Wo die wilden Kinder spielen …

Ein Versuch mit einem erweiterten Bildungsbegriff in der Spielplatzarbeit umzugehen

Von Inge Trepte

 

Foto: Bauspielplatz Langwasser, Nürnberg

Vorbemerkung

Wer kennt nicht das wunderbare Bilderbuch von Maurice Sendak „Wo die wilden Kerle wohnen“, das mit dem Satz anfängt: „An dem Abend, als Max seinen Wolfspelz trug, und nur Unfug im Kopf hatte …“. Max erlebt in dieser Geschichte das Abenteuer, draußen in der Welt allein und stark zu sein, König der wilden Kerle zu werden und nach all der Arbeit nach Hause kehren zu können, wo sein Essen auf ihn wartet …

Selbsterfahrung, Abenteuer, freundliche und liebevolle Zuwendung sind für die Entwicklung von Kindern entscheidende Komponenten. Erziehung und Bildung hat die Aufgabe, Kindern ein anregendes Umfeld zu bieten, das alle Sinne schärft und sie zu Taten motiviert. Spielen dürfen stellt den Grundstock dar für ein selbstbestimmtes Lernen. Und Kinder dürfen nach meiner festen Überzeugung wild sein:

● wild nach Selbsterfahrung
● wild nach Abenteuer
● wild nach Zuwendung

1. Erweiterter Bildungsbegriff

Alle reden von Bildung? Wir auch! Die Ergebnisse, die Studien wie PISA hervorbringen, sind oft der Aufhänger, um mit dem bundesdeutschen Bildungssystem ins Gericht zu gehen. Trotz allerlei Einsichten sind Veränderungen anscheinend schwer durchzusetzen. Oft mit der Begründung, dass es an Geldern fehlt, aber auch mit dem Verweis auf verkrustete Strukturen.

Reformen werden von zahlreichen Erziehungswissenschaftlern und von veränderungsbereiten Praktikern seit langem eingefordert. Es gibt Modellversuche und gute Beispiele, wo neue Konzepte greifen, nur gibt es darüber keinen Konsens. Es herrscht vielmehr die Meinung vor, dass Kinder mit gleichen Fähigkeiten und Begabungen (homogene Gruppen) besser zu unterrichten sind. Kinder werden bei uns bereits in der Grundschule nach Leistungsfähigkeit „sortiert“. Und das Konzept der integrativen Kindergärten, wo zum Beispiel behinderte mit nichtbehinderten Kindern (also in heterogenen Gruppen) spielen und von einander lernen ist auch noch nicht weit verbreitet.

Im europäischen Vergleich werden das schwedische und finnische Schul- und Bildungssystem gerne als positive Beispiele für die Förderung von Kindern herangezogen. Ein wesentlicher Aspekt hierbei ist das Lernen in heterogenen Gruppen und der Verzicht auf ständige Bewertung (Noten) und daraus resultierender Selektion und Frustration von Schüler(inne)n. In Finnland bleibt kein Kind sitzen und muss eine Klasse wiederholen – jede/r wird sozusagen mitgenommen. „Sollte ein Schulwesen, das – wie zum Beispiel Finnland – Heterogenität bejaht und auf die Individualisierung des Lernens setzt, am Ende doch leistungsmäßig überlegen sein und mehr Chancengleichheit realisieren, als unser, dem (vergeblichen) Prinzip der Homogenität verpflichtetes Schulsystem?“, fragt Marianne Demmer, Schulexpertin der Bildungsgewerkschaft GEW (2002, S. 16). „Lehrerinnen und Lehrer sehen weltweit in ‚Begabungsunterschieden‘ bei ihrer Schülerschaft ihr größtes Berufserschwernis. Es hat den Anschein, dass die ‚Verheißung‘ des deutschen Schulsystems, homogene ‚begabungsgerechte‘ Lerngruppen zu bieten, die Toleranz, Unterschiede zu akzeptieren, bei Lehrerinnen und Lehrern minimiert und deren Sehnsucht nach Homogenität permanent nährt. Ein professioneller Umgang mit Heterogenität hingegen könnte die Berufszufriedenheit steigern und die Lernergebnisse verbessern.“

Prof. Dr. Gerd Schäfer (Frühkindliche Pädagogik, Uni Köln) geht von vier Bildungsbereichen aus, die relevant für den Elementarbereich sind: „… dem Bereich der sinnlich-ästhetischen Erfahrungen, der sich mit allen Möglichkeiten der Wahrnehmung und ihrer Aufbereitung befasst, dem Bereich von Sprache(n) und Kultur(en), dem Bereich der Naturerfahrung und dem Bereich der sozialen Erfahrung.“ Und weiter: „Ich glaube, dass sich ein engagiertes Lernen bei jüngeren oder älteren Kindern gar nicht wesentlich unterscheidet. Jedes wirklich kreative Lernen ist immer kontextbezogen, es muss Sinn machen und aus diesem Sinn heraus ergeben sich Fragen.“ Und – noch ein Schäfer-Zitat: „Das Lernen von kleinen Kindern und Erwachsenen – wenn man es als forschendes Lernen betrachtet – ist nicht sehr unterschiedlich.“ … „Das ganz kleine Kind ist Entdecker aus innerer Notwendigkeit heraus. Der Erwachsene kann sich darauf beschränken, vorweg gedachtes Wissen zu übernehmen oder selbst neue Sichtweisen von Problemen zu erfinden. Wichtig ist, dass beide Formen des Lernens erhalten bleiben und nicht das entdeckende Lernen der Übernahme vorgeklärten Wissens geopfert wird …“ (vgl. Schäfer 2002)

Wer gerne lernt, kann die Welt erschließen. Aktive Auseinandersetzung ist „Selbstlernen“ und hat nachhaltige Bildungsqualität. Voraussetzung dazu ist freilich ein anregendes Umfeld mit allem Drum und Dran. Kinder brauchen Lernsituationen, die sie dazu bringen, sich für Angebote zu interessieren, mit erworbenem Wissen aktiv umzugehen, es zu erweitern und das Erlernte in anwendungsfähiger Form im Gedächtnis verfügbar zu halten. Besonders im Kleinkind-, Kindergarten- und Grundschulalter brauchen Kinder den Bezug zu sozialen Vorbildern (Eltern, familiäre Vertraute, Erzieher), die ihre Interessen überzeugend ausstrahlen.

Der familiäre Umkreis unserer Gesellschaft zeigt hier eindeutig Schwächen. Es geht freilich um komplexe (gesellschaftspolitische und psychosoziale) Zusammenhänge, auf die ich hier nicht näher eingehen will. Fakt ist, dass ein anregendes Umfeld oder die Gestaltung dessen im Bereich der familiären Erziehung oft nicht ausreichend geleistet werden kann. Es geht dabei auch um Wertevermittlung und emotionale Zuwendung, um das Bemühen, Kinder ernst zu nehmen und ihnen Halt zu geben. Zudem könnten Eltern durch Beobachtung ihrer Kinder lernen, wie Spielen – und damit Entdecken und Lernen – mit ein bisschen Fantasie und Forscherlaune gestaltet werden kann. Es geht bei diesem Aspekt keineswegs um finanzielle Fragen oder Möglichkeiten, sondern um das Erkennen, wie wertvoll Zeit zum lustvollen Spielen für Kinder und zum Ausleben von (kulturellen, gesellschaftspolitischen, sportlichen) Interessen für Erwachsene ist. Egoistische Interessen sind hier nicht gemeint! Sondern die Bewusstheit darüber, dass der Vorbildcharakter im Verhalten von Erwachsenen die wesentliche Rolle in Bezug auf Prägungslernen spielt.

Auch in der professionellen Erziehung (Kindergarten, Schule, Hort, Offene Arbeit mit Kindern etc.) ist die Frage nach dem Vorbildcharakter von Pädagog(inne)n in dieser Hinsicht kritisch zu betrachten. Jede/r sollte sich Zeit nehmen zur Reflexion und Überprüfung des eigenen Verhaltens, der eigenen Motivation, der persönlichen Ausstrahlung und der Stimmigkeit bzw. Aktualität von Arbeitsmethoden und Strukturen.

Vorgelebte Lernbereitschaft im weitesten Sinn ist Grundvoraussetzung, um Spaß am Lernen vermitteln zu können! „Wir brauchen motivationsfördernde Einrichtungen und Menschen, um diese Grundbedingung des Lernens (gemeint ist das Motiviertsein zum Lernen, Anm. d. Verf.) auszubauen.“ (Nuissl 2002)

Unsere Gesellschaft neigt insgesamt mehr dazu, auszugrenzen und zu selektieren und damit schon für Kinder frühzeitig Schubladen anzulegen, in die der Einzelne abgelegt werden kann. Unterschiedlichkeit unter einem Dach gilt eher nicht als erstrebenswert. Unser Schulsystem ist auf Homogenität programmiert. Wo doch laut Kinder- und Jugendhilfegesetz (SGB VIII, Erstes Kapitel § 1) „junge Menschen in ihrer individuellen und sozialen Entwicklung zu fördern“ sind und es gilt, „Benachteiligungen zu vermeiden oder abzubauen“. Sollte diese Verpflichtung zur Integration nur für die Jugendhilfe gelten? Ich will gar nicht polemisieren! Dennoch: Der Karren der Bildung unserer Kinder scheint festzustecken und es bedarf noch viel des Ackerns, um die positiven Beispiele von Bildungseinrichtungen, die es in unserer Gesellschaft gibt (darunter befinden sich selbstverständlich neben Einrichtungen der Jugendhilfe etc. auch Schulen) als Vorbilder und Modelle bekannt und beliebt zu machen.

Praktiker(innen) und Wissenschaftler(innen) brauchen mehr Einfluss innerhalb der Diskussion um Bildungs- und Lernbegriffe und mehr Gehör in politischen Entscheidungsgremien.

In heterogen (Lern-)Gruppen unterscheiden sich die Gruppenmitglieder durch Alter, Geschlecht, Nationalität, Behinderung und Nichtbehinderung, durch Religion, Konfession, Hautfarbe, Leistungsfähigkeit etc. Werte wie Toleranz, Solidarität und gesellschaftlicher Zusammenhalt müssen erfahrbar und im Alltag zu erleben sein, um das Miteinanderleben einschließlich der Besonderheiten des jeweils anderen als fruchtbar und lohnenswert (normal) zu empfinden. Integration meint die Gemeinsamkeit der Verschiedenen.

Reden wirklich alle von Bildung? Und wer meint was? Klar dürfte sein, dass Bildung passieren muss, das heißt, es muss ein Prozess stattfinden, ein Lernprozess, der zu permanenter Lernbereitschaft motiviert. Komponenten dieses Lernprozesses sind:

● Wahrnehmung
● Selbsterfahrung
● Selbstbestimmtheit
● Positive und negative Erfahrungen
● Aktives Lernen
● Gestalten
● Soziale Kompetenzen
● Interessantheit
● Leistungsbereitschaft
● Motivation
● Sprache
● Offenheit
● Kultur
● Anregung der Sinne durch das Umfeld
● Ausdrucksmöglichkeiten
● problemlösendes Denken
● Ausstrahlung
● Spontaneität
● Vorbilder
● Abenteuer
● Integration
● Herausforderung

Kinder und Erwachsene sind idealerweise gleichermaßen Teile in diesem interaktiven Prozess.

Bildung betrifft folglich alle Beteiligten. Vor allem von Menschen mit pädagogischer Intension ist zu erwarten, dass lebenslanges Lernen als normaler und erstrebenswerter Zustand akzeptiert (begriffen und angenommen) wird.

Im Weiteren will ich die Anforderungen, die sich im Hinblick auf Bildungsauftrag und Bildungsverantwortung ergeben, in Bezug setzen zu Funktionen und Aufgaben von Spielplatzpädagog(inn)en. Naheliegend ist, dass ich das über die Beschreibung meines Arbeitsfeldes, den Bauspielplatz Langwasser angehe, der inzwischen über 30 Jahre Bildungsarbeit leistet. Funktionen wie Sozialmanager(in), Promoter(in), Koordinator(in), Kooperationspartner(in), Veranstalter(in), Praxisanleiter(in), Entertainer(in) sollen hier angesprochen werden.


Foto: Bauspielplatz Langwasser (2004)

2. Funktionen und Aufgaben der Pädagog(inn)en

Neue Steuerungsmodelle, alte Einsichten und Weisheiten – Konzeptionierung und Mitarbeiterführung

Konzeptionelles Arbeiten bedeutet, Inhalte und Ziele für bestimmte Einzelaktionen zu erdenken und zu formulieren, organisatorische Notwendigkeiten zu erkennen und finanzielle Bedingungen zu errechnen. Es meint auch und vor allem den gesamten Bereich der jeweiligen Aufgabenstellung – hier das Führen einer Einrichtung für Kinder – zu erfassen, zu vergegenwärtigen und die Zusammenhänge zwischen den einzelnen Bereichen und Schwerpunkten herzustellen.

Die Klarheit über Aufgaben und Arbeitsinhalte ist Voraussetzung für zielgerichtetes Arbeiten. Zielsetzungen ergeben sich aus der Wahrnehmung und Analyse der gesellschaftlichen Bedingungen, der Einhaltung von vorgegebenen Anforderungen (gesetzlicher Auftrag, Rahmenplan Jugendhilfe des Jugendamtes der Stadt Nürnberg), der materiellen und personellen Gegebenheiten und Möglichkeiten und der Motivation und Offenheit der Personen, die die Ziele umsetzen. Die fachliche Bewertung der Wirksamkeit von sich daraus abzuleitenden Aktivitäten stellt die Grundlage für weitere Planung und Konzeptionierung dar.

Ohne die Lust am Gestalten der jeweiligen Inhalte, ohne das Vorhandensein von Ausdrucksmöglichkeiten, ohne problemlösendes Denken und das Gespür für Herausforderung und Leistungsbereitschaft sind Konzepte nur beschriebenes Papier oder Lippenbekenntnisse.

Es gehört zu jeder pädagogisch-professionellen Tätigkeit, die Aufgabenstellungen im gesellschaftspolitischen und kulturellen Kontext zu sehen. Für die Gestaltung eines anregenden Umfeldes, das pädagogische Zielsetzungen und Lernsituationen für den Einzelnen und für das Mitarbeiterteam sozusagen auf dem Tablett serviert, sind Pädagog(inn)en in der Praxis selbst zuständig. Das Tablett ist ziemlich schnell prall gefüllt – um bei diesem Bild zu bleiben –, wenn die Wahrnehmung dessen, was sie tagtäglich umgibt, sie zu Taten motiviert. Fragestellungen drängen sich richtiggehend auf.

Auch wir brauchen Lernprozesse, die positive und negative Erfahrungen beinhalten. Wir sind keine Supermannen und Superfrauen, die jedes Problem lösen können. Über einen regelmäßigen Austausch im Team und gemeinsame Zielformulierungen ist ein wesentlicher Teil dieses Lernprozesses zu gestalten. Sowohl für die Praktikant(inn)en in unserer Einrichtung, als auch für die mitunter langjährig tätigen hauptamtlichen Pädagog(inn)en (wie mich) stellt dieser Lernprozess immer wieder eine Herausforderung dar. Selbstverständlich müssen hier Erfahrung und Wissen (Fach- und Feldkompetenz) eingebracht werden, als auch die Bereitschaft, neues Terrain zu erforschen. Ich denke hier an die Einbeziehung von Controllinginstrumenten, wie zum Beispiel Erhebungsbögen, in die alltägliche Arbeit. Manchmal müssen auch Widerstände ausgehalten und aufgebrochen werden, ohne ein Erfolgserlebnis in Aussicht stellen zu können. Umso besser, wenn sich der Erfolg am Ende in einer größeren Transparenz der Arbeit zeigt, die sowohl nach innen, als auch nach außen wirksam werden kann. So geschehen in der Planungs-, Reflexions- und Dokumentationsarbeit auf dem Bauspielplatz Langwasser ab dem Jahr 2002.

Auch in der Zusammenarbeit mit dem Trägerverein, der Elterninitiative Bauspielplatz Langwasser, zeigen sich hier sehr positive Ergebnisse. In einem Rückblick kann festgehalten werden, dass im Herbst 1998 in gemeinsamer Arbeit von Vereinsvorstand, Mitgliedern und Mitarbeiterteam eine Rahmenkonzeption erarbeitet wurde. Wenn ich an die Jahreshauptversammlungen der letzten Jahre denke, stelle ich mit Freude ein großes Interesse vieler Vereinsmitglieder an den pädagogischen Inhalten unserer Arbeit fest. Das hat eine Ursache darin, dass Inhalte, Schwerpunkte und Problemfelder begründet und nachvollziehbar dargestellt werden können. Zum anderen ist eine verständliche und konkrete Zielformulierung auch Voraussetzung für das Interessieren und Einbinden von ehrenamtlich Tätigen. Dies stellt eine wichtige Aufgabe in der Offenen Arbeit mit Kindern in der bestehenden Kooperation zwischen Jugendamt der Stadt Nürnberg und den Trägervereinen der pädagogisch betreuten Spielplätze dar. Wie sonst sollen ehrenamtliche Vorstände ihre Fachaufsicht und das Weisungsrecht gegenüber dem an die Vereine beurlaubten Fachpersonal sinnvoll ausüben können. Transparenz, Offenheit, Engagement und gemeinsame Gestaltungsmöglichkeiten sind in Bezug auf eine fruchtbare Zusammenarbeit zwischen Initiativen und Mitarbeiterteam die Zauberworte.

Pädagogische Inhalte und Konzepte nach außen tragen – Teil eines Netzes sein

Öffentlichkeitsarbeit, die Aufschluss über Qualität und Quantität der Spielplatzarbeit gibt, ist ein wesentlicher Aspekt, um als „Freizeiteinrichtung“ in der Öffentlichkeit überhaupt wahrgenommen zu werden. Auch nach 30 Jahren Bestehens von Bau-, Abenteuer- und Aktivspielplätzen in Nürnberg ist noch lange nicht gesagt, dass Bürger unserer Stadt, ja selbst Auszubildende im sozialpädagogischen Bereich, Einrichtungen wie unsere kennen. Hier stellen sich Fragen nach der Wirkung, die wir mit Aktionen erreichen können und welche Aktionen notwendig oder möglich sind.

Klar denkt man bei Öffentlichkeitsarbeit zuerst mal an Geschriebenes aller Art, Pressemitteilungen und Veröffentlichungen, die in relativ großer Auflage über Spielplatzangebote informieren. Ein guter Kontakt zu den Verantwortlichen der jeweiligen Zeitung, Broschüre und sonstigem ist ist mir – nebenbei erwähnt – sehr wichtig. Es ist unabdingbar, Verbündete zu finden, die gerne über die Aktivitäten, Neuerungen oder – wenn es sein muss – auch über Probleme Stellung beziehen, sei es etwa bezüglich strittiger Entscheidungen, Finanzen oder auch des störenden Krähens eines Hahns Stellung beziehen.

Als Spielplatzpädagogin oder Spielplatzpädagoge sollte man ein Gespür dafür entwickeln, welche Informationen die Öffentlichkeit interessieren und wissen, wen man als Adressaten ansprechen will. Ankündigungsplakate am Eingang und an den Außenwänden dienen im Prinzip mehr der Information von Eltern und Nachbarschaft als den Spielplatzkindern. Die Kinder brauchen meiner Erfahrung nach die persönliche Ansprache oder Kinderkonferenzen, um Mitteilungen wahrzunehmen.

Dank diversem Sponsoring und der umsichtigen Kassen- und Buchführung unserer jeweiligen Kassierer (das hat in unserem Verein Tradition) können wir uns eine besondere Art von Öffentlichkeitsarbeit leisten: Der Baui-Bus, der so wunderbar auffällig und ansprechend von Vereinsmitgliedern und Baui-Betreuern gestaltet wurde, ist nicht nur ein hervorragendes Instrument zur Erledigung sämtlicher Materialtransporte für Außenaktivitäten und Besorgungen für den Spielplatzbetrieb, sondern mobile Werbefläche in eigener Sache.


Foto: Bauspielplatz Langwasser

Öffentlichkeitsarbeit ist aber auch der aufgeschlossene Kon­takt zur Nachbarschaft, ein gewisser Bekanntheitsgrad im Stadtteil – zumindest in der nächsten Umgebung der Einrichtung sollte man die Spielplatzverantwortlichen kennen. Das fängt damit an, dass man auch die umliegenden Läden für Einkäufe nutzt und hier ins Gespräch kommt, und dies hört bei der Teilnahme an Stadtteilfesten nicht auf.

Kooperationen im Stadtteil und darüber hinaus dienen dem Bekanntheitsgrad der Einrichtung und sind abhängig von fachlichem und persönlichem Engagement, das Spielplatzpädagog(inn)en einbringen. Für die Leitung des Spielplatzes sind Reprä­sentation der Einrichtung und fachliche Vertretung der Interessen von Kindern und deren Familien in der Öffentlichkeit eine Pflichtaufgabe, die aus meiner Erfahrung einen wesentlichen Teil zum guten Funktionieren eines pädagogisch betreuten Spielplatzes beiträgt. Der Stellenwert der Einrichtung kann hier untermauert werden und ein positives Image trägt dazu bei, dass der Spielplatz und die konzeptionellen Ideen, die ihn tragen, breite Zustimmung und Einbindung erfahren.

Ganz konkret haben wir in den letzten Jahren – aufbauend auf vorangegangene Kontaktpflege – über die Mitarbeit speziell in zwei Stadtteilarbeitskreisen (AK Jugend und AK Vernetzung Kindertagesstätten und Allgemeiner Sozialdienst) engere Netze geknüpft. Ich will nicht leugnen oder übersehen, dass Kooperationen, wenn sie in das Stadium der praktischen Umsetzung gehen, sehr personenabhängig sind – wie pädagogisch-professionelles Handeln generell.

Es ist uns in verschiedenen Bereichen gelungen, als ernst zu nehmende Partner, berufliche Freundschaften zu knüpfen. Neben der Arbeit an Themen wie Suchttendenzen und Motivation von Jugendlichen, dem Erreichen von Aussiedlerfamilien, psychosoziale Störungen und Fragen der Ernährung von Kindern in Kindertageseinrichtungen hat sich zum Beispiel eine Kooperation aus zwei bis drei Kinder- und Jugendhäusern (kommunale, kirchliche und freie Träger) und dem Bauspielplatz seit Jahren bewährt, die einen Kinderfasching im Gemeinschaftshaus Langwasser (auch zu Kooperation bereit) veranstaltet. Übrigens immer mit dem Anspruch, inhaltlich zu unterhalten und pädagogisches Können zu zeigen.

Andere sozialpädagogische Einrichtungen, wie z. B. Kindergärten, nutzen das Spielplatzangebot, weil sie durch die Arbeit in den AKs unsere Inhalte kennenlernen (und weil wir bereit sind, auch außerhalb der Öffnungszeiten, Besuchergruppen zu empfangen).

Die Zusammenarbeit mit den anderen Nürnberger Aktivspielplätzen, dem Kinderhaus Maxfeld, den Spielmobilen und „Kinder, Spiel und Stadt“ des Jugendamtes bildet seit vielen Jahren eine zuverlässige Stütze für unsere Öffentlichkeitsarbeit. Das Riesenspektakel „Ein Sommernachtstraum“ (Familienfest am Wasserspielplatz Wöhrder See) mit bis zu 5.000 Besuchern, das im Jahr 2003 zum 17. Mal organisiert und mit hohem Einsatz auch der Trägervereine der pädagogisch betreuten Spielplätze durchgeführt wurde, ist aus der nichtkommerziellen Kinderkultur Nürnbergs nicht mehr wegzudenken. Mit massivem Aufgebot haben sich die Veranstalter dieses Festes in die Herzen von Kindern, Eltern und sozialpädagogischen Einrichtungen, wie Kindergärten und Horte gespielt, die dieses Angebot nicht missen möchten.

Die Teilnahme am Rosenmontagskinderfaschingszug mit dem Chaosorchester des Baui (das Chaosorchester besteht aus Trommlern, Kinder, Betreuer(innen) und Musiker(innen), die vor den Auftritten gezielt und leistungsstark an einem Programm arbeiten!) oder der Kirchweihumzug im Stadtteil sind wahrzunehmende Gele­genheiten, um auf unsere Arbeit und den Stellenwert für Kinder und Eltern aufmerksam zu machen.

Unsere Kinderkunstausstellungen(siehe Beitrag „Eine nackte Kuh, eine angebrannte Palette und die Zeit dazwischen …“) und die diversen Auftritte mit Kindern bei öffentlichen Veranstaltungen (Trommler, Musik, Tanz, Akrobatik) machen anschaulich klar, dass „Freizeitpädagogik“ (und der oft mitleidig belächelte Verweis auf die Freiwilligkeit der Teilnahme) sehr wohl im Bereich der Bildungsarbeit anzusiedeln ist.

Öffentlichkeitsarbeit ist auch unter dem Aspekt von finanzpolitischen Erwägungen innerhalb der Kommunen und Länder und unter dem Aspekt der Notwendigkeit öffentlicher Fördermittel eine sehr gewichtige Aufgabe zur Legitimation der sozialpädagogischen und gesellschaftspolitischen Aufgabe von Spielplatzpädagogik.

Ausbildungsauftrag – Bildungsauftrag

Die Ausbildung von Erzieher(inne)n ist eine Aufgabe, die zum einen an den entsprechenden Fachschulen und zum anderen in den sozialpädagogischen Praxisstätten stattfindet. Angelika Krüger und Jürgen Zimmer schreiben dazu in einem unveröffentlichten Manuskript: „Studierende müssen erfahren und begreifen, dass sich die traditionelle Rolle des Erziehers bzw. der Erzieherin vollkommen gewandelt hat und dass zur Bewältigung der spezifischen Aufgaben differenzierte und neue Kompetenzen und Fähigkeiten erworben werden müssen. Das erfordert eine kontinuierliche und enge Zusammenarbeit mitinnovativen Praxiseinrichtungen, um diesen Erkenntnisprozess für Studierende transparent und erlebbar zu machen. … Der Herausbildung von Sozial- und Ich-Kompetenz kommt für die Ausübung des Berufes eine tragende Rolle zu und sollte deshalb eine Entsprechung in der Lehre erhalten.“ (1999, S. 15) Hier wird deutlich, dass auch in der Zusammenarbeit zwischen Dozenten der Schulen und den Praktiker(innen) in den Einrichtungen Innovation gefordert werden muss. Ein weites Themenfeld, das ich hier nicht näher ausführen will.

Arbeitsbereiche wie Teamarbeit, Konzeptionierung und Controlling, Öffentlichkeitsarbeit und die Erfahrungen mit unterschiedlichen Kooperationen und der Zusammenarbeit zwischen Mitarbeitern und Verein, Ressourcenbeschaffung/Sponsoring, die Gestaltung und Instandhaltung von Haus und Platz stellen eine große Spannbreite von Lernerfahrungen in der Ausbildung von Praktikant(inn)en auf den Nürnberger Bau-, Abenteuer- und Aktivspielplätzen zur Verfügung. Die Auszubildenden bekommen Einblick in Arbeitsbereiche, die primär nichts mit der Betreuung von Kindern zu tun haben. Die Aufgabe der Anleiter(innen) ist es, die Komplexität der Tätigkeiten von (Spielplatz-)Pädagog(inn)en aufzuzeigen und im Alltag die Zusammenhänge zwischen konkreter pädagogischer Arbeit und Sozialmanagement erfahrbar zu machen.

Die konkrete pädagogische Arbeit mit Kindern steht dennoch im Mittelpunkt der praktischen Ausbildung, die als Erzieher(innen)-Praktikum (früher Vorpraktikum) und als Berufspraktikum über jeweils ein ganzes Schuljahr zu absolvieren ist. Offene Arbeit mit Kindern ist ein spezielles Arbeitsfeld, das mit den Auszubildenden zu erschließen ist. Die Prinzipien der Freiwilligkeit (Kinder kommen und gehen wie sie wollen und müssen erst einmal gar nichts), Offenheit (keine Anmeldung, keine Kosten, keine Begrenzung der Anzahl, nur eine Altersbegrenzung, weil Kinder nicht von Jugendlichen dominiert werden sollen), Partizipation (Vorstellungen äußern, Interessen entwickeln, aktive Mitgestaltung), Veränderbarkeit und Internationalität müssen von den Praktikant(inn)en angenommen und in ihr praktisches Handeln übernommen werden.

Auszubildende brauchen Entwicklungsmöglichkeiten und unser Ansatz muss hier der Stand der jeweiligen auszubildenden Person sein. Bereits in Bewerbungsgesprächen soll auf der einen Seite für die Studierenden klar werden, mit welchen Inhalten sie im Praktikum konfrontiert sein werden, und die Anleiter(innen) sollten Informationen über Werte, Grundhaltungen, Fähigkeiten, Stärken und Schwächen und die Motivation des/r Auszubildenden sammeln. Hier müssen wir wirklich bemüht sein, uns für die „richtigen“ Praktikant(inn)en für unsere Einrichtung zu entscheiden. Salopp ausgedrückt würde ich sagen: Offene Arbeit mit Kindern liegt nicht jedem/r. Es gibt keine feste Gruppe, auf die man sich einstellen kann. Jeder Tag ist von der Zusammensetzung der Kinder anders. Freilich kommt ein bestimmter Stamm von Besuchern, aber es ver­geht kaum ein Tag, an dem nicht neue Kinder angesprochen werden und mit den Spielplatzgepflogenheiten vertraut gemacht werden müssen. Die Praktikant(innen) müssen von den Anleiter(inn)en möglichst schnell lernen, dass pädagogisches Arbeiten nicht (ausschließlich) darin besteht, Kindern die Zeit, die wir mit ihnen verbringen (oder soll ich besser sagen, die sie mit uns verbringen), zu strukturieren und Spielinhalte zu bestimmen. Vielmehr geht es darum, Kinder zu befähigen, für sich alleine und mit ihren Freunden Ideen umzusetzen, sich selbst Ziele zu stecken und die Zeit nach ihren Bedürfnissen und Vorstellungen zu gestalten. Die Aufgabe lautet: Wie wird aktives Lernen möglich gemacht?

Die Gestaltung des Spielplatzes mit den ganzen Anreizen, die er zu bieten hat (von Materialien, über Werkzeug und (Musik-)lnstrumenten und neuen Medien zu Umgang mit Feuer, Wasser, Erde bis hin zu Versorgung von Tieren und Garten, um nur einige zu nennen), ist ein wesentlicher Aspekt. Des Weiteren geht es um die Kompetenz der Spielplatzbetreuer(innen). Es geht um berufliche, übergreifende und personale Qualifikationen. Einige davon sind vermittelbar, andere können hoffentlich angestoßen und vielleicht erschlossen werden.

In den gemeinsamen Dienstleistungsbeschreibungen der Nürnberger Bau-, Abenteuer- und Aktivspielplätze und des Kinderhauses Maxfeld sind unter der Rubrik „Freizeitpädagogische Angebote, Offener Betrieb “ Qualitätsstandards beschrieben, die die Qualifikation des Personals sowie Methoden und Arbeitstechniken beschreiben.

Aber: Wie sieht „Akzeptanz der Zielgruppe, deren Interessen und Bedürfnisse“ aus, wie äußern sich „kommunikative Fähigkeiten, Flexibilität, Offenheit“, was meint „Animations- u. Motivationsfähigkeit“ und wie werden „musische Fähigkeiten“ eingesetzt?

Was können Auszubildende von ihren Praxisanleiter(inne)n über den Umgang mit Kindern lernen? Lernen am Modell, Lernen durch Nachahmung und Identifizierung mit Vorbildern könnte auch hier – und nicht nur bei Kindern – ein Teil eines Erfolgversprechenden Konzeptes sein.

Atmosphäre schaffen – Lernsituationen gestalten Wie und warum profitieren Kinder von kompetenten Erwachsenen?

Hier sind Pädagog(inn)en mit ihren fachlichen Kenntnissen und noch spezieller mit ihren persönlichen Fähigkeiten und Grundhaltungen gefordert. Spielplatzpädagog(inn)en sind Entertainer, die in der Lage sein müssen, pädagogische Interaktionen gleichzeitig auf verschiedenen Ebenen zu gestalten. Der Begriff der Flexibilität reicht hier nicht aus, um die kreative Leistung zu beschreiben.

Ich möchte versuchen an einem Beispiel zu verdeutlichen, worum es mir geht: Seit Jahren beklage ich den Mangel an der Bereitschaft und Fähigkeit nicht nur von auszubildenden Erzieher(inne)n (!), mit Kindern zu singen. In der Offenen Arbeit gibt es hier die wunderbare Ausrede, die Kinder hätten keine Lust und sollen doch schließlich freiwillig …! Falsch! Kann ich nicht gelten lassen! Da ist etwas vollkommen falsch verstanden! Wir beobachten bei den Erwachsenen (in Familien und im öffentlichen Leben) und bei den Kindern immense Defizite sprachlicher Ausdrucksfähigkeit. Unbestritten ist, dass zum Beispiel das Singen von Liedern eine Methode ist, um hier Abhilfe zu schaffen. Zum anderen ist es eine kulturelle Handlung, die es wert sein sollte, vermittelt zu werden. Und weiterhin ist es erwiesenermaßen sehr gesund zu singen. Nur: Wie bringt man das in dem offenen Treiben des Spielplatzes unter?

Das Mitarbeiterteam organisiert einmal in der Woche Singnachmittage – wie geschehen zum Beispiel in den Jahren 2001/02 mit einer russischen Musiklehrerin und einem ukrainischen Akkordeonspieler – und animiert die Kinder, die Praktikant(inn)en und auch anwesende Eltern zum Mitsingen. Das ist noch relativ einfach. Man kann auch Rituale installieren, wie zum Beispiel das gemeinsame Singen vor oder nach einer Kinderkonferenz. Man singt während der Gartenarbeit oder beim Kochen. Oder man stellt sich einfach – wohin auch immer – mitten unter die Kinder und fängt an, eine Vorführung zu geben.

Klar schauen alle Anwesenden (Kinder, Eltern, Kolleg(inn)en, Vorgesetzte) erstaunt und bekunden ihre Vermutung, dass der/die Sänger/in wohl einem Anfall von Verrücktheit zum Opfer gefallen sei. Aber was gibt es Besseres, als Menschen in Staunen zu versetzen, wenn man ihr Interesse wecken und ihre Wahrnehmung schärfen will? Und was ist daran so schwer auszuhalten, im Mittelpunkt zu stehen mit einer Aktion, die fast so alt ist wie die Menschheit.

Relevant dabei sind folgende Dinge: erstens die pädagogische Intension und zweitens Wissen, Können, Kompetenz, drittens das Selbstbewusstsein, viertens das Vergnügen an und „Standing“ in der Situation und fünftens die Integrationsleistung, die passive und aktive Beteiligung zulässt.

Ich denke, dieses Beispiel dient ganz gut dazu, um zum einen berufliche Qualifikation zu verdeutlichen, zum anderen aber auch das Einbringen persönlicher Fähigkeiten damit zu verbinden. Selbstverständlich ist das in unserem Sinne zu verbinden mit einer Vertrauens- und Beziehungsbasis, die wir für die Kinder und auch für die Auszubildenden schaffen müssen. (Spielplatzkinder und Besuchergruppen werden mitunter darauf hingewiesen, beim Betreten des Platzes, den Kopf einzuschalten, um sich selbst und des anderen gewahr zu werden.)

Für das gesamte Betreuerteam steht die Forderung nach Präsenz, Wachsamkeit, Umsichtigkeit, Spontaneität, Verbindlichkeit und Klarheit im Raum. Kompetente Erwachsene sind motiviert, zeigen ihre Interessen, haben Ausstrahlung. Wie gesagt: Das Singen ist nur ein Beispiel. Relevant scheint mir in jedem Fall zu sein, dass Zusatzqualifikationen, Interessen und Hobbys, die Pädagog(nn)en besitzen und ausüben, wertvoll in der Praxis sind. Wenn es ihnen gelingt, einen Transfer von Lebenswelten herzustellen, ist eine Einrichtung der Jugendhilfe oder eine Schule mehr als die Summe der Inhalte und Strukturen. Es geht immer noch um Identifikation mit Vorbildern, um Anregung der Sinne durch das Umfeld. In der Praxis tätige Pädagog(inn)en tragen hier große Verantwortung als Teil dieses Umfeldes. Wenn Praktikantinnen diese Erkenntnis mitnehmen und dazu die Bereitschaft zeigen, an der fachlichen und personalen Kompetenzentwicklung weiterzuarbeiten, haben wir wesentliche Ziele erreicht.

Kinder profitieren von innovativen Erwachsenen, die motiviert sind, nach der Entwicklung von Ideen den nächsten notwendigen Schritt zu tun: zielgerichtete Aktivität und Bewegung, die dennoch Spontaneität und Fehler zulässt. Die für Kinder nachvollziehbare Umsetzung von Vorhaben und Zielen und die Möglichkeit, daran teilzuhaben und wiederum eigene Vorstellungen zu entwickeln, ist positive Energie im interaktiven Prozess. Es ermutigt Kinder, sich einzulassen auf Unbekanntes und sich über sich selbst zu erhöhen, was eine Form von sich auszuprobieren darstellt, ohne sich selbst zu verlieren. Also ein sehr bewusstes Einlassen auf neue Erfahrungen.

Es geht darum, Kinder „mitzunehmen“ und sich im richtigen Moment auch zurücknehmen zu können. Es geht nicht darum, Kinder grundsätzlich sich selbst zu überlassen, wenn von Selbstbestimmtheit und Abenteuer die Rede ist. Kompetente Erwachsene stärken Kinder, Misserfolge nicht als persönliches Versagen zu erleben oder so zu erleben, sondern als missglückten Versuch eines Vorhabens zu betrachten, einen „Fehler“, der dabei hilft, besser zu werden. Man kann es ja noch mal probieren oder sich von jemandem helfen lassen oder vielleicht auch einsehen, dass Vorstellungen manchmal auch einfach nicht umzusetzen sind.

Verantwortungsbewusste Pädagog(inn)en sollten für Kinder ein soziales Klima schaffen, das eigene Konfliktlösungen und Meinungsäußerung zulässt. Keiner kann alles können (nicht einmal Spielplatzmitarbeiter(innen)!). Die zwischenmenschliche Atmosphäre in einer Einrichtung für Kinder wird beeinflusst durch die Art und Weise, wie Erwachsene mit ihren eigenen Stärken und Schwächen umgehen, wie sie miteinander und mit Kindern umgehen, indem Werte und Einstellungen klar erkennbar gelebt werden und die eigene (Erzieher-)Persönlichkeit (reflektiert) eingebracht wird. Auch so entstehen Lernsituationen. Hilfestellung bei der Motivation von Kindern im Alltag oder in alltäglichen (Lern-)Situationen ist nicht zu unterschätzende Erziehungs- und Bildungsarbeit!

Kinder eignen sich sprachliche und kulturelle Ausdrucksmöglichkeiten quasi nebenbei an, wenn das Umfeld anregend für alle Sinne ist. Handwerkliche und musische Fähigkeiten werden gefördert, demokratische Verhaltensweisen werden eingeübt und soziale Kompetenz wird erlangt. Erziehung und Bildung muss immer das Ziel haben, Kindern und Jugendlichen Ich-Stärke und Sinn für die Gemeinschaft zu vermitteln.

Wie Kinder von speziellen Bildungsangeboten, die während der letzten Jahre auf dem Bauspielplatz umgesetzt wurden, profitieren können, kann man in dem Beitrag von meinem Kollegen Joachim Ueberall „Eine nackte Kuh, eine verbrannte Palette …“, der sich mit Projektarbeit auf unserem Spielplatz befasst, nachlesen.

3. Kooperation lernen – Ressourcen sinnvoll nutzen

Alle reden von Bildung Wer trägt eigentlich die Verantwortung für Erziehung und Bildung unserer Kinder? Da haben wir zum einen die (kleinen) Familien, mit großer Erziehungsverantwortung. Mit der Problematik der Gleichberechtigung von Mann und Frau, mit schwierigen organisatorischen und existenziellen Aufgaben, mit dem Anspruch, Berufs- und Familienleben in Verbindung zu bringen, mit den Sorgen, wenn man das alles ohne einen Partner schaffen will oder muss – und mit den unschlagbaren Möglichkeiten, den Kindern Sicherheit zu geben über Liebe und Fürsorge, über Nähe und Wärme; dies in dem Wissen um die Zusammengehörigkeit. Eltern und der Familienverbund mit Großeltern und Verwandten bereiten für Kinder den Weg. Was sie hier lernen, begleitet sie ein Leben lang.

Da haben wir zum anderen Kindergärten und sonstige Kindergruppen. Der Druck, Kinder verstärkt auf die Schule vorzubereiten ist für diese Einrichtungen in den letzten Jahren immens gestiegen und es ist verständlich, dass inhaltlich gut ausgearbeitete Konzeptionen und das eigene Profil der Einrichtung von den im Elementarbereich tätigen Pädagog(inn)en gegen nicht einsichtige, vielleicht tatsächlich auch unsinnige Forderungen der Kultusministerien, verteidigt werden. Dass die Förderung der Kinder im Kindergartenalter noch mal eine grundlegende Chance darstellt, muss jedem klar und bewusst sein, der in diesem Bereich professionell arbeitet.

Da haben wir Schulen, die für die Persönlichkeitsentwicklung von Kindern und Jugendlichen vom Grundschul- bis zum Abiturientenalter zuständig sind. Sie spielen eine absolut wichtige Rolle im Leben von Kindern und Jugendlichen und es ist verhängnisvoll, wenn hier Bildungsmöglichkeiten vergeben werden. Laut Nürnberger Nachrichten vom 15. Mai 2003 befürchten über 30 Prozent der bayrischen Lehrer(innen), dass sie wegen Arbeitsstress vorzeitig pensioniert werden müssen, wegen „geringer Lernbereitschaft und anderen Problemen mit Schülern“.

Da haben wir die Offene Arbeit mit Kindern etwa auf pädagogisch betreuten Spielplätzen, die hier beschrieben und angeleuchtet wird. Unseren Einrichtungen fehlt es nicht an Inhalten und Möglichkeiten, Lernsituationen für Kinder herzustellen. Die Kinder lernen freiwillig und spielerisch, sie zeigen sich leistungsstark und was sie lernen, hat Nachhaltigkeit. Eltern sind vielfach in den Spielplatzalltag einbezogen. Aber wir haben noch keine Konzepte, die zum Beispiel sinnvolle, weiterführende Kooperationen zwischen Spielplätzen und Grundschulen beschreiben könnten.

Let’s work together

Nach meiner Überzeugung brauchen wir diese Konzepte aber, um als Einrichtungen nicht im „Abseits“ zu landen und Kindern damit wichtige Lernmöglichkeiten zu entziehen. Die „heimliche“ Einführung, von Nachmittagsangeboten in Schulen, die freizeitpädagogische Gedanken mit gezielten Fördermaßnahmen verbindet, ist zu beobachten. Das zieht Kinder zwar unfreiwillig, aber eben de facto aus dem Bereich der Offenen Arbeit ab. Dieses Umfeld ist jedoch, wie beschrieben, außerordentlich bildend und prägsam für Kinder.

In der politischen Diskussion (nicht erst seit PISA) wird der Anspruch klar, Familien in ihren Erziehungs- und Bildungsaufgaben zu ergänzen und den staatlichen Bildungsauftrag im Sinne der Gesamtgesellschaft zu erfüllen. Deshalb ist momentan viel von „Ganztagsschule“ die Rede. Leider klingt das eher wie die Ankündigung einer Sanktion und nicht wie ein Hilfs- oder Kompensationsangebot für Familien.

Welches Kind will schon freiwillig auch noch nachmittags in der Schule bleiben, wenn Schule so ist, wie sie derzeit meistens in Erscheinung tritt. Und obwohl keine Schule durch einen einfachen Beschluss eines Ministeriums zur wirklichen Ganztagsschule wird, bekommen Schulleiter die Aufgabe, in kurzer Zeit ihre Einrichtung umzustrukturieren. Das ist die Methode „wasch mich, aber mach mich nicht nass“, die mit Sicherheit nicht zum Wohle der Schüler und Schülerinnen beitragen kann. Lehrer und Lehrerinnen müssen aufgrund solcher Verhältnisse verzweifeln. Ganztagsschule ist ohne entsprechende finanzielle Mittel nicht zu realisieren und vor allem nicht ohne ernst zu nehmende Konzeptionen.

Die Ganztagschule wäre eine gute Alternative, um das Beste für unsere Kinder zu ermöglichen, wenn sie in Übereinstimmung mit dem fachlichen pädagogischen Wissen stünde. Das heißt ganz klar, Frontalunterricht nicht als das Nonplusultra hochzuhalten und so zu tun, als wüsste man es nicht besser.

Ich denke, dass es an der Zeit ist, wirklich gemeinsam und miteinander neue Wege zu beschreiten. Bis zur Realisierung einer wirklichen Ganztagsschule mit ihren zahlreichen pädagogischen Facetten und zu gestaltenden Ebenen sollten wir die vorhandenen Ressourcen aus Einrichtungen der Jugendhilfe und Schule nutzen und Konzepte für Kooperationsmöglichkeiten entwickeln und gemeinsam tragen. Wir sollten bereit sein, voneinander zu lernen und damit die bestmöglichen Bildungschancen für Kinder zur Verfügung stellen.

Was spricht dagegen, dass bestimmte Inhalte von Lehrplänen zum Beispiel über die Methode der Projektarbeit in praktischer Zusammenarbeit zwischen Lehrer(inne)n, Spielplatzpädagog(inn)en und Erzieher(nne)n vermittelt werden. Ansatzpunkte gäbe es hier über das Unterrichtsfach Heimat- und Sachkunde. Naturerfahrungen und soziale Erfahrungen zum Greifen nahe bieten pädagogisch betreute Spielplätze allemal. Kompetente und erfahrene Pädagog(inn)en sollten endlich damit beginnen, ihre Qualitäten in den Ring zu werfen.

Was spricht dagegen, in fachlichen Arbeitskreisen und an gemeinsamen Projekten auf Spielplätzen und an den Schulen zusammenzuarbeiten. Pädagog(inn)en könnten hier ihre eigene Lernbereitschaft, ihre Offenheit und Motivation unter Beweis stellen.

Die Komponente der Integration sollte von wesentlicher Bedeutung sein. Lernen in heterogenen Gruppen könnte ein Zugang zur Lösung der derzeitigen Bildungsmisere sein. Klassen- und einrichtungsübergreifende Angebote müssten entwickelt werden. So profitieren Kinder (und ihre Familien) von kompetenten Erwachsenen.

Schulen und Einrichtungen der Jugendhilfe müssen Kooperation lernen, wenn sie nicht beide scheitern wollen. Die einen, wenn sie den Bildungsanspruch für sich alleine in Anspruch nehmen und sich damit unnötigerweise vollkommen überfordern. Und die anderen, wenn sie sich beleidigt und verletzt zurückziehen, weil sie nicht den ihnen entsprechenden Stellenwert bekommen. Wir können uns dieses Verhalten scheinbar immer noch leisten – oder wie ist das zu verstehen?

Alle reden von Bildung. Nur leider noch zu wenig im Austausch miteinander.


Foto: Bauspielplatz Langwasser

Zur Autorin

Inge Trepte ist seit Februar 1979 als Erzieherin auf dem Bauspielplatz Langwasser tätig, seit September 1997 leitet sie die Einrichtung. Als Schlagzeugerin arbeitet sie seit ca. 25 Jahren in verschiedenen musikalischen Projekten mit.

Nicht nur auf dem Bauspielplatz in ihrem Element“: Die Autorin Inge Trepte hier bei einem Auftritt der Band JONNY GLITZER & DER BLANKE NEIDam Schlagzeug. Das Foto ist von der Band entliehen“.

Literatur

● Demmer, Marianne: Ja zur Heterogenität In: Erziehung und Wissenschaft, Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW, 6/2002
● Krüger, Angelika; Zimmer, Jürgen: Die Ausbildung der Erzieherinnen neu erfinden. Unveröffentlichtes Manuskript des Oberstufenzentrums Uckermark, Curriculum-Element (Schlüsselthema): Ich und der Erzieher/innen-Beruf. Templin 1999
● Nuissl, Ekkehard: Lehren sollte nur, wer selbst lernt In: Erziehung und Wissenschaft, Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW, S. 14, 6/2002
● Schäfer, Gert Kinder lernen von Anfang an „ganz anders“. In: Erziehung und Wissenschaft, Zeitschrift der Bildungsgewerkschaft GEW, S. 1, 6/2002

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