NAGEL-Redaktion – ABA Fachverband empfiehlt

Mike Weimann 
Wahlrecht für Kinder- Eine Streitschrift, Beltz Verlag 2002, Weinheim, Berlin, Basel
Von Rainer Deimel

„Dieser Ansatz lässt sich der Öffentlichkeit gegenüber nicht vermitteln,“ so der Bielefelder Professor Klaus Hurrelmann mir gegenüber in einem kürzlich geführten Gespräch. Hurrelmann setzt sich ein für eine ausgeprägte Partizipationskultur mit Blick auf Kinder und Jugendliche – hierzu gehört auch ein deutliches Absenken des Wahlalters. Wahlrecht ab Geburt, das ist der Ansatz der Berliner Kinderrechtsgruppe „K.R.Ä.T.Z.Ä.“. Mike Weimann, ein langjähriger Begleiter der Gruppe, hat eine umfassende  – von ihm im Untertitel so genannte – Streitschrift verfasst, die vielleicht mit dazu beitragen kann, den Ansatz in Zukunft eher vermitteln zu können. Umfassend ist die Schrift auch insofern, als sie die ganze breite Argumentationspalette des Pro und Kontra auffächert und diese von allen Seiten her beleuchtet. Ein weiterer Aspekt, diese Schrift zur Lektüre zu empfehlen, ist Weimanns unterhaltsamer Stil, die Inhalte zu transportieren. Das Buch wendet sich in Teilbereichen – auch – an Kinder, begreift sich aber in erster Linie als Argumentationshilfe für Erwachsene. Der Autor verschließt nicht seine Augen vor dem Umstand, dass augenblicklich die meisten Kinder und Jugendlichen kein Interesse an einem Wahlrecht haben. Genau an dieser Stelle müssen „dicke Bretter gebohrt“ werden. Bei Licht betrachtet sind die Ähnlichkeiten zwischen Hurrelmanns und Weimanns Betrachtungen nicht zu übersehen. Ein Ausgrenzen junger Leute hat zu einem bislang ungeahnten Vertrauensverlust in die Institution „Politik“ geführt. In sämtlichen neueren Studien wird der Prestigeverlust deutlich. Gegenzulenken hieße, nicht nur über Partizipation zu reden, sondern konkrete Möglichkeiten der Teilhabe anzubieten. Eine solche Möglichkeit hierzu ist die Einführung des Wahlrechts für Kinder. Weimann führt aus, eine Alterbegrenzung sei nicht erforderlich. Jeder junge Mensch solle sich nach seinem eigenen Willen in die Wählerlisten eintragen können. Damit sei er dann wahlberechtigt. Auch für das passive Wahlrecht, die Wählbarkeit von Kindern, macht er sich stark. Einwände entkräftet er hier beispielsweise damit, aufzuführen, dass jemand überhaupt erst einmal gewählt werden will. Etliche Hürden seien hierbei zu nehmen, um zu einer Kandidatur zu gelangen. Anschließend müsse dann bei der Wahl auch noch eine Mehrheit zu Stande kommen. Sollte dies gelingen, müsse eine Verständigung im Parlament mit anderen Parlamentariern erzielt werden. Würde dies alles erfolgreich sein, könne man einem jungen Menschen nicht die Befähigung als Volksvertreter absprechen. Die Schrift zeigt des weiteren Hoffnungen, die sich mit einem Wahlrecht verbinden, auf. Dabei werden Komplexe wie Bestrafungen, Erziehung, Schule und anderes mehr thematisiert. Ein weiteres Kapitel ist der rechtlichen Situation gewidmet. In diesem Kontext setzt Weimann sich ebenfalls kritisch mit dem Artikel 12 der UN-Kinderkonvention auseinander. Ihn interessiert beispielsweise, warum Kinder nur in „sie betreffenden Angelegenheiten“ angemessen einbezogen werden sollen; bei anderen Gruppierungen unvorstellbar. In Form einer netten Polemik schlägt er vor, den Begriff durch „anmaßende Berücksichtigung“ auszutauschen. Und setzt noch einen oben drauf: Man „stelle sich den Artikel auf Erwachsene angewendet vor: ´Die Vertragsstaaten sichern dem Rentner, der fähig ist, eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen den Rentner berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Rentners angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Gebrechlichkeit.´“ Weitere Ausführungen befassen sich mit einer Demokratietheorie, dem „Kindeswohl“, das als diffuser Begriff „entlarvt“ wird, und vielem anderen mehr. Bezüglich einer „Behütung“ von Kindern bezieht Weimann eine Position, wie sie seit geraumer Zeit auch von mir vertreten wird: „Behütung“ ist faktische Bevormundung (wie „Betreuung“ im klassischen Sinne faktische Emanzipationsverhinderung ist). Schließlich liefert das Buch Argumente zur schrittweisen Umsetzung und zum praktischen Verfahren des Wahlrechts sowie eine übersichtliche Liste häufig gestellter Fragen. Wer sich nach der Lektüre des Buches immer noch gegen das Wahlrecht für Kinder – oder aber gegen die, wie in etwas moderaterer Weise von Hurrelmann geforderte, „deutliche Absenkung“ des Wahlalters – positioniert, belegt, kein wirkliches Interesse an Partizipation zu haben.

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