Kinderlärm – Kein Grund zur Klage

Seit knapp zehn Jahren weist der ABA Fachverband auf die Dringlichkeit hin, „Kinderlärm“ aus den üblichen Bewertungen zum Immissionsschutz auszunehmen. 2002 gab es beispielsweise einen Vorstoß, dies über eine Bundesratsinitiative seitens des Landes Nordrhein-Westfalen zu regeln. Seinerzeit vertrat die NRW-Landesregierung dem Verband gegenüber sinngemäß die Meinung, es gebe keinen Handlungsbedarf, da die Gerichte in der Regel nicht mehr gegen Kinderinteressen urteilten. Allerdings gab es zwischenzeitlich in der Rechtsprechung auch gegenteilige Ergebnisse (Stichwort: Kita Hamburg). Der i-Punktberichtete 2009 über einen Beschluss der CSU vor der bayerischen Landtagswahl, der in Richtung ABA-Position zu diesem Thema ging. Im November 2009 hat nunmehr das Land Rheinland-Pfalz eine Bundesratsinitiative ergriffen. (ABA Fachverband)

Bundesratsinitiative: Kinderlärm ist kein Autolärm

Kinderlärm ist kein Autolärm und auch kein Umweltschaden: Vor dem Hintergrund mehrerer erfolgreicher Anwohnerklagen gegen Kindergärten hat Rheinland-Pfalz im Bundesrat eine Initiative zur gesetzlichen Klarstellung gestartet. „Wenn Kinder spielen, rennen und raufen kann es auch mal laut werden“, sagte Umweltministerin Margit Conrad in der Länderkammer.

Der Bund wird mit der Initiative aufgefordert, in mehreren Gesetzen für entsprechende Klarstellungen zu sorgen, unter anderem im Bundes-Immissionsschutzgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch, im Baurecht und auch im Mietrecht. Die Initiative wird nun zunächst in den verschiedenen Ausschüssen der Länderkammer beraten.

Kinderlärm sei „als Ausdruck natürlicher Lebensäußerung von Kindern grundsätzlich sozialadäquat“, heißt es in der Begründung der Initiative. Klargestellt werden müsse, „dass Kinderlärm in der Regel keine schädliche Umwelteinwirkung“ im Sinne des Bundes- Immissionsschutzgesetzes ist. Dieses Gesetz war von Klägern bei mehreren Verfahren gegen Kindergärten herangezogen worden. Den aktuellen Hintergrund bilden erfolgreiche Klagen gegen Kindergärten in Hamburg und Berlin sowie eine laufende Klage gegen die Kita Kibiz in Frankfurt/Main.

Ziel der Initiative sei es, Rechtssicherheit vor allem für Kindergärten in unmittelbarer Nachbarschaft von Wohnanlagen zu schaffen, sagte Conrad. Zugleich sollten die Rechte von Familien mit kleinen Kindern gegenüber Vermietern gestärkt werden, die in dem Lärm eine „Beeinträchtigung ihres Eigentums“ sehen. Auch Schilder wie „Ballspielen im Hof verboten“ würden dann der Vergangenheit angehören. Unnötiger Lärm solle jedoch auch weiterhin vermieden werden. Conrad: „Natürlich muss die quietschende Schaukel repariert werden.“
(Landesregierung Rheinland-Pfalz vom 27. November 2009)


Tagesordnungspunkt 7 der 864. Plenarsitzung des Deutschen Bundesrats (27. November 2009 – BR DS 864)
Entschließung des Bundesrates
Kinderlärm: kein Grund zur Klage – gesetzliche Klarstellungen zum Umgang mit Geräuschemissionen von Kinder- und Jugendeinrichtungen
Antrag des Landes Rheinland-Pfalz – Drucksache 831/09

Rheinland-Pfalz möchte die Bundesregierung bitten, gesetzlich klarzustellen, dass Kinderlärm in der Regel keine schädliche Umwelteinwirkung im immissionsschutzrechtlichen Sinn darstellt. Aus Gründen der Rechtssicherheit und Klarheit soll auch eine entsprechende Klarstellung im Bürgerlichen Gesetzbuch vorgenommen werden. Außerdem möchte das Land erreichen, dass Kindertageseinrichtungen auch in reinen Wohngebieten zukünftig generell zulässig sind.

Kinderlärm sei als Ausdruck natürlicher Lebensäußerung von Kindern grundsätzlich sozial adäquat und verträglich mit anderen Nutzungen, insbesondere in Wohngebieten. Somit könne Kinderlärm im Regelfall keine schädliche Umwelteinwirkung darstellen. Im Konfliktfall bestehe damit die Vermutung einer Sozialadäquanz des entsprechenden Lärms, die widerlegt werden müsse, bevor Anforderungen an den Betrieb einer Einrichtung gestellt werden können.

Außerdem liege es im Interesse von Eltern und Kindern, dass Kindertageseinrichtungen wohnortsnah eingerichtet werden. Daher sei es notwendig, die Ausweisung von Kindertageseinrichtungen bauplanungsrechtlich auch in reinen Wohngebieten zu erleichtern.

Die Vorlage soll in der Plenarsitzung am 27. November 2009 vorgestellt und sodann den Ausschüssen zur Beratung überwiesen werden.
(Deutscher Bundesrat vom 24. November 2009)

Deutsches Kinderhilfswerk begrüßt die Bundesratsinitiative zum Thema „Kinderlärm“, sieht aber Versäumnisse bei den Ländern selbst

Vor dem Hintergrund von erfolgreichen Klagen gegen Kindertagesstätten in Hamburg und Berlin sowie einer laufenden Klage gegen die Kita Kibiz in Frankfurt hat heute das Bundesland Rheinland-Pfalz einen Antrag in den Bundesrat eingebracht (Drucksache 831/09). Die Initiative fordert Klarstellungen im Bundesimmissionsschutzgesetz, im Bürgerlichen Gesetzbuch und in der Baunutzungsverordnung, welche das lautstarke Spiel von Kindern unter besonderen Schutz stellen.

„Wir begrüßen die Bundesratsinitiative aus Rheinland-Pfalz, gleichzeitig liegt seit der Föderalismusreform die Zuständigkeit für den sozialen Lärm bei den Ländern. Der aktuelle Gesetzesantrag der Berliner Regierungskoalition zeigt den richtigen Weg, wie die Länder eigenständig Initiative ergreifen können. Um den durch spielende Kinder erzeugten Lärm grundsätzlich zu privilegieren, wäre im Übrigen eine Aufnahme der Kinderrechte ins Grundgesetz sinnvoll“, so Holger Hofmann, Spielraumexperte beim Deutschen Kinderhilfswerk.

Die Änderung des Berliner Lärmschutzgesetzes befindet sich derzeit im parlamentarischen Verfahren (vgl. Drucksache 16/2029). Grundlage für die Regelung sozialen Lärms durch die Länder bietet § 23 II BlmSchG. Eine Bundesratsinitiative, welche zum Ziel hat, auch den auf Anlagen bezogenen Lärm im Bundesimmissionsschutzgesetz zu regeln, ist darüber hinaus richtig und wichtig. Der Zweck des Bundesimmissionsschutzgesetzes ist es, den Bürger vor unzumutbarem Lärm zu schützen.

Kinder brauchen Platz und Bewegung, um zu lernen. Über das Spiel entwickeln sie ihre motorischen Fähigkeiten, und sie reifen so zu selbstständigen Persönlichkeiten. Einschulungsuntersuchungen weisen bei 60% der Kinder Haltungsschwächen auf. Das sind alarmierende Signale. In unseren Städten gibt es jedoch immer weniger Platz zum Spielen, auf den Straßen lässt der zunehmende Autoverkehr kaum noch Möglichkeiten zum Spielen. Die defizitäre Rechtsposition von spielenden Kindern verstärkt diesen Trend der Stadtentwicklung – dem muss entschieden entgegen getreten werden.
(Deutsches Kinderhilfswerk vom 27. November 2009)

 

AGOT-NRW zum Thema

Die AGOT-NRW begrüßte auf ihrer Sitzung vom 19. Januar 2010 ausdrücklich die Initiative. Die AGOT sieht damit auch das Ziel der ABA-Forderung in greifbare Nähe gerückt.

Seite eingestellt am 21. Januar 2010

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