Freiheit und Spannung, Abenteuer pur – ist dies möglich inmitten von Köln ohne die Hilfe der großen Freizeitindustrie? Tatsächlich! In der Innenstadt Kölns, mitten in der Südstadt liegt der Bauspielplatz Friedenspark, im Veedel (Viertel) – liebevoll „Baui“ genannt. Das 3.500 Quadratmeter große Außengelände mutet ein wenig wie eine Brache an. Pflanzen wachsen, es gibt alten Baumbestand, Wälle und Hütten laden zum Spielen und Toben ein. Ein Lagerfeuer brennt. Das ist Abenteuer für Kinder!
Und für schlechtes Wetter gibt es auch überdachte Räume. Diese liegen in einem alten Fort, Teil der ehemaligen preußischen Rheinschanze aus dem Jahr 1823. Und so viel Abenteuer und Spannung diese Einrichtung birgt, so spannend und abenteuerlich ist auch ihre Geschichte.
Auf dem Fort I – dem heutigen Gebäude des Baui – steht oben das immer noch offizielle „Ehrenmal der Stadt Köln“: Ein Adler mit vier Meter breiten Flügeln auf einer 16 m hohen Säule. Dieses Ehrenmal wurde 1927 von dem damaligen Kölner Oberbürgermeister Konrad Adenauer eingeweiht. Es trägt den Spruch „numero oppressis – mente invictis “ („an Zahl unterlegen – im Geiste unbesiegt“). Dies bezog sich auf den 1. Weltkrieg, wobei allerdings vergessen gemacht wurde, dass dieser Weltkrieg sowohl mit einer militärischen Niederlage endete als auch mit einer „Revolution“, die den Kaiser stürzte. Diese Vorkommnisse führten auch in Köln vorübergehend zur Errichtung eines Arbeiter- und Soldatenrates durch die „im Geiste Unbesiegten“. An diesem Ehrenmal legten bis 1971 an jedem „Heldengedenktag“ („Volkstrauertag“, jeweils zwei Sonntag vor dem 1. Adventssonntag) Abordnungen aller in und bei Köln stationierten Militärs, der Stadt und des Kyffhäuserbundes (Dachverband deutscher Kriegervereine) in feierlichen Aufmärschen und mit Musik Kränze nieder und hielten Ansprachen.
1971 aber wurde diese Veranstaltung durch zahlreiche Jugendliche aus der damaligen Jugend- und Studentenbewegung empfindlich gestört – unter anderem durch das Absingen der „Internationale“. Dies konnte auch die Polizei trotz massiven Einsatzes nicht verhindern. Im Jahr darauf beantragten mehrere Kölner Jugendverbände rechtzeitig, in diesem, damals noch „Hindenburgpark“ genannten Gelände, einen Kinder-Spiel-Sonntag durchführen zu dürfen – genau an diesem Volkstrauertag. Der Stadtverwaltung war entgangen, dass das auch der Heldengedenktag war. Und als die militärischen und zivilen Abordnungen zur Heldenehrung eintrafen, war der Platz und das Fort mit spielenden Kindern überfüllt. Die Feier konnte nicht stattfinden. Dieses Spielfest fand in der Nachbarschaft so großen Anklang, dass es in den folgenden Jahren nicht nur an mehreren Wochenenden im Jahr wiederholt wurde; im Sommer fand am Fort ein Zeltlager statt.
Und so entstand die erste Kölner Bürger-Initiative: Die BISA (Bürgerinitiative südliche Altstadt). Sie setzte sich als erstes zum Ziel, hier dauerhaft einen Kinderspielplatz als Bauspielplatz einzurichten. Die Stadt stimmte irgendwann zu. Und nachdem alle Mittel bereitgestellt waren, wurde auf dem Platz ein Spielhaus errichtet – so groß wie der Pavillon für eine Schulklasse, mit einem geräumigen Mehrzweckraum, einem Büro, einer kleinen Küche sowie Sanitärräumen. 1974 wurde die Einrichtung eröffnet.
Im Jahr darauf brannte dieser Pavillon infolge eines Kurzschlusses ab. Der Baubetrieb wurde notdürftig in den zum Fort gehörigen Remisen aufrechterhalten. Als Räume wurden zuerst in der benachbarten alten Hochschule, später dann in der besetzten Stollwerck-Schokoladenfabrik beschafft. Nach dem Abriss der Fabrik wurden 1984 auf dem Gelände des Baui anstelle des alten Pavillons vier Container aufgebaut.
In diesen Jahren versuchten Soldatenverbände des Öfteren, den Baui verlegen zu lassen – weg vom Ehrenmal. In den Räumen des Forts sollte ein Museum für die Helden beider Weltkriege eingerichtet werden. Umgekehrt beantragte eine damals sehr aktive Friedensinitiative in der Südstadt, im Fort ein Friedensmuseum aufzubauen. In dieser Patt-Situation konnte sich der Baui behaupten – allerdings mit Verlusten: 1986 fackelten Angehörige der später verbotenen faschistischen Wiking-Jugend die vier Container ab und hinterließen neben den Ruinen den Spruch: „Besitz stirbt, Sippen sterben, du stirbst wie sie. Eins aber bleibt bestehen: Der Toten Tatenruhm“.
1987 waren die Betreuer des Baui gezwungen, ohne Genehmigung Teile des Forts zu besetzen, das lediglich als Lagerraum im Winter durch das Grünflächenamt für Parkbänke genutzt wurde. Zwei Winter und einen Sommer lang gab es nur einen großen Raum mit riesigen leeren Fensterhöhlen zum Spielen bei Regen. Dann beschloss der Konservator, das Denkmal von oben abzudichten (für 1,5 Millionen DM). Als es drinnen nicht mehr tropfte, beschloss die Bezirksvertretung Innenstadt, die Innenräume dem Bauspielplatz zur Verfügung zu stellen. Die „Jugendhilfe Köln e.V.“ verputzte die Räume und setzte Fenster ein. Und noch einmal zwei Jahre später kam auch eine Heizung in die Räume.
Im Jahr 1993 sollten alle sechs städtischen Bauspielplätze weggespart werden. In der Südstadt wurde nach vielen Protesten das nahe gelegene Jugendzentrum Alteburger Wall geschlossen und der Baui blieb. Eine große Demonstration formierte sich seinerzeit unter dem Motto „Kölner Schätze – Bauspielplätze“. Seit 1998 ist der Baui in der Trägerschaft der JugZ Köln gGmbH.
Die Einrichtung
Der Bauspielplatz Friedenspark ist ein Kinder- und Jugendzentrum im Süden der Innenstadt Kölns. Das Gebäude ist ein altes Fort mit über 600 Quadratmetern Innenfläche: Alle Räume sind Gewölbe hinter dicken Mauern. Das Außengelände umfasst 3.500 qm in einer idealen Lage: in einem Park – umgeben von Wällen, die mit Bäumen und Gebüsch bepflanzt sind.
Im Außenbereich befindet sich der Bauspielplatz, der hauptsächlich von Kindern genutzt wird. Hier bauen sie Holzhütten, es gibt eine Feuerhütte, Baumhäuser, eine Wasserstelle, einen Sandkasten, einen unterirdischen Gang und Platz für Ballspiele. Im Haus stehen eine große Halle und andere Räume bis hin zum abenteuerlichen „Geisterkeller“ zur Verfügung.
In der Einrichtung gibt es 2,5 hauptamtliche Stellen. Dazu kommen etwa 12 Honorarkräfte mit 2-4 Stunden wöchentlicher Arbeitszeit, meist Jugendliche, die früher selbst als Kind auf dem Baui spielten, nun ausgebildet zu Kinder- und Jugendgruppenleitern. Montag bis Freitag von 12-20 Uhr betreuen die Pädagogen den „Baui“; am Wochenende gibt es einen monatlichen Teenie-Treff. Jedes Wochenende wird die Halle für Feste vermietet; dies allerdings nur an unmittelbare Nachbarn aus der Südstadt. Träger der Einrichtung ist die Jugendzentren Köln gGmbH.
Die Zielgruppe sind etwa 2.000 Kinder und Jugendliche im Alter von 6 bis 22 Jahren aus dem Viertel. Täglich hat die Einrichtung selbst bei schlechtestem Wetter 60, bei gutem Wetter bis zu 150 Besucher, davon über die Hälfte Kinder.
Möglichkeiten
Kinder und Jugendliche wollen ihre Freizeit als wichtigen Teil ihres Lebens selber aktiv gestalten. Das können und sollen sie hier tun. Das schließt ein, die Fähigkeit zu erwerben, sich mit den unterschiedlichsten Interessen der anderen Besucher gleichberechtigt auseinanderzusetzen. Das setzt voraus, dass die Besucherstruktur weitgehend identisch ist mit der sozialen Zusammensetzung des Stadtteils. Nicht gewollt ist, das etwa nur eine bestimmte Gruppe die Einrichtung dominiert.
Ein weiteres Markenzeichen der Einrichtung soll sein, dass ältere sich vorbildlich gegenüber jüngeren verhalten und Verantwortung für sie übernehmen. Verstärkt wird dieses auch, indem junge Jugendliche ab zwölf Jahren zu Kindergruppenleitern und Jugendliche ab 16 Jahren zu Jugendgruppenleitern ausgebildet werden. Sie übernehmen ihren Fähigkeiten und Talenten entsprechend AGs und betreuen die Kinder auf den Ferienfreizeiten mit. Die verschiedenen Kulturen der Besucher sind gleichberechtigt, ebenso Mädchen und Jungen.
Als charakteristische gesellschaftliche Entwicklung kann konstatiert werden, dass quer durch alle Schichten elterliche Bezugspersonen in der Familie tendenziell immer öfter wechseln bzw. zum Teil auch fehlen. Deshalb soll besonders die Fähigkeit der Kinder gestärkt werden, eigene Interessen wahrzunehmen, diese zu äußern, selbstständig neue Beziehungen zu anderen herstellen zu lernen, Vertrauen zu sich selbst und anderen zu entwickeln.
Da in der Schule der Schwerpunkt auf der Entwicklung der intellektuellen Fähigkeiten liegt, muss den Kindern ebenso die Möglichkeit gegeben werden, kindgerecht und kreativ geistige Fähigkeiten und körperliche Aktivitäten zu kombinieren (Werkstätten, Hüttenbau, ferner Musik, Spiel usw.) Die Gemeinschaft mit anderen spielt dabei eine wichtige Rolle.
Da sowohl in Schule wie in Freizeit sehr viele Aufgaben und Verhaltensmöglichkeiten vorgegeben sind, und die Kinder/Jugendlichen meist nur passiv bzw. konsumierend dabei sind, ist die Stärkung von Eigeninitiative sehr wichtig. Von herausragender Bedeutung ist die Möglichkeit selbstständiger Orientierung, Planung und Durchführung von Aktivitäten. Hierin werden exzellente Möglichkeiten zur Entwicklung von Eigenverantwortung und Selbstvertrauen gesehen.
Aus alledem wird deutlich: Der Baui ist kein Aufbewahrungsort, wo Kinder und Jugendliche lediglich „von der Straße“ geholt und beaufsichtigt und beschäftigt werden. Es ist auch nicht nur der Platz, wo Kinder und Jugendliche aus sozialen Brennpunkten betreut werden. Hier werden nicht nur defizitäre Entwicklungen ausgeglichen. Alles passiert hier zwar auch, denkt man beispielsweise an die Inklusion von Kindern mit Behinderungen oder schwerst verhaltensauffälligen Kindern und Jugendlichen. Unter dem Strich ist das Kinder- und Jugendzentrum „Baui“ zu einem wertvollen und wichtigen Bestandteil für die Entwicklung und allgemeine Förderung aller Kinder und Jugendlichen geworden.
Das Programm des Bauspielplatzes bietet neben dem offenen Hüttenbau auch unterschiedliche AGs: Sport, Medien, Kultur und Gender … So treffen sich wöchentlich die Spieleprofis, Mädchen- und Jungengruppen gibt es, Fußball in allen Altersklassen, Tanz- und Stop-Motion-AGs, Musical-Inszenierungen und anderes mehr.
Kontakt
Bauspielplatz Friedenspark
Hans-Abraham-Ochs-Weg 1
50678 Köln (Südstadt)
0221/37 47 42
Der BAUI Friedenspark bei SPIELPLATZTREFF.de
Die Geschichte des Bauspielplatzes Friedenspark in der Kölner Südstadt ist einerseits typisch für die Entstehenszeit, andererseits aber auch wieder ungewöhnlich, kölsch eben. Insofern ist es uns auch wichtig genug, diese historischen Aspekte hier ausreichend zu würdigen.
Über die hier geschilderte Historie des Platzes hinaus, sollte die Umbenennung der Straße vor ein paar Jahren erwähnt werden. Die kleine Seitenstraße, die „wohl kürzeste Straße der Südstadt“ (meinesuedstadt.de), gehörte früher zum Oberländer Wall. Hans-Abraham-Ochs, nach dem die Straße nunmehr benannt ist, war ein achtjähriger Junge, der hier 1936 von Jungen der Hilterjugend erschlagen wurde, weil sein Vater Jude war.
Die lebhaften Kontakte zwischen dem Baui Friedenspark und dem ABA Fachverband haben eine lange Tradition. Immer wieder konnten in verschiedenen Zusammenhängen hilfreiche Anregungen von und aus dieser Einrichtung der Offenen Arbeit mitgenommen werden, die sehr inspirierend wirken. Insofern war es endlich an der Zeit, diesen beachtlichen Abenteuerspielplatz, der gleichzeitig Kinder- und Jugendzentrum ist, in unsere Rubrik „Qualität: Inspiration“ aufzunehmen. Dies ist verbunden mit der überzeugten Vergabe von fünf (*****) Sternen für die hier vorfindbare vorbildliche Arbeit mit jungen Menschen und ihren Familien.
ABA Fachverband (1. September 2012)
Letzte Aktualisierung: 22. August 2014