Christopher Roch

NAGEL-Redaktion – (Nicht)Behinderung – Vielfalt des Lebens

Seitens des ABA Fachverbandes gibt es seit längerem Bemühungen, Offene Arbeit und Behinderung stärker in den Fokus zu nehmen. Der „offizielle Auftakt“ hierzu war die Herausgabe der Broschüre von Petra Monshausen und Rainer Deimel „Die einzigen Behinderten, die es hier gibt, sind die Betreuer“. Diese Publikation erschien bereits 1990 in der NAGELKOPF-Reihe.

Bei dem leicht provokanten Titel handelte es sich um ein wörtliches Zitat eines Mitarbeiters in einer offenen Einrichtung auf die Frage von Petra Monshausen nach der Präsenz von Behinderten.

Die Bemühungen um das Thema sind inzwischen weiter fortgeschritten. Dokumentiert wird dies unter anderem durch Mitarbeit von Dirk Makoschey im Fachbeirat des Verbandes seit Anfang 2007. Hierzu der i-Punkt 2/2007: „Da der Bereich ‚Behinderung & Teilhabe‘ innerhalb des Verbandes bislang noch nicht explizit vertreten war, ist die Berufung von Dirk Makoschey eine große Bereicherung. Für Ideen, die die Schnittstelle zwischen Kinder- und Jugendarbeit sowie Rehabilitation/Integration betreffen, sind wir offen und freuen uns über entsprechende Kontakte.“

Wir haben uns entschlossen, hier als Unterverzeichnis der „NAGEL-Redaktion“ diese Seite einzurichten. Über Zuspruch freuen wir uns.

Themen

Inklusion und Offene Kinder- und Jugendarbeit

Anfang Oktober haben wir die Seite Alle reden von Inklusion – Yanneck macht’s einfach ins ABA-Netz gestellt. Dies geschah im Zusammenhang mit der Ehrung des Bauspielplatzes Friedenspark, Köln, in unserer Rubrik Qualität: Inspiration. Auf der Seite ist auch ein Kurzkonzept „Inklusion Bauspielplatz Friedenspark“ zu finden.

PferdeStärken

Ein Projekt der NaBeBa-Naturwerkstatt, Waltrop, in Kooperation mit dem ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen

Aufbau und Entwicklung freizeitpädagogischer Angebote für Kinder und Jugendliche mit und ohne Behinderungen unter besonderer Berücksichtigung des Einsatzes von Pferden (5. August bis 31. Dezember 2011) NaBeBa e.V.

AktionMensch Inklusion Praxisheft

 

Ulla Keienburgs Blog: Pablo Pineda – Eine unmögliche Karriere?

Foto: Me too – Wer will schon normal sein? Spanien 2009 (Bild: prinz.de – übernommen von Ulla Keienburg)

Ich hatte nur zwei Fragen: „Bin ich dumm?“ Er antwortete: „Nein.“ „Kann ich weiter in die Schule gehen mit meinen Freunden?“ Er sagte: „Kein Problem.“ Der Rest, der war mir egal.“ -> Pablo Pineda – Eine unmögliche Karriere?

Online-Handbuch „Inklusion als Menschenrecht“ gestartet

Infos, Spiele und Methoden zu den Themen Inklusion, Behinderung und Menschenrechte

Das Deutsche Institut für Menschenrechte und die Stiftung „Erinnerung – Verantwortung – Zukunft“ haben das ansprechend gestaltete Online-Handbuch konzipiert und umgesetzt. Jeder Mensch hat ein Recht auf „Inklusion“, also darauf, ein gleichberechtigter Teil der Gesellschaft zu sein. So steht es unter anderem in der Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen, die seit 2009 auch in Deutschland gilt. Doch von der rechtlichen zur tatsächlichen Gleichstellung behinderter Menschen ist es noch ein weiter Weg. Das Online-Handbuch „Inklusion als Menschenrecht“ will dazu beitragen, diesen Weg zu ebnen. Es ist eine einzigartige Sammlung an Informationen, Spielen und Methoden zu den Themen Inklusion, Behinderung und Menschenrechte.

Internet-Präsenz

Jugendhilfe-aktuell Newsletter vom 1. Dezember 2011

 

UN-Monitoring-Stelle: „Wir sind alle aufgefordert, Behinderung neu zu denken!“

UN-Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention zum Internationalen Tag der Menschen mit Behinderungen am 3. Dezember 2011

Die Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention hat für die Neuinterpretation des Begriffs „Behinderung“ geworben. Behinderung sei lange als Problem des Einzelnen betrachtet worden, erklärte Valentin Aichele, Leiter der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention, anlässlich des Internationalen Tages der Menschen mit Behinderungen. Die UN-Behindertenrechtskonvention setze dem ein anderes Verständnis von Behinderung entgegen. „Menschen mit Beeinträchtigungen sind nicht behindert, sie werden durch Barrieren in der Umwelt und in den Köpfen behindert“, so Aichele.

Behinderung entstehe durch die Wechselwirkung zwischen Menschen und ihrer Umwelt und schränke behinderte Menschen in der gleichberechtigten Ausübung ihrer Rechte ein. Eine intensive gesellschaftspolitische Diskussion über die Folgerungen sei dringend notwendig. Dieser Paradigmenwechsel müsse sich aber auch auf das Verständnis bestehender rechtlicher Bestimmungen auswirken. Ein Beispiel sei die Auslegung von Artikel 3 des Grundgesetzes „Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden“. „Die Auslegung des verfassungsrechtlichen Begriffs Behinderung sollte zukünftig im Lichte der Konvention erfolgen“, betonte der Menschenrechtsexperte.

Marianne Hirschberg, wissenschaftliche Mitarbeiterin der Monitoring-Stelle und Autorin des gerade erschienenen Positionspapiers „Behinderung: Neues Verständnis nach der Behindertenrechtskonvention“, sagte: „Die Barrieren in den Köpfen sind nach wie vor vorhanden, und es gibt große Berührungsängste, die das Leben von Menschen mit Behinderungen unnötig erschweren. Ich würde mir beispielsweise wünschen, dass Menschen mit Behinderungen häufiger in den Medien auftauchen und dass sie dort nicht nur als Exoten dargestellt werden.“ Solche Bilder verhinderten, die Barrieren zu erkennen, die Menschen an der gleichen Rechtsausübung hindern, und die notwendigen Schritte zur Überwindung zu identifizieren.

Deutsches Institut für Menschenrechte vom 1. Dezember 2011

 

Handlungbedarf zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen

Das Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechts von Menschen mit Behinderungen (UN-Behindertenrechtskonvention – BRK) normiert erstmals in völkerrechtlich bindender Weise die Menschenrechte der Menschen mit Behinderungen. Damit wird kein Sonderrecht für behinderte Menschen geschaffen, sondern fir allgemeinen Menschenrechte werden aus der Perspektive von Menschen mit Behinderungen klargestellt und konkretisiert. Die Behindertenrechtskonvention trat am 26. März 2009 in Deutschland in Kraft.

Mit Datum vom 26. August 2009 formuliert der Sozialverband Deutschland (SoVD), anLandesverband NRW, ein umfassendes Papier über die „Landespolitischen Handlungsbedarfe zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention in Nordrhein-Westfalen“. Darin geht es um ein inklusives Bildungswesen (Eine Schule für alle), allgemeine Zugänglichkeit („Barrierefreiheit“) in Bezug auf Bauen und Verkehr, selbstbestimmtes, barrierefreies Wohnen, barrierefreie öffentliche Zugänge zu Diensten und Einrichtungen, Anpassung des Behindertengleichstellungsgesetzes NRW u.a.m. Der ABA Fachverband schließt sich den Auffassung und Forderungen des SoVD an.

Aufmerksamkeit hat beim ABA Fachverband auch die differenzierte Betrachtung des SoVD erregt, wenn beispielsweise der Begriff „Zugänglichkeit“ im Zusammenhang mit „Barrierefreiheit“ benutzt wird. Nach Auffassung des ABA Fachverbandes sind in gewisser Weise „Barrieren“ erforderlich, um Menschen dazu zu animieren, Herausforderungen anzunehmen. Dies gilt insbesondere im Zusammenhang mit pädagogischen Programmen und Aktivitäten. So gesehen definiert „Barrierefreiheit“ nicht, sämtliche Schwierigkeiten aus dem Wege zu räumen, sondern die Lebenswelt barrierebewusst zu gestalten, mit anderen Worten: Ausschlüsse und Aussondern gezielt zu vermeiden.

Dies ist kein rein philosophisches Thema, sondern darüber hinaus auch handfestes politisches und praktisches Handeln. (ABA Fachverband, 28. August 2009) – Zur Seite „Umsetzung der UN-Behindertenkonvention in NRW“ wechseln

 

Total Normal – Behinderte Mädchen und Jungen erobern ihre Stadt

Bewegung statt Stillstand. Ein Projekt der Vereine ELE e.V. und MOBILE e.V., Dortmund. Faltblatt herunterladen

Pressemitteilung des ABA Fachverbandes vom 13. Januar 2007 zur Auftaktveranstaltung „Total Normal! Behinderte Mädchen und Jungen erobern ihre Stadt“

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Edwards-Team unterstützt Stadtabenteuer für behinderte Jugendliche durch kostenlose Verpflegung

Dortmund: Behinderte Jugendliche erobern mutig neue Erlebnisräume in der Stadt. Bericht vom 20. April 2007.
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Selbstbestimmung erfahren durch Erlebnispädagogik – Dokumentation einer Fachtagung im Rahmen des Projekts “ total normal! Behinderte Mädchen und Jungen erobern ihre Stadt“ am 24. Juni 2008 in Dortmund (herausgegeben von Erleben Lernen Erfahren e.V. und MOBILE Selbstbestimmtes Leben Behinderter e.V.)

In dem Modellprojekt „total normal! Behinderte Mädchen und Jungen erobern ihre Stadt“ entwickelten die genannten Dortmunder Vereine gemeinsam ein innovatives Konzept. Über handlungsorientierte Methoden aus der Spiel- und Erlebnispädagogik konnten behinderten behinderten Jugendlichen Kernkompetenzen zum selbstbestimmten Leben vermittelt werden, sodass diese mehr Teilhabe in unserer Gesellschaft selbstbewusst einfordern und realisieren können. Das Kooperationsprojekt wurde über eine zweijährige Laufzeit vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes Nordrhein-Westfalen im Programm „Teilhabe für alle“ gefördert. Minister Karl-Josef Laumann war bei der Veranstaltung anwesend. Dokumentiert werden auch die Hintergründe des Modellprojekts. Die Broschüre kann hier heruntergeladen werden (56 Seiten, 3.931 KB).

Landesjugendamt Rheinland

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Schwerpunkt: Unterschiedlichkeit macht schlau! Gemeinsame Erziehung von Jungen und Mädchen mit und ohne Behinderung

Grundsätzliches

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Gesetz zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen vom 13. Dezember 2006 über die Rechte von Menschen mit Behinderungen sowie zu dem Fakultativprotokoll vom 13. Dezember 2006 zum Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (Bundesgesetzblatt Jahrgang 2008 Teil II Nr. 35, ausgegeben zu Bonn am 31. Dezember 2008)
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Zwischen Deutschland, Liechtenstein, Österreich und der Schweiz abgestimmte Übersetzung
Übereinkommen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen
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Wikipedia: UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen

https://aba-fachverband.info/wp-content/uploads/UN_Neues-Verstaendnis.pdf

Behinderung: Neues Verständnis nach der Behindertenrechtskonvention

Lange Zeit wurde Behinderung als Problem des Einzelnen betrachtet. Die UN-Behindertenrechtskonvention etbliert einen veränderten Blick auf Behinderung: Nicht die Menschen mit Beeinträchtigungen sind behindert, die werden – durch Barrieren der Umwelt – behindert. Dieser neue Behindertenbegriff setzt einen gesellschaftspolitischen Impuls, Behinderung anders zu deneken und bei der zukünftigen Fortentwicklung des Rechts und in der gesellschaftlichen Praxis zu betrachten.
Positionspapier Nr. 4 der Monitoring-Stelle zur UN-Behindertenrechtskonvention – Herausgegeben vom Deutschen Institut für Menschenrechte.

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Online-Handbuch Inklusion als Menschenrecht des Deutschen Instituts für Menschenrechte (Externer Link) – Logo anklicken!

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Externer Link zum Deutschen Institut für Menschenrechte (Logo anklicken!)

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10. Fachtag für die Organisatorinnen und Organisatoren der Spielplatzpaten in NRW (im Landtag)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,RTEmagicC_Logo_Spielplatzpaten.jpg

mit Datum vom 9. Februar 2015 hatten wir darum gebeten, sich den Termin für den diesjährigen Fachtag der Organisator_inn_en der nordrhein-westfälischen Spielplatzpaten bei Interesse zu reservieren. Heute nun möchten wir Euch/Ihnen die Einzelheiten zur Veranstaltung mitteilen. Der Fachtag findet statt am

Montag, 23. März 2015 ab 10.00 Uhr im Landtag NRW, Raum E 3 D 01 (SPD-Fraktionssaal).

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Workshop „clubs in movement“ Keulenmanipulation & Tanzjonglage

Sonntag 15. März 2015, von 15.00 bis 20.00 Uhr, im ZAK Zirkus und Artistik Zentrum Köln  (An der Schanz 6, 50735 Köln)

55 € pro Person

INHALTE

Der Workshop „clubs in movement“ behandelt Keulenjonglage – insbesondere Keulenmanipulation. Das Augenmerk wird auf Keulenmanipulation als Schlüssel für die Integration des Körpers in die Jonglage gelegt. Ziel ist es, dem Jongleur eine expressivere, organische Jonglage zu ermöglichen, die ihren Ursprung in der Jonglagetechnik selbst findet.

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Grundlagen-Fortbildung Zirkuspädagogik kompakt

Die Fortbildung vermittelt einen Einstieg in die Techniken der wesentlichen Zirkuskünste. Hierbei werden die methodisch- didaktisch Grundgedanken der Zirkuspädagogik spielerisch auf die jeweiligen Zirkuskünste übertragen. In vier Praxisphasen werden die erlernten Inhalte innerhalb der jeweiligen Berufsfelder der Teilnehmenden angewendet und reflektiert.

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Freiburger Studie

Die Bedeutung des Wohnumfeldes für das Heranwachsen junger Menschen – Städte brauchen außerhäusliche Aktionsräume

Von Baldo Blinkert

Die „Freiburger Studie“ legt dar, dass Kinder in der Stadt immer weniger Möglichkeiten zum Spielen im Freien finden. Die Untersuchung zeigt aber auch, was kommunalpolitisch dagegen getan werden kann.
Der amerikanische Sozialwissenschaftler Neil Postman hat das „Ende der Kindheit“ postuliert. Diese These ist missverständlich, denn es spricht viel für die Vermutung, dass sich Kindheit als soziale und ökonomisch verwertbare Institution erst richtig etabliert und immer mehr die Form einer „inszenierten Kindheit“ annimmt.
Die in Großstädten lebenden Kinder verlieren immer mehr die Möglichkeit zum spontanen und unbeaufsichtigten Spielen mit Gleichaltrigen im Umfeld ihrer Wohnung. An die Stelle von unmittelbaren Erfahrungen treten immer mehr Erfahrungen aus zweiter Hand und mit Simulationen.
Kinder leben immer mehr in Reservaten, in Welten, die für sie inszeniert und simuliert werden: auf Spielplätzen, in Organisationen, in den künstlichen Welten der Medien. Immer mehr Kinder wachsen in einer Umwelt auf, die entweder gefährlich ist oder in der man nichts erleben kann. „Wirklichkeitsverlust“ und „Erlebnismangel“ werden für immer mehr Kinder zu zentralen Merkmalen ihrer Lebenswelt.

Wie man Kommunalpolitik für Kinder macht

In Freiburg im Breisgau wurde im Auftrag der Stadtverwaltung eine Untersuchung durchgeführt, um diese Probleme zu untersuchen und Lösungsvorschläge zu entwickeln (in dieser Untersuchung wurden Informationen über die Spielmöglichkeiten von über 4.000 Kindern erhoben). Die folgenden Fragen standen im Vordergrund:

  • Über welche Aktionsräume können Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren verfügen?
  • Welche Konsequenzen hat eine schlechte Aktionsraumqualität für die Lebensqualität und für die Entwicklungschancen von Kindern?
  • Welche politisch veränderbaren Merkmale von städtischen Umwelten sind für die Aktionsraumqualität von Kindern verantwortlich?

In der Untersuchung ging es um praktische Fragen. Denn nicht alles, was wissenschaftlich interessant ist, ist auch unter politischen Gesichtspunkten wichtig. Wenn wir zum Beispiel wissen, dass die Situation von Kindern durch Veränderung in Ehe und Familie beeinflusst wird oder durch das Bildungsmilieu der Eltern oder durch die Erwerbstätigkeit beider Elternteile, so sind das wertvolle Erkenntnisse – aber keine Kommunalverwaltung wird diese Verhältnisse ändern können. Wir haben uns also auf Bedingungen konzentriert, die sich auch kommunalpolitisch beeinflussen lassen. Und dazu gehört alles, was mit dem Begriff des Aktionsraumes beschrieben werden kann. Unter einem Aktionsraum verstehen wir ein Territorium, das Kindern zugänglich ist, das für Kinder dieser Altersgruppe gefahrlos ist, das den Gestaltungsmöglichkeiten dieser Altersgruppe entspricht und wo es Interaktionschancen mit Gleichaltrigen gibt.
Die Untersuchung zeigt, dass von allen berücksichtigten Bedingungen die Aktionsraumqualität den Kinderalltag am stärksten beeinflusst. Das gilt besonders für die frei disponierbare Zeit am Nachmittag und frühen Abend. Die Merkmale der unmittelbaren Wohnumgebung haben auf die Zeitverwendung von Kindern einen erheblich größeren Einfluss als die Merkmale Alter, Geschlecht, Familienstatus, Erwerbstätigkeit und Bildungsmilieu der Eltern. Das ist ein außerordentlich bedeutsames Ergebnis, denn es zeigt, dass die wichtigste Determinante für den Kinderalltag kommunalpolitisch gestaltbar ist. Wenn man etwas verändern will, so ist das auch möglich.

Wie man Kindern zu Defiziten verhilft

Die Annahme scheint plausibel, dass die dauerhafte Erfahrung ungünstiger Aktionsraumbedingungen zu Autonomie- und Kreativitätsdefiziten bei Kindern führen kann. Drei Argumente sprechen dafür:

  • Eine dauerhaft schlechte Aktionsraumqualität im Wohnumfeld trägt vermutlich dazu bei, dass Kinder nur wenig Selbstständigkeit entwickeln. Es kommt zu einer Art „Bedürfnisfixierung“: eine unzureichende Lösung von Sicherheitsbedürfnissen und ein geringes Interesse am Ausprobieren, Entdecken und Problemlösen. Dieses Phänomen ist uns bei den Begehungen von Wohnquartieren mit Kindern begegnet. Auf die Frage, was sich denn auf einem Spielplatz ändern müsste, erhielten wir nicht selten die Antwort: noch eine Schaukel, eine Rutsche, eine Wippe, ein Wackeltier.
  • Von allen Fachleuten wird betont, wie wichtig für Kinder im Vorschul- und Grundschulalter die Möglichkeit zum Herstellen ist – Herstellen von Dingen, aber auch soziales Herstellen von Regeln und Beziehungen. Kinder, die diese Möglichkeit besitzen, können Selbstbewusstsein, Stolz auf die eigenen Fähigkeiten, aber auch Einsicht in die Grenzen ihres Handelns gewinnen. Anregende und offene Aktionsräume bieten Kindern vielfältige Möglichkeiten zum Herstellen, zum dinglichen und sozialen Herstellen. Das Fehlen von Aktionsräumen regt dagegen eher zum Konsumieren fertiger Dinge und Dienstleistungen an.
  • Eine dritte Vermutung bezieht sich auf die Kompetenz von Kindern. Kinder entwickeln möglicherweise unter dauerhaft ungünstigen Aktionsraumbedingungen ein Defizit, das eine Ähnlichkeit mit den Defiziten der künstlichen Intelligenz bei Computern hat: sie erwerben hochentwickelte formale Fähigkeiten, aber nur eine unterentwickelte Semantik. Sie können immer besser und differenzierter kommunizieren, aber sie wissen nicht, worüber – ihnen fehlen die Bedeutungen und Inhalte.

Ein Symptom für dieses Defizit ist die Unfähigkeit zum Erzählen. Inhalte und Bedeutungen, also etwas Erzählenswertes, kann man nur erwerben, wenn man etwas erlebt. Viele Kinder leiden heute unter einem extremen Erlebnismangel. Welche Erlebnisse haben Kinder, worüber sollten sie sich den halben Nachmittag auf einem Spielplatz mit Rutschen, Wippen, Kriech- und Wackeltieren beschäftigt haben?
Hinter der Freiburger Untersuchung stand, wie erwähnt, eine praktische Fragestellung: Was kann eine Stadt tun, um die Situation von Kindern zu verbessern? Was also kann getan werden, wenn man nicht die Politik der 70er und 80er Jahre fortsetzen will, in der immer mehr Kinderreservate eingerichtet und immer mehr Therapien für Kinder angeboten wurden?
Eine sinnvolle Alternative ist die politische Gestaltung einer kinderfreundlichen städtischen Umwelt. Die von uns formulierten Vorschläge konzentrieren sich auf drei Bereiche:

  • auf die Gefährdung durch den Straßenverkehr
  • auf die Frage, wie sich soziale Risiken für Kinder verringern lassen
  • auf die Frage, wie sich gestaltbare Spielorte in erreichbarer Nähe einrichten lassen.

Wie man die Gefahren des Straßenverkehrs verringert

Wichtig erscheint die Schaffung von bespielbaren und sicheren Übergangszonen zwischen Haustür und Straße. Dazu gibt es schon eine Reihe von guten Vorschlägen. In einigen Wohngebieten würde es sich anbieten, die Vorgärten stärker für Kinder zugänglich zu machen.
Wichtig ist ferner eine konsequente Fortsetzung der Politik umfassender Verkehrsberuhigungen. Unsere Untersuchung zeigt, dass die Lebensqualität von Kindern durch die Einrichtung von Spielstraßen erheblich verbessert werden kann. In Großstädten wie Freiburg gibt es noch viele Möglichkeiten, autofreie Straßenplätze und Spielstraßen zu schaffen. In den verdichteten Wohnquartieren wird das im Übrigen die einzige Möglichkeit sein, wie man für Kinder mehr Freiräume schaffen kann. Baulücken für Spielplätze sind in diesen Gebieten kaum mehr vorhanden.
Die Befürchtung, dass Kinder beim Spielen draußen durch andere Menschen gefährdet sein könnten, spielt insgesamt eine geringere Rolle als die Furcht vor dem Straßenverkehr. Nur 10 Prozent der Eltern erwähnen soziale Risiken als Gründe für schlechte Spielmöglichkeiten. In einigen Stadtgebieten besitzen aber gerade diese Risiken eine erhebliche Bedeutung, und es wäre wichtig, dafür jeweils Lösungen zu finden. Im wesentlichen haben diese Risiken zwei Gründe:

  • In vielen Wohngebieten sind informelle soziale Kontrollen nicht mehr wirksam – „Quartierswächter“ fehlen.
  • In einigen Wohngebieten werden Probleme durch „zwielichtige Gestalten“ befürchtet: Stadtstreicher, Alkoholiker, Drogenabhängige, die sich auf Spielplätzen aufhalten.

Da sich informelle Kontrollen kaum wieder beleben lassen werden, schlagen wir in der Studie zwei Lösungen vor: Zum einen sollte der Einsatz von „Quartierspolizisten“ überprüft werden. Zum anderen erscheint eine Einrichtung interessant, die es in Australien gibt: „safety houses“. Das sind Häuser oder Wohnungen von Privatleuten, die Kinder anlaufen können, wenn sie sich bedroht fühlen.
Das Problem der „zwielichtigen Gestalten“ lässt sich nicht durch mehr Kontrolle lösen. Wir empfehlen deshalb, für diesen Personenkreis Aufenthaltsmöglichkeiten zu schaffen, damit sie nicht die Spielplätze von Kindern nutzen müssen.

Wie man gestaltbare Spielorte für Kinder schafft

Alle Spielorte für Kinder sollten erstens durch begeh- und bespielbare Wege miteinander verbunden sein. Zweitens ist es nicht ausreichend, wenn Kinder nur einen bestimmten Typ von Spielort regelmäßig nutzen können. In den verdichteten Innenstadtgebieten ist Vielfalt sicher nur möglich, wenn es zu einer weiteren Verkehrsberuhigung kommt. Große Bedeutung hat auch die Möglichkeit, noch mehr als bisher schon die Schulhöfe für Kinder am Nachmittag zu öffnen. Drittens sollten Spielorte den Kindern die Möglichkeit zur Gestaltung bieten. Die herkömmlichen Spielplätze können das nicht. In einem Experiment soll in Freiburg versucht werden, in einigen Wohngebieten die Spielplätze „zurückzubauen“ – mit verformbarer Erde, mit ein paar Hügeln aus Bauaushub, mit Vertiefungen, in denen sich Regenwasser sammeln und Matsch bilden kann, mit einer sich selbst überlassenen Vegetation – also keine Zierpflanzen und künstliche Biotope, und mit beweglichen Gegenständen: Bretter, Balken, Steine, nach Möglichkeit mit fließendem Wasser und als Zugabe ein Autowrack.
Ein Spielort dieses Typs wird vielleicht Protest hervorrufen – bei Eltern, aber auch bei Kindern, von denen einige den vertrauten Kriech- und Wackeltieren nachtrauern werden. Dennoch sollte solch ein Versuch gewagt werden. Und das nicht nur in Freiburg.

Ergebnisse der Freiburger Kinderstudie

1. Freies und unkontrolliertes Spielen mit Gleichaltrigen im Umfeld der Wohnung – also in einem Umkreis von 150 bis 200 Metern – ist für Kinder zwischen fünf und elf Jahren von herausragender Bedeutung und durch nichts zu ersetzen.
2. Im Durchschnitt wenden Kinder für dieses Spielen nicht mehr als fünf Prozent ihres Alltags auf – rund 40 Minuten pro Tag.
3. Von diesem Durchschnittswert gibt es beachtliche Abweichungen. Diese hängen stark von der Aktionsraumqualität im Wohnumfeld ab: Wenn die Bedingungen sehr schlecht sind, können Kinder nicht mehr als 20 Minuten draußen spielen. Unter guten Bedingungen dagegen nahezu eineinhalb Stunden.
4. Auch andere Komponenten des Kinderalltags werden in deutlicher Weise von der Aktionsraumqualität beeinflusst. Der Bedarf für eine organisierte Nachmittagsbetreuung hängt beispielsweise nicht allein vom Familienstatus oder vom Alter der Kinder ab, sondern auch davon, ob es im unmittelbaren Wohnumfeld zugängliche und gefahrlose Freiräume zum Spielen gibt.
5. Auch der Medienkonsum von Kindern wird von der Aktionsraumqualität beeinflusst. Ist das Wohnumfeld gefährlich oder erlebnisarm, sitzen diese Kinder sehr viel länger vor dem Fernseher oder an Computerspielen als unter günstigen Bedingungen.

Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel über die „Freiburger Kinderstudie“ wurde in DER NAGEL 57/1995 veröffentlicht. Deren Ergebnisse sind aktueller denn je. Sie bestätigen ferner die Bedeutung des Konzepts „Abenteuerspielplatz“. Baldo Blinkert gibt an, die hier geforderten Spielmöglichkeiten sollten in einem Aktionsradius von 150 bis 200 Metern vorfindbar sein. Der ABA Fachverband empfiehlt, Abenteuerspielplätze in einem Aktionsradius von 1000 bis maximal 2000 Metern zu realisieren. Zukünftig interessant dürfte der Aspekt sein, bisherige Schulhöfe in Abenteuerspielplätze umzuwandeln.

Von Dr. Baldo Blinkert (Albert-Ludwigs-Universität Freiburg) liegen als Veröffentlichungen unter anderem vor:

  • Aktionsräume von Kindern in der Stadt (Freiburger Kinderstudie), Herbolzheim (Centaurus Verlag) 1993
  • Aktionsräume von Kindern auf dem Land, Herbolzheim (Centaurus Verlag) 1997

Eingestellt in dieser Version in das Internet im April 2003

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