NAGEL-Redaktion – Kinder machen Kunst

Projekt „Kinder machen Kunst“ mit dem Spielbus Tummelhummel (Herne)

„Wir haben hier in einer Woche mehr gelernt als in einem Jahr in der Schule!“

In Zusammenarbeit mit dem ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen e.V. veranstaltete der Spielbus Tummelhummel des Jugendamtes Herne eine Kunstwoche im Stadtbezirk Sodingen. Das Projekt fand auf dem Gelände der ehemaligen Zeche Teutoburgia statt; im Rahmen der Internationalen Bauausstellung Emscherpark (IBA) wurde dieses zum „KunstWald“ umgestaltet. Der Spielbus hat hier einen regelmäßigen Standort.

Unterstützt wurde das Projekt durch das Land Nordrhein-Westfalen; dies im Rahmen einer Förderung „Besondere Maßnahmen/Innovative Projekte und Experimente“ durch den Landesjugendplan.

Ziele

Die Kinder sollten stärker für ihre örtliche Umgebung interessiert und sensibilisiert werden und somit die Chance bekommen, in ihrem Stadtteil eigeninitiativ tätig zu werden. Als „Nebeneffekt“ war beabsichtigt, den Schutz öffentlicher Räume gleichsam zu vergrößern.

Die Kinder sollten unter Anleitung professioneller Künstler selbst schöpferisch tätig und auf ganz praktische Art und Weise an die Kunst herangeführt werden, um somit auf lustvolle Weise ihre kreativen Kompetenzen erweitern zu können.

Engagiert wurden für das Projekt die beiden Kunstpädagogen und Bildhauer Catharina und Dieter Wagner.

Da die von den Kindern geschaffenen Kunstwerke im Park verbleiben sollten, war es erforderlich, ein spezielles Konzept zu entwickeln. Neben der Erweiterung durch die Kunst der Kinder ging es auch darum, die bereits im KunstWald vorhandenen Objekte respektvoll zu behandeln. Die Kunstwerke der Kinder sollten sich anpassen und nicht stören. Gleichzeitig war beabsichtigt, die von Künstlern in der Vergangenheit geschaffenen Achsen zu verlängern. So entstand ein Konzept aus einem Haupt- und mehreren Nebenpfaden. Unter Anleitung von Catharina und Dieter Wagner war vorgesehen, dass die Kinder Großskulpturen in Form von Findlingen aus Holz schufen. Während des Projekts sollten die Kinder die Möglichkeit haben, den KunstWald – wie er ist und wie er später sein könnte – zu erfassen. Als Nebenpfad sollten Bäume in dem anliegenden Wald gekälkt werden , um spannende Marken zu setzen. Für das gesamte Projekt war die Möglichkeit gegeben, in einer Holzwerkstatt Zwergwächter zu bauen, die während der Projektwoche als Windspiele in den Bäumen aufgehängt werden sollten. Aus einem großen Granitstein sollte eine Vogeltränke entstehen, um in einem anderen Teil des Waldes im Schutz eines selbstgebauten Nestes zu verbleiben. Kleinere Skulpturen sollten aus Speckstein geschaffen werden, die die Kinder direkt mit nach Hause nehmen konnten. Als Ausklang des Projekts war eine Vernissage geplant, zu der Politiker, Eltern, die Presse und alle Interessierten eingeladen werden sollten.

Bei der Planung zu berücksichtigen war neben der Altersgruppe der Kinder der offene Charakter des Angebots; es war nicht vorhersehbar, wie viele Kinder an dem Projekt teilnehmen würden. Unter Berücksichtigung der Jahreszeit (Herbst), ging es ferner darum, in der freien Natur Arbeitsplätze für die Kinder zu schaffen, die sowohl bei Regenwetter als auch bei freundlicher Witterung zu nutzen waren. So wurde ein Tag vor Projektbeginn am üblichen Spielbusstandort ein Dorf errichtet, bestehend aus einem Jurte-Zelt mit Feuerstelle und mehreren „Ruckzuck“-Pavillons. Zur Unterbringung der Werkzeuge, Materialien sowie der Tische und Bänke standen Anhänger zur Verfügung.

Unter dem Motto Kinder machen Kunst konnte es losgehen. Eingeladen waren alle Kinder im Alter von 5-12 Jahren. In der Zeit von 11.00 bis 16.00 Uhr sollten nun die Kinder über fünf Tage eine kreative, erlebnis- und erfahrungsreiche Woche verbringen können. Für das leibliche Wohl wurde mit belegten Brötchen und Getränken wie Tee und Wasser gesorgt.

Der erste Tag schien zunächst – meteorologisch betrachtet – nicht vielversprechend zu werden. Es regnete ununterbrochen. Doch ließen sich die Kinder nicht davon abhalten, in Scharen in den KunstWald zu strömen. Zum Versammlungsort wurde nun allmorgendlich das Jurte-Zelt, in dem sich täglich über 100 Kinder um das Feuer versammelten. Die Kinder waren zum größten Teil durch die reguläre Spielmobilarbeit an diesem Standort und durch unterschiedliche Aktionen im Stadtgebiet bekannt.

Nach dem täglichen Eröffnungsritual – Begrüßung und Klärung des Tagesablaufs – fanden sich die Kinder in den einzelnen Werkstätten ein.

1. Tag

Aktivitäten: Findlinge schnitzen, Specksteinwerkstatt, Holzwerkstatt

Die Befürchtung, durch die Menge der Kinder könne sich Chaos ausbreiten, bewahrheitete sich ganz und gar nicht. Vielmehr entwickelte sich eine angenehme schöpferische Arbeitsatmosphäre, zu der einerseits das pädagogische und organisatorische Engagement der MitarbeiterInnen beitrug; andererseits lieferten die Kinder einen eindrucksvollen Beweis ihrer wunderbaren Selbstorganisationskräfte. Gemeinsam mit jungen TeilnehmerInnen wurden die einzelnen Arbeitsbereiche aufgebaut und mit den dazugehörigen Materialien ausgestattet. Während die Anleitung der Findlings-Bearbeitung von den Künstlern übernommen wurde, unterstützten und begleiteten die Mitarbeiter des Teams die Kinder in der Holz- und Specksteinwerkstatt.. Das Vorhandensein von gut sortiertem Werkzeug, viele unterschiedliche Feilen, Hämmer und Schleifpapier, Öle und Wachse, verschiedene Holzarten in diversen Stärken., Nägel und Korken, aber auch die Beratung und Unterstützung seitens der MitarbeiterInnen, waren hilfreich. Die Kinder konnten sich so schnell in die unterschiedlichen Arbeitsbereiche einfinden. Die Phantasie der Kinder wurde vor allem durch die Beschaffenheit und die unterschiedlichen Formen des Materials stimuliert.

Mit unermüdlicher Ausdauer und großem Schaffensdrang wurden die Platanenfindlinge bearbeitet. Es herrschte ein geschäftiges Treiben, das nur durch den Aufruf zur Mittagspause und die knurrenden Mägen der Kinder unterbrochen werden konnte. Nach einer kleinen Stärkung nahmen die Aktivitäten bis zum Ausklingen des Nachmittags ihren Lauf. Zu beobachten war, dass dieser erste Tag vor allem auch ein Experimentieren mit Werkzeugen und Materialien war. So wurden etwa die Specksteine zu glatten, glänzenden Steinen bearbeitet, ohne ihre Form zu verändern; und in der Holzwerkstatt wurden Bretter gesägt, zusammengenagelt oder mit Heißklebepistole geklebt.

2. Tag

Aktivitäten: Bearbeiten der Findlinge, Speckstein, Figurenwerkstatt, Anmalen der Bäume

Unter Anleitung der Kunstpädagogin Catharina Wagner, fand das neue Angebot „Anmalen der Bäume“ statt. Zu diesem Zwecke rührten die Kinder eine weiße Grundfarbe, bestehend aus Kalk, Quark, Wasser und Hirschhornsalz (1) an. Anschließend suchten sich die jungen Künstler einen von der Art zu ihnen passenden Baum und grundierten diesen mit der vorbereiteten Farbe. Nach dem Antrocknen sollten die Bäume dann mit bunten Farben versehen werden. Offensichtlich machte diese Aktion den Kindern sehr großen Spaß und es war ein nachhaltiges Erlebnis, zu beobachten, wie sehr sich die Kinder mit „ihren“ Bäumen identifizierten. Manche umarmten gar „ihren“ Baum und bezeichneten ihn als „mein Freund“. So entstand im Wald ein von den Kindern geschaffener Pfad, durch den gleichzeitig der Aktionsradius erweitert wurde und neues “ Gebiet“ erobert werden konnte. Einige Platanenfindlinge konnten zum Ende des Nachmittags schon fertig gestellt werden, und die Speckstein- und Holzwerkstatt waren zum Ende des Nachmittags noch voll im Gange. Der ungebremste Ideenreichtum der Kinder führte in der Holzwerkstatt zu den ersten fertigen Holzfiguren(Wächterfiguren), die auch schon an diesem Tag teilweise mit Dispersionsfarbe angemalt wurden. Auch die Specksteine nahmen zunehmend mehr Gestalt an; dies in Form von Fischen, Seehunden und anderen Figuren.


3. Tag

Aktivitäten: Findlinge schnitzen, Figurenwerkstatt, Bäume anmalen, Nestbau

Das Schnitzen der Findlinge wurde inzwischen von einer Spielbusmitarbeiterin begleitet und unterstützt, sodass der Künstler Dieter Wagner den Nestbau beginnen konnte. Dazu begab er sich mit den Kindern in den Wald. Erst einmal wurde ein geeigneter Platz für das Projekt „Nest mit Ei“ ausgekundschaftet. Es fand sich ein zauberhafter Platz im direkt angrenzenden Gehölz, an dem es verblüffenderweise alte, hohe Weißdornbäume gab, die im Halbkreis gewachsen waren – der „perfekte Ort“ für dieses Vorhaben! Dieter Wagner erläuterte die mythologische Bedeutung des Weißdorns: Schutz vor bösen Zauberern und Hexen!

Derart eingestimmt, begannen die Kinder Äste und Reisig für die nun anstehende Arbeit zu suchen. Ergänzt wurden die Materialien durch angespitzte Tomatenpflöcke. Das Nest erhielt die Form einer Spirale, die mit den stabilen Pflöcken vorgesteckt und mit dem gesammelten Material durchwoben wurde. Die Arbeit ging schnell voran ,sodass nur noch die Fixierung mittels Draht und das Anmalen des Objekts innerhalb der nächsten beiden Tage zu besorgen war. Auch dieser Tag endete mit zufriedenen, glücklichen Kindern und MitarbeiterInnen. Einziger Kritikpunkt seitens der Kinder war das fehlende Specksteinangebot. Das Team hatte angenommen, dieses Angebot wäre bereits „ausgelaufen“ und wurde nun eines Besseren belehrt. Situations- und bedarfsentsprechend wurde für den nächsten Tag neues Specksteinmaterial besorgt.

4. Tag

Aktivitäten: Speckstein, Figurenwerkstatt/Holzwerkstatt, Fertigstellung des Nestes, Vogeltränke aus Granitstein

Neu auf dem Tagesplan war das (Bild-)Hauen einer Vogeltränke. Eigens dafür wurde ein großer Granitstein in Form eines Eis zur Bearbeitung ausgewählt, der schwer genug war, um zu verhindern, dass er unbefugterweise entfernt werden könnte.. Die Bearbeitung des Granitsteins war allerdings aufwendiger und schwieriger als die relativ einfach Umgang mit dem Speckstein. Die Arbeiten mit letztgenanntem allerdings waren eine hilfreiche „Vorabübung“ für diejenigen Kinder, die sich am Bildhauen an dem massiven Granit beteiligten. Aufgrund seiner massiven Beschaffenheit wurden Schutzbrillen benötigt, um zu verhindern, dass umherfliegende Splitter die Augen verletzen. Mittels einer Flex wurde eine Mulde auf der Oberfläche des Ei eingearbeitet. Anschließend wurde die Vogeltränke von den Kindern mit Hammer und Meißel fertiggestellt. Das Nest erhielt wie die Bäume eine Farbgestaltung in allen möglichen Grün- und Blautönen. In den anderen Bereichen waren eine Vielzahl an Skulpturen, Figuren und Bildern bereits gefertigt.


5. Tag

Aktivitäten: „Fertigstellung“ der einzelnen Kunstwerke, Gestaltung der Präsentation, Vernissage

„Auf goldenem Grund!“ (2) Unter diesem Motto stand der letzte Projekttag, der mit einer öffentlichen Vernissage endete: An diesem Ort, einer ehemaligen Kohlengrube (Zeche), wurde früher „schwarzes Gold“ gefördert – ein Ort der für viele schicksalhaft und lebensbestimmend war. Heute sind die Kinder, das „Gold“ , das gefördert werden will. Zahlreiche individuelle Fähigkeiten konnten in dieser Woche „zu Tage befördert“ (gefördert) werden. Die Vernissage wurde von Rainer Deimel, dem Referenten für Bildung und Öffentlichkeitsarbeit des ABA Fachverbandes, eröffnet. Auf außerordentliche Bestätigung durch die Kinder stieß unter anderem die geäußerte These, die Handlungsorientierung und die gleichzeitige Reflexion des einwöchigen Projekts hätte womöglich mehr an Bildungsarbeit geleistet, als die Schule innerhalb eines ganzen Schuljahres dazu imstande ist. Begrüßt werden konnten neben zahlreichen Eltern und Verwandten, die Vorsitzende des Ausschusses für Kinder, Jugend und Familie im nordrhein-westfälischen Landtag sowie etliche VertreterInnen aus der Herner Politik und anderen Organisationen. Die Vorsitzende der Kinderkommission des Deutschen Bundestages hat ebenfalls angekündigt, den Kunstwerken der Kinder gelegentlich ihre Referenz zu erweisen. Schätzungsweise 250 Personen beteiligten sich an dem Abschlussrundgang; die Kinder erläuterten mit Dieter Wagner, die Kunstwerke und den Weg ihrer Entstehung. Großer Applaus bestätigte allen TeilnehmerInnen den Erfolg der einwöchigen Arbeit, der für das Wohnumfeld wunderbare – selbstgeschaffene – Kunstwerke zurücklässt. Die Identifikation der Kinder mit ihrer Umgebung konnte – wie gewollt – gesteigert werden. Das gilt auch für ihre Eltern.

Erwähnenswert auch die gewinnbringende Kooperation des Spielmobil-Teams mit den Künstlern: Neben dem erfolgreichen gemeinsamen Planen und Durchführen des Projekts konnten alle während dieser gemeinsamen Zusammenarbeit voneinander lernen und profitieren.

Das Projekt fügte sich hervorragend in den Park ein und berücksichtigte auf reflektierte Weise den kindlichen Schaffensdrang. Nicht „elitär künstlerisch“ wurden hier die Kinder eingesetzt, sondern eher wie auf einem Abenteuerspielplatz. Sie gingen mit Werkzeugen aller Art um, sie schleppten Steine, Holz und anderes Material – Leben auf einer Baustelle, umgeben von Kunst und Natur, selbst Kunst und Natur gestaltend.

Bericht: Margarete Germaine (3)
Fotos: Barbara Schorlemmer, Bochum (© ABA Fachverband)
Gestaltung dieser Seite: Rainer Deimel

(1) In früheren Zeiten wurden Bäume häufig mittels dieser Rezeptur geschützt. Diese Mischung verhindert, dass die Baumrinde bei Nachlassen des Frostes im Winter platzt.

(2) © ABA Fachverband

(3) Früher beim Spielbus Tummelhummel, seit 2005 beim Spielmobil Tobedüse und seit 2008 im Stadtteilzentrum Pluto der Stadt Herne beschäftigt.

Nachtrag: Die „Dorfbäckerei Frank“ aus Castrop-Rauxel, die an der Vellwigstraße in Herne eine Filiale betreibt, unterstützte das Projekt mit einer größeren Menge Kuchen und Gebäck. Herzlichen Dank!

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