NAGEL-Redaktion – Kooperationsprojekt zwischen Schule und Bauspielplatz

Von Wilfried Au

Seit nunmehr fast drei Jahren kooperieren die Grundschule Genslerstraße und der Bauspielplatz Rübezahl in Barmbek – Gelegenheit, einmal eine kleine Zwischenbilanz zu ziehen. Den Kooperationsschwerpunkt bilden die Anlage und Pflege eines Schulgartens auf dem Bauspielplatz während und außerhalb der Unterrichtszeit, doch gibt es daneben eine Reihe von anderen Feldern der Zusammenarbeit.

Zur Vorgeschichte:

Der Bauspielplatz „Rübezahl“ befindet sich in der Nachbarschaft der Schule Genslerstraße, etwa 300 Meter entfernt. Dort werden den Schulkindern Beschäftigungsmöglichkeiten geboten, über die die Schule in dieser Form nicht verfügt (Bewegungslandschaften im Außengelände, Werkstätten, Toberaum, Kletterwand etc.). In jüngerer Vergangenheit befand sich der Bauspielplatz in einem wenig einladenden Zustand und war oft wegen fehlender Mitarbeiter geschlossen. Verständlich war daher die geringe Akzeptanz im Stadtteil. Im Herbst 1999 übernahm ein neues Team des Verbandes Kinder- und Jugendarbeit e.V. die Regie auf dem Bauspielplatz und nahm Kontakt zu unserer Schule auf. Auf einer Lehrerkonferenz und einer Elternratssitzung erhielt es die Gelegenheit sein Konzept vorzustellen. Danach zeigten Kollegium und Elternrat Interesse an einer engen Kooperation. Einvernehmlich wurde beschlossen auf dem Bauspielplatz einen Schulgarten anzulegen, da auf dem schuleigenen Gelände der Platz durch Fußballfeld, Spielecke und Pausenhof (Verbundstein) ausgenutzt ist. Eine finanzielle Absicherung erhielt das Projekt mit dem Bewilligungsbescheid des Amtes für Schule vom 31.05.2000 über die Bereitstellung von Sachmitteln aus dem Innovationsfonds in Höhe von 5000,- DM.

Ziele des Projekts

Gemeinsam mit dem Kooperationspartner

  • das neu entwickelte Konzept der Mitarbeiter des Bauspielplatzes den Kindern und Eltern des Stadtteils bekannt machen,
  • den Kindern andere Lernorte, Lernformen und außerschulische Experten bieten,
  • die Heterogenität der Besucher des Bauspielplatzes fördern,
  • die Schülerinnen und Schüler zu Selbstständigkeit und Mitverantwortung für ihr Stadtteilprojekt anleiten,
  • die Kinder durch praktisches Tun im Schulgarten vor- und nachmittags natürliche Prozesse anschaulich und „begreifbar“ erleben lassen,
  • die Pädagogik durch Lernformen der offenen Kinder- und Jugendarbeit gegenseitig weiter entwickeln,
  • erkunden, welche weiteren Formen der Zusammenarbeit sich aus dieser Kooperation ergeben.

Projektbeschreibung:

Im Frühjahr und Sommer 2000 leisteten die Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Bauspielplatzes Vorarbeiten zum Anlegen von drei größeren und einem kleineren Beet. Auch halfen schon einige Kinder einer vierten Klasse beim Eingraben der Beetumrandungen, Abstechen der Grassoden und Aufschütten des Mutterbodens. Die Kinder der 3. und 4. Klassen besuchten den Bauspielplatz für jeweils zwei Unterrichtsstunden, um den Ort und die Angebote dieser Einrichtung kennen zu lernen. Mit Beginn des Schuljahres 2000/2001 begann eine intensive Zusammenarbeit. Bis zum Schuljahresende besuchten nahezu alle Klassen der Schule vormittags den Bauspielplatz, um an ihrem Gartenprojekt zu arbeiten. Mit besonderer Begeisterung, großer Selbstständigkeit und Verantwortung für das Gelingen der Gartenanlage widmete sich eine 4. Klasse an fünf Vormittagen der Aufgabe. Es wurden Sträucher und Bäume gepflanzt, Blumenzwiebeln gesetzt, Gemüsepflanzen gesät, Kräuterbeete angelegt. Auch wurden die Beete vom Unkraut frei gehalten und bewässert. In den Sommerferien ernteten die Kinder des Bauspielplatzes das Gemüse und verarbeiteten es zu leckeren Gerichten.
Während des Aufenthalts auf dem Bauspielplatz waren die Kinder stets in Gruppen eingeteilt, so dass nicht die ganze Klasse mit der Gartenarbeit beschäftigt war. Die anderen Kinder nutzten währenddessen die übrigen Angebote des Bauspielplatzes (Fahrrad fahren, Hüttenbau, Holzwerkstatt, Fußball spielen, Toberaum etc.). Dadurch war gewährleistet, dass alle „Gärtner“ in einer überschaubaren Gruppe unter Anleitung sinnvoll beschäftigt wurden. Auch nachmittags treffen sich Kinder der Schule auf dem Bauspielplatz, um die Gartenarbeit fortzusetzen. Nicht zuletzt wegen der engen Kooperation mit der Schule erfreut sich der Bauspielplatz auch am Nachmittag großer Beliebtheit. Die Eltern im Stadtteil konnten sich vor Ort informieren und sie wissen, dass ihre Kinder dort viele Beschäftigungsmöglichkeiten vorfinden und bei Bedarf gut betreut werden.
Aus den Mitteln des Innovationsfonds wurden bisher 2000,- EUR für Mutterboden, Gartengeräte, Naturmauer, Stauholz und Pflanzen ausgegeben. Ein besonderes Ereignis war im Sommer 2002 der Aufbau einer Stein- und Naturmauer, die einer Vielzahl von Tieren Unterschlupf bietet, eine Fülle von Beobachtungen ermöglicht und sich für einen anschaulichen und handlungsorientierten Sachunterricht anbietet. Die Motivation für die gärtnerischen Arbeiten ist natürlich nicht bei allen Schülerinnen und Schülern gleich groß. Der Bauspielplatz bietet aber genügend Möglichkeiten, um auch die etwas lustloseren Kinder sinnvoll zu beschäftigen. Mit der Tatsache, dass einige Sträucher gestohlen wurden, mussten wir uns ebenfalls abfinden. Dies stellt aber das Projekt keinesfalls in Frage, zumal sich noch eine weitere Form der Zusammenarbeit entwickelte. So betreuen die Mitarbeiter des Bauspielplatzes in Absprache mit den Lehrerinnen und Lehrern der Schule besonders intensiv einzelne Kinder, denen die nötige Zuwendung im Elternhaus fehlt. Sogar bei den Hausaufgaben wird geholfen.

Bereicherung für unsere schulische Arbeit

Die Verlagerung des Lernortes aus der Schule heraus an einen anderen Ort ist an sich schon eine Bereicherung im Sinne einer Öffnung der Schule. Die Kinder trainieren in einem anderen Umfeld soziales Miteinander, spielerisch und ohne „Schulanforderung“. Der Bauspielplatz mit seinem breit gefächerten Angebot an handlungsorientierten Beschäftigungsmöglichkeiten stellt einen besonderen Anreiz dar; die Kinder finden sich in anderen Gruppen, in neuen „Interessenverbänden“ wieder. Sie arbeiten dabei gemeinsam an einem Projekt. Engagierte MitarbeiterInnen des Bauspielplatzteams stehen stets hilfsbereit mit Rat und Tat zur Seite. Learning by doing steht im Vordergrund. Vor allem die praktischen Tätigkeiten wie Häuser bauen, einen Garten anlegen und pflegen, sind Erlebnisse, die Großstadtkinder heute kaum noch erfahren können und die auch die Schule in dieser Form nicht ermöglichen kann. Das Gefühl, Schule interessiert sich für das, was ich auch am Nachmittag/ in meiner Freizeit mache, gibt vielen sonst benachteiligten Kindern ein Gefühl der Sicherheit und „Überlegenheit“ (Selbstwertstärkung).

Bericht einer Klassenlehrerin

„Für meine Klassen ist der Bauspielplatzbesuch immer ein Abenteuer. Die Kinder sammeln Erfahrungen, die sie in ihrem städtischen Wohnbezirk sonst nicht machen können. Die Eltern hatten oft Vorurteile und ließen ihre Kinder nicht allein auf den Bauspielplatz. Durch die Klassenbesuche wurden diese Vorurteile aufgehoben. Die Kinder erproben sich fachgerecht an Werkzeugen, die sie in ihrem Alter sonst nicht benutzen dürfen. Das macht sie stolz und motiviert enorm. Auch das Erklimmen einer Kletterwand gehörte schon zum Besuchsprogramm. Ganz besonders reizvoll war das Anlegen eines Gartens. Wir pflanzten Büsche und Bäume. In kleinen Kästen zogen wir Blumensamen und Gemüse auf, um sie später anzupflanzen. Nicht alle Kinder hatten daran Interesse, aber die „Gärtner“ genossen es, in der Erde zu „wühlen“. Wir steckten zahlreiche Blumenzwiebeln in die Erde und erlebten die Blüte der Frühlingsblumen. Unsere Obstbäume wurden leider gestohlen; eine kleine Entschädigung war jedoch die Erdbeerernte.“

Wilfried Au ist Schulleiter der Schule Genslerstraße

Genslerstraße 33, 22307 Hamburg (Erstveröffentlichung in FORUM FÜR KINDER- UND JUGENDARBEIT 3/2002

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