tiger. Den in der UN-Behindertenrechtskonvention festgeschriebenen Vorrang des gemeinsamen Lernens lassen die Empfehlungen außer Acht. Das Recht behinderter Kinder auf Regelschule wird weder anerkannt noch umgesetzt. Unter dem Begriff der Inklusion will die KMK alles verstanden wissen, was die Bildungslandschaft in Deutschland heute schon vorsieht. Vor dem Hintergrund einer Integrationsquote von unter 20 Prozent ist das nicht akzeptabel.

Damit ignoriert die Kultusministerkonferenz maßgebliche Wertsetzungen des Artikels 24 der UN-Behindertenrechtskonvention. Wer die inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen ernsthaft verwirklichen will, darf nicht nur den Mund spitzen, sondern muss auch pfeifen. Behinderte Kinder brauchen ein verbindliches Zugangsrecht zur Regelschule.
Quelle: Sozialverband Deutschland/SoVD vom 25. November 2011

Oktober 2011

Familienministerin Schäfer stellt erste repräsentative NRW-Studie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht der Beschäftigten vor

NRW-Familienministerin Ute Schäfer hat am 11. Oktober 2011 in Düsseldorf die erste repräsentative NRW-Studie zur Vereinbarkeit von Familie und Beruf aus Sicht der Beschäftigten vorgestellt. Als zentrales Ergebnis bezeichnete Schäfer, dass 60 Prozent der Befragten erklärten, die Möglichkeit, Familie und Beruf miteinander zu verbinden, habe sich in den vergangenen Jahren in Nordrhein-Westfalen zwar grundsätzlich verbessert, bei konkreten familienfreundlichen Maßnahmen sei allerdings noch viel zu tun.

„Die Unternehmen in Nordrhein-Westfalen sind auf einem guten Weg, allerdings noch lange nicht am Ziel angekommen. Vor dem Hintergrund der bekannten demografischen Entwicklung müssen die Unternehmen bereits heute und zukünftig noch mehr verstärkt Frauen für den Arbeitsmarkt gewinnen. Voraussetzung dafür sind – und zwar in allen Positionen – familienfreundliche Rahmenbedingungen. Deshalb haben sich inzwischen immer mehr Unternehmen und Verwaltungen zum Ziel gesetzt, ihre Personalpolitik familienbewusst auszurichten“, erklärte Schäfer.

Inwieweit das in Nordrhein-Westfalen aus Sicht der Beschäftigten tatsächlich gelingt, hat das Familienministerium jetzt erstmalig im Rahmen einer repräsentativen Studie vom „Forschungszentrum Familienbewusste Personalpolitik“ an der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster unter der Leitung von Prof. Dr. Irene Gerlach untersuchen lassen. Mit der Studie sind erstmals in einem Bundesland auf Basis einer repräsentativen Stichprobe 1.000 Beschäftigte selbst zu Wort gekommen. Gefragt wurde, wie sie aus heutiger Sicht die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in ihrem Unternehmen beurteilen.

Auf den ersten Blick erstaunlich ist dabei die deutlich unterschiedliche Bewertung der Vereinbarkeitsfrage durch Männer. „Männer beurteilen die Möglichkeit, in ihrem Unternehmen Familie und Beruf miteinander vereinbaren zu können, deutlich negativer als Frauen. Und das, obwohl in der Regel immer noch die Frauen die damit verbundene Mehrbelastung zu tragen haben. Dieser scheinbare Widerspruch erklärt sich dadurch, dass Frauen in der überwiegenden Mehrzahl unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen in den meisten Unternehmen die Teilzeit als einzige Möglichkeit der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für sich erkennen“, sagte Schäfer. Da es mittlerweile einen rechtsverbindlichen Teilzeitanspruch gebe, beurteilten Frauen die Situation positiver. „Für Männer hingegen stellt Teilzeit keine Option dar“, erklärte Schäfer. Sie beantworteten die Frage nach der Vereinbarkeit von Familie und Beruf unter dem Gesichtspunkt, beides in Vollzeitbeschäftigung miteinander verbinden zu können. Und da falle die Antwort immer noch negativ aus.

„Frauen sind demnach eher bereit, sich zu arrangieren, auch wenn sie dadurch Nachteile erfahren. Denn dauerhafte Teilzeit ist für viele Frauen keine wirkliche Chance, sondern eine Sackgasse, die in Karriereknick und Altersarmut münden kann“, so die Ministerin. Hier gelte es neue Modelle zu entwickeln, die eine tatsächliche Parallelität von Familie und Beruf ermöglichten. „Einen Ansatz dazu bietet beispielsweise die so genannte vollzeitnahe Teilzeit im Umfang von rund 30 Wochenstunden. Zeitliche Entlastung können zudem ebenso Arbeitszeitkonten wie auch die Arbeit im Home Office schaffen, die eine flexiblere Einteilung der Arbeitszeit orientiert an den Erfordernissen der Familien erleichtern. Mehr Flexibilität bei der Arbeitszeitgestaltung und dem Arbeitsort, mehr konkrete Hilfestellungen bei der Betreuung und bei der Haushaltsbewältigung – das sind Aufgaben, die sich aus den Antworten der Beschäftigten ableiten lassen. Das Reden über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf war und ist wichtig, nun ist allerdings auch konkretes Handeln angezeigt. Wir werden als Landesregierung weiterhin die Wirtschaft dabei unterstützen“, sagte Schäfer.

Ministerium für Familie, Kinder, Jugend, Kultur und Sport des Landes Nordrhein-Westfalen vom 11. Oktober 2011

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September 2011

Petitionen zum Art. 42 „Bekanntmachung der Kinderrechte“ der UN-Kinderrechtekonvention in Deutschland

Heike Harrioson, Kooperationspartnerin des ABA Fachverbandes hat inzwischen eine Petition an alle deutschen Bundesländer eingereicht mit dem Ziel, die Kinderrechte in Deutschland auf breiter Ebene bekannter zu machen. Seitens des Bundeslandes Bremen ist die Petition mittlerweile angenommen und veröffentlicht worden.

Sehr geehrte Damen und Herren,

durch die Ratifizierung der UN-Kinderrechtekonvention hat sich die Bundesrepublik Deutschland verpflichtet, die Kinderrechte bekannter zu machen. Durch Anfrage an die Bundesregierung konnten wir erfahren, dass die Kinderrechte „nur“ durch Internetseiten und Flyer bekannter gemacht werden. Durch Studien ( z.B. Deutsches Kinderhilfswerk, World Vision) konnte auch erwiesen werden, das nur jedes 7. Kind seine Rechte kennt. Damit ist ja klar erwiesen, das die Bundesregierung nur einen Ansatz ihrer Verpflichtung folgen konnte.

Wie kann man Kinderrechte bekannter machen ?

Kinder und Jugendliche gehen in die Schule. Die Schule ist ein Ort des Lernens und Lebens. Wir sind der Auffassung, der beste Ort für die Bekanntmachung der Kinderrechte, ist die Schule. Die Kinderrechte stehen zwar schon in den Lehrplänen mancher Orts, aber immernoch nicht in den Fächern wo wir eigentlich erwarten, das politisches Grundwissen, die Rechte der Kinder und Demokratieverhalten gelehrt werden. Deshalb möchten wir mit dieser Petition erreichen, das alle Kinder in Deutschland die Kinderrechte in den Fächern Politik, Gesellschaftslehre und Sachkunde erlernen und dieses auch für alle Schulen verbindlich ist. Durch eine vorangegangende Petition an das Land NRW haben wir das schon durchsetzen können und wir hoffen, das Sie uns und die Kinder Ihres Bundesland dabei unterstützen, die Kinderrechte zu lernen und zu erleben.

Lieber Petitionsausschuss.. wir haben von z.B. Prof. Dr. Jörg Maywald, Vorsitzender und Sprecher der Deutschen Liga für das Kind und der AGj ( National Coaltion) , von Frau Dr. Heide-Rose Brücker ( Geschäftsführerin des DkHW), von Prof. Klaus Hurrelmann ( Studie der World Vision über die Kinder 2010) Statements erhalten, warum es so wichtig ist, das die Kinder ihre Rechte kennen und leben sollen. Wir stellen Ihnen diese bei Nachfrage gerne zur Verfügung. Außerdem würden wir Ihnen auch auf Nachfrage gerne die Beschlussmitteilung des Petitionsausschusses NRW zusenden.

Es ist uns sehr wichtig, das die Kinder und Jugendlichen verbindlich ihre Rechte kennen. Somit haben wir uns auch Gedanken gemacht, wie das Lehrpersonal geschult werden kann. Da wir sehr enge Kontakte mit den Kinderhilfswerken pflegen, habe diese uns angeboten in Workshops das Lehrpersonal zu unterstützen.

Über eine positive Antwort würden wir uns sehr freuen und wir stehen Ihnen gerne für alle Fragen zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen,

Heike Harrison

Petiton bei der Bremischen Bürgerschaft unterzeichnen (Zeichnungsfrist: 7. November 2011)

 

August 2011

UN-Bericht: Hartz IV verhindert keine Armut

Der aktuelle Bericht der Vereinten Nationen nimmt das deutsche Sozialsystem in die Mangel. So steht dort unter anderem, dass Hartz IV keinen „angemessenen Lebensstandard“ gewährt und das Auftreten von Armut nicht verhindert.

Der aktuelle UN-Bericht kritisiert das Sozialsystem in Deutschland. Der UN-Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zeigte sich zutiefst besorgt, da zahlreiche bereits beanstandete Missstände nicht beseitigt und Empfehlungen der UN nicht umgesetzt wurden. Zum Beispiel sind aus Sicht der UN „konkrete Maßnahmen notwendig, damit Kinder aus besonders armen Familien ausreichende Mahlzeiten erhalten.“ Laut einer Studie geht jedes vierte Kind ohne Frühstück in die Schule. Scharfe Kritik äußerten der UN-Ausschuss auch an dem Grundsicherungssystem. Beziehern der Grundsicherung, Sozialhilfe und Hartz IV werde auf diese Weise kein „angemessener Lebensstandard” gewährt. Zudem zeigte man sich besorgt darüber, dass die reale Arbeitslosigkeit in den neuen Bundesländern deutlich höher ist, als in Westdeutschland. Demnach ist die Erwerbslosenquote im Osten doppelt so hoch wie im Westen.

Bundesregierung weist UN-Kritik zurück

Die schwarz-gelbe Bundesregierung will von der Kritik nichts hören und weist jegliche Verantwortlichkeit von sich. „Die Kritik im vorläufigen Bericht des UN-Unterausschusses ist in weiten Teilen nicht nachvollziehbar und auch nicht durch wissenschaftliche Fakten belegt”, so der Pressesprecher des Bundesarbeitsministeriums in Berlin. Man wolle zu einem späteren Zeitpunkt auf die Vorwürfe eingehen, bedauere aber, dass der UN-Bericht kaum mit Fakten dient.

Armuts-TÜV gefordert

Der Vorsitzende der LINKEN, Klaus Ernst, forderte nach Bekanntwerden der UN-Kritik, an der deutschen Sozialpolitik einen „Armuts-TÜV“ für die Sozialsysteme einzuführen. „Der Bericht der UN ist ein beschämendes Dokument des Scheiterns aller Regierungen seit der Wiedervereinigung. Wenn per Gesetz Löhne, Renten und Sozialleistungen gekürzt werden, dann darf sich niemand wundern, wenn die Armut grassiert.“ Ernst forderte die Bundesregierung auf, alle Sozialsysteme auf den Prüfstand zu stellen. Ein sogenannter „Armuts-TÜV“ soll ermitteln, ob die jeweiligen Sozialleistungen ein Auftreten von Armut verhindern können oder sogar zu einer noch größeren Armut führen. Zudem benötige man endlich einen flächendeckenden Mindestlohn sowie eine verfassungskonforme Mindestsicherung für Erwerbslose und eine gesetzliche Mindestrente für Rentner.

Erwerbslosengruppe zeigt sich empört und macht auf die Regelsatz-Klage aufmerksam

Da die offensichtlich unbelehrbare CDU-Bundessozialministerin von der Leyen die „tief besorgte“, wiederholte Kritik des neuesten Staatenberichts der Vereinten Nationen an Deutschlands sozialen Missständen wieder einmal nur „nicht nachvollziehbar“ findet, „wird es endlich höchste Zeit, dass ihr das Bundesverfassungsgericht noch einmal nachdrücklicher klar macht, welche Verantwortung sie hier endlich übernehmen muss,“ empört sich Hartz4-Plattform Sprecherin Brigitte Vallenthin. Die Initiative verweist auf aktuell drei laufende Verfahren, die die Verfassungswidrigkeit der Umsetzung von Hartz IV anprangern. „Die von unserer Bürgerinitiative unterstützten Sozialgerichts-Klagen in drei Bundesländern betreffen die Höhe des Regelsatzes, die Sanktionen sowie das so genannte Bildungspaket – und zwar alle mit dem Antrag zur Vorlage und Überprüfung beim Bundesverfassungsgericht.“

Die Hartz IV-Regelsatz-Klage hat im vorgeschalteten Eilverfahren zu einem erschütternden Ergebnis geführt: Das Sozialgericht meinte, fast 12 % Unterschreitung des „menschenwürdigen Existenzminimums“ könne keine Notlage und damit Eilbedürftigkeit begründen. Die Klage basierte auf den verfassungsrechtlichen Bedenken von Prof. Dr. jur. Johannes Münder, Technische Universität Berlin, der von einer Mindest-Regelsatzhöhe von 412 € ausgeht. Für eine Chance auf eine zuvor ermittelte Regelsatzhöhe um 600 € sieht die Hartz4-Plattform inzwischen ebenso wenig Aussicht in Karlsruhe wie auch für die Anfechtung der EVS zugunsten einer Warenkorb-Methode. Denn dadurch, dass der ehemalige Kläger beim Bundesverfassungsgericht die Weiterführung seiner Klage beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zurückgenommen hat, dürfte eine solche rechtliche Prüfung gleichzeitig gekippt sein. „Die Annahme, dass die Verfassungsrichter ihr eigenes Urteil vom 9. Februar 2010 dahingehend korrigieren würden, dürfte im Reich der Illusionen angesiedelt sein“, resümiert Brigitte Vallenthin enttäuscht.

Der aktuelle Ablehnungsbeschluss des Sozialgerichts Hannover kommt zu dem Ergebnis:

„Höhere Leistungen könnten dem Antragsteller (…) allenfalls aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts, mit der die aktuelle Rechtslage für mit dem Grundgesetz unvereinbar erklärt würde, zustehen. Eine solche Entscheidung liegt aber nicht vor. Das Gericht sieht sich auch nicht veranlasst, den Rechtsstreit auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG einzuholen.“ Das Verfahren befindet sich inzwischen in der Hauptsache-Klage der ersten Instanz beim Sozialgericht.

Die Sanktions-Klage gegen den § 31 SGB II – alter und neuer Fassung – wurde ebenfalls als Eilklage beim Sozialgericht eingereicht. Hier liegt nach Ansicht der Hartz4-Plattform zweifelsfrei eine Notlage vor – und zwar im Sinne des vom Bundesverfassungsgericht am 9. Februar 2010 verkündeten Grundrechts auf unanfechtbares „menschenwürdiges Existenzminimum“. Denn im Urteil der Verfassungsrichter heißt es:

„Das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums (…) sichert jedem Hilfebedürftigen diejenigen materiellen Voraussetzungen zu, die für seine physische Existenz und für ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben unerlässlich sind. Dieses Grundrecht (…) hat (…) neben dem absolut wirkenden Anspruch (…) auf Achtung der Würde jedes Einzelnen eigenständige Bedeutung. Es ist dem Grunde nach unverfügbar und muss eingelöst werden (…).“

Der verfassungsrechtlich Anspruch an die Festlegungen „unerlässlich“ und „unverfügbar“ sowie das „Muss“ an eine „Einlösung“ schließen nach Einschätzung der Hartz4-Plattform einen Eingriff in dieses Grundrecht durch die Hartz IV-Verwaltung zweifelsfrei aus. „Wir können uns nicht vorstellen, dass die Verfassungsrichter für den Hartz IV-Sanktions-Paragrafen-31 eine Ausnahme des verfassungsrechtlichen ‚Anspruchs’ bestätigen würden“, so Brigitte Vallenthin.

Die Klage gegen das Bildungspaket erklärt sich schon fast alleine durch sein öffentliches Scheitern. Die Hartz4-Plattform empfindet es als Skandal, dass das neue Hartz IV-Gesetz nicht nur gegen die Vorgaben der Verfassungsrichter zur transparenten Ermittlung der Kinderregelsätze verstößt, sondern obendrein ihren individuellen Anspruch auf Bildung und Teilhabe vom Regelsatz abtrennt und auf Kosten der Steuerzahler zu einem stigmatisierenden, bürokratischen Monster aufbläht. „Es wundert deshalb nicht, dass diesen datenschutz- und verfassungsfeindlichen Hürdenlauf aus vielen guten Gründen nur Wenige auf sich nehmen können“, stellt Brigitte Vallenthin fest. Die Eilklage zum so genannten Bildungspaket wird in Kürze eingereicht.

„Bei der UN-Menschenwürde-Kritik an Deutschland geht es nicht um „wissenschaftliche Fakten“ – mit deren Fehlen sich Ministerin von der Leyen rauszureden versucht –, es geht um reales, individuelles, täglich gelebtes Leiden in Deutschland,“ fasst die Hartz4-Plattform Sprecherin zusammen. „Ich schäme mich für eine Bundesregierung, die andernorts Menschenrechte einfordert, aber gleichzeitig die am weltweiten Maßstab der Menschenwürde gemessenen und mit Besorgnis wiederholt geäußerten Missstände im eigenen Lande lapidar mit „nicht nachvollziehbar“ beiseite schiebt. Und ich bin enttäuscht von Richtern, die den Wert von 48 Euro mehr im Monat offenbar nur am Maßstab ihres eigenen Einkommens als „Peanuts“ messen. Wir erwarten, dass sich die Richter in Sachen Sanktionen und Bildungspaket bereits im Eilverfahren eher dem Maßstab des Bundesverfassungsgerichts sowie des weltweiten Maßstabs der Menschenwürde der Vereinten Nationen verpflichtet fühlen, “ hofft Brigitte Vallenthin. (pm, sb)

gegen-hartz.de vom 7. Juli 2011

Vereinte Nationen fordern konsequenten Menschenrechtsansatz für deutsche Sozialpolitik

Deutliche Kritik, verpackt in diplomatische Worte, hat der Ausschuss für wirtschaftliche, soziale und kulturelle Menschenrechte der Vereinten Nationen (UN-Sozialausschuss) kürzlich in seinem am 20. Mai veröffentlichten Bericht an der deutschen Sozialpolitik formuliert. Mit seinen Anmerkungen hat der Ausschuss die Bewertung des bereits 2008 von der Bundesregierung vorgelegten 5. Staatenberichts abgeschlossen.

Berechnungsgrundlagen für Arbeitslosengeld II noch immer zweifelhaft

Der UN-Sozialausschuss zweifelt zunächst an, dass die Bundesregierung mit den Gesetzen zur Umsetzung der Bundesverfassungsgerichtsentscheidung zu dem Grundrecht auf ein „menschenwürdiges Existenzminimum“ (Urteil vom 9.2.2010) tatsächlich bereits einen Berechnungsmaßstab gefunden hat, der das Menschenrecht auf einen angemessenen Lebensstandard aus Artikel 11 des UN-Sozialpaktes sicherstellt. In diesem Zusammenhang fordert der Ausschuss die Bundesregierung unter anderem auf, die Höhe der gewährten Leistungen, insbesondere auch für Kinder, erneut – und später regelmäßig – daraufhin zu kontrollieren, ob sie dem tatsächlichen Bedarf entsprechen.

Breites Konzept zur Armutsbekämpfung gefordert

Erstmals fordert der UN-Ausschuss darüber hinaus die Bundesregierung auf, ein konsistentes Konzept zur Armutsbekämpfung innerhalb Deutschlands vorzulegen und darin ausdrücklich den Menschenrechten – einschließlich des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard und des darin enthaltenen Rechts auf Ernährung – Raum zu gewähren. Aus Sicht FIANs bedeutet dies vor allem die Betonung der Tatsache, dass die Vernachlässigung der inländischen Armutsbekämpfung keine „lässliche Sünde“ ist, sondern eine Verletzung grundlegender Menschenrechte. Tim Engel, Sprecher des FIAN-Arbeitskreises Recht auf Nahrung in Deutschland und Mitglied des FIAN-Vorstands, betont: „Der UN-Sozialausschuss hat gegenüber der Bundesregierung deutlich gemacht, dass Armutsbekämpfung keine Gnade des Staates ist, sondern eine menschenrechtliche Pflicht, die die Bundesregierung bislang nicht ausreichend erfüllt hat.“

Ernährung armer Kinder nicht sichergestellt

FIAN hatte sich mit weiteren Nichtregierungsorganisationen an einem Parallelbericht zu der Vorlage der Bundesregierung beteiligt und an Anhörungen vor dem UN-Ausschuss im Mai teilgenommen. Dabei hatte FIAN unter anderem kritisiert, dass die Regelleistungen für BezieherInnen von Arbeitslosengeld II nach wie vor nicht den tatsächlichen Bedarf decken, der zur Erfüllung des Rechts auf einen angemessenen Lebensstandard notwendig ist und nicht zuletzt Kinder mit dem bestehenden Regelsatz nicht qualitativ ausreichend ernährt werden können. Ute Hausmann, Geschäftsführerin von FIAN Deutschland, erklärt hierzu: „Der UN-Ausschuss hat die Bundesregierung in seinem Bericht nachdrücklich aufgefordert, sicherzustellen, dass gerade Kinder aus armen Familien ausreichenden Zugang zu Nahrung bekommen und sie diese tatsächlich erhalten.“ Darüber hinaus hatte FIAN moniert, dass für die Gewährung von Leistungen an AsylbewerberInnen bislang kein ausreichender Berechnungsmaßstab vorliegt und diese zudem immer noch in einigen Bundesländern mit Sach- statt Geldleistungen versorgt und damit in ihrem Recht auf freie Nahrungswahl verletzt werden.

Zusatzprotokoll für Individualbeschwerdeverfahren noch nicht ratifiziert

Schließlich hat der UN-Ausschuss die Bundesregierung in seinen Anmerkungen auch darin bestärkt, das Zusatzprotokoll zum UN-Sozialpakt, mit dem ein sog. Individualbeschwerdeverfahren geschaffen werden soll, zu ratifizieren. Dies entspricht Forderungen von FIAN und anderen Nichtregierungsorganisationen, für die nicht nachvollziehbar ist, dass die Bundesregierung bei der Ratifizierung – angesichts ihres früheren Engagements für die Schaffung des Beschwerdeverfahrens – nunmehr auf der Bremse steht und damit ihren eigenen Bürgern ein Beschwerderecht zum UN-Sozialausschuss vorenthält.

FIAN – FoodFirst Informations- & Aktions-Netzwerk/Sektion der Bundesrepublik Deutschland e.V. vom 6. Juli 2011

frauTV: Hartz IV-Empfänger bezahlen das Bildungspaket

Zählt man all die Zahlen zusammen, ergibt sich ein Einsparvolumen von 7,1 Milliarden. Mit 6 Milliarden ist das Bildungspaket veranschlagt. Insgesamt ca. 1,1 Milliarden sind für die fünf bzw. acht Euro mehr veranschlagt, die jeder Hartz IV Empfänger bekommen soll. Bezugsberechtigt sind ca. 3 Millionen. Geht man beim Bildungspaket dann noch davon aus, dass nicht jedes Kind Anspruch auf den vollen Leistungsumfang hat und vielleicht nur 10 Euro/Monat für den Sportverein braucht, zeigt sich schon, wie gut das Bildungspaket zugunsten des Staates – der jetzt ja auf jeden Fall Gewinn mit dem Bildungspaket macht – kalkuliert ist. Bedenkt man, dass von den 2,5 Millionen Berechtigten bislang gerade mal zwei Prozent Anträge gestellt haben, erweckt das den Anschein, als seien die 6 Milliarden nicht für das Bildungspaket, sondern auch zugunsten des Staates kalkuliert. Denn so wie es jetzt aussieht, gibt der rund 1 Milliarde für das Bildungspaket aus und streicht im Gegenzug 5 Milliarden ein.

Kompletter Bericht bei frauTV

Tafeln: Trotz Aufschwung nimmt Armut in Deutschland zu

Der Wirtschaftsaufschwung der vergangenen Monate hat nicht zu einem Rückgang der Hilfsbedürftigen bei den Tafeln geführt. Im Gegenteil: Die Zahl der Empfänger der Lebensmittelhilfe habe in den vergangenen zwölf Monaten sogar leicht auf 1,3 Millionen Menschen zugenommen, gab Gerd Häuser, Vorsitzender des Bundesverbandes Deutsche Tafel, am Dienstag in Kassel bekannt. Vor allem sei der Anteil der Kinder und der alten Menschen gestiegen. Von Donnerstag bis Samstag findet in Kassel das 17. Bundestafeltreffen statt.

Häuser erneuerte seine Forderung nach einem Bundesbeauftragten für Armut. „Armut ist leider ein unübersehbarer Bestandteil unserer Gesellschaft geworden – das muss aus unserer Sicht in einem eigenen politischen Amt abgebildet werden“, sagte er. Das Wachstum der Tafelbewegung hat sich nach Häusers Worten in den vergangenen zwölf Monaten stark verlangsamt. So habe es in diesem Zeitraum lediglich zwölf Neugründungen gegeben. Die Zahl der Tafeln liege nun bei 884. Es gebe praktisch „keine weißen Flecken mehr auf der Tafel-Landkarte“, sagte Häuser.

Positiv entwickelt habe sich die Spendenbereitschaft, ergänzte Schatzmeister Willy Wagenblast. Im Vergleich zu 2009 habe sich das Spendenaufkommen an den Bundesverband 2010 von 2,3 auf nunmehr 4,7 Millionen Euro fast verdoppelt. Der Zuwachs bestehe vor allem in Sachspenden.

Der stellvertretende Vorsitzende Hans Mengeringhaus wies darauf hin, dass jede Neugründung einer Tafel ein Hinweis darauf sei, dass in der betreffenden Region etwas schieflaufe. Eine Neugründung sei daher kein Grund zum Feiern. Froh sein könne man aber über die bundesweit rund 50.000 Menschen, die sich in der Tafelbewegung ehrenamtlich engagierten.

Aktive Bürger Gemeinschaft – Das Informationsmagazin vom 27. Juni 2011

Techniker-Krankenkasse: Psychische Störungen unter jungen Erwachsenen nehmen zu

Der aktuelle Gesundheitsreport befasst sich in diesem Jahr mit der Gesundheit junger Erwerbspersonen und Studierender. Die Auswertungen der Arzneiverordnungsdaten zeigen, dass die gesundheitlichen Belastungen unter den Hochschülern seit der letzten TK-Studie von 2008 weiter zugenommen haben.

Der größte Anteil der an Hochschüler verschriebenen Medikamente entfällt auf Präparate zur Behandlung des Nervensystems. Allein in den letzten vier Jahren verzeichnete die TK in dieser Arzneimittelgruppe einen Anstieg des Volumens von 54 Prozent. Auffällig ist, dass neben den psychischen Belastungen auch Zivilisationskrankheiten wie Bluthochdruck, Diabetes und Stoffwechselstörungen bei jungen Leuten immer häufiger auftreten. Hier geht es also auch um Beschwerden, die vor allem mit dem individuellen Lebensstil zusammenhängen.

Grundlage der Auswertungen bilden routinemäßig erfasste und anonymisierte Daten zu aktuell 3,51 Millionen sozialversicherungspflichtig beschäftigten oder arbeitslos gemeldeten Mitgliedern der Techniker Krankenkasse. Ausgewertet werden Arbeitsunfähigkeits- und Arzneiverordnungsdaten und Daten aus der ambulanten ärztlichen Versorgung.

Broschüre herunterladen (Gesundheitsreport 2011)

Techniker Krankenkasse, Juli 2011

 

Juli 2011

Kinderarbeit: Verstümmelt und verbrüht

Mehr als die Hälfte aller Kinderarbeiter gehen Tätigkeiten nach, die sie an Leib und Leben gefährden. Das zeigt ein Bericht der Internationalen Arbeitsorganisation

Es muss nicht immer der Steinbruch sein. Egal, ob beim Bewässern von Pflanzen, beim Umgang mit Pestiziden und scharfem Farmwerkzeug oder bei der Ernte auf Feldern oder auf Bäumen: Auch Kinder, die in der Landwirtschaft arbeiten müssen, machen einen gesundheitsgefährdenden, oft lebensgefährlichen Job. Sie können sich Muskeln und Knochen verletzen, ganze Gliedmaßen verlieren, Wirbelsäulenprobleme bekommen und sich vergiften oder infizieren. Das zeigt der Report „Children in hazardous work“, den die Internationale Arbeitsorganisation (ILO) am 10. Juni 2011 veröffentlicht hat. 

Das berichte die „taz“ vom 11. Juni 2011. Mehr auf den Seiten der „taz“

Der Kampf gegen die Kinderarbeit wird zum Feigenblatt für die Unterdrückung der Kinder

Stellungnahme von ProNats e.V. zum „Internationalen Tag gegen Kinderarbeit“ 

Die Internationale Arbeitsorganisation (ILO), Genf, hat den 12. Juni zum „Internationalen Tag gegen Kinderarbeit“ erklärt. Sie hat dies getan, ohne die arbeitenden Kinder zu fragen. Sonst hätte sie zu hören bekommen, dass vollmundige Erklärungen „gegen die Kinderarbeit“ zwar das Gewissen der Wohlhabenden dieser Welt beruhigen mögen, den arbeitenden Kindern aber eher schaden als nützen. Mehr noch: der Kampf gegen die Kinderarbeit wird immer häufiger zum Feigenblatt für die Unterdrückung arbeitender Kinder.

Ein paar aktuelle Beispiele aus Lateinamerika:

Kinder, die in Bussen singen oder auf der Straße Kunststücke vorführen, werden als Diebe denunziert und in Kinderknäste gesperrt. In Arequipa (Peru) fanden wir selbst Vierjährige in einem solchen Knast, der sich zynisch „Herberge zur Wiedereinführung der Kinder“ nennt. Eine Gruppe von Kindern und Jugendlichen, die sich „Niños Libres“ (Freie Kinder) nennen, setzt sich für die Befreiung der eingesperrten Kinder und die Achtung ihrer Menschenwürde ein.

Kinder, die auf der Straße Kaugummi verkaufen oder an den Verkehrsampeln Autoscheiben putzen, werden der Bettelei beschuldigt und von der Polizei an unbekannte Orte abtransportiert. Selbst die Eltern erfahren nicht, wo ihre Kinder sind und was mit ihnen geschieht. Solche Praktiken werden in Peru mit einem Gesetz gegen die Bettelei kaschiert und mit einem legalen Mäntelchen versehen.

In anderen Ländern wird die Vertreibung und Verfolgung der Kinder als „Kampf gegen die Armut“ oder gegen die „schlimmsten Formen der Kinderarbeit“ beschönigt. In den innerstädtischen Konsumzonen werden sie privaten Wachdiensten überantwortet, die die Kinder hemmungslos verprügeln und mit dem Tode bedrohen, ohne je dafür bestraft zu werden. Wer die Kinder angesichts dieser „sozialen Säuberungen“ auf ihre Rechte aufmerksam machen will, erntet oft lediglich ein Achselzucken. Das einzige Recht, das wir haben, sagen zum Beispiel Kinder in Guatemala oder Brasilien, ist das Recht, umgebracht zu werden.

Der Kampf gegen die Kinderarbeit macht auch vor kriminellen Verbündeten nicht mehr Halt. In Kolumbien befinden sich heute manche Großmärkte in der Hand von paramilitärischen Gruppen, die nur solche Händler zulassen, von denen sie sich ordentliche Profite versprechen und die ihnen „Schutzgebühren“ entrichten (diese gelten dann als „geimpft“). Bei dieser Gelegenheit werden dann auch gleich die ärmsten Familien mit ihren Kindern abgeräumt. Wer sich dagegen zu wehren versucht, riskiert sein Leben. Die Behörden drücken gern ein Auge zu, da sie sich so der unliebsamen „Kinderarbeiter“ entledigen können und die „Ordnung“ gewahrt sehen, ohne sich selbst die Hände schmutzig zu machen. 

Ist es verwunderlich, dass sich bereits Kinder in „Banden“ zusammentun, um ihr Recht in die eigenen Hände zu nehmen? Viele arbeitende Kinder wiederum schaffen sich eigene Organisationen, um öffentliche Aufmerksamkeit für ihre Probleme zu finden und auf ihrer Menschenwürde zu bestehen. Sie nehmen nicht länger hin, dass die Kinderarbeit auf Kosten ihrer Rechte bekämpft wird. Statt sich weiter vollmundige Erklärungen gegen die Kinderarbeit anzuhören, verlangen sie, dass endlich ihre Stimmen gehört und ihre Rechte ernst genommen werden.

Wir fordern die deutsche Regierung, die Parteien und die Gewerkschaften dazu auf, endlich auf die Stimmen der arbeitenden Kinder des Südens zu hören. Nicht zuletzt von der Kinderkommission des Deutschen Bundestages erwarten wir, dass sie sich nicht – wie gerade zum wiederholten Mal geschehen – auf flammende Appelle gegen die Kinderarbeit beschränkt, sondern sich konkret für die Wahrung der Menschenwürde und der Rechte der arbeitenden Kinder einsetzt. 
ProNATs e.V. vom 12. Juni 2011

Weitere Informationen: www.pronats.de

Kontraproduktive politische Kommunikation

Die Wahlbeteiligung sinkt seit Jahren, Parteien haben Nachwuchsprobleme. Wieso gelingt es nicht mehr, die Jugendlichen für politische Themen zu interessieren? Die von der Friedrich-Ebert-Stiftung beauftragte Studie „Sprichst du Politik“ ist dieser Frage nachgegangen. Zum Artikel von Christian Hermann im Jugendhilfeportal

Umfrage: Bürger wollen mehr mitentscheiden

Die Deutschen sind einer aktuellen Umfrage zufolge offenbar nicht so politikmüde wie vielfach angenommen. Die Bundesbürger würden sich stärker politisch engagieren, wenn man sie in politischen Fragen deutlich mehr mitbestimmen ließe. Laut der repräsentativen Umfrage, die die Bertelsmann Stiftung beim Emnid-Institut in Auftrag gegeben hatte, wünschen sich die Bürger mehr direktdemokratische Beteiligungsmöglichkeiten wie Volksbegehren und Bürgerentscheide. (epd)
taz vom 14. Juni 2011

Kriminalität: Deutschland ist so sicher wie nie

Brutale Angriffe in Bahnhöfen machen Schlagzeilen, sind aber selten. Laut Kriminalstatistik ist die Zahl der Straftaten auf dem niedrigsten Stand seit der Einheit

Die Bilder waren verstörend und sind vielen noch präsent: Ein 18-jähriger Schüler tritt an der Berliner U-Bahnstation Friedrichstraße seinem am Boden liegenden Opfer viermal auf den Kopf – und tanzt danach vor Freude. Wäre nicht ein Tourist dazwischen gegangen, der Mann hätte sterben können.
Doch so schrecklich dieser Angriff vor wenigen Wochen war: Er scheint glücklicherweise eine Ausnahme zu sein – denn insgesamt ist Deutschland offenbar sicherer denn je. 

Das schrieb die „taz“ am 21. Mai 2011. Zum Artikel im „taz“-Archiv

Städte in Bewegung

Das Schlagwort Gentrifizierung ist heute in aller Munde. Der Kampf gegen sie führt unter-schiedlichste Interessengruppen zusammen

Das Zauberwort Stadt hat in den letzten Jahren von Kiel bis Freiburg und von Berlin bis Wuppertal einen erstaunlichen Mobilisierungsschub bewirkt und zu lokalen Bündnissen geführt, die es seit der längst ein-geschlafenen Sozialforumbewegung nicht mehr gegeben hat. Kürzlich trafen sich Hunderte AktivistInnen aus Stadtteilgruppen, Mieterinitiativen und stadtpolitischen Netzwerken zum bundesweiten „Recht auf Stadt“-Kongress in Hamburg, um sich über ihre Ziele und Strategien auszutauschen.

Das schrieb die „taz“ vom 3. Juni 2011. Zum Artikel auf den „taz“-Seiten

Hartz-Reform verfehlt ihr Ziel

Ob vor oder nach der Hartz-IV-Reform: Die Dauer von Erwerbslosigkeit hat sich nicht verändert, ermitteln Arbeitsmarktexperten. Sie stellen die Frage nach dem Nutzen des Systemwechsels

Arbeitslose durch mehr Druck, sprich niedrigere Sozialleistungen und Sanktionen, schneller wieder in Jobs zu bringen, das war die große Rechtfertigung für die Hartz-IV-Reform. Ziel verfehlt, lautet jetzt das Urteil von Sonja Fehr, Soziologin am Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, und des Leipziger Univer-sitätsprofessors Georg Vobruba. „Die Hartz-IV-Reform hat keine deutliche Verkürzung der Arbeitslosigkeitsperioden gebracht.“ 

Zum Artikel im „taz“-Archiv

 

Arme Menschen scheuen regulären Arztbesuch

Immer mehr arme Menschen scheuen wegen der Praxisgebühr und Zuzahlungen den regulären Arztbe-such. Sie kommen etwa in Hannover zu den kostenlosen ärztlichen Sprechstunden, die 1999 ursprünglich für Obdachlose eingerichtet worden sind. Das ist ein Ergebnis einer bundesweit einmaligen Begleitstudie zu dem Sozialprojekt, in dem sich derzeit ein 20-köpfiges Team von Medizinern und Pflegern ehrenamt-lich engagiert. Derzeit leben rund 60 Prozent dieser Patienten in eigenen Wohnungen, etwa 30 Prozent in Heimen für Wohnungslose und nur noch 6 Prozent auf der Straße. (Greenpeace vom 29. Juni 2011)

Zum Bericht von Greenpeace

 

Juni 2011

Bundestag: Kinderlärm ist keine schädliche Umwelteinwirkung

Kinderlärm von Spielplätzen oder Kindertagesstätten muss künftig von Anwohnern toleriert werden. Das hat der Bundestag am Donnerstag, 26. Mai 2011, beschlossen. Die Abgeordneten votierten einstimmig für zwei gleichlautende und daher zusammengeführte Gesetzentwürfe der Koalitionsfraktionen und der Bundesregierung. Gleichzeitig lehnten sie drei Anträge der SPD, der Linksfraktion und von Bündnis 90/die Grünen ab und folgten damit einer Empfehlung des Umweltausschusses.

Minister: Kinder haben das Recht zum Kindsein

Danach ist Kinderlärm „im Regelfall“ keine „schädliche Umwelteinwirkung“ – Klagen von Anwohnern sollen damit praktisch ausgeschlossen werden. Bundesumweltminister Dr. Norbert Röttgen (CDU) sagt zu Beginn der Debatte, mit diesem Gesetzesvorhaben treffe der Gesetzgeber eine „Normentscheidung“ von „gesellschaftspolitischer Bedeutung“: Kinder hätten das Recht „zum Kindsein“. Damit sei auch das Toben, Spielen und Lärmen verbunden. Die „überfällige Korrektur“ der bisherigen Rechtslage sei ein Signal für eine kinder- und familienfreundliche Gesellschaft.

SPD: Regierung bietet über 14-Jährigen keine Lobby

Dies teilen grundsätzlich auch die Oppositionsfraktionen. Sie bemängeln aber, dass das Gesetz nicht weit genug gehe. So unterstrich für die SPD Ute Vogt, Rechtssicherheit gebe es für Familien erst dann, wenn auch „das Baurecht und andere Rechtsvorschriften“ entsprechend geändert würden. Zudem sei der Lärm, der von Spielplätzen und Kindertagesstätten ausgehe, „der Bereich, der am wenigsten Probleme aufwirft“. Wichtiger seien Konflikte um den Lärm von Jugendlichen auf Bolzplätzen und Sportstätten – doch die Bundesregierung drücke sich vor diesem Thema und biete über 14-Jährigen keine Lobby.

Linke: Lärmgrenzen für den Freizeitsport anheben

Auch Ralph Lenkert, Familienpolitiker der Linksfraktion, forderte die Regierung auf, die Lärmgrenzen für den Bereich des Freizeitsports anzuheben. Es sei „absurd“, dass die Grenzwerte für Straßenlärm in Wohngebieten höher liegen als für Sportstätten.

Grüne: Jugendliche wurden komplett vergessen

Für die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen betonte deren familienpolitische Sprecherin Katja Dörner, ohne den Druck der Opposition wäre die Änderung des Bundesimmissionsschutzgesetzes noch immer nicht erreicht, obwohl es bereits im Jahr 2009 erste Beschlüsse dazu gegeben habe. Sie zeigte sich erfreut darüber, dass der Sprecher der Senioren-Union sich mit seiner Haltung, Kinderlärm könne einen Generationenkonflikt hervorrufen, nicht habe durchsetzen können. Dörner forderte eine Klarstellung auch in der Baunutzungsverordnung, die bislang aus „nicht nachvollziehbaren Gründen“ verweigert würde. Auch sie betonte, die Regierung habe bei ihrem Gesetzesvorhaben die „Jugendlichen komplett vergessen“.

CDU/CSU: Nicht alle Klagewege abschneiden

Diese Kritik wies für die CDU/CSU der Umweltexperte Michael Paul zurück. Man sei sich darin einig, dass Kinderlärm zur Gesellschaft und zum Alltag gehöre, müsse aber in Einzelfällen akzeptieren, dass er – wie in der Nachbarschaft zu Krankenhäusern – störend sein könne. Daher habe man sich bewusst dazu entschlossen, „nicht alle Klagewege abzuschneiden“. Die Einheit der Rechtsordnung nach dem Bürgerlichen Gesetzbuchs ergebe, dass das Toleranzgebot, das die Regierung auf einem Rechtsgebiet geregelt habe, auch auf andere Gebiete ausstrahle – er sei optimistisch, dass auch die Zivilgerichte künftig dem Anliegen der Kinder Rechnung tragen würden.

„Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten ermöglichen“

Den Forderungen der Opposition nach einer Bauplanungsrechtsnovelle werde die Koalition nachkommen und damit auch den Bau von Kindertagesstätten in reinen Wohngebieten ermöglichen. Grundsätzlich, so Paul, gebe es einen Unterschied beim Lärm von Kindern und Jugendlichen. Einem Jugendlichen sei es zuzumuten, auch eine längere Strecke bis zu einem Bolzplatz zurückzulegen.

FDP: Für fairen Ausgleich der Interessen sorgen

Die FDP-Familienexpertin Nicole Bracht-Bendt betonte, man müsse auch die Interessen Älterer in den Blick nehmen und für einen „fairen Ausgleich“ der Interessen von Anwohnern und Jugendlichen und Familien sorgen. Grundsätzlich aber handele es sich bei Kinderlärm um „Zukunftsmusik“. (suk)

(Deutscher Bundestag vom 26. Mai 2011)

NRW stockt Kinder- und Jugendfördermittel auf

Düsseldorf (epd). Die nordrhein-westfälische Landesregierung hat die Mittel des Kinder- und Jugendförderplans bis 2015 auf 100 Millionen Euro pro Jahr aufgestockt. Damit fließen jährlich 20 Millionen Euro mehr in die Bereiche Prävention und Bildung, wie die NRW-Familien- und Jugendministerin Ute Schäfer (SPD) am 20. Mai 2011 in Düsseldorf mitteilte. Stärker als bisher stelle der Förderplan die Jugendarbeit für benachteiligte Jugendliche in den Mittelpunkt.

„Wir sind im Begriff, ein Fünftel der jungen Generation zu verlieren“, beklagte die Ministerin. Die Zuversicht auf gute Lebens- und Bildungsperspektiven bei Jugendlichen aus sozial benachteiligten Familien habe weiter abgenommen, sagte sie unter Hinweis auf Ergebnisse der aktuellen Shell-Jugendstudie.
Deshalb setze das Ministerium nicht nur auf ein sozial gerechtes Bildungssystem sowie den Ausbau von Ganztagsschulen, sondern auch auf zusätzliche Angebote in der Kinder- und Jugendarbeit. „Ich wünsche mir eine noch engere Kooperation der Schulen mit außerschulischen Einrichtungen wie Sportvereinen oder Kirchen und Jugendsozialarbeit“, sagte Schäfer. Als positives Beispiel nannte sie das sogenannte Rather Modell, ein 1995 ins Leben gerufenes Projekt für schulmüde Jugendliche in Düsseldorf.

Aus dem Förderprogramm werden nach Angaben der Ministerin Jugendzentren, die Arbeit der Jugendverbände und der kulturellen Jugendarbeit sowie Beratungsstellen, Jugendwerkstätten oder Projekte für schulmüde Jugendliche unterstützt. Erstmals habe das Ministerium vorab Jugendliche im Rahmen von drei Regionalkonferenzen direkt beteiligt. „Es muss uns allen wieder stärker bewusstwerden, dass Kinder- und Jugendarbeit ein wesentlicher Bestandteil unserer Gesellschaft ist“, sagte Schäfer
epd-West sw kat

Warum sich junge Menschen politisch so wenig engagieren

Psychologen der Universität Jena starten Online-Befragung zur Politikverdrossenheit

Warum gehen so wenig junge Menschen ins Wahllokal? Diese und verwandte Fragen zur Politikverdrossenheit untersuchen Jenaer Psychologen aktuell per Online-Befragung.

Ist Europas Jugend wirklich so politikverdrossen und so wenig engagiert, wie permanent behauptet wird? Diese Wahrnehmung scheint recht realitätsnah zu sein, wie ein europaweites Forschungsprojekt, an dem die Friedrich-Schiller-Universität Jena beteiligt ist, derzeit ermittelt.

„Viele Befunde sprechen dafür, dass konventionelle Formen politischer Partizipation unter jungen Menschen abnehmen und politische Apathie und Entfremdung zunehmen, obwohl es ein grundsätzliches Interesse an Politik und sozialem Engagement gibt“, fasst Prof. Dr. Peter Noack die ersten Ergebnisse des 2009 gestarteten Projekts zusammen.

„Die Ergebnisse unserer Interviews zeigen, dass das Ausmaß sowohl konventioneller als auch unkonventioneller Formen von Partizipation bei den Teilnehmern tatsächlich gering ausgeprägt ist“, ergänzt der Jenaer Projektkoordinator Dr. Philipp Jugert und betont: „Allerdings gibt es bedeutende Unterschiede abhängig von Alter und Migrationshintergrund der Befragten bezüglich ihres Verständnisses von Bürgerrechten, der Themen, die für sie relevant waren, und der wahrgenommenen Partizipations-Hindernisse.“

Um die Ergebnisse der qualitativen Erhebungen, bei denen bisher 100 junge Menschen mit deutschem, türkischem und Spätaussiedler-Hintergrund aus zwei Altersgruppen befragt wurden, zu überprüfen, wird aktuell eine Fragebogenerhebung parallel in allen beteiligten acht Ländern durchgeführt. „Dabei soll ein möglichst vollständiges Bild davon entstehen, was junge Leute dazu bewegt, sich zu beteiligen oder was sie daran hindert“, erläutert der Pädagogische Psychologe Peter Noack.

Sein Team von der Universität Jena hat dazu jetzt eine Online-Erhebung gestartet. Daran kann jeder im Alter von 16 bis 26 Jahren teilnehmen, der einen deutschen, türkischen oder Spätaussiedler-Hintergrund aufweist. Der Fragebogen ist im Internet abrufbar. Die Europäische Union fördert das auf insgesamt drei Jahre angelegte Projekt, an dem sieben weitere Länder (Großbritannien, Belgien, Tschechien, Italien, Portugal, Schweden und die Türkei) beteiligt sind, mit insgesamt 1,5 Millionen Euro. Sein Ziel ist es, die Wahrnehmungen und Praktiken zu erörtern, die für politische Partizipation junger Menschen förderlich oder hinderlich sind.

Die Jenaer Psychologen interessiert dabei besonders, wie unterschiedlich Frauen und Männer, jüngere und ältere Personen und Menschen mit und ohne deutsche Staatsbürgerschaft bzw. Migrationshintergrund die Beteiligungsmöglichkeiten in Deutschland einschätzen. Die Antworten auf ihre Befragung sollen klären, ob und in welchem Grad die allseits behauptete Politikverdrossenheit junger Menschen allgemein und Parallelgesellschaften unter Migranten im Besonderen existieren.

Die Befragung soll in einem Jahr wiederholt werden, um zu ermitteln, ob und wie sich Einstellungen und Verhalten über einen längeren Zeitraum verändern, und um Aussagen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge zu ermöglichen. (idw)

Friedrich-Schiller-Universität Jena vom 27. April 2011

Deutscher Kinderschutzbund fordert besseren Schutz von Kindern in TV-Produktionen

Kinder dürfen keine Spielfiguren im medialen Milliongeschäft sein

Auf seiner jährlichen Bundesmitgliederversammlung („Kinderschutztage“) in Berlin hat der DKSB am 7. Mai 2011 einstimmig eine Resolution verabschiedet, die sich vor allem an TV- Produktionsverantwortliche von Casting, Coaching- und Reality-Formaten wendet. Sie sollten sich mit den UN-Kinderrechten befassen und ihre Fürsorgepflicht als Erwachsene wahrnehmen.

In einer Folge der „Super Nanny“ wurde gezeigt, wie eine Mutter ihr fünfjähriges Kind mehrfach schlägt. Der DKSB begrüßt eine Entscheidung der Kommission für Jugendmedienschutz (KJM), welche darin eine Verletzung der Menschenwürde sieht und RTL auf Grund dessen mit einem Bußgeld belegte. Das Kamerateam hätte die Gewalt durch die Mutter gegen das Kind unterbinden müssen. Auch Sendungen aus den Jahren 2010 und 2011 wie „Deutschland sucht den Superstar“, „Abenteuer in Afrika – Deutschlands Teenies beißen sich durch“ oder „Tatort Internet“ sieht der DKSB kritisch. Hier würden Jugendliche zum Teil gedemütigt und entwürdigt.

TV-Verträge, die Mitwirkenden mit Strafen drohen, falls Kinder oder Jugendliche aus einer laufenden Produktion aussteigen wollen, halten die Kinderschützer für sittenwidrig, da sie gegen das Selbstbestimmungsrecht verstießen. Der DKSB appelliert an die Bundesregierung, zu prüfen, ob der Schutz von Kindern in TV-Produktionen im Bundeskinderschutzgesetz geregelt werden kann. Kinder dürften nach Ansicht des DKSB keine Spielfiguren in einem medialen Millionengeschäft sein.
Hier können Sie den Blog-Artikel dazu lesen
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Hier geht es zur Resolution
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Deutscher Kinderschutzbund Landesverband NRW e.V. vom 13. Mai 2011

UNICEF-Bericht „Zur Lage der Kinder in Krisengebieten 2011“

Gefahr für Kinder durch Naturkatastrophen wächst – Aufruf zu mehr Schutz anlässlich der Weltkonferenz zur Eindämmung von Katastrophenrisiken

Anlässlich der im Mai 2011 in Genf stattgefundenen „Globalen Plattform zur Reduzierung von Risiken durch Naturkatastrophen“ stellt UNICEF seinen Bericht „Zur Lage der Kinder in Krisengebieten 2011“ vor. UNICEF ruft darin die Regierungen und die Öffentlichkeit dazu auf, Kinder und Gemeinden besser vor Naturkatastrophen zu schützen.

Jedes Jahr sind heute bereits über 200 Millionen Menschen vor allem in den Entwicklungs- und Schwellenländern unmittelbar von Überschwemmungen, Dürren oder schweren Stürmen betroffen. Nach Schätzungen von UNICEF sind mindestens die Hälfte der Opfer Kinder. Sie werden getötet, verletzt, leiden an Krankheiten durch Mangelernährung, unsauberes Wasser und schlechte hygienische Bedingungen. Die überlebenden Jungen und Mädchen sind oft jahrelang mangelhaft versorgt und können nicht zur Schule gehen.

Rund 70 Prozent aller Katastrophen sind heute klimabedingt. Zu Anfang des Jahrtausends waren es 50 Prozent. UNICEF rechnet damit, dass diese Bedrohung in den Entwicklungs- und Schwellenländern weiter anwachsen wird. In den kommenden Jahren werden jedes Jahr rund 175 Millionen Kinder unter den Folgen extremer Wetterphänomene zu leiden haben – gegenüber 66 Millionen Ende der 1990er Jahre. Diese Entwicklung verhindert Fortschritte bei der Verwirklichung der Millenniumsziele oder macht sie wieder zunichte.

„Kinder in den Entwicklungsländern leiden am häufigsten und am härtesten unter den Folgen klimabedingter Katastrophen“, erklärte Dr. Jürgen Heraeus, Vorsitzender UNICEF Deutschland. „Rechtzeitige Investitionen in die Widerstandskraft der ärmsten Kinder und ihrer Gemeinden ist eine notwendige Antwort auf den Klimawandel. Und es ist der kostengünstigste Weg, mögliche Schäden zu verringern.“

Hilfsaufruf für Kinder in 32 Krisenländern

Der UNICEF-Bericht gibt einen Überblick über die Lebenssituation von Kindern in 32 Krisenländern- und Regionen – zwei Drittel davon auf dem afrikanischen Kontinent. In den oft chronischen und komplexen Krisen verstärken sich Naturkatastrophen, Armut  und von Menschen gemachte Krisen wechselseitig. Am Horn von Afrika, in den Staaten der Sahelzone, aber auch in Ländern wie Pakistan, Afghanistan oder Haiti wachsen ganze Generationen von Kindern in einem permanenten Ausnahmezustand auf.

Naturkatastrophen wirken in solchen schwachen Staaten oder Regionen besonders zerstörerisch. Denn sie treffen Gemeinden, in denen viele Kinder mangelernährt sind, an Krankheiten leiden und nur ein notdürftiges Dach über dem Kopf haben – zum Beispiel in Flüchtlingslagern.

Klimawandel erfordert stärkere Prävention

UNICEF hat im Jahr 2010 in 290 akuten humanitären Krisensituationen in achtundneunzig Ländern der Erde Kindern und ihren Familien geholfen. Angesichts des Klimawandels fordert UNICEF die internationale Gemeinschaft auf, die Gemeinden stärker strategisch auf Notfälle vorzubereiten. Humanitäre Hilfe und langfristige Entwicklungsarbeit müssen besser ineinander greifen.

In Bangladesch und Vietnam konnte UNICEF zum Beispiel die Zahl der Todesfälle bei Stürmen und Überschwemmungen durch bessere Frühwarnsysteme und Zufluchtsmöglichkeiten deutlich senken. Zehntausende Kinder lernen in landesweiten Programmen schwimmen – ein wichtiger Schutz vor Ertrinken.

• In Äthiopien hat UNICEF mit der Regierung ein umfassendes Programm entwickelt, um Kinder vor Mangelernährung zu schützen. Vor den so genannten „Hungerperioden“ informieren Helfer intensiv über Kinderernährung. Bereits geschwächte Kinder werden identifiziert und in Ernährungszentren behandelt. Jährlich können dort heute 200.000 schwer mangelernährte Kinder Aufnahme finden – gegenüber 135.000 in 2009.
• In Myanmar hilft UNICEF den lokalen Behörden, sturmsichere Gesundheitszentren und Schulen einzurichten. Das Land wird häufig von Zyklonen heimgesucht. Ziel ist es, gemeinsam den entwickelten Standard überall in Myanmar zu verbreiten.
• In Zentralasien (Tadschikistan, Kasachstan und Usbekistan) setzt UNICEF gemeinsam mit der Europäischen Kommission ein großes Ausbildungsprogramm für 10.000 Lehrer und Regierungsbeamte um. Sie lernen hier, Katastrophenrisiken einzudämmen und die Sicherheit in Schulen zu verbessern.

Insgesamt braucht UNICEF im Jahr 2011 für seine weltweiten Nothilfeprogramme für Kinder rund 1,4 Milliarden US-Dollar. Das meiste Geld wird nach der Flut in Pakistan (296 Mio.) und dem Erdbeben in Haiti (157 Mio.) benötigt. Auch im Sudan (162 Mio.), Simbabwe (119 Mio.) und der Demokratischen Republik Kongo (115 Mio.) ist der Bedarf an Hilfe für Kinder hoch.

Globale Plattform zur Eindämmung von Katastrophenrisiken

In Genf kommen vom 8. bis zum 13. Mai über 2.000 Experten aus Politik und Wissenschaft, der Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen zusammen. Sie diskutieren über Strategien und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung vor Risiken durch Naturkatastrophen. Die Konferenz ist das wichtigste internationale Forum für Katastrophenvorsorge und Katastrophenhilfe. UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon eröffnet sie am 10. Mai.

UNICEF-Pressestelle vom 9. Mai 2011

Mai 2011

Studie analysiert Verhalten Jugendlicher in sozialen Netzwerken

Facebook, schülerVZ & Co. sind für das soziale Leben Jugendlicher unentbehrlich geworden. Medienpädagogen der Universität Leipzig haben das Verhalten Heranwachsender in sozialen Online-Netzwerken genauer untersucht. Zu Beginn dieses Jahres haben die Wissenschaftler die Ergebnisse dieser Studie in der Sächsischen Landesanstalt für neue Medien und privaten Rundfunk (SLM) in Leipzig präsentiert. Derzeit arbeiten sie zusammen mit Kollegen des JFF aus München am Projekt „Rezeption und Produktion von Information durch Jugendliche in der konvergenten Medienwelt“.
Dahinter steht das Schwerpunktprogramm „Mediatisierte Welten“, das die Deutsche Forschungsgesellschaft (DFG) finanziert. Die Leipziger Medienpädagogen betreiben schon seit 2003 ein Medienkonvergenz-Monitoring, das jedes Jahr einen anderen Schwerpunkt setzt. Prof. Dr. Bernd Schorb erklärt den Ansatz des Projektes aus dem Jahr 2010 über soziale Online-Netzwerke: „Wir haben gefragt, ob die Behauptungen in den Medien über das, was die Jugendlichen im Netz machen, mit dem wirklichen Handeln der Jugendlichen übereinstimmen.“ Dafür wurden über 8.000 Jugendliche im Alter von zwölf bis 19 Jahren direkt in sozialen Netzwerken befragt und 31 Heranwachsende innerhalb einer Paneluntersuchung interviewt. Im Interview spricht Prof. Dr. Schorb über die Ergebnisse des Projektes.

Warum nutzen so viele Jugendliche die Netzwerke?
Schorb:
 Der Hauptgrund ist, dass die Freunde auch drin sind. Soziale Netzwerke sind für den einzelnen Nutzer gar nicht groß: Sie sind lokal, denn man ist hauptsächlich mit den Freunden zusammen, die man auch sonst sieht. Aber sie sind auch Räume, in denen man zusammen sein kann, wenn man räumlich getrennt ist. Außerdem ist man nicht mehr nur in einem Netzwerk, sondern im Durchschnitt in zweieinhalb. Zum Beispiel bei studiVZ und Facebook, weil da alle meine Freunde sind, aber dann bin ich noch bei einem speziellen Netzwerk, das meinetwegen Indie-Musik zum Thema hat.
Welche Rolle spielt dabei der soziale Druck oder die Angst, ausgeschlossen zu werden?

Schorb:
 Das ist schon ganz wichtig. Es gibt ganze Schulen, die in schülerVZ oder im Süden bei den Lokalisten sind. Es ist ganz entscheidend, auch drin zu sein.
Was genau tun die Jugendlichen in den sozialen Netzwerken denn überhaupt?
Schorb:
 Ein Netzwerk hat ja die Funktion der Kommunikation, also mit den Freunden Kontakt zu haben, sich den Freunden darzustellen, aber auch die der Selbstpräsentation. Hierzu gehört es, attraktive Fotos reinzustellen und einfach zu zeigen, wie ich gerne sein möchte. Ganz wichtig ist in einem Alter, in dem man seine Identität herausbildet, die Funktion der Orientierung. Da schaue ich mir die anderen Profile an, schaue nach, wie sich andere darstellen. Ich stelle Fotos von mir rein und schaue, welche Resonanz ich bekomme. Das Netzwerk ist also ein Ort der aktiven Auseinandersetzung mit der eigenen Persönlichkeit.
Welche Trends konnten Sie im Laufe der Jahre wahrnehmen? Oder welche zeichnen sich ab?
Schorb:
 Einmal, dass das Netz mehr aktiv genutzt wird. Es ist also eher ein Kommunikationsnetz, was es früher so nicht war. Aber da muss man unterscheiden, denn bei Wikipedia oder einem eigenen Blog, also bei der Gestaltung von Netzinhalten, sind nur ein bis zwei Prozent aktiv. Sich beteiligen in dem Sinne, dass ich nur abzustimmen brauche oder meine Sachen in ein Formular reinschreibe, dass tun die meisten Jugendlichen. Eine zweite Entwicklung ist die immer stärker werdende Konzentration auf den Computer als Universalmedium. Davon aus sehen die Jugendlichen zum Beispiel auch fern und hören Radio.
Inwieweit kann man sagen, dass Netzwerke den Stellenwert zum Beispiel von einem Handy oder Mail verdrängen?
Schorb:
 Bei Mails ist das so, weil die in die Netzwerke integriert sind. Die Jugendlichen, mit denen wir zusammenarbeiten, haben zwar meist eine Mailadresse, aber nutzen sie nicht. Bei Handys ist es genau umgekehrt, die werden ja so entwickelt, dass sie immer multifunktionaler werden.
In dem Report ging es ja auch um die schlechten Erfahrungen, die Jugendliche in sozialen Netzwerken machen, welche sind das?
Schorb:
 Es ist ganz wichtig zu sehen, dass die sozialen Netzwerke Lebensräume sind wie andere auch. In dem Bewusstsein der Jugendlichen unterscheiden sich diese Lebensräume in ihren Gesetzmäßigkeiten nicht von realen Räumen. Das Dilemma ist, dass im virtuellen Raum keine Zeit existiert. Was ich hier präsentiere, bleibt potenziell ewig da. Das ist vor allem in einem Alter ein Problem, in dem ich gerne mal über die Stränge schlage. Zweitens ist alles, was sie im Netz tun, natürlich auch öffentlich und kann eine größere Wirkung haben. Außerdem gibt es die Gefahr, sich selbst durchsichtig zu machen: Ich werde also dem Kommerz zugänglich, ich liefere einfach alle Daten über mich selbst. Es ist ja eine Unverschämtheit, wie Facebook mit den Daten seiner Nutzer umgeht, sie verkauft und damit seine riesigen Gewinne macht.
Ist es tatsächlich so häufig, dass den Nutzern egal ist, was sie ins Netz reinstellen?
Schorb:
 In einer exhibitionistischen Gesellschaft, in der es sowieso sehr wichtig ist, dass man sich öffentlich präsentiert, ist es den Nutzern möglicherweise auch egal. In unseren Untersuchungen haben einige gesagt: „Was soll diese Frage? Das Netz ist dafür da, dass alles öffentlich wird, also ist das selbstverständlich.“ Es gibt auch die Haltung „das ist heute eben so“, man ist ja damit aufgewachsen. Andere sagen, sie hätten nichts zu verbergen, also könne ihnen nichts passieren. Das ist dieses traurige Argument, das man auch immer wieder hört, wenn Gesetze für die innere Sicherheit verschärft werden. Es ist aber natürlich auch sehr anstrengend, etwas dagegen zu tun.
Facebook macht, was es will. Was wollen Sie denn machen?
Schorb:
 Sie können natürlich wie ich nicht ins Facebook gehen. Aber das müssen Sie sich erst mal leisten können, da müssen Sie erst mal eine Position haben, wo die Leute trotzdem zu Ihnen kommen.
Sie haben ja schon erwähnt, dass Sie die Strategien von Facebook nicht gut finden, sind die VZ-Netzwerke und andere Netzwerke mit deutschem Recht vertrauenswürdiger?
Schorb:
 Es ist graduell besser. Facebook sagt ja ganz offen, dass es alle Daten verkauft und geht diesen höchst problematischen Weg, dass man sich selbst von Funktionen ausklinken muss – statt des umgekehrten Weges, dass man zustimmt. Da gehen die deutschen Netzwerke etwas sensibler vor und erfassen weniger Daten. Andererseits hat Facebook natürlich attraktive Angebote und alle Welt ist auf Facebook, sodass die Attraktion von Facebook größer ist als die von deutschen Netzwerken.
Wie bewusst nutzen denn die Jugendlichen die Privatsphäre-Einstellungen?
Schorb:
 Es ist ein kleinerer Teil, der sie nutzt, aber immerhin 40 Prozent haben diese Einstellungen schon mal vorgenommen. Aber die Privatsphäre-Einstellung hilft ja am Ende auch nicht. Höchstens insofern, dass es von außen schwerer ist, auf mein Profil zuzugreifen.
Die Jugendlichen wollen ein authentisches Profil haben, inwieweit sind denn da die Angaben in den Profilen wirklich wahr oder wie offen präsentieren sie sich da?
Schorb:
 Das ist in dem Monitoring, das wir machen, ein sehr wichtiger Punkt. Es wurde vor Jahren immer wieder behauptet, die Jugendlichen würden sich im Netz zu einer anderen Persönlichkeit machen. Es stellte sich heraus, dass sie das in der Regel sehr ernst nehmen und in der Regel die Wahrheit schreiben. Aber es gibt Jugendliche, die schreiben ins schülerVZ, was für sie als Schüler wichtig ist, in einem anderen Netzwerk, das zum Beispiel ihren sexuellen Neigungen entspricht, meinetwegen Homosexualität, betonen sie mehr diesen Punkt.
Was macht eigentlich der Gesetzgeber im Internet zum Schutz der Jugendlichen?
Schorb:
 Da macht er erst mal gar nichts, denn er hat zwar einen höchst komplizierten Jugendmedienschutzstaatsvertrag ausgearbeitet, den die Bundesländer ratifizieren müssen, aber der Landtag von Nordrhein-Westfalen hat dies abgelehnt. Deshalb gibt es momentan noch die alte Regelung, die kaum Regelungen für den Jugendschutz im Internet hat. Ich finde, der Gesetzgeber müsste geschützte Räume im Netz zur Verfügung stellen, ähnlich wie beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Dort muss man sich bewegen können, ohne dass man für den Kommerz ausspioniert wird, und dort muss man vertrauenswürdige und seriöse Angebote finden. Man sollte öffentlich-rechtliche Plattformen schaffen, die gesetzlich fixiert sind. Ich habe einen Doktoranden, der versucht, das auszuarbeiten.
Auch die Netzwerkbetreiber haben eine Verantwortung; was könnten die denn leisten?
Schorb:
 Ich finde, die könnten bedeutend mehr zur Verantwortung gezogen werden. Aber in dieser Gesellschaft, in der ja die Ökonomie entscheidend ist, geht man an die nicht unbedingt heran. Ich denke, die Betreiber sind letztendlich Verteiler, und wenn eine Zeitschrift auf den Index kommt, dürfen die Verteiler die auch nur noch unterm Ladentisch verteilen. Ich weiß nicht, warum man eine Freiheit im Internet kolportiert, die es in der Wirklichkeit gar nicht gibt.

idw vom 23. März 2011 – Von Susann Huster, Pressestelle der Universität Leipzig – Interview: Anne Ploet

Jugendliche und junge Erwachsene sind Problemgruppe am deutschen Arbeitsmarkt

Bertelsmann Stiftung veröffentlicht international vergleichende Studie zur Beschäftigungssituation der 15- bis 29-Jährigen

Die jungen Erwachsenen im Alter zwischen 25 und 29 Jahren gehören mit einer Arbeitslosenquote von über 18 Prozent zu den Problemgruppen am deutschen Arbeitsmarkt. Das zeigt eine international vergleichende Studie der Bertelsmann Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit in Bonn. Während der Anteil derer, die weder einer schulischen oder beruflichen Ausbildung noch einer Erwerbsarbeit nachgehen, in der Gruppe der 15- bis 19-Jährigen lediglich vier Prozent beträgt, sind es bei den 20- bis 24-Jährigen bereits mehr als 15 Prozent.

Im Vergleich von 27 OECD-Staaten liegt Deutschland damit bei den 15- bis 19-Jährigen nahe an der Spitzengruppe auf dem sechsten Platz, jedoch bei den 20- bis 24-Jährigen und den 25- bis 34-Jährigen nur noch auf den Rängen 16 und 17. In allen drei Altersgruppen schneiden vor allem die Niederlande und Dänemark deutlich besser ab, während Italien, Spanien und die Türkei stets hintere Plätze belegen.

Die gängige Einschätzung einer im internationalen Vergleich geringen Jugendarbeitslosigkeit in Deutschland muss stark relativiert werden und ist vor allem auf die vergleichsweise lange allgemeine Schulpflicht und das weit ausgebaute staatlich geförderte Übergangssystem zwischen Schule und Berufsausbildung zurückzuführen. Die Autoren der Studie gehen davon aus, dass junge Menschen mit Ausbildungshemmnissen zwar zunächst in öffentlich geförderten Maßnahmen unterkommen, diese aber keinen Berufsabschluss vermitteln und somit auch keine nachhaltige Arbeitsmarktintegration gewährleisten können. Auffällig ist, dass in der höchsten Altersgruppe bereits mehr als die Hälfte der Personen ohne Erwerbstätigkeit keine Bindung mehr zum Arbeitsmarkt hat, also nicht aktiv auf der Suche nach einer Arbeit ist.

Nachdem der Ausbildungsmarkt in Deutschland bis zur Mitte der 2000er Jahre sehr angespannt war und noch im Jahr 2006 knapp 50.000 unversorgte Bewerber hervorgebracht hat, ist in der letzten Zeit eine deutliche Entspannung zu verzeichnen. Allerdings sind im letzten verfügbaren Berichtsjahr 2009 je nach Zählweise auch zwischen 346.000 und 381.000 Jugendliche neu in Maßnahmen eingetreten, die auf eine Berufsausbildung vorbereiten sollen. Diese Maßnahmen münden jedoch nicht unmittelbar in eine vollqualifizierende Berufsausbildung. In vielen Fällen fungieren sie eher als Warteschleifen, die zu selten die individuellen Defizite der Teilnehmer beheben. Damit besteht die Gefahr für Jugendliche in solchen Maßnahmen, dass sie danach dennoch keine gestiegenen Chancen auf einen regulären Ausbildungsplatz haben.

Um hier Abhilfe zu schaffen, fordert die Bertelsmann Stiftung im Rahmen ihrer Initiative „Übergänge mit System“ eine grundlegende Reform des Übergangssystems. Demnach soll der Maßnahmendschungel für Bewerber ohne Ausbildungsplatz auf zwei Wege reduziert werden: Jugendliche, die in der Lage sind, eine Ausbildung zu absolvieren, sollen eine Ausbildungsgarantie erhalten. Jugendliche mit besonderem Förderbedarf sollen hingegen zielgerichtet zur Ausbildungsreife geführt werden und eine verbindliche Anschlussperspektive erhalten.

Die Beschäftigungsquoten für junge Menschen in Deutschland, die sich nicht mehr im schulischen oder beruflichen Bildungssystem befinden, weisen im internationalen Vergleich eine hohe Spreizung auf. Einerseits sind Hochschulabsolventen auffällig gut in den Arbeitsmarkt integriert, andererseits fällt die Beschäftigungsquote für Geringqualifizierte sehr niedrig aus. Jugendliche mit mittlerer Qualifikation, also mit Abitur oder einer abgeschlossenen Berufsausbildung, liegen bei der Beschäftigung im Mittelfeld. Das Risiko der Langzeitarbeitslosigkeit liegt für alle drei Qualifikationsgruppen in Deutschland in der Altersgruppe der 25- bis 34-Jährigen relativ hoch. So sind zwei von drei arbeitslosen Geringqualifizierten ohne weiterführenden Schulabschluss und ohne abgeschlossene Lehre länger als sechs Monate ohne Beschäftigung. Bei den jungen Erwachsenen mit Abitur oder abgeschlossener Berufsausbildung sind es 60 Prozent.

„Insgesamt fällt auf, dass die Arbeitsmarkt- und Bildungsteilhabe in Deutschland mit zunehmendem Alter junger Menschen abnimmt“, sagte Eric Thode, Arbeitsmarktexperte der Bertelsmann Stiftung, bei der Veröffentlichung der Studie. „Eine derart negative Entwicklung finden wir sonst nur noch in Tschechien. In Deutschland sind nach wie vor viel zu viele junge Menschen mit Ausbildungshemmnissen in staatlich geförderten Qualifizierungsmaßnahmen, die zu keinem anerkannten Berufsabschluss führen. Das Ergebnis ist eine hohe Langzeitarbeitslosigkeit bei jungen Erwachsenen.“

idw vom 29. März 2011 – Von Ute Friedrich, Pressestelle der Bertelsmann Stiftung

Sparen bei der Bildung ist teuer

Zu viele Jugendliche bleiben ohne Ausbildung – Die Folgekosten für die öffentlichen Haushalte liegen bei 1,5 Milliarden Euro – Studie des WZB im Auftrag der Bertelsmann Stiftung

Unzureichende berufliche Bildung führt zu hohen gesellschaftlichen Folgekosten. Jahr für Jahr starten rund 150.000 junge Menschen ohne Ausbildungsabschluss und damit mit schlechten Zukunftsperspektiven ins Berufsleben. Wenn es nicht gelingt, diese Zahl zu halbieren, entstehen für die öffentlichen Haushalte Belastungen in Höhe von 1,5 Milliarden Euro pro Altersjahrgang. Das zeigt eine Studie des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB) im Auftrag der Bertelsmann Stiftung. Diese Folgekosten entstehen im Verlauf des Erwerbslebens der Betroffenen durch entgangene Lohnsteuern und Beiträge zur Arbeitslosenversicherung sowie Ausgaben für Arbeitslosengeld und notwendige Sozialtransfers.

„Wer in Deutschland ohne Ausbildungsabschluss bleibt, hat kaum Chancen auf eine erfolgreiche Integration in den Arbeitsmarkt“, sagte Dr. Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, bei der Vorstellung der Studie, verfasst von Prof. Jutta Allmendinger, Prof. Dr. Johannes Giesecke und Dr. Dirk Oberschachtsiek. „Fehlende Ausbildung führt zu hohem Arbeitslosigkeitsrisiko und niedrigen Einkommen“, erklärte Dräger.

Vor allem die Einnahmeverluste aufgrund geringerer Lohnsteuerzahlungen kommen den Staat teuer zu stehen – sie haben einen Anteil von 70 Prozent an den Gesamtkosten. Die Folgekosten fallen zu 40 Prozent auf Bundesebene an, 30 Prozent tragen die Bundesländer und jeweils 15 Prozent entfallen auf die Kommunen und die Bundesagentur für Arbeit.

Die Berechnungen des WZB basieren auf der Annahme, dass es zukünftig gelingt, die Zahl junger Menschen ohne Ausbildungsabschluss zu halbieren. Dadurch würden die öffentlichen Haushalte hochgerechnet auf die nächsten 10 Jahre Folgekosten von insgesamt 15 Milliarden Euro sparen. Der Handlungsbedarf ist dringend: Bereits heute sind in Deutschland mehr als 7 Millionen Menschen im erwerbsfähigen Alter ohne Berufsausbildung.

Einen Großteil der Jugendlichen ohne Ausbildungsabschluss stellt mit 52 Prozent die Gruppe der Hauptschulabsolventen. 22 Prozent umfasst die Gruppe der jungen Erwachsenen ohne jeden Schulabschluss. Mit einem Anteil von 26 Prozent bleiben zunehmend aber auch Realschulabsolventen ohne Ausbildung. Daher fordert die Bertelsmann Stiftung, allen ausbildungsfähigen Jugendlichen eine Garantie auf einen Ausbildungsplatz zu geben. Neben dem dualen System müssten dafür ergänzende, öffentlich geförderte Ausbildungsplätze geschaffen werden.

„Die Kinder, die wir heute im Bildungssystem abhängen, brauchen unsere besondere Unterstützung“, führte Dräger weiter aus. „Gerade Kinder aus sozial benachteiligten Lebensumfeldern müssen Zugang zu sehr guten Krippen und Kitas haben. Schulen in sozialen Brennpunkten benötigen dringend zusätzliche Finanzmittel, hier werden die besten Pädagogen und Schulleiter gebraucht. Sie müssen vordringlich zu echten Ganztagsschulen ausgebaut werden.“

Die Studie zeigt, dass für jeden jungen Menschen ohne Ausbildungsabschluss heute rund 22.000 Euro investiert werden könnten, ohne dass bei den öffentlichen Haushalten künftig zusätzliche Kosten entstehen würden. Zwischen den Bundesländern gibt es dabei je nach Zusammensetzung und Anteil der Jugendlichen ohne Ausbildungsabschluss Unterschiede: Die Folgekosten pro Kopf liegen zwischen 17.000 Euro in Thüringen und Mecklenburg-Vorpommern und 23.000 Euro in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz.

idw vom 12. April 2011 – Von Ute Friedrich, Pressestelle der Bertelsmann Stiftung

Kriminalität geht zurück – Computerdelikte auf dem Vormarsch

Der spürbare Rückgang der Kriminalität in Deutschland um rund drei Prozent im vergangenen Jahr 2010 ist nach den Worten des Bundesvorsitzenden der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Bernhard Witthaut, das erfreuliche Ergebnis der erfolgreichen und engagierten Arbeit der Polizei. Dies dürfe jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, so Witthaut, dass die Kriminalitätsbelastung insgesamt auf einem zu hohen Niveau liege. Zudem zeige die Entwicklung in einzelnen Kriminalitätsbereichen deutlich, dass dort, wo die Polizei auch personell Schwerpunkte setzte, das Kriminalitätsgeschehen zurückgedrängt werden könne, während an anderer Stelle die Straftaten wieder ansteigen. Witthaut: „Unser Personalbestand gleicht einer Bettdecke: Wenn die Nase warm ist, frieren die Füße und umgekehrt.“

Erfreulich nannte Witthaut den Rückgang der Gewalt- und Straßenkriminalität um bundesweit rund 8 Prozent. Witthaut: „Nicht nur der polizeiliche Einsatz, sondern auch die verschiedensten Anti-Gewalt-Projekte unter Beteiligung der Polizei scheinen allmählich Wirkung zu entfalten. Mit großer Sorge aber beobachtet die GdP den drastischen Anstieg von Wirtschafts- und Betrugsstraftaten im Internet.“

Der GdP-Vorsitzende weiter: „Kriminelle nutzen verstärkt die Anonymität des Internets und die Verschleierungsmöglichkeiten moderner Computertechnik. Diese Straftaten aufzuklären, ist enorm personal- und zeitaufwändig. Viele Opfer müssen erleben, dass die oft im Ausland agierenden Täter von der Polizei nicht dingfest gemacht werden können. Das frustriert Opfer und Polizei gleichermaßen.“

Nach den der GdP vorliegenden ersten Trends der Polizeilichen Kriminalstatistik 2010 stieg die Computerkriminalität stark an, so in Nordrhein-Westfalen um 27 Prozent, in Sachsen-Anhalt um 14 Prozent und in Rheinland-Pfalz um 11,5 Prozent.

Gewerkschaft der Polizei – Bundesvorstand vom 8. April 2011

Schulstress verhindert soziales Engagement Jugendlicher

Wie steht es um das Engagement von Jugendlichen in Deutschland?
Kluft zwischen tatsächlichem Engagement und der Bereitschaft, sich zu engagieren

Während das freiwillige gesellschaftliche Engagement älterer Menschen zwischen 1999 und 2009 erheblich zugenommen hat, sank das von Jugendlichen im selben Zeitraum: Entgegen dem Trend von 37 auf 35 Prozent. Insbesondere Jugendliche mit Migrationshintergrund sind mit nur 22 Prozent (2009) vergleichsweise selten engagiert. Dabei würden sich aber 49 Prozent der Jugendlichen gern stärker einbringen, noch mehr sogar Jugendliche mit Migrationshintergrund, nämlich 54 Prozent.

Vor allem Schüler und Studenten haben immer weniger Zeit für freiwillige Tätigkeiten. Ursachen dafür sind Ganztagsschulen, die Verkürzung der gymnasialen Schulzeit von neun auf acht Jahre sowie die Umstellungen auf das Bachelor- bzw. Master-Studium. So engagieren sich 51 Prozent der Gymnasiasten, die in neun Jahren zum Abitur geführt werden, aber nur 41 Prozent derjenigen, die diesen Schulabschluss in acht Jahren erreichen möchten. Die Engagementquote von Ganztagsschülern liegt mit 31 Prozent acht Punkte unter der von Schülern, die mittags Schulschluss haben.

Dabei ist die Bereitschaft, sich stärker freiwillig zu engagieren im Laufe von zehn Jahren um zehn Prozent gestiegen und liegt bei jungen Menschen mit Migrationshintergrund mit 54 Prozent insgesamt sogar deutlich über der Gesamtquote von 49 Prozent. Sie finden aber offensichtlich weniger Möglichkeiten, aktiv zu werden. Während 31 Prozent der „einheimischen“ Jugendlichen beispielsweise Mitglied in einem Verein sind, liegt die Zahl der Jugendlichen mit Migrationshintergrund nur bei 16 Prozent.

„Wir müssen gerade Jugendlichen aus Migrantenfamilien, die mitmachen wollen, den Zugang zu unseren zivilgesellschaftlichen Strukturen erleichtern. Vereine und Organisationen tun gut daran, ihnen die Türen zu öffnen und dieses Potenzial zu nutzen“, sagt Dr. Brigitte Mohn, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung. Mit dem Projekt „jungbewegt“ will sie dazu beitragen, dass junge Menschen früh erfahren, wie bereichernd es ist, Verantwortung zu übernehmen und das Gemeinwesen aktiv mit zu gestalten.

Je jünger, desto eher machen junge Menschen im Sport, in der Kirche, in einer Theater- oder Musikgruppe, in der Schülervertretung, beim Naturschutz oder in den Jugendverbänden mit. Vor allem die Kirche verzeichnet seit dem ersten Freiwilligensurvey Zuwächse bei der Aktivierung von Kindern und Jugendlichen.

Im Vergleich zur Gesamtbevölkerung sind Jugendliche nach wie vor besonders beim Engagement in Politik und Parteien deutlich unterrepräsentiert. Einen erheblichen Rückgang gab es im Bereich „Freizeit und Gesellschaft“. Die Motive der Engagierten zielen stärker auf den individuellen und gesellschaftlichen Nutzen des Engagements – ein Trend weg von der Spaß-Orientierung.

Zu den Ergebnissen kommt eine aktuelle Sonderauswertung des Dritten Freiwilligensurveys des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, die von der Jugendforscherin Sibylle Picot in Kooperation mit TNS Infratest im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt wurde.

Kurzbericht „Jugend in der Zivilgesellschaft – Freiwilliges Jngagement Jugendlicher von 1999 bis 2009“ von Sibylle Picot aus dem April 2011 herunterladen

Bertelsmann Stiftung vom 26. April 2011

Eckpunkte zur Verwirklichung eines inklusiven Bildungssystems

Monitoring-Stelle gibt Ländern „Eckpunkte zur Verwirklichung eines inklusiven Bildungssystems“ vor! Konsequenzen auch für NRW

Es ist das zweite Mal, dass Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle für die Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) am Deutschen Institut für Menschenrechte, in einer presseöffentlichen Stellungnahme mit Berufung auf seine Wächterfunktion die Politik der KMK und der Länder kritisiert. Im August 2010 stellte er klar, dass Zwangszuweisungen zur Sonder-/Förderschule angesichts des individuellen Rechts auf inklusive Bildung für Kinder mit Behinderung rechtlich unzulässig sind und eine menschenrechtliche Diskriminierung im Sinne der Konvention darstellen. Damit widerlegte er auch die Rechtssprechung des Hessischen VGH.

Aktuell hat er „Eckpunkte zur Verwirklichung eines inklusiven Bildungssystems“ (Primarstufe und Sekundarstufen I und II) vorgelegt. Er kritisiert die KMK mit ihrer Position und ihren Empfehlungen zu „Inklusive Bildung von Kindern und Jugendlichen mit Behinderung in Schulen“. Von den Bundesländern fordert er eine zügige Entwicklung von Aktionsplänen und gibt mit seinen Eckpunkten rechtliche Orientierungen dafür vor. Spätestens ab dem Schuljahr 2011/2012 sollen die Länder in der Lage sein, „für Kinder und Jugendliche mit Behinderungen nach individuellem Bedarf ein sinnvolles und qualitativ hochwertiges Bildungsangebot in der allgemeinen Schule“ zu organisieren.  

Qualität und progressive Realisierung für inklusive Bildung

Landespolitischen Tendenzen, inklusive Bildung mit der „heißen Nadel“ zu stricken, stellt sich die Monitoring-Stelle entschieden entgegen. Aichele nimmt Anstoß an der inflationären Verwendung des Begriffs „inklusiv“. Gerade wegen der Abgrenzung zu Integration sei er „präzise und umsichtig als qualitativer Begriff zu gebrauchen“. Verlangt werden Standards für eine qualitativ hochwertige Form des gemeinsamen Unterrichts von Kindern mit und ohne Behinderungen. Er soll an allen Schulformen angeboten und zieldifferent und binnendifferenziert gestaltet sein. Bestimmte Organisationsformen wie Sonderklassen und  Kooperationsklassen verdienen diese Bezeichnung nicht und sollen deshalb auslaufen. „Unterstützungsstrukturen für Schulen und Lehrkräfte sollen rechtlich abgesichert werden.“ 

Ressourcenvorbehalte gegenüber angemessenen Vorkehrungen für inklusive Bildung werden als unzulässig erklärt. Bis zur „Grenze der unbilligen Belastung“ muss nachweislich alles unternommen werden, wobei der Nachweis von dem jeweiligen Kostenträger zu erbringen ist. Klare Sanktionsregeln sind einzubauen für den Fall, dass staatliche Träger angemessene Vorkehrungen verweigern. 

Inklusive Bildung als Recht des Kindes mit Behinderung

Erkennbare Tendenzen in einigen Ländern, das Recht auf inklusive Bildung als Wahlrecht der Eltern auszugestalten, weist er als nicht konventionskonform zurück. „Das Recht auf Inklusion ist ein Recht der Person mit Behinderung“, so Aichele. Eltern sind über dieses Recht aufzuklären und „haben bei der Ausübung der elterlichen Sorge den Leitgedanken der Inklusion zu beachten und ggf. zu erklären, warum sie keine inklusiven Bildungsangebote wahrnehmen“.

Ein Wahlrecht ist „nur übergangsweise vertretbar“. Es darf nachweislich nicht den Aufbau eines inklusiven Bildungssystems verzögern oder untergraben, indem „es die erforderliche Reorganisation von Kompetenzen und Ressourcen für das Regelschulsystem erschwert“.

Ein unbefristetes Doppelangebot von Regel- und Sonderbeschulung für Kinder mit Behinderung ist ebenso wenig zulässig wie der Ausbau des Sonderschulsystems durch neue Sondereinrichtungen. Zu fördern ist dagegen die Umwandlung von Förderschulen zu Kompetenzzentren als „Schulen ohne Schüler“.  

Konsequenzen für NRW

Die rechtlichen Vorgaben der Monitoring-Stelle zur Umsetzung der UN-BRK erfordern ein gründliches Nachdenken und Umdenken auf Länderebene. Das gilt auch für die Ausrichtung der Bildungspolitik in NRW.

Das Schulministerium hat für eine nicht präzisierte Übergangszeit lediglich bestimmt, dass dem Elternwunsch nach inklusiver Bildung weitgehend Rechnung getragen werden soll. Zwangszuweisungen sind damit nicht ausgeschlossen. Die Monitoring-Stelle erwartet dagegen, dass spätestens ab dem nächsten Schuljahr die Länder den individuellen Bedarf nach einem qualitativ hochwertigen inklusiven Angebot in der allgemeinen Schule decken. 

Das Schulministerium will zwar das Recht des Kindes auf inklusive Bildung schulgesetzlich anerkennen und die allgemeine Schule zum Regelförderort machen, gleichwohl sollen Eltern für alle Förderschwerpunkte ein unbefristetes Wahlrecht bekommen. Diese Verquickung von Kindesrecht und Elternrecht ist unzulässig, weil damit  Inklusion als Recht des Kindes mit Behinderung nicht vollständig zur Geltung kommt, sondern auch an den Willen der Eltern gebunden wird. Diese Rechtskonstruktion verfestigt zudem auf unbefristete Zeit die Existenz von Doppelstrukturen, die den Aufbau eines inklusiven Schulsystems erschweren.

Die Umwandlung von Förderschulen zu Kompetenzzentren in der letzten Legislaturperiode stand nicht unter der Maßgabe, eine Entwicklung hin zu einer „Schule ohne Schüler“ einzuleiten. Vielmehr wurde damit die Zuständigkeit der Förderschule ausgeweitet und ihr Bestand abgesichert. Das Schulministerium hat von sich aus eine wissenschaftliche Auswertung dieses Pilotprojektes eingeleitet, um den Beitrag der Kompetenzzentren zum Aufbau eines inklusiven Schulsystems überprüfen zu lassen. 

Unmittelbarer Handlungsbedarf für NRW besteht in der qualitativen Verbesserung des Gemeinsamen Unterrichts und der integrativen Lerngruppen, die als Organisationsformen des gemeinsamen Lernens Kindern mit und ohne Behinderungen angeboten werden, sowie in dem Aufbau von Unterstützungssystemen für die Schulen und ihre inklusive Schulentwicklung. 

Dr. Brigitte Schumann – NRW-Bündnis „Eine Schule für alle vom 6. April 2011

Einwanderer machen sich häufig selbstständig – junge Leute immer seltener

Einwanderer machen sich häufig selbstständig – junge Leute immer seltener: Zu diesen Ergebnissen kommt der GEM-Länderbericht 2010. Die gemeinsame Studie des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung hat das Gründungsverhalten in Deutschland untersucht.

GEM-Länderbericht untersucht Unternehmensgründungen in Deutschland

Migrantinnen und Migranten sind gründungsfreudiger als die einheimische Bevölkerung. In den vergangenen gut drei Jahren haben rund 7 Prozent der Migranten ein Unternehmen gegründet oder waren gerade dabei, es zu tun. Unter den Deutschen ohne Migrationshintergrund waren es nur 4,2 Prozent. Zu diesem Ergebnis kommt eine gemeinsame Studie des Instituts für Wirtschafts- und Kulturgeographie der Leibniz Universität Hannover und des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB). Mit dem diesjährigen Schwerpunktthema „Gründungen durch Menschen mit Migrationshintergrund“ haben die Wissenschaftler die unternehmerischen Aktivitäten von Einwanderern ins Blickfeld gerückt, aber auch, wie in den Vorgängerstudien dieses GEM-Länderberichts 2010, das Gründungsverhalten in Deutschland im Allgemeinen untersucht.

Die höhere Gründungsbereitschaft von Migrantinnen und Migranten scheint häufig eine Reaktion auf die im Vergleich zu Einheimischen schlechteren Chancen am Arbeitsmarkt zu sein. Viele machten aus der Not eine Tugend und entschieden sich für die Selbstständigkeit anstelle von Arbeitslosigkeit, erläutern die Gründungsforscher der Leibniz Universität Hannover. Auffällig ist zudem, dass die von Migranten gegründeten Unternehmen im Durchschnitt größer sind als die von anderen Selbstständigen. Mehr als 70 Prozent beschäftigen bereits bei der Gründung Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter oder beabsichtigen, in Kürze jemanden einzustellen. Bei den einheimischen Gründerinnen und Gründern sind es 50 Prozent.

Die Daten der Studie zeigen zudem einen klaren Trend zu einem abnehmenden Anteil der 18- bis 24-Jährigen unter allen Gründern in Deutschland. Im Jahr 2002 entfielen auf diese Altersgruppe noch 14 Prozent aller Gründer, 2010 nur noch 3,5 Prozent. „Das Ausmaß dieses Phänomens ist in Deutschland größer als in anderen Ländern und lässt sich nicht allein mit dem demografisch bedingten Rückgang der Population dieser Altersgruppe begründen“, erklären die Autoren der Studie.

Generell belegt Deutschland bei der Anzahl der Unternehmensgründungen einen Platz im Mittelfeld der vergleichbaren Länder. Hinsichtlich der Gründungschancen sind Deutsche pessimistischer als Bürgerinnen und Bürger anderer Länder und eher risikoscheu. Die Angst vor dem Scheitern hält sie offenbar relativ häufig davon ab, zu gründen. Bei den Rahmenbedingungen für erfolgreiche Gründungen erhält Deutschland vergleichsweise schlechte Noten. Vor allem bei der schulischen und außerschulischen Vorbereitung auf unternehmerische Selbstständigkeit, den gesellschaftlichen Werten und Normen für ein gutes Gründungsklima sowie beim Arbeitsangebot für neue und wachsende Unternehmen gebe es großen Nachholbedarf, sagen die Wissenschaftler. Dafür schneidet Deutschland bei der Förderinfrastruktur und der Priorisierung des Themas „Unternehmensgründungen“ durch die Politik vergleichsweise gut ab. Von der Wirtschaftskrise sehen sich Gründer in Deutschland 2010 wesentlich weniger beeinträchtigt als noch im Vorjahr. Die Krise taugt laut den Autoren nicht (mehr) als Erklärung für geringe Gründungszahlen.

Die Studie beruht auf den Daten des Global Entrepreneurship Monitors (GEM), einem Forschungskonsortium, das jährlich und weltweit vergleichbare Daten zu unternehmerischen Aktivitäten erhebt. Prof. Rolf Sternberg leitet das GEM-Team an der Leibniz Universität. Die Studie im Internet

idw vom 12. April 2011 – Von Jessica Lumme, Referat für Kommunikation und Marketing der Leibniz Universität Hannover

Kompromiss Hartz IV – nicht verfassungskonform

Anfang 2011 haben Bundestag und Bundesrat die Reformen bei Hartz IV beschlossen. Mit dem Bildungs- und Teilhabepaket bekommen arme Kinder neue Chancen, am kulturellen und sozialen Leben teil zu haben und können an schulischer und außerschulischer Verpflegung teilzunehmen. Die Verbesserung der materiellen Situation für Familien darf aber nicht darüber hinwegtäuschen, dass die bisherigen Vorschläge der Bundesregierung zur HARTZ IV-Reform intransparent, willkürlich und nicht verfassungskonform sind.

Das Bundesverfassungsgericht hat in seinem Urteil vom 9. Februar 2010 darauf hingewiesen, dass insbesondere „ein altersspezifscher Bedarf für Kinder einzustellen (sei), welche die Schule besuchen“. Zusätzlich hat es die Bildung von zwei Altersstufen für verfassungsrechtlich nicht tragfähig gehalten. Demgegenüber wurden in den Vermittlungsgesprächen zwischen Bundestag und Bundesrat die bestehenden zwei Stufen bestätigt. Damit werden Kleinkinder mit Schulkindern auf eine Stufe gestellt. Noch weniger nachvollziehbar ist, dass an der Abschlagsregelung vom Erwachsenensatz festgehalten wurde. Damit drückt sich die Regierung weiterhin darum, die spezifischen Bedürfnisse der Heranwachsenden eigenständig zu berechnen. Jeder weiß, dass z.B. Kleinkinder teure Windeln brauchen und Jugendliche mehr essen als mancher Erwachsener.

Mit der Überarbeitung der HARTZ IV-Sätze hat die Bundesregierung Abschläge von Positionen vorgenommen, die sich aus der Einkommensverbraucherstichprobe (EVS) ergeben. Die entsprechenden wertenden Entscheidungen wurden weder transparent gemacht, noch sind sie aufgrund der allgemeinen Entwicklung der Verbraucherpreise verhältnismäßig.

Eine Studie des Forschungsinstituts für Kinderernährung in Dortmund von 2010 zeigt, dass selbst bei Kindern, die durch wenig Bewegung einen geringeren Kalorienbedarf haben, die ALG-II-Leistung zu gering ist und eine ausreichende Nährstoffaufnahme nur rechnerisch erreicht werden kann.

Deutsches Kinderhilfswerk, April 2011

 

April 2011

Nachtragshaushaltsgesetz NRW 2010 verfassungswidrig

Dies hat der Verfassungsgerichtshof NRW durch heute verkündetes Urteil entschieden und damit einem entsprechenden Antrag der Landtagsabgeordneten von CDU und FDP stattgegeben. Der Verfassungsgerichtshof hat festgestellt, dass das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 wegen Überschreitung der Kreditgrenze gegen Art. 83 Satz 2 der Landesverfassung NRW (LV) verstößt.

In der mündlichen Urteilsbegründung führte Präsident des Verfassungsgerichtshofs Dr. Bertrams hierzu u.a. aus:

Von der in Art. 83 Satz 2 LV normierten Regelverschuldungsgrenze dürfe grundsätzlich nur zur Abwehr einer Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts abgewichen werden. Nach gefestigter Rechtsprechung müsse die Störungslage ernsthaft und nachhaltig sein oder als solche unmittelbar drohen. Die erhöhte Kreditaufnahme müsse außerdem zur Störungsabwehr geeignet und final hierauf bezogen sein. Bei der Beurteilung stehe dem Haushaltsgesetzgeber ein Einschätzungs- und Beurteilungsspielraum zu. Er müsse jedoch nachvollziehbar darlegen, dass die Voraussetzungen für die Überschreitung der Regelverschuldungsgrenze vorlägen. Diese Darlegung müsse im Gesetzgebungsverfahren erfolgen. Ein Nachtragshaushaltsgesetzgeber unterliege insoweit keinen geringeren Darlegungsanforderungen als der Gesetzgeber des Stammhaushalts. Dies gelte auch dann, wenn der Haushaltsgesetzgeber in einem Nachtragshaushalt eine im Stammhaushalt bereits erfolgte Überschreitung der Regelverschuldungsgrenze nochmals erhöhen wolle. Für eine solche Erhöhung bedürfe es in Auseinandersetzung mit der bisherigen Finanzplanung und der aktuellen konjunkturellen Entwicklung einer plausiblen Erklärung, weshalb die bisher veranschlagte Ausgabensumme zur Störungsabwehr nicht mehr ausreichen solle und inwieweit die Erhöhung der Kreditermächtigung im Zeitpunkt des Wirksamwerdens des Nachtragshaushalts die gewünschten konjunkturellen Ziele noch erreichen könne.

Diesen Anforderungen habe der Gesetzgeber nicht genügt. Es sei bereits zweifelhaft, ob der Gesetzgeber das (Fort-)Bestehen einer gesamtwirtschaftlichen Störungslage nachvollziehbar dargelegt habe. Jedenfalls fehle es an einer hinreichenden Darlegung, dass und wie die erhöhte Kreditaufnahme zur Abwehr der angenommenen Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts geeignet sei. Im Gesetzgebungsverfahren seien keine Gesichtspunkte der konjunkturellen Entwicklung aufgezeigt worden, die eine weitere Erhöhung der Kreditaufnahme gegenüber dem Stammhaushalt trotz deutlich verbesserter Wirtschaftslage zur Störungsabwehr plausibel und nachvollziehbar machten. Überdies fehlten Darlegungen, inwieweit die Erhöhung der Kreditaufnahme arbeitsmarkt- und wirtschaftspolitische Maßnahmen habe ermöglichen sollen, die im maßgeblichen Haushaltsjahr 2010 zur Abwehr der gesamtwirtschaftlichen Störungslage hätten beitragen können.

Ob das Nachtragshaushaltsgesetz 2010 wegen der kreditfinanzierten Rücklagenbildung zusätzlich gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot verstoße, habe der Verfassungsgerichtshof angesichts der schon wegen eines Verstoßes gegen Art. 83 Satz 2 LV bejahten Verfassungswidrigkeit letztlich offen gelassen. Er habe allerdings klargestellt, dass das Wirtschaftlichkeitsgebot ein Verfassungsgrundsatz sei, der den Haushaltsgesetzgeber binde. Dieser Verfassungsgrundsatz verlange, in jedem Haushaltsjahr bei allen Maßnahmen die günstigste Relation zwischen dem gesteckten Ziel und den eingesetzten Mitteln anzustreben; er erfordere, ein bestimmtes Ziel mit dem geringstmöglichen Einsatz von Mitteln zu erreichen. Das Wirtschaftlichkeitsgebot verpflichte auch den Haushaltsgesetzgeber, der auf Grund anderweitiger gesetzlicher Verpflichtungen Sonderrücklagen und Sondervermögen bilde, wenn diese aus einem kreditfinanzierten Haushalt erfüllt werden müssten. Erst recht gelte es für den Haushaltsgesetzgeber, der Rücklagenbildungen vorsehe, die nicht bereits auf gesetzlichen Zahlungsverpflichtungen beruhten. Danach seien die im Nachtragshaushaltsgesetz 2010 vorgesehenen Vorsorgemaßnahmen überwiegend als verfassungsrechtlich bedenklich zu qualifizieren.

Weitere Einzelheiten ergeben sich aus dem Urteil, das auf der Internetseite des Verfassungsgerichtshofs (www.vgh.nrw.de) abgerufen werden kann.

Verfassungsgerichtshof für das Land Nordrhein-Westfalen vom 15. März 2011, Aktenzeichen: VerfGH 20/10

Kommentar von Gerhard Stranz (bildungklick.de)

Mit dem Nachtragshaushalt hat der Gesetzgeber (der Landtag NRW, der mit Mehrheit dem Haushalt zugestimmt hat) nicht ausreichend deutlich gemacht, ob überhaupt eine Störung des gesamtgesellschaftlichen Gleichgewichts besteht, um eine Überschreitung der Regelverschuldungsgrenze zu rechtfertigen. Alleine dieser Aspekt führte dazu, dass der Verfassungsgerichtshof zu der Einschätzung kam, dass der Nachtragshaushalt verfassungswidrig sei. Der VGH hat angesichts dieser Feststellung die Prüfung der Frage, ob die vorgesehenen kreditfinanzierten Rücklagenbildungen (z.B. WestLB und auch im Elementarbereich für die „konnexitätsrelevanten“ Ausgaben für den U-3-Ausbau) möglich sind, „offen gelassen“.

Nach meiner Einschätzung ergibt sich jetzt,

►dass auch im Landeshaushalt 2011 keine zusätzlichen Schulden und Rücklagen gebildet werden können,

►dass die Landesregierung zur Finanzierung der Vorhaben im Rahmen der vorhandenen Mittel Prioritäten setzen und damit zur Finanzierung von Schwerpunktsetzungen Mittel aus anderen Bereichen „abziehen“ muss („sparen“/„kürzen“).

Jetzt wird deutlich werden, was die Ankündigungen in Bezug auf Prioritätensetzungen für den Elementarbereich „wert“ sein werden.

Kommentar von Gerhard Stranz vom 16. März 2011, als Brief übermittelt

Anmerkung der NAGEL-Redaktion: Ergänzen möchte man den letzten Satz um „… Elementarbereich ‚und die Kinder- und Jugendarbeit allgemein’ ‚wert’ sein werden.“

Haushaltsausschuss bewertet Gerichtsurteil zum Nachtragsetat 2010

Die Mitglieder des Haushalts- und Finanzausschusses haben am 17. März 2011 das Urteils des Verfassungsgerichtshofs Münster zum Nachtragshaushalt 2010 der Landesregierung eingeordnet, bewertet und diskutiert. Abgeordnete von CDU und FDP hatten geklagt, weil die Regierung eine von der Verfassung vorgegebene Obergrenze für neue Kredite überschritten hatte. Diese Obergrenze besagt, dass die Regierung nicht mehr neue Schulden machen darf, als sie für Investitionen ausgibt. Wenn das gesamtwirtschaftliche Gleichgewicht gestört ist, darf der Haushaltsgesetzgeber jedoch eine Ausnahme machen und zur Abwehr dieser Störungslage mehr Schulden aufnehmen, ohne gegen die Verfassung zu verstoßen. Auf der Grundlage dieser Ausnahmeregelung hatte die Landesregierung eine Nettoneuverschuldung von 7,1 Milliarden Euro verteidigt und eine Landtagsmehrheit als Haushaltsgesetzgeber den Nachtragsetat 2010 beschlossen. Das Gericht hat allerdings vor zwei Tagen der Klage von CDU und FDP stattgegeben, den Nachtragshaushalt als verfassungswidrig bewertet und ihn damit für nichtig erklärt.

Finanzminister Dr. Norbert Walter-Borjans beschrieb das Urteil als kein erfreuliches, aber auch kein außergewöhnliches Ergebnis. Die Vorgängerregierung von CDU und FDP habe sieben Niederlagen vor dem Verfassungsgerichtshof erlitten, darunter auch eine zu einem Nachtragshaushalt zu Beginn ihrer Amtszeit. Zweierlei zentrale Herausforderung las der Minister aus dem Urteil. Erstens gelte es nun, die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts, von der Regierung, SPD und Grüne überzeugt sind, fundierter zu begründen als nur mit dem Hinweis auf den regulären Haushalt 2010. Dieser, noch unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung verabschiedet, setze ebenfalls, allerdings mit „dürrer Begründung“ eine Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts voraus und sei mit dem Urteil gleichsam beschädigt. Zweitens, schloss der Minister aus dem Urteil, müsse man besser darlegen, welche Maßnahmen inwiefern dazu geeignet seien, diese Störung abzuwenden. Die Richter hätten eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts nicht definitiv bestritten, sondern nur bemängelt, dass nicht hinreichend klar sei, welche Maßnahmen dagegen wirken könnten. Somit, betonte Walter-Borjans, sei der Gerichtshof nicht der Argumentation der Kläger gefolgt, die eine Störungslage in Zweifel gezogen hatten. Er sagte umfassende Sparbemühungen zu, um einen verfassungskonformen Haushalt 2011 vorzulegen: „Wir werden jeden Stein umdrehen.“ Zugleich las er aus dem Urteil auch die Möglichkeit, mittels längerfristiger Politik eine Störungslage abwehren zu dürfen. Außerdem sei er gespannt auf Vorschläge der Opposition, wie diese 3,3 Milliarden Euro an Schulden einsparen wolle, damit die Verschuldung die Investitionen nicht überschreite.

„Sie können das Urteil so viel schönreden, wie Sie wollen – es ist eine vernichtende Klatsche“, meinte Christian Weisbrich (CDU). Er unterstrich die Kontrolle der Regierung als vornehmste Pflicht der Opposition. Maßstab für diese Kontrolle sei selbstverständlich die Landesverfassung. Aus seiner Sicht habe sich der Verfassungsgerichtshof in vollem Umfang der Argumentation von CDU und FDP angeschlossen. Aber unabhängig von einer Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts hielt Weisbrich die Maßnahmen der Regierung – etwa das beitragsfreie Kindergartenjahr – in jedem Fall für ungeeignet, eine solche Störungslage abzuwenden. Die Messlatte dafür liege sehr viel höher, als die Regierung dies begründen könne. Auch entgegnete der CDU-Sprecher dem Minister, das Gericht habe den Stammhaushalt 2010 in keiner Weise in Frage gestellt. An oberste Stelle hätten die Richter den Schutz der nächsten Generation und Handlungsmöglichkeiten der nächsten Haushaltsgesetzgeber gestellt. Was man nicht bezahlen könne, könne man eben auch nicht umsetzen, meinte Weisbrich und betonte, mit dem Gerichtsurteil sei der Ansatz einer vorsorgenden Sozialpolitik in vollem Umfang gescheitert. Aber „wenn Sie auf den Politikwechsel verzichten, ist der Haushalt ausgleichbar“.

Martin Börschel (SPD) erinnerte daran, dass auch andere Bundesländer in ihren Haushalten von einer Störung des wirtschaftlichen Gleichgewichts ausgingen. Er kündigte an, bei den entsprechenden CDU/FDP-regierten Ländern und im Bundeshaushalt nachzulesen, wie dort eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts begründet werde. Abseits dessen hielt der SPD-Sprecher das „Wortgeklingel“ der CDU um die Störungslage für einen Ablenkungsversuch, weil mit dem Urteil nicht nur die Begründung im rot-grünen Nachtragsetat, sondern auch im schwarz-gelben Stammhaushalt 2010 nicht ausreichend gewesen sei. Börschel bezog sich auf eine Aussage des CDU-Fraktionsvorsitzenden Laumann, man könne mit einer verfassungskonformen Neuverschuldung von „nur“ 3,8 Milliarden Euro auskommen, und begrüßte, dass die CDU sich nun offenbar sachgerecht in die Haushaltsdiskussion einbringen wollte. Nun solle sie sagen, mit welchen Maßnahmen sie diese Einsparung von 3,1 Milliarden Euro gegenüber der von Rot-Grün vorgesehenen Neuverschuldung in Höhe von 7,1 Milliarden Euro erreichen wolle. Wie viel Personal solle abgebaut werden und wo? Welche Förderprogramme seien einzustellen, welche Straßen- und Städtebaumittel zu kürzen? Wie viel solle den Kommunen weggenommen werden?, fragte er.

Der Verfassungsgerichtshof habe noch einmal die Verantwortung des Haushaltsgesetzgebers, also des Parlaments, gegenüber seinen Nachfolgern wie auch gegenüber den nächsten Generationen deutlich gemacht, befand auch Angela Freimuth (FDP). Beide müssten später noch Spielräume zur Gestaltung haben. Eine Lehre aus dem Urteil sah sie darin, dass vor allem besser belegt werden müsse, dass die im Haushalt festgeschriebenen Maßnahmen tatsächlich geeignet seien, um eine Störungslage, wenn denn vorhanden, zu bekämpfen. Außerdem habe das Gericht betont, dass die Kreditobergrenze nur dann überschritten werden dürfe, wenn die Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts eine nachhaltige sei. In diesem Zusammenhang betonte sie, dass sich eine Störungslage zum Zeitpunkt der ersten Lesung des Haushaltsgesetzentwurfs anders darstellen könne als bei seiner Verabschiedung. Das Urteil, sagte Freimuth, müsse logischerweise Auswirkung auf den vorgelegten Haushalt 2011 haben, der ebenfalls 7,1 Milliarden Euro neue Schulden beinhalte. Die FDP-Sprecherin kündigte für ihre Fraktion eine konstruktiv-kritische Kontrolle im weiteren Haushaltsberatungsverfahren an. Ob der ambitionierte Zeitplan hierfür mit einem geplanten Abschluss Ende Mai aufrechtzuerhalten sei, fand sie fraglich.

Michael Aggelidis (Linke) empfand die Gerichtsentscheidung als „sehr schlimmes Urteil“ an einem „schwarzen Tag der Rechtsgeschichte“ und einem schlechten Tag für NRW. Zur Begründung sagte er, das Gericht stelle sich in weiten Teilen an die Stelle des Gesetzgebers. Auch habe er die Hürden so hoch gesetzt, dass man diese kaum erreichen könne. Dies sei nun die Ernte der „faulen Früchte“, zurückzuführen auf die Einführung der Schuldenbremse im Grundgesetz. Diese nehme jeder Landesregierung die Spielräume, die sie habe, und berge hohes Erpressungspotenzial. Der Linke forderte die Landesregierung auf, „vor diesem Druck des Neoliberalismus“ nicht zurückzuweichen. Sein Fraktionskollege Rüdiger Sagel kritisierte eine chronische Unterfinanzierung öffentlicher Haushalte.

Auch der vorherige CDU-Finanzminister habe eine Neuverschuldung von etwa 5,2 Milliarden Euro eingeplant und hätte 2011 somit ebenfalls Verfassungsbruch begangen, schlussfolgerte Mehrdad Mostofizadeh (Grüne) aus der Mittelfristigen Finanzplanung der Vorgängerregierung. Wenn dies verfassungskonform hätte ausgestaltet werden sollen, hätte also auch die CDU eine Störung des gesamtwirtschaftlichen Gleichgewichts anerkennen müssen, erklärte er. „Sie haben faktisch gegen sich selbst geklagt“, schlussfolgerte der Grüne. Nun erkläre die CDU, man könne mit 3,8 Milliarden Euro neuen Schulden auskommen, habe aber bisher nur Forderungen zu mehr Ausgaben für Einzelprojekte statt Einsparvorschläge öffentlich gemacht. Mostofizadeh vermutete deshalb eine Doppelstrategie der CDU: „Allen im Land alles versprechen und im Landtag das Gegenteil tun – so viel zur Haushaltsklarheit und Haushaltswahrheit.“ Selbst wenn man all das, was technisch möglich sei, einsparen würde – etwa Studiengebühren nicht streichen, den Kommunen keine Entschuldungshilfe gewähren, kein Sozialticket einführen – käme man nur auf rund 1,2 Milliarden Euro Einsparungen. Daher zeigte auch er sich gespannt auf weitere Sparvorschläge der CDU.

Landtag NRW vom 17. März 2011

Landesregierung NRW stellt Prognos-Studie vor: Frühe Förderung verhindert hohe Sozialausgaben

Investitionen in die frühe Förderung von Kindern aus sozial schwachen Familien, mehr Betreuungsplätze und eine höhere Abiturientenquote könnten einer Studie zufolge Sozialausgaben in Milliardenhöhe vermeiden. Eine von der nordrhein-westfälischen Landesregierung beim Forschungsinstitut Prognos in Auftrag gegebene Untersuchung beziffert die Reparaturkosten mangelhafter Sozialpolitik und dadurch verursachte Steuerausfälle auf insgesamt fast 24 Milliarden Euro im Jahr. Davon könnten kurz- bis mittelfristig rund 8 Milliarden Euro eingespart werden, berichteten die Autoren der Studie am Donnerstag in Düsseldorf.

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft sieht sich durch die Untersuchung in ihrem Politikansatz einer vorbeugenden Haushaltspolitik bestätigt. „Der Grundsatz, Vorsorge ist besser als Nachsorge, ist richtig und muss dringend in praktische Politik umgesetzt werden“, sagte sie. Mit den im Haushalt 2011 vorgesehenen 1,1 Milliarden Euro für Bildung und Kinder gehe die Landesregierung wichtige Schritte in diese Richtung.

Landesregierung NRW vom 24. März 2011

Präsentation „Soziale Folgekosten“ herunterladen:

Datenblatt zur Untersuchung „Soziale Folgekosten“ herunterladen

Bundesfreiwilligendienst (BFD)

Alle künftigen Zentralstellen, einschließlich der beim Bundesamt für den Zivildienst einzurichtenden, sind inzwischen von uns in die Lage versetzt worden, den Einsatzstellen sowohl FSJ-/FÖJ-Plätze als auch Plätze des Bundesfreiwilligendienstes freizugeben, so dass der Anwerbung von Freiwilligen eigentlich nichts mehr im Wege stehen dürfte. In der konkreten Umsetzung ergeben sich natürlich immer wieder neue Fragen.

Gesetzgebungsverfahren

Am 14. März hat der Bundestagsausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend eine Expertenanhörung zum Thema durchgeführt. Nach der gegenwärtigen Planung sind die Ausschussberatungen für die 12. Kalenderwoche vorgesehen. Den Gesetzentwurf der Bundesregierung, die Stellungnahme des Bundesrates und die Gegenäußerung der Bundesregierung sind bei Interesse als Drucksache 17/4803 unter www.bundestag.denachlesbar.

Anerkennung von Einsatzstellen und –plätzen

Den Antrag auf Anerkennung von Einsatzstellen und -plätzen im Bundesfreiwilligendienst können Sie beim Bundesamt für den Zivildienst zurzeit formlos und auch per E-mail stellen. Gerne können Sie auch das Formular für die Anerkennung von Einsatzstellen und -plätzen des Zivildienstes benutzen und in der Überschrift handschriftlich „Zivildienst“ durch „Bundesfreiwilligendienst“ ersetzen.

Zeitplan und Erwartungen

Parallel zum Gesetzgebungsverfahren erarbeiten wir bereits die erforderlichen Hinweise, Verträge etc. Zu den noch nicht abschließend geklärten Fragen gehören dabei etwa die genauen Bedingungen der Zahlungsströme sowie Einzelheiten der Durchführung der Seminare im BFD. Nach meinem Eindruck sind diese Fragen aber für die aktuelle Werbung um Freiwillige sehr nachrangig. Als Einsatzstelle können Sie mit einer Kostenerstattung durch den Bund rechnen, die dazu führt, dass Ihr Eigenanteil im BFD geringer werden wird als er es im Zivildienst war. Es dürfte für keine Einsatzstelle einen finanziellen Grund geben, die Zahl der von ihr zur Verfügung gestellten Plätze zu verringern – weder im Übergang vom Zivildienst zum Bundesfreiwilligendienst noch mit Blick auf FSJ/FÖJ. Auch wenn noch nicht die letzte administrative Einzelheit entschieden ist, soll Ihnen diese Aussage die nötige Planungsgrundlage geben, um mindestens in gleicher Zahl wie letztes Jahr jüngeren und jetzt auch älteren Menschen die Erfahrung eines (künftig immer ganz freiwilligen) Dienstes zu ermöglichen.

In der vergangenen Woche bin ich in verschiedenen Zeitungen sehr missverständlich mit Blick auf die weitere Entwicklung zitiert worden. Um einen nahtlosen Anschluss zu gewährleisten ist geplant, dass bis zum 30. Juni 2011 noch Dienstantritte im Zivildienst möglich sind und ab dem 1. Juli 2011 der Bundesfreiwilligendienst gefördert wird. Für die Praxis wird dies natürlich nur eine untergeordnete Rolle spielen, da bisher weder im Zivildienst noch in den Freiwilligendiensten viele Menschen einen Dienstantritt im Juli gewählt haben. Realistisch ist, dass auch dieses Jahr im Sommer die meisten Menschen Urlaub machen und sich danach für einen Freiwilligendienst melden. Nicht zufällig beginnt das „Freiwilligenjahr“ im FSJ/FÖJ traditionell ganz überwiegend am 1. September. Auch im BFD soll ein Start zu anderen Terminen möglich sein, aller Wahrscheinlichkeit nach werden aber die meisten Einsätze im Frühherbst beginnen. Auch bei den Erwartungen hinsichtlich der Zahlen gibt es – anders als zum Teil berichtet – nichts Neues: Die Träger von FSJ und FÖJ berichten auch auf wiederholte Nachfrage, dass es zuletzt stets mehr als doppelt so viele Bewerberinnen und Bewerber wie Plätze gegeben habe. Auf der Grundlage der aktuellen Zahl von rund 35.000 Freiwilligen in FSJ und FÖJ planen wir daher mit zusätzlichen 35.000 Freiwilligen im BFD. Alle FSJ- und FÖJ-Träger bitte ich noch einmal nachdrücklich, keine Bewerberinnen und Bewerber abzulehnen, sondern dann, wenn die FSJ-/FÖJ-Plätze belegt sind, an Einsatzstellen des BFD weiterzuverweisen.

Spezielle Zielgruppen

Für eine Reihe von speziellen Zielgruppen wie Rentnern oder Arbeitssuchenden oder Menschen mit Behinderungen stellen sich spezielle Fragen. Diese beantworte ich gerne für die wichtigsten Konstellationen. Grundsätzlich gilt, dass der BFD mit Blick auf Leistungen nach dem SGB II („Hartz IV“) per Gesetz dem FSJ/FÖJ gleichgestellt werden soll, im übrigen aber keine neuen Systeme geschaffen werden, sondern die üblichen Konkurrenzregeln greifen. Im Einzelfall ist dringend eine individuelle Beratung zu empfehlen.

a) ALG II

ALG II-Empfänger können grundsätzlich am Bundesfreiwilligendienst teilnehmen, da der Bezug der Grundsicherung für Arbeitssuchende – sog. Arbeitslosengeld II – dies nicht grundsätzlich ausschließt. Im Entwurf des Gesetzes zur Einführung eines Bundesfreiwilligendienstes ist bereits eine Anpassung der Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung (ALG II-V) vorgesehen. Entsprechend der Handhabung beim bereits bestehenden Jugendfreiwilligendienst (FSJ/FÖJ) soll vom Taschengeld, das ein Teilnehmer am Bundesfreiwilligendienst erhält, ein Betrag in Höhe von 60 Euro nicht als zu berücksichtigende Einnahme gelten (§ 1 Absatz 1 Nummer 13 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung = ALG II-V-E). Dieser Betrag soll somit nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet werden. In der Gesetzesbegründung heißt es hierzu, dass mit dieser Regelung die Motivation von ALG-II-Beziehern, an einem Bundesfreiwilligendienst teilzunehmen, gestärkt werden soll. Außerdem kann ein volljähriger Hilfebedürftiger vom Einkommen in der Regel nach § 11b Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 SGB II i.V.m. § 6 der ALG II-V einen Betrag in Höhe von 30 Euro monatlich für die Beiträge zu privaten Versicherungen sowie ggf. Beiträge zur Kfz-Haftpflichtversicherung absetzen. Wegen dieser vom Gesetz vorgesehenen Gleichbehandlung beider Freiwilligendienste ist zudem die Teilnahme an einem Bundesfreiwilligendienst wie beim Jugendfreiwilligendienst als wichtiger persönlicher Grund anzusehen, der der Ausübung einer Arbeit entgegensteht (vgl. § 10 Absatz 1 Nummer 5 SGB II), sodass ein Bezieher von Arbeitslosengeld II, der am Bundesfreiwilligendienst teilnimmt, in dieser Zeit nicht verpflichtet ist, eine Arbeit aufzunehmen.

b) Zuverdienstgrenzen bei Frührentnern und bei Erwerbsminderung:

Bei Bezug einer Altersrente vor Erreichen der Regelaltersgrenze sind bestimmte Hinzuverdienstgrenzen zu beachten. Wer eine Rente vor Erreichen der Regelaltersgrenze als Vollrente in Anspruch nehmen möchte, darf nur einen Hinzuverdienst erzielen, der einen Betrag in Höhe von 400 Euro mtl. nicht übersteigt. Wird die Hinzuverdienstgrenze überschritten, führt dies nicht automatisch zum Wegfall der Rente, sondern ggf. zur Zahlung einer niedrigeren Teilrente wegen Alters, die einen höheren Hinzuverdienst erlaubt. Als Hinzuverdienst gelten u.a. alle Einnahmen aus einer Beschäftigung, unabhängig davon, in welcher Form sie geleistet werden. Somit sind das aus dem Bundesfreiwilligendienst erzielte Taschengeld sowie unentgeltliche Unterkunft, Verpflegung und Arbeitskleidung mit dem jeweiligem Sachbezugswert der Sozialversicherungsentgeltverordnung als Hinzuverdienst zu berücksichtigen. Bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit gelten nochmals differenziertere Regelungen. Zur Klärung sollten sich daher interessierte Freiwillige mit ihrem Rentenversicherungsträger in Verbindung setzen. Nach Angaben des BMAS wird bei Aufnahme einer Beschäftigung durch den Rentenversicherungsträger stets geprüft, ob eine Erwerbsminderung noch vorliegt und damit ein Rentenanspruch weiterhin besteht.

c) SV-Beiträge für Rentner/Frührentner

Freiwillige im Sinne des BFDG unterliegen grds. der Versicherungs- sowie Beitragspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung und erwerben dadurch Rentenanwartschaften. Dies gilt gleichermaßen für „junge“ Freiwillige, für Seniorinnen und Senioren, die noch keine Altersrente beziehen, ebenso wie für Altersteilrentenbezieher (Altersrente in Höhe von einem Drittel, der Hälfte oder zwei Dritteln der Vollrente) und Erwerbsminderungsrentner. Keine Beitragspflicht entsteht, weil dann Versicherungsfreiheit vorliegt, wenn Freiwillige im Sinne des BFDG eine Altersvollrente – unabhängig ob vor oder nach Erreichen der Regelaltersgrenze – beziehen. Beiträge der Arbeitslosenversicherung müssen grundsätzlich für alle Freiwilligen abgeführt werden, die das maßgebende Lebensalter für eine Regelaltersrente noch nicht vollendet haben. Bei Freiwilligen, die das Lebensalter für eine Regelaltersrente bereits vollendet haben, hat ein Arbeitgeber seinen Arbeitgeberanteil abzuführen. Die Freiwilligen des Bundesfreiwilligendienstes werden grundsätzlich in der gesetzlichen Krankenversicherung pflichtversichert, § 5 Absatz 1 Nr. 1 SGB V. Die Freiwilligen werden dann auch grundsätzlich in der sozialen Pflegeversicherung pflichtversichert (§ 20 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB XI).

d) Wir denken derzeit noch über Möglichkeiten nach, die es ermöglichen, dass auch Menschen mit Behinderungen ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihr Engagement in den Bundesfreiwilligendienst einbringen können. Dies wäre nicht nur ein gelungenes Beispiel für gelebte Inklusion, sondern sicher auch eine Bereicherung für viele Einsatzstellen.

Zentralstellen

Gelegentlich erreichen uns Anträge kleinerer Institutionen auf Anerkennung als Zentralstelle. Ohne der vorgesehenen Rechtsverordnung vorgreifen zu wollen, möchte ich gerne jetzt schon darauf hinweisen, dass Zentralstellen Aufgaben auf Bundesebene übernehmen. Als Zentralstelle dürften daher überhaupt nur Institutionen in Frage kommen, die eine nicht unerhebliche Mindestplatzzahl nachweisen können. Für kleinere, unabhängige Träger und Einsatzstellen steht insbesondere das Bundesamt für den Zivildienst als Zentralstelle zur Verfügung.

Träger im BFD

Im Bundesfreiwilligendienst soll es – anders als im FSJ/FÖJ – nicht gesetzlich vorgeschrieben werden, dass sich Einsatzstellen einem Träger anschließen müssen, deshalb ist im Gesetzentwurf auch kein Trägerbegriff definiert. Es soll stattdessen möglich sein, dass Einsatzstellen sich direkt einer Zentralstelle auf Bundesebene anschließen. Eine Reihe von wahrscheinlichen Zentralstellen, insbesondere die bisherigen bundeszentralen Träger des FSJ, haben jedoch bereits erklärt, dass sie intern sicherstellen werden, dass sich alle ihnen zugeordneten Einsatzstellen einem Träger anschließen.

Pädagogische Begleitung bei kleineren Ersatzstellen

Im Bundesfreiwilligendienst liegt die Verantwortung für die Durchführung der gesetzlich vorgeschriebenen Seminare zunächst beim Bund als Vertragspartner der Freiwilligen. Geplant ist, dass der Bund zum Teil zivilgesellschaftliche Träger mit der Durchführung von Seminaren betraut, selbstverständlich aber nur, wenn und soweit diese dies wünschen. Für Einsatzstellen, die sich dem Bundesamt für den Zivildienst als Zentralstelle anschließen möchten, wird es die Möglichkeit geben, auf Wunsch die gesamte pädagogische Begleitung vom Bundesamt durchführen zu lassen.

Kontakt

Bundesbeauftragter für den Zivildienst
Rochusstraße 8 – 10 
53123 Bonn
Telefon: 0228-930-2723
Fax: 0228-930 4905
bfz@zivildienst.bund.de
http://www.zivildienst.de

Bundesbeauftragter für den Zivildienst vom 17. März 2011 – Von Jens Kreuter

Freiwilligendienste falsch angelegt

Die DGB-Jugend hat Mitte März anlässlich einer Anhörung im Bundestag erneut ihre Ablehnung gegenüber dem von der Bundesregierung geplanten Bundesfreiwilligendienst (BFD) bekräftigt. Mit dem BFD will Schwarz-Gelb den durch das Aussetzen der Wehrpflicht wegfallenden Zivildienst zumindest teilweise kompensieren.

Anders als der Zivildienst richtet sich der BFD aber ausdrücklich an „Menschen jeden Alters“. Der DGB befürchtet deshalb, dass mit dem neu geschaffenen öffentlichen Dienstverhältnis BFD ein „weiterer Schritt zur Prekarisierung von Arbeitsverhältnissen getan wird“. Die DGB-Jugend übte besondere Kritik an der geringen Bezahlung (324 Euro monatlich in West-, 273 Euro in Ostdeutschland). „Das führt dazu, dass soziale Einrichtungen auch weiterhin in der Regel mit diesen für sie fast kostenlosen Arbeitskräften kalkulieren, statt reguläre Beschäftigung zu schaffen“, kritisiert DGB-Bundesjugendsekretär René Rudolf.

Im Zuge der geplanten Bundeswehrreform könnten auch künftige SoldatInnen schlechter gestellt werden. Hintergrund ist der in der Reform angedachte „freiwillige Wehrdienst“ (FWDL). Damit entstünde eine „neue Rechtskonstruktion“ unterhalb der heute üblichen Dienstverhältnisse, heißt es in einer Stellungnahme des DGB. Es bestehe die Gefahr, dass „geregelte Besoldungsnormen“ unterlaufen würden. Außerdem sei die Einführung eines „freiwilligen Wehrdienst“ gar nicht nötig. Für einen Kurzzeitdienst in der Bundeswehr reichen nach Auffassung des DGB alle Regelungen des bereits existierenden Dienstverhältnisses eines Soldaten auf Zeit völlig aus.

einblick 6 vom 28. März 2011

Etwa jedes sechste Kind in Deutschland ist arm

Im September 2010 lebten 1,72 Millionen Kinder unter 15 Jahren in einem Haushalt, der Hartz-IV-Leistungen erhielt. Das ist fast jedes sechste Kind in Deutschland. Eine Befragung von rund 4.000 Hartz-IV-Haushalten durch das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) zeigt, in welchen Lebensbereichen diese Kinder Einschränkungen hinnehmen müssen.

Die Grundversorgung ist bei dem Großteil der Kinder im Hartz-IV-Bezug gesichert. Nur zwei Prozent von ihnen wachsen in einem Haushalt auf, der bei der Befragung angegeben hat, sich keine warme Mahlzeit am Tag leisten zu können. Sechs Prozent leben allerdings in Wohnungen mit feuchten Wänden oder Fußböden.

Bei höherwertigen Konsumgütern sowie sozialer und kultureller Teilhabe wird auf mehr verzichtet. Laut den Befragungsergebnissen leben 80 Prozent der Kinder im Hartz-IV-Bezug in Haushalten, in denen nicht gespart werden kann. Dadurch sind kurzfristig anfallende Ausgaben für neue Kleidung, Schulmaterialien, Freizeitaktivitäten oder ähnliches oft nicht möglich. Mehr als die Hälfte lebt in einem Haushalt, der es sich den eigenen Angaben zufolge nicht leisten kann, wenigstens einmal im Monat ins Kino, in ein Konzert oder ins Theater zu gehen. 21 Prozent der Kinder aus Hartz-IV-Haushalten haben keinen Computer mit Internetanschluss. „Gerade für Schulkinder hat ein Computer im Haushalt besondere Relevanz: Er wird unter anderem als Bildungsmedium in der Schule eingesetzt“, schreiben die Autoren der IAB-Studie.

Ein besonderes Armutsrisiko haben Kinder, die mehrere Geschwister haben, von Alleinerziehenden betreut werden, deren Eltern einen Migrationshintergrund oder einen niedrigen Bildungsabschluss haben.

Im September 2010 lag die Quote der Hartz-IV-Empfänger in der Gesamtbevölkerung im Alter bis 65 Jahren bei zehn Prozent, bei den Kindern unter 15 Jahren hingegen bei 16 Prozent.

Die IAB-Studie im Internet: http://doku.iab.de/kurzber/2011/kb0611.pdf(idw)

Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung der Bundesagentur für Arbeit/IAB vom 17. März 2011 – Wolfgang Braun

Expertise: Finanzsituation der Kommunen und Hartz IV

Die Finanzsituation der Kommunen nach der Verabschiedung des Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Der PARITÄTISCHE (Paritätische Forschungsstelle), Berlin, hat mit Datum vom 11. März eine Expertise zur erwarteten Finanzsituation ab 2012 herausgegeben. In der Zusammenfassung heißt es dort:

„Als Kompensation für die Kommunen (Mehrkosten durch Änderungen im SGB II und SGB XII) beteiligt sich der Bund an Bildung und Teilhabe, an den Warmwasserkosten, an den Verwaltungskosten für Bildung und Teilhabe und befristet an der pauschalen Erstattungen für das Mittagessen in Schulen und Horten und für Schulsozialarbeit. Der Bund erhöht seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft und übernimmt die Kosten für die Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Insgesamt wird die Finanzsituation der Kommunen ab 2012 wesentlich verbessert.

Eckzahlen der Mittel für Bildung und Teilhabe in den Kreisen und kreisfreien Städten bzw. Kommunen ab 2011:

● jährlich sind ca. 1,2 Mrd. Euro (bis 2013) für alle Kreise und kreisfreien Städte veranschlagt (einschließlich Kinder in Familien mit Wohngeldbezug und mit Kinderzuschlag und einschließlich 400 Mio. Euro-Paket Schulsozialarbeit und Hortessen)

● pro Kreis bzw. kreisfreier Stadt sind das 2,9 Mio. Euro pro Jahr (Durchschnittszahl für 412 Kreise und kreisfreie Städte)

● ca. 2,5 Mio. Kinder, Schüler und junge Erwachsene im SGB II bzw. SGB XII sowie in Haushalten mit Bezug von Wohngeld oder Kinderzuschlag kommen als Zielgruppe infrage

● das sind pro Kind 480 Euro pro Jahr

● oder pro Kind 40 Euro pro Monat

Die Kommunen sind so in der Lage, die Mehrkosten durch die leistungsrechtlichen Änderungen im SGB II und SGB XII zu tragen. Damit wäre es möglich, jährlich veranschlagte Mittel in Höhe von ca. 1,2 Mrd. Euro für Bildung und Teilhabe aufzuwenden (darin enthalten ist ein 400 Mio. Euro-Paket für Schulsozialarbeit und Hortessen). Nach Angaben der Bundesregierung kommen dafür 2,5 Mio. Kinder infrage – einschließlich der Kinder in Haushalten mit Bezug von Wohngeld oder Kinderzuschlag.

Die vorgestellten Eckzahlen können nur zur allgemeinen Orientierung dienen. Mit anderen Worten, sie geben die Größenordnungen der Mittel an, die vor Ort zu erwarten sind. Für Verhandlungen mit der kommunalen Seite zur Ermittlung der vorhandenen bzw. zusätzlichen Finanzmittel in den Kreisen oder kreisfreien Städten müssen einige Daten erhoben werden, die in einer Checkliste am Ende des Textteils zusammengefasst sind.“

Paritätische Forschungsstelle vom 11. März 2011

Anmerkung der NAGEL-Redaktion: Die gesamte Expertise haben wir für Interessierte ins ABA-Netz (März 2011, gleich folgend) gestellt.

März 2011

 

Expertise zur Finanzsituation der Kommunen nach der Verabschiedung des „Gesetzes zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch“
Inhalt
Zusammenfassung
1. Direkte Belastungen und Entlastungen der Kommunen
2. Effekt der Übertragung der Ausgaben für Kinder in Haushalten mit Bezug von Wohngeld und Kinderzuschlag – sowie der Fortführung des 400 Mio. Euro-Paketes
3. 400. Mio. Euro-Paket: Schulsozialarbeit und Hortmahlzeiten
4. Eckzahlen und Checkliste
Anhänge
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Kabinettsbeschluss der Bundesregierung zum Thema „Kinderlärm“

Stellungnahme des Deutschen Kinderhilfswerks und UNICEF Deutschland zum aktuellen Beschluss

Das Deutsche Kinderhilfswerk und UNICEF Deutschland begrüßen ausdrücklich den Kabinettsbeschluss zum Umgang mit Geräuschimmissionen für Kindertageseinrichtungen und Kinderspielplätze. Die Stärkung der Kinderrechte in Deutschland verlangt jedoch deutlich weiter gehende Gesetze und Maßnahmen. So wäre die Aufnahme von Kinderrechten in das Grundgesetz ein wichtiges Signal, um die rechtliche Position von Kindern zu verbessern.

„Die Bundesregierung macht mit ihrem Kabinettsbeschluss einen Schritt in die richtige Richtung. Das inzwischen häufige Prozessieren einzelner Betroffener gegen Kinderlärm in der Nachbarschaft verlangt einen Paradigmenwechsel in unserer Gesellschaft. Um Kindern insgesamt bestmögliche Bedingungen für ihr Aufwachsen zu bieten, ist aber darüber hinaus eine Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz geboten“, so Anne Lütkes, Mitglied im Vorstand des Deutschen Kinderhilfswerks und von UNICEF Deutschland.

„Rufen und Lachen gehören zu einem gesunden Aufwachsen. Die gesetzlichen Änderungen für Kitas und Kinderspielplätze waren dringend notwendig. Leider sind die Bewegungs- und Aufenthaltsflächen von Jugendlichen nicht in die Regelungen eingeschlossen. Sie müssen weiter damit rechnen, aus dem Wohnumfeld verdrängt zu werden“, so Ekin Deligöz, Vorstandsmitglied bei UNICEF Deutschland.

UNICEF Deutschland und Deutsches Kinderhilfswerk vom 17. Februar 2011

Anmerkung: Der ABA Fachverband begrüßt außerordentlich die Bemühungen zur Änderung der diversen Immssionsschutzgesetze. Er fordert dies seinerseits bereits seit über zehn Jahren.

Kinderlärm: Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes Rheinland-Pfalz

Kinderlärm ist anders zu behandeln als Lärm von Maschinen oder Autos, Kinderlärm ist Teil unseres Lebens und unserer Zukunft: Rheinland-Pfalz bleibt treibende Kraft in der Durchsetzung dieser Auffassung. Bereits in der kommenden Woche (Anm.: 8. Kalenderwoche 2011) soll im rheinland-pfälzischen Landtag die entsprechende Änderung des Landes-Immissionsschutzgesetzes verabschiedet werden. Darin wird der verhaltensbezogene Lärm von Kindern in Rheinland-Pfalz privilegiert, das heißt, Lärm von Kindern wird anders behandelt als echter, störender Lärm.

„Mit dieser Gesetzesänderung soll der Schutz von Kindern und Erziehungsberechtigten vor ungerechtfertigten Klagen umfassend gewährleistet werden“, stellt Umweltministerin Margit Conrad fest. „Kinder sind künftig frei, zum Beispiel im Garten der Eltern oder mit ihren Freunden auf der Straße zu toben, zu rufen und zu schreien. Dieser Lärm wird in der Regel als sozialadäquat hinzunehmen sein.“ Das Land habe damit in dieser Hinsicht seine eigenen Hausaufgaben für mehr Kinderfreundlichkeit erledigt.

Conrad verweist darauf, dass Rheinland-Pfalz bundesweit die Diskussion um Kinderlärm angestoßen und vorangetrieben hat. Der gestrige Beschluss des Bundeskabinetts greife aber zu kurz. „Der Bund handelt halbherzig, denn die notwendige Änderung der Baunutzungsverordnung wird auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Auch das BGB wird nicht geändert. Das ist zu wenig“, kritisiert Conrad.

Hintergrund

Rheinland-Pfalz hatte bereits 2009 im Bundesrat einen Entschließungsantrag „Kinderlärm: kein Grund zur Klage – gesetzliche Klarstellungen zum Umgang mit Geräuschemissionen von Kinder- und Jugendeinrichtungen“ gestellt. Im März 2010 stimmte der Bundesrat in der Zielsetzung dem Anliegen von Rheinland-Pfalz einmütig zu. In dem Entschließungsantrag hatte Rheinland-Pfalz gesetzesübergreifende Regelungen vorgesehen, die mehr Rechtssicherheit bringen und deutlich machen, dass Kinderlärm zu unserem Leben dazu gehört:

• Im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) sollte eine Privilegierung der Lebensäußerungen von Kindern vorgenommen und klargestellt werden, dass Kinderlärm aus Kindertagesstätten und ähnlichen Einrichtungen grundsätzlich keine schädliche Umwelteinwirkung im Sinne dieses Gesetzes darstellt.
• Entsprechend sollte im Zivilrecht (BGB) sichergestellt werden, dass Kinderlärm in der Regel keine wesentliche Beeinträchtigung ist, sondern hinzunehmen ist.
• Im Baurecht sollten Kindertagesstätten ausdrücklich auch in reinen Wohngebieten zulässig sein.

Ministerium für Umwelt, Forsten und Verbraucherschutz des Landes Rheinland-Pfalz vom 17. Februar 2011

Kinderrechte in die Verfassung!

Symposium des Aktionsbündnisses Kinderrechte fordert Stärkung der Rechtsposition von Kindern

Das Aktionsbündnis Kinderrechte fordert eine explizite Verankerung der Kinderrechte in der deutschen Verfassung. Auf einem Symposium im Deutschen Bundestag riefen UNICEF, der Deutsche Kinderschutzbund, das Deutsche Kinderhilfswerk und die Deutsche Liga für das Kind gemeinsam dazu auf, die Rechtsposition von Kindern in unserer immer älter werdenden Gesellschaft zu stärken.

Unter der Schirmherrschaft der Kinderkommission des Deutschen Bundestages diskutierten am 14. Februar 2011 Experten aus Politik und Verwaltungen von Bund und Ländern sowie Vertreter von Fachorganisationen wie dem Deutsche Anwaltverein konkrete Vorschläge für eine entsprechende Ergänzung im Grundgesetz. Unterstützt wird die Initiative von mehr als 100 Organisationen und 50.000 Einzelpersonen aus ganz Deutschland.

Deutschland hat die UN-Konvention für die Rechte des Kindes 1992 ratifiziert. Die Kinderrechtskonvention sieht vor, die Rechte von Kindern bei allen sie betreffenden Entscheidungen vorrangig zu berücksichtigen. Doch in der Politik sowie in Verwaltungen und Behörden ist dies längst noch nicht gängige Praxis. Dies zeigt zum Beispiel die vom Verfassungsgericht angemahnte Neuberechnung der Hartz IV-Sätze für Kinder. Auch bei der Stadtplanung, bei der Jugendhilfe oder bei der Beteiligung gibt es Defizite. Die Aufnahme der Kinderrechte in das Grundgesetz würde ein Signal an die ganze Gesellschaft geben, Kinder als eigenständige Persönlichkeiten anzuerkennen und ihren Rechten in allen Bereichen Nachdruck zu verleihen.

Chancen für Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz gestiegen

Die Chancen hierfür sind nach Ansicht des Aktionsbündnisses Kinderrechte gestiegen. In vielen Bundesländern sind die Kinderrechte bereits in den Landesverfassungen integriert. Der Landtag von Mecklenburg-Vorpommern hat im Dezember 2010 die Landesregierung aufgefordert eine Bundesratsinitiative zu starten, um die Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern.

Auch die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag ausdrücklich vereinbart, die Kinderrechte zu stärken. Im Sommer 2010 hat die Bundesregierung zudem nach langem Drängen von Kinderrechtsorganisationen Vorbehalte zurückgenommen, die bei der Ratifizierung der UN-Kinderrechtskonvention hinterlegt worden waren. Diese bedeuteten eine unterschiedliche Behandlung von deutschen und ausländischen Kindern zum Beispiel beim Schulbesuch, bei der medizinischen Versorgung oder im Asylverfahren.

Trotz der Rücknahme der Vorbehalte sind die Benachteiligungen von Kindern ohne deutschen Pass nicht automatisch aufgehoben. Nach Auffassung des Aktionsbündnisses Kinderrechte müssen deshalb weitere Anpassungen im Ausländer-, Asyl- und Sozialrecht folgen.

In der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sind die Rechte des Kindes ausdrücklich und in vollem Umfang enthalten (Art. 24).

„Die Frage lautet heute nicht länger ob die Kinderrechte ins Grundgesetz kommen, sondern wie“, sagte Anne Lütkes, Vorstandsmitglied von UNICEF Deutschland und Deutschem Kinderhilfswerk.

„Wir brauchen einen Perspektivwechsel in Deutschland hin zu den konkreten Bedürfnissen und Rechten der Kinder: auf besseren Schutz vor Armut und Gewalt, auf gute Förderung und mehr Beteiligung“, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes.

„Im internationalen Vergleich spielen die Kinderrechte in Deutschland immer noch eine untergeordnete Rolle. Deutschland sollte sich ein Vorbild an der Europäischen Grundrechtecharta nehmen“, sagte Prof. Franz Resch, Präsident der Deutschen Liga für das Kind.

„Das Grundgesetz spiegelt zwar die Gesellschaft wider, wie sie ist. Es ist in seiner Erfolgsgeschichte aber auch immer Wegweiser in die Zukunft gewesen“, sagte Marlene Rupprecht, Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestages, die die Schirmherrschaft über das Symposium übernommen hat. „Deshalb sollte das Wohlergehen der Kinder Verfassungsrang bekommen.“

UNICEF Deutschland, Deutsches Kinderhilfswerk, Deutscher Kinderschutzbund, Deutsche Liga für das Kind vom 14. Februar 2011

Anmerkung: Der ABA Fachverband ist Unterstützer des Aktionsbündnisses „Kinderrechte ins Grundgesetz“. Er ruft weitere Interessierte ebenfalls dazu auf, sich in die Unterstützerliste einzutragen.

DJI unterstützt Forderung nach einem Monitoring für Kinderrechte

Im Zusammenhang mit dem Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010“, zu dem kürzlich der Abschlussbericht vorgelegt wurde, hat sich Professor Dr. Thomas Rauschenbach, Direktor des Deutschen Jugendinstituts (DJI), dafür ausgesprochen, ein Monitoring für Kinderrechte einzurichten. Ein unabhängiger, indikatorengestützter und regelmäßiger Bericht über die Entwicklung eines kindergerechten Deutschlands zöge eine regelmäßige öffentliche Erörterung nach sich und wäre damit ein wirkungsvolleres Breiteninstrument als viele gute Einzelaktionen.

Um die Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen umzusetzen, hatte das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend vor fünf Jahren den Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010“ (NAP) ins Leben gerufen. Damit wurde ein breiter Prozess angestoßen, um optimale Bedingungen für das Aufwachsen von Kindern und Jugendlichen zu schaffen und sie angemessen zu schützen, zu fördern und zu beteiligen. Alle politischen Ebenen und eine Vielzahl gesellschaftlicher Akteure sowie das Deutsche Jugendinstitut haben am NAP mitgewirkt, Instrumente wie Maßnahmen entwickelt und erfolgreiche Beispiele der Umsetzung aufgezeigt.

Als ein Ergebnis der gemeinsamen Anstrengung wurden im Abschlussbericht zehn Leitlinien formuliert, die u.a. dafür plädieren, Kindergerechtigkeit als Querschnittsaufgabe anzugehen (Alle tragen Verantwortung), Chancengerechtigkeit für alle Kinder zu verwirklichen (Jedes Kind ist wichtig) und die Umsetzung der Kinderrechte zu überwachen. Gut gemeinte Forderungen, deren Einlösung allerdings derzeit noch stark vom Engagement einzelner Personen, Schulen oder Kommunen abhängig ist. Auf übergeordneter Ebene ist nämlich trotz aller Bemühungen bislang unklar, wie die in der Kinderrechtskonvention festgeschriebenen und von der Vollversammlung der Vereinten Nationen im November 1989 verabschiedeten Rechte konkret umgesetzt und kontrolliert werden sollen. Ein positives Beispiel für die gesetzliche Verankerung ist das Recht auf eine gewaltfreie Erziehung, das in Deutschland zum 1. Juli 2000 in Kraft getreten ist (§1631/2 BGB).

Rauschenbach unterstützt mit seiner Forderung eines Monitorings ein Vorhaben der „National Coalition für die Umsetzung der UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland“. Darüber hinaus sei es für eine effektive Aufklärung von Kindern über deren Rechte wichtig, die Vielzahl unterschiedlichster Regelungen zentral zu bündeln und übersichtlich, transparent und für Kinder wie Eltern verständlich darzustellen. „Nationales Recht findet sich derzeit verstreut in unterschiedlichsten Rechtssystemen sowie auf unterschiedlichen Ebenen, internationale Vereinbarungen und Konventionen werden durch nationales Recht ergänzt, Rechtsrealitäten werden mit Rechtswünschen vermengt. Zu berücksichtigen sind überdies die verschiedenen Ländergesetze zur Bildung oder zu aktuellen Zuständigkeitsfragen bei der Verwirklichung der Teilhaberechte von Kindern in Hartz IV-Haushalten und im Rechtsbereich des Kinder- und Jugendhilfegesetzes. Für Normalsterbliche ist dies nicht mehr überschaubar, und für die Durchsetzung der Kinderrechte ist diese Lage kontraproduktiv“, sagte Rauschenbach in seinem Abschlussvortrag zum NAP. Daher plädiert der DJI-Direktor für ein eigenes Rechtsstatut, in dem die elementaren Rechte von Kindern auf Schutz, Förderung und Beteiligung auf verständliche Art und Weise zusammengefasst werden. So könne ein Stück weit der Gefahr begegnet werden, nur abstrakt über Kinderrechte zu debattieren.

Weitere Informationen

Deutsches Jugendinstitut/DJI vom 8. Februar 2011

Hartz IV-Verhandlungen: Scharfe Kritik des Paritätischen am Machtwort der Kanzlerin

Mit scharfer Kritik reagierte der Paritätische Wohlfahrtsverband auf das Machtwort der Kanzlerin, das in der Nacht zum 9. Februar 2011 zu einem Scheitern des Hartz IV-Vermittlungsverfahrens geführt hat. Da sich die Bundesregierung weigere, ein verfassungskonformes Gesetz vorzulegen, seien jetzt die Gerichte gefordert. Der Verband empfiehlt allen Betroffenen, Anträge auf einen höheren Regelsatz und Bildungsleistungen für ihre Kinder zu stellen und bei Ablehnung zu klagen.

„Die Bundesregierung ist für das Scheitern verantwortlich. Die Opposition konnte den Vorschlägen überhaupt nicht zustimmen, da dieser Regelsatz nach Ansicht nahezu aller Experten nicht verfassungskonform ist. Auch ein Ministerpräsident Müller aus dem Saarland, auf den die Kanzlerin jetzt offensichtlich setzt, wird keinem verfassungswidrigen Gesetz zustimmen können“, betont Ulrich Schneider, Hauptgeschäftsführer des Paritätischen.

Der Verband empfiehlt den Betroffenen, ihr Recht nun einzuklagen. „Wir empfehlen allen betroffenen Menschen dringendst, Anträge auf höhere Regelsätze und Bildungsleistungen für ihre Kinder zu stellen und bei Ablehnung zu klagen. Es liegt dann in der Macht der Richter, den Leistungsumfang zu bestimmen“, so Schneider. Nach Einschätzung des Paritätischen wird in dieser Situation relativ zügig das Bundesverfassungsgericht erneut angerufen werden.

Das Bildungspaket wäre nach Ansicht des Verbandes sofort umsetzbar. Der Paritätische fordert Bundesarbeitsministerin von der Leyen daher auf, hier Verantwortung zu übernehmen und ihren Worten endlich Taten folgen zu lassen. „Die Ministerin kann und muss dafür Sorge tragen, dass das Bildungspaket für die Kinder und Jugendlichen sofort umgesetzt wird, denn dafür braucht es keine gesetzliche Änderung“, fordert Schneider.

Paritätischer Wohlfahrtsverband vom 9. Februar 2011

DKSB: Hartz IV – Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts zügig umsetzen

Der Deutsche Kinderschutzbund Bundesverband e.V. hat die Bundesregierung aufgefordert, endlich die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts umzusetzen. „Vor exakt einem Jahr hat das Bundesverfassungsgericht die Hartz-IV-Regelsätze als verfassungswidrig bezeichnet, weil sie gegen Art. 1 GG, die Würde des Menschen, und Art. 20 GG, das Soziastaatsgebot, verstoßen. Und noch immer warten die Kinder auf die Berücksichtigung ihrer spezifischen Bedürfnisse wie Bildung und soziale Teilhabe“, sagte Heinz Hilgers, Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes. „Es kann nicht sein, dass die Kinder die Leidtragenden der Unfähigkeit der Regierung sind. Dieser verfassungswidrige Zustand muss so schnell wie möglich beendet werden“, so Hilgers weiter.

Hilgers wies zudem darauf hin, dass der vorliegende Gesetzentwurf der Regierung die Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts nicht ausreichend berücksichtige und ebenso verfassungswidrig sei. „Es ist richtig, dass die Opposition dem nicht zugestimmt hat.“ So weise die Berechnung der Kinderregelsätze erhebliche statistische Mängel auf. Die Statistikmethode sei intransparent, auf einer zu geringen Basis berechnet und deshalb nicht nachvollziehbar.

„Auch der gesunde Menschenverstand sagt uns, dass von einem Betrag von 6,09 EUR nicht die komplette hygienische Versorgung wie Windeln und Babyöl für einen Säugling für einen Monat zu finanzieren ist“, nannte Hilgers nur eins von vielen praktischen Beispielen, die den Widersinn des Regierungsentwurfes belegen. „Auch eine Opposition darf einem verfassungswidrigen Gesetzentwurf nicht zustimmen. Deshalb fordern wir sie auf, auch in künftigen Verhandlungen hart zu bleiben“, sagte Hilgers.

Deutscher Kinderschutzbund Bundesverband vom 9. Februar 2011

Bundesrat stimmt Hartz-VIV-Reform zu

Nur wenige Stunden, nachdem der Deutsche Bundestag den Einigungsvorschlag des Vermittlungsausschusses vom vergangenen Mittwoch bestätigt hat, stimmten heute auch die Länder der geänderten Hartz IV-Reform zu. Damit hat der Bundesrat den Weg frei gemacht für die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Neuberechnung der Regelsätze.

Rückwirkend zum Jahresbeginn steigt der Bedarfssatz um fünf Euro, zum 1. Januar 2012 um weitere drei Euro – unabhängig von den notwendigen Anpassungen aufgrund der Preis- und Lohnentwicklung. Aufwandsentschädigungen für ehrenamtliche Tätigkeiten als Übungsleiter werden zukünftig nicht mehr auf den Regelsatz angerechnet. Außerdem stellt das geänderte Gesetz klar, dass die Kosten für dezentrale Warmwasserbereitung nicht zum Hartz IV-Regelsatz gehören und vom Bund übernommen werden.

Auch das Bildungs- und Teilhabepaket für Kinder wurde in den beiden Vermittlungsverfahren mehrmals erweitert. So erhalten zukünftig auch Kinder von Wohngeldempfängern Leistungen aus dem Paket. Bis 2013 stellt der Bund jährlich 400 Millionen Euro für kostenlose Mittagessen in Horten und für Schulsozialarbeit zur Verfügung.

Zuständig für das Bildungs- und Teilhabepaket sind allein die Kommunen. Sie erhalten die Kosten erstattet. In diesem Zusammenhang legt das geänderte Gesetz auch die Bundesbeteiligung an den Wohnkosten für Langzeitarbeitslose für die nächsten Jahre fest. Die Höhe der Beteiligungsquote hatte in der Vergangenheit immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Bund und Ländern geführt.

Hintergrund für die Zustimmung zu der erweiterten Hartz IV-Reform sind auch einige Erklärungen zu Protokoll des Vermittlungsausschusses, in denen die Bundesregierung den Ländern unter anderem zugesichert hatte, die Kosten für die Grundsicherung im Alter schrittweise und ab 2014 vollständig zu übernehmen. Weitere Protokollerklärungen befassen sich mit Mindestlöhnen im Wach- und Sicherheitsgewerbe, in der Weiterbildungsbranche und bei der Zeitarbeit sowie Verabredungen für die Gemeindefinanzreform. Sie sind formal nicht Gegenstand des heute verabschiedeten Gesetzestextes, gelten jedoch als politische Geschäftsgrundlage der Abstimmung. In der heutigen Bundesratssitzung wurden sie nochmals vorgetragen.

Das Gesetz wird nun dem Bundespräsidenten zur Unterzeichnung zugeleitet. Ein konsolidierter Text mit allen eingearbeiteten Änderungen aus den beiden Vermittlungsverfahren ist erst mit Verkündung im Gesetzblatt erhältlich.

Gesetz zur Ermittlung von Regelbedarfen und zur Änderung des Zweiten und Zwölften Buches Sozialgesetzbuch

Drucksache 109/11 (Beschluss)

Pressemitteilung Bundesrat vom 25. Februar 2011

 

Februar 2011

Soziale Gerechtigkeit in Deutschland

Die Bertelsmann-Stiftung sieht in Deutschland Nachholbedarf in Sachen sozialer Gerechtigkeit. Wolfgang Lieb, Redakteuer bei den Nachdenkseiten, meint sie geriere sich als Weichspüler einer OECD-Studie über die wachsende Ungerechtigkeit. Sie berichte nicht über das Original der Studie, sondern verbreite eine „weichgspülte Interpretation“. Dabei könne im Original sogar auf Deutsch gelesen werden: „Seit dem Jahr 2000 haben in Deutschland Einkommensungleichheit und Armut stärker zugenommen als in jedem anderen OECD-Land. Der Anstieg zwischen 2000 und 2005 übertraf jenen in den gesamten vorherigen 15 Jahren (1985-2000).“
Anmerkung der NAGEL-Redaktion: Interessanterweise geht es wieder einmal um die rot-grüne Regierungszeit von Gerhard Schröder und Joschka Fischer (Agenda 2010/Hartz IV).
Zum Bericht der Nachdenkseiten
Die Tagesschau (tagesschau.de vom 3. Januar 2011) berichtete unter dem Titel „Deutschland ist ungerechter als viele andere Länder“. Hier wird festgestellt, besonders die Kinderarmut sei in Deutschland „besorgniserregend“. Deutschland rangiere beispielsweise hinter Ungarn und Tschechien. Ebenso hinge es in Sachen Bildung hierzulande davon ab, „über wieviel Geld die Eltern verfügen“. Sarkastisch kommentiert Thomas Wieczorek in seinem neuen Buch: Wenn „ein ehemaliges Zimmermädchen als heutige Arztfrau ihre Kinder auf dem Gymnasium von den ‚Schmuddelkindern‘ fernhalten will, dann ist das schlicht und einfach reaktionär.“ Wieczoreks Buch „Euroland. Wo unser Geld verbrennt“ wird im i-Punkt 3/2011 vorgestellt.

Ausbau der Kinderrechte in der Schleswig-Holsteinischen Landesverfassung

Das Deutsche Kinderhilfswerk begrüßt den vom Schleswig-Holsteinischen Landtag beschlossenen Ausbau der Kinderrechte in der Landesverfassung. „Durch die Neufassung des Kinderrechtsartikels in der Schleswig-Holsteinischen Verfassung wird endlich festgelegt, dass Kinder und Jugendliche Träger von eigenen Rechten sind. Hier hatte die bisherige Staatszielbestimmung der Verfassung ein erhebliches Defizit. Der Ausbau der Kinderrechte verdeutlicht vor allem sehr viel stärker als bislang die Verantwortung von Staat und Eltern, sich bei der Wahrnehmung ihrer Rechte und Pflichten gegenüber Kindern am Vorrang des Kindeswohls zu orientieren“, betont die Bundesgeschäftsführerin des Deutschen Kinderhilfswerkes, Dr. Heide-Rose Brückner. „Das gilt für Entscheidungen von Behörden, etwa bei der Planung von Wohnvierteln oder beim Straßenbau, ebenso wie für Entscheidungen der Eltern für eine bestimmte Schule oder Betreuungsform. Insgesamt wird der Staat stärker in die Pflicht genommen, wenn es um die Wahrnehmung seiner Verantwortung für kindgerechte Lebensverhält­nisse und um gleiche Entwicklungschancen für alle Kinder und Jugendlichen geht. Angesichts der aktuellen Debatte über wachsende Kinderarmut, unterschiedliche Bildungschancen, ein Auseinanderdriften der Gesellschaft in Reich und Arm und häufige Fälle von Vernachlässigung ist dies ein wichtiges Signal“, so Brückner weiter.
Bei aller Freude über die Verfassungsänderung hätte sich das Deutsche Kinderhilfswerk aber durchaus eine weitergehende Formulierung vorstellen können. Das gilt zum Beispiel für den Schutz vor Kinderarmut und das Recht auf Beteiligung ebenso wie für die Vorrangstellung des Kindeswohls. Damit hätten insgesamt die Kinder und Jugendlichen nach der UN-Kinderrechtskonvention zustehenden Rechte auf besondere Fürsorge und Unterstützung, auf Förderung und Schutz, eine gewaltfreie und sie schüt­zende Erziehung, auf Bildung und Ausbildung, auf eine Erziehung zu demokratischen Einwohnerinnen und Einwohnern, auf ihre angemessene Beteiligung am politischen und gesellschaftlichen Leben sowie die Vorrangstellung des Kindeswohls in der Landesverfassung normiert werden können.
Deutsches Kinderhilfswerk vom 17. Dezember 2010
Vorlage/Beschluss Landtag Schleswig-Holstein herunterladen

Januar 2011

Deutschland braucht wirksame Politik für Kinder!

Deutscher Kinderschutzbund und UNICEF Deutschland: Forderung nach Einsetzung eines Bundeskinderbeauftragten Anlässlich des Abschlusskongresses zum Nationalen Aktionsplan „Für ein kindergerechtes Deutschland 2005-2010“ des Bundesministeriums für Familie, Senioren, Frauen und Jugend am 9. Dezember 2010 fordern der Deutsche Kinderschutzbund und UNICEF Deutschland die Bündelung kinderpolitischer Maßnahmen und die Einsetzung eines Kinderbeauftragten der Bundesregierung.

„Deutschland braucht endlich wirksame Politik für Kinder“, sagte der Vorsitzende von UNICEF Deutschland, Jürgen Heraeus. „Dazu ist eine bessere Koordination von kinderpolitischen Maßnahmen notwendig. Ein Kinderbeauftragter der Bundesregierung sollte die zersplitterten Ansätze zusammenführen und den Interessen der Kinder endlich mehr Gewicht zukommen lassen.“

Im Rahmen des „Nationalen Aktionsplans für ein kindgerechtes Deutschland 2005-2010“ haben Regierung und Zivilgesellschaft gemeinsam an sechs Themenfeldern gearbeitet, um die UN-Kinderrechtskonvention in Deutschland zu verwirklichen: Chancengerechtigkeit durch Bildung, Aufwachsen ohne Gewalt, Förderung eines gesunden Lebens und gesunder Umweltbedingungen, Beteiligung von Kindern und Jugendlichen, Entwicklung eines angemessenen Lebensstandards für alle Kinder sowie internationale Verpflichtungen. Kein einziges der sechs Arbeitsgebiete ist abgeschlossen. Es fehlt nach wie vor an der Umsetzung fundamentaler Rechte – vor allem für Flüchtlingskinder. 

„Die Bundesfamilienministerin setzt sich nicht genug für die Kinderrechte ein“, sagte der Präsident des Deutschen Kinderschutzbundes, Heinz Hilgers. „Wenn aber weder das Ministerium noch eine andere Stelle in der Regierung willens oder in der Lage ist, sich für die Rechte und damit für die Interessen der Kinder einzusetzen, muss eine solche Institution geschaffen werden.“

In 29 europäischen Ländern von Albanien bis Großbritannien gibt es inzwischen unabhängige Stellen zur Wahrung der Kinderrechte. In den meisten Ländern nennen sie sich Ombudspersonen. In Deutschland dagegen ist Politik für Kinder auf verschiedenste Ressorts verteilt und schon deshalb oft wirkungslos. Die Kinderkommission des Bundestags ist lediglich ein Unterausschuss ohne Antragsrecht, ohne Durchgriffsrechte und ohne Budget. Ein Bundeskinderbeauftragter muss die Kompetenz haben, eine zersplitterte Ressortpolitik im Sinne und Interesse einer kindgerechten Politik zu bündeln und mitzusteuern.

Statt den Ansatz zu einer kohärenten Kinderrechtspolitik zu begraben, sollte die Bundesregierung jetzt mit der Suche nach einer geeigneten Person für den Posten als Bundeskinderbeauftragter beginnen, fordern UNICEF Deutschland und der Deutsche Kinderschutzbund.

UNICEF vom 9. Dezember 2010

 

Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks

 

Allgemeine Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen, Artikel 19: „Jeder hat das Recht auf Meinungsfreiheit und freie Meinungsäußerung; dieses Recht schließt die Freiheit ein, Meinungen ungehindert anzuhängen sowie über Medien jeder Art und ohne Rücksicht auf Grenzen Informationen und Gedankengut zu suchen, zu empfangen und zu verbreiten.“ Die taz, die Frankfurter Rundschau, der Freitag, der Tagesspiegel, Perlentaucher.de, die Berliner Zeitung, netzpolitik.org und European Center For Constitutional and Human Rights (ECCHR) haben einen Appell gegen die Kriminalisierung von Wikileaks veröffentlicht. Weiterlesen

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