NAGEL-Redaktion – „Wahrnehmungsstörungen“ bei Kindern

Bei Kindern werden so genannte „Wahrnehmungsstörungen“ viel zu schnell und nicht selten „aus Verlegenheit“ heraus diagnostiziert. Diese Auffassung vertritt der Bremer Neuropsychologe Dietmar Heubrock. „Darunter fasst man Probleme mit der Merkfähigkeit, mit dem Hören oder Sehen genauso wie das Zappelphilipp-Syndrom ? es ist eine Verlegenheitsdiagnose, die im Moment flächendeckend vergeben wird.“ So äußerte sich Heubrock im vergangenen Herbst auf einer entsprechenden Tagung in Marburg. Die „Sammelbezeichnung“ verschleiere, mit welchen Problemen die Kinder tatsächlich kämpften. So könnten hinter der allgemeinen Diagnose Beeinträchtigungen des räumlichen Vorstellungsvermögens, der Aufmerksamkeit, der sprachlichen Verarbeitung oder auch des Hörens und Ertastens stehen. Abgesehen von dem problematischen Bereich seien Kinder völlig gesund und normal intelligent. „Unter dem Begriff „Wahrnehmungsstörung“ stellt man sich eher jemanden vor, der weder richtig gucken noch richtig hören kann.“ Internationalen Studien zufolge leiden fünf bis sieben Prozent aller Grundschulkinder an Wahrnehmungsstörungen. Auf bis zu 60 Prozent schraubten dagegen ErzieherInnen und LehrerInnen diese Zahl in Befragungen hoch. Heubrock plädiert für die Verwendung des Begriffs „Teilleistungsstörung ? mit einer genauen Erklärung, welche Sinne eingeschränkt arbeiten. So genannte Umwegsstrategien könnten betroffenen Kindern helfen. Bei Problemen mit dem räumlichen Vorstellungsvermögen etwa bringe eine Maltherapie keinerlei Erfolg. „Wenn das Kind aber einen Umweg über die Sprache geht und räumliche Gegebenheiten ? zum Beispiel Diagonalen ? in Sprache übersetzt, ist ein Maltraining oft gar nicht mehr erforderlich. (dpa/WAZ 9.9.2002). Anmerkung von Rainer Deimel: Ich plädiere dafür, auf den Begriff „Störung“ in der pädagogischen Arbeit vollständig zu verzichten. Eine „Störung“ bzw. ein „Problem“ entsteht dort, wo ein Phänomen zunächst so benannt und diese Sichtweise dann von der Gruppe, dem Team übernommen wird. Man erfindet also quasi im Konsens ein Problem. Als sicher allerdings dürfte die Erkenntnis angenommen werden, dass es für jedes einzelne Kind viable Möglichkeiten, also entwicklungsförderliche Wege gibt. Vergleichbare Hinweise sind nach dem schlechten PISA-Abschneiden von Kindern in Deutschland häufig genannt worden. Ob die Pädagogik ? insbesondere die Schule ? entsprechend förderlich reagieren wird, bleibt abzuwarten und erscheint im Augenblick zumindest zweifelhaft.

InformationsDienst 1-2003

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