Bundesverwaltungsgericht zur Förderung Freier Träger in der Offenen Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Förderung Freier Jugendhilfeträger für Maßnahmen der Offenen Jugendarbeit

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat am 17. Juli 2009 in mehreren Verfahren von freien Jugendhilfeträgern gegen die Landeshauptstadt Dresden über die Voraussetzungen eines Förderanspruchs aus öffentlichen Mitteln entschieden.

Der Stadtjugendring Dresden e.V., der Kreisverband der Falken e.V. und die Ortsgruppe der Naturfreundejugend hatten gegen die Landeshauptstadt Dresden geklagt mit dem Ziel, höhere Personalkostenzuschüsse für Jugendhilfemaßnahmen zu erhalten. Der Jugendhilfeausschuss der beklagten Stadt hatte wegen einer drastischen Kürzung der Fördermittel für das Jahr 2000 (auf 13 Millionen DM statt 17,3 Millionen DM, die nach seiner Einschätzung für eine bedarfsgerechte Fortführung der Angebote und Leistungen erforderlich gewesen wären) die Förderung für das Jahr 2000 zum Teil „proportional“, d.h. pauschal gekürzt. Damit sollten die unumgänglichen Einschränkungen „auf möglichst viele Schultern verteilt“ werden.

Während das Verwaltungsgericht Dresden die Klagen abwies, hat das Oberverwaltungsgericht Bautzen die Stadt verpflichtet, den Klägern nachträglich eine höhere Förderung zu gewähren (Urteil 5 B 370/04 siehe unten). Das Bundesverwaltungsgericht hat die Entscheidungen aufgehoben und die Verfahren an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen, weil es keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe die freien Träger eine Eigenleistung erbracht haben. Ein Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Förderung setzt (nach § 74 Abs. 1 Achtes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VIII [Kinder- und Jugendhilfe]) u.a. voraus, dass freie Träger eine angemessene Eigenleistung erbringen. Das Bundesverwaltungsgericht hat auch vorgegeben, wann ein Anspruch auf weitergehende Förderung freier Träger unter Beachtung des Gebotes der Gleichbehandlung ihrer Aufwendungen mit den Aufwendungen der öffentlichen Jugendhilfe (§ 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII) in Betracht kommt.

BVerwG 5 C
25.08; BVerwG
5 C 26.08;
BVerwG 5 C
27.08; BVerwG
5 C 28.08

Bundesverwaltungsgericht G 5 C 25.08, 26.08, 27.08 und 28.08 – Urteile vom 17. Juli 2009

 

Verwaltungsgericht Dresden hebt Zuwendungsbescheid 2007 wegen Rechtswidrigkeit auf und verpflichtet die Landeshauptstadt Dresden zur Neubescheidung

Mit Urteil vom 3. November 2010 hat das Verwaltungsgericht Dresden einen Zuwendungsbescheid für ein Kinder- und Jugendhaus in Dresden wegen Rechtswidrigkeit aufgehoben und die Landeshauptstadt Dresden verpflichtet, den Antrag des freien Träger aus dem Jahre 2007 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichtes neu zu bescheiden.

Im Jahre 2007 beantragte ein anerkannter Träger der freien Jugendhilfe für sein im Jugendhilfeplan eingestelltes Kinder- und Jugendhaus eine Förderung für Sach- und Personalkosten. Von den beantragten Sachkosten wurden wegen der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Haushaltsmittel lediglich etwas mehr als die Hälfte gewährt. Zur Begründung gab die Landeshauptstadt Dresden ohne nähere Ausführungen an, diese Mittel wären ausreichend, und hielt diese Auffassung auch im Widerspruchsverfahren aufrecht.

Auf die Klage des anerkannten Trägers der freien Jugendhilfe hin stellte das Verwaltungsgericht fest, dass die Verteilung der verfügbaren Haushaltsmittel den Anforderungen an eine ermessensfehlerfreie Entscheidung nicht gerecht würde. Es würden pauschale, nicht nachvollziehbare Kürzungen der Förderung im Hinblick auf die als notwendig und förderfähig erkannten Sachkosten vorgenommen. Es mangele an einem hinreichend erkennbaren Förderkonzept, die streitgegenständlichen Kürzungen könnten in keinster Weise nachvollzogen werden. Auch ließe die Entscheidung nicht erkennen, dass bei der Kürzung der das Ermessen begrenzenden Gleichheitsgrundsatz hinreichend beachtet worden wäre. Dieser Grundsatz solle auch gewährleisten, dass der Träger der freien Jugendhilfe die Maßnahmen mit derselben Sachausstattung durchführen könne wie der Träger der öffentlichen Jugendhilfe oder andere vergleichbare freie Jugendhilfeträger.

Dazu der Prozessbevollmächtigter des freien Trägers, Rechtsanwalt Prof. Forkel: Bei dieser Entscheidung des Verwaltungsgerichts Dresden handelt sich um ein für die freien Träger der Jugendhilfe in seiner Bedeutung kaum zu überschätzendes Urteil. Mit den von mir 2009 herbeigeführten Grundsatzentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts konnte höchstrichterlich geklärt und praktisch durchgesetzt werden, dass die freien Träger einen Rechtsanspruch auf Gleichbehandlung mit der öffentlichen Jugendhilfe bei den Personalkosten haben. Die Geltung dieser Grundsatzes ist nun auch im Bereich der Sachkosten bereits erstinstanzlich anerkannt und umgesetzt worden. Jugendhilfe ist eine Pflichtaufgabe der Kommune, die durch öffentliche und freie Träger der Jugendhilfe gemeinschaftlich wahrgenommen wird. Dabei gilt auch im Verhältnis zwischen freien und öffentlichen Träger der Jugendhilfe der Gleichbehandlungsgrundsatz, und zwar auch bei der Finanzierung. Mit anderen Worten, die vom Gesetz im Interesse eines pluralen Angebots vorgeschriebene umfassende Beteiligung der freien Jugendhilfe darf von den Kommunen nicht dazu missbraucht werden, über schlechtere Sach- und Personalausstattung der freien Träger Kosten zu sparen. Schließlich müssen die Träger der Jugendhilfe ihre Entscheidungen so begründen, dass Art und Höhe von Kürzungen nachvollziehbar sind ebenso wie die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes mit Einrichtungen der öffentlichen Jugendhilfe. Der einfache Hinweis auf begrenzte Haushaltsmittel reicht nicht aus. Hier kommen ganz neue und umfängliche Verpflichtungen für ein rechtmäßiges Zuwendungsverfahren auf die öffentliche Jugendhilfe zu.

Eventuelle Rückfragen bitte an: Rechtsanwalt und Fachanwalt für Verwaltungsrecht Prof. Dr. Hans-Walter Forkel, Königsbrücker Str. 58, 01099 Dresden, 0049 (0) 351 8 26 39 89, 0163 67 48 799, RADr.Forkel@ddkom-online.de

Presseinformation/Mandanteninformation von Prof. Dr. Hans-Walter Forkel vom 21. November 2010

 

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Rechtsauffassung des Stadtjugendrings Dresden zur Art und Höhe der Förderung jugendhilflicher Maßnahmen

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt die Rechtsauffassung des Stadtjugendrings Dresden zur Art und Höhe der Förderung jugendhilflicher Maßnahmen

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig hat in der mündlichen Revisionsverhandlung vom 17. Juli 2009 die Rechtsauffassung des Stadtjugendring Dresden e.V. bestätigt. Eine Kürzung von Mitteln nach der „Rasenmähermethode“ ist im Jugendhilferecht verboten. Wenn notwendige Maßnahmen der Jugendhilfe gefördert werden, dann müssen nach dem Gleichbehandlungsgebot insbesondere bei den Personalkosten die Zuwendungen in einer solchen Höhe erfolgen, die als Personalkosten bei Durchführung der Maßnahme durch die Stadt selbst entstehen würden. Dazu Rechtsanwalt Dr. Hans-Walter Forkel, der den Stadtjugendring Dresden e.V. und Die Falken, Kreisverein Dresden e.V., in diesen Verfahren vertritt: „Das Bundesverwaltungsgericht hat unsere Rechtsauffassung bestätigt, wie die Förderung nach Recht und Gesetz zu erfolgen hat: Auch zwischen öffentlichen und freien Trägern der Jugendhilfe gilt das Gleichbehandlungsgebot.“

Hintergrund der juristischen Auseinandersetzung ist ein Sachverhalt aus dem Jahr 2000: Damals kürzte die Stadt im beträchtlichen Ausmaß die finanziellen Mittel für die Jugendhilfe. Dies betraf auch Projekte und Maßnahmen von Stadtjugendring Dresden e.V. und Die Falken, Kreisverein Dresden e.V. Die Vereine entschlossen sich, dies rechtlich prüfen zu lassen. Die gerichtliche Überprüfung ging zunächst bis vor das Sächsische Oberverwaltungsgericht. Dort wurde die Landeshauptstadt Dresden verurteilt, beträchtliche Nachzahlungen an den Stadtjugendring Dresden e.V. zu leisten. Gegen diese Entscheidung zog die Landeshauptstadt in die Revision vor das Bundesverwaltungsgericht.

Das Bundesverwaltungsgericht verwies die Verfahren an das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen zurück, da nach seiner Auffassung bestimmte tatsächliche Fragen noch geklärt werden müssen: Welche Eigenleistungen wurden von den Vereinen erbracht? Welche Aufwendungen entstanden den Vereinen im damaligen Förderjahr?
Rückfragen bitte an Rechtsanwalt Dr. Hans-Walter Forkel, 0351/826 39 99

Stadtjugendring Dresden/Anett Dahl, Geschäftsführerin – Pressemitteilung vom 17. Juli 2009

Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts

In der Begründung des Bundesverwaltungsgerichts wird deutlich, dass ein freier Träger nicht nur in Bezug auf die Sachkostenförderung gleichzustellen ist; dies gelte auch im Sinne des § 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII für die Personalkostenförderung. Der Träger habe sein Personal nach dem BAT zu entlohnen, was aber mit einer zu geringen Förderung nicht möglich sei. Außerdem habe er Anspruch auf eine rückwirkende Förderung. Das Gericht formuliert folgende Leitsätze zum Urteil im Sinne der Rechtsquellen §§ 4, 74, 79 und 80 SGB VIII:

1. Der Anspruch eines Trägers der freien Jugendhilfe auf Gewährung einer (weiteren) Förderung für eine jugendhilferechtliche Maßnahme geht nicht schon durch den Ablauf des Haushaltsjahres unter, für das Förderung begehrt wird.
2. Nach § 74 Abs. 3 SGB VIII besteht kein Anspruch auf eine weitere Förderung, wenn diese Mittel nicht mehr zweckkonform für die Maßnahmen verwendet werden können, zu deren Förderung sie begehrt werden. Die für die Durchführung der Maßnahme tatsächlich angefallenen oder künftig noch anfallenden Kosten bilden auch bei der Förderung im Rahmen einer Festbetragsfinanzierung die Höchstgrenze der regelmäßig möglichen Förderung.
3. Voraussetzung einer Förderung im Rahmen der Maßnahmen eines Trägers der freien Jugendhilfe nach § 74 Abs. 3 SGB VIII ist, dass der Maßnahmeträger eine angemessene Eigenleistung erbringt (§ 74 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 Nr. 4 SGB VIII).
4. Bei der nach § 74 Abs. 3 SGB VIII zu treffenden Ermessensentscheidung über Art und Höhe der Förderung ist auch eine Auswahlentscheidung zu treffen, welche Maßnahmen der Träger der freien Jugendhilfe – nach Art und Umfang – zu fördern sind.
5. Können im Rahmen der verfügbaren Haushaltsmittel nicht alle Maßnahmen, für die Förderung begehrt wird, im erforderlichen Umfang gefördert werden, erfordert eine ermessensfehlerfreie Entscheidung über die Art und Höhe der Förderung der einzelnen Träger ein hinreichendes jugendhilferechtliches Maßnahmenkonzept einschließlich einer durch den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vorzunehmenden Prioritätensetzung (Förderkonzeption).
6. Das Gebot der Gleichbehandlung der Aufwendungen der Träger der freien Jugendhilfe mit dem Aufwendungen der öffentlichen Jugendhilfe (§ 74 Abs. 5 Satz 2 SGB VIII) gilt auch dann, wenn der öffentliche Jugendhilfeträger selbst eine gleichartige Maßnahme nicht durchführt.
(aus dem Urteil desb 5. Senats des BVerwG vom 17. Juli 2009 – 5C 25.08)
Gesamtes Urteil als PDF herunterladen

Sächsisches Oberverwaltungsgericht (Bautzen) – Urteil vom 12. April 2006

Laut Urteil (5 B 370/04) wurde die sächsische Landeshauptstadt Dresden verpflichtet, dem Kläger, dem Stdtjugendring Dresden, einen weiteren Personaklkostenzuschuss zu gewähren. Der Bescheid der Stadt Dresdenvom 18. April 200 und ihr Widerspruchsbescheid vom 20. HJuli 2000 wurden vom Gericht aufgehoben.
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Letzte Aktualisierung dieser Seite: 2. Dezember 2010 (de)

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