Matthias Bartscher
Partizipation von Kindern in der Kommunalpolitik, Lambertus Verlag 1998, Freiburg
Von Rainer Deimel
Ende 1998 hat Matthias Bartscher ein irritierendes Buch mit dem Titel „Partizipation von Kindern in der Kommunalpolitik“ vorgelegt, irritierend insofern, dass es anscheinend ein Mainstream-Thema aufgreift und sich andererseits angenehm abhebt: Das Buch ist in der Lage, auch Fachleuten, die sich nicht erst seit gestern mit dem Komplex der Partizipation befassen, neue und erweiternde Sichtweisen zu vermitteln. Gleichzeitig ist es kein opportunes Buch. Im Gegenteil bewahrt es durchgehend eine kritische Sichtweise aus dem vermutbaren Erleben von Kindern heraus.
Matthias Bartscher ist es gelungen, eine große inhaltliche Bandbreite fundiert zu skizzieren. Er zieht einen Bogen über grundlegende Beschreibungen und Definitionen und greift ferner in geeigneter Theorie-Praxis-Mischung die diversen Themenkomplexe auf, die die Materie in irgendeiner Weise tangieren.
In einem einleitenden Text behandelt er bilanzierend die Grundlagen von Politik für Kinder und mit Kindern. Umfassend nähert er sich dem Thema „Partizipation“ und greift alle wesentlichen Aspekte intensiv auf. Dabei kommen selbst vermeintlich „nicht so wichtige“ Perspektiven wie „Politik und Sprache“, „Kinder, Politiker und Medien“ deutlich zum Zuge. Ohne anzugreifen oder sich in destruktiver Kritik zu verlieren, werden hinterfragende Positionen vertreten und aufgezeigt, Grenzen gewürdigt und gleichzeitig Hinweise geliefert, wie Grenzen peu à peu modifiziert sowie Barrieren überwindbarer gestaltet werden können.
Neben der politischen Dimension des Themas widmet Matthias Bartscher den entwicklungspsychologischen Aspekten der politischen Partizipation ein weiteres Kapitel. Auch in diesem Zusammenhang untersucht er die unterschiedlichsten inhaltlichen Stränge. Zum Beispiel greift er die differenzierte Raumaneignung und Raumnutzung aus geschlechtsspezifischer Sicht auf. Erwähnenswert erscheint mir in diesem Kontext der Ansatz einer systemisch-konstruktivistischen Weltsicht, der sich in anderen Kapiteln ebenfalls Raum verschafft.
Ausgehend von der These „Politik mit Kindern ist Pädagogik“ findet auch die Pädagogik den ihr an-gemessenen Platz. In diesem Kapitel wendet Matthias Bartscher erfreulicherweise den diversen päd-agogischen Sichtweisen und Methoden zu. So fehlen ebensowenig Aspekte zur traditionellen wie der antiautoritären Erziehung wie auch die Antipädagogik ihren Platz findet. Er schafft darüber hinaus einen plausiblen Zusammenhang zum Recht des Kindes. Gleichermaßen skizziert er Dimensionen professionellen Tätigwerdens. Sehr deutlich wird die Rolle der Erwachsenen im Zusammenhang mit Kindern und Kinderpolitik erläutert.
Das Buch schließt mit einer Reihe von methodischen Grundlagen und dokumentierten Praxisbeispie-len aus ganz verschiedenen Zusammenhängen, denen manche Anregung für die eigene Praxis ent-nommen werden kann. Zuvor wird in einem weiteren Kapitel die kommunale Selbstverwaltung aufge-griffen. Hürden in der Verwaltung werden aufgezeigt, Konflikte nachvollziehbar geschildert und Hin-weise geliefert, mit Konfliktpotential konstruktiv umzugehen. Auch hier wird in wertschätzender Weise auf unsachgemäße Kritik verzichtet und vielmehr der Versuch unternommen, für ein höheres Maß an Akzeptanz für alle Beteiligten zu werben.
Alles in allem erscheint mir der Versuch, die Subjektrolle von Kindern nicht aus den Augen zu verlie-ren, als sehr gelungen. So ist das Buch als Einsteigerliteratur, aber auch als Handbuch für kurzfristig erforderliche Hinweise und handhabbare Methoden für InsiderInnen verwendbar. Es sei allen, die sich haupt-, neben- und ehrenamtlichen mit Kindern befassen, als Lektüre empfohlen. Auch als Fachbuch für Berufskollegs, Fachhochschulen und Universitäten dürfte es gut geeignet sein. Ebenso sollte es in jeder Einrichtung, die mit Kindern arbeitet, als Handreichung vorhanden sein.