ABA-BLOG

Kompetenzentwicklung durch Spiel und Phantasie – Zum Bildungshorizont mobiler Spielpädadagogik

Von Ludwig Duncker

I. Spielpädagogik im Horizont des Bildungsbegriffs

Spielmobile leisten einen wichtigen Beitrag in der heute schwieriger gewordenen Wirklichkeit des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen. Sie bieten attraktive Angebote für die Freizeitgestaltung und stellen diese unter einen pädagogischen Anspruch. Dieser pädagogische Anspruch muss immer wieder – wie alle pädagogische Arbeit – überprüft und auf die sich ständig verändernden Bedingungen unserer Lebenswirklichkeit neu ausgerichtet werden. Hierbei kann uns der Bildungsbegriff helfen, der uns sowohl einen geeigneten Horizont ausleuchten kann, auf den wir uns zu bewegen können als auch Kategorien in die Hand gibt, um Maßstäbe und Potentiale der pädagogischen Arbeit kritisch in den Blick zu nehmen.

Wenn Spielmobile einen Beitrag zur Bildung von Kindern und Jugendlichen leisten sollen – und diesen Anspruch möchte ich gerne herausstellen -, formulieren wir auch ein Plädoyer für die Entfaltung einer allgemeinen Lernfähigkeit, für die Entwicklung von Kompetenzen, die nicht spezialistisch eng auf Teilfähigkeiten begrenzt bleiben, sondern einen Beitrag für die Persönlichkeitsentwicklung und Alltagsbewältigung bieten. Und damit münden wir ein in den Topos der sogenannten Lebenskompetenzen. Lebenskompetenzen beschränken sich nicht auf ein bloßes Funktionierenkönnen im Alltag, sie schließen auch die Reflexionsfähigkeit ein, das Lösen von Problemen, und sie erweitern sich auch in das weite Feld ästhetischer Erfahrung, in dem Phantasie und Genuss, Imagination und Spiel ihre Bedeutung haben. Den Begriff der Lebenskompetenzen exakt zu definieren fällt gewiss schwer. Aber es mag deutlich werden, dass ich ihn gerne in eine enge Verwandtschaft zum Bildungsbegriff stelle, dass er gegenüber dem Bildungsbegriff vielleicht eine noch etwas pragmatischere Note erhält und Missverständnisse vermeiden hilft, die mancherorts mit dem Bildungsbegriff verbunden sind. Wenn wir solchermaßen also die Entfaltung von Lebenskompetenzen nicht in einen Gegensatz zu Bildung stellen, sondern im Begriff der Lebenskompetenzen eine spezifische Interpretation des Bildungsbegriffs vornehmen, kommen auch für eine moderne (und mobile) Spielpädagogik wichtige Dimensionen in den Blick:

  1. Die Abgrenzung zur Sozialpädagogik

Spielpädagogische Arbeit darf nicht verkürzt werden auf einen sozialpädagogischen Ansatz. Sozialpädagogische Arbeit orientiert sich nur wenig am Bildungsbegriff, zumindest was seine inhaltlichen Dimensionen betrifft. Sozialpädagogik thematisiert vorrangig Störungen zwischenmenschlicher Beziehungen und ihrer gesellschaftlichen Zusammenhänge, Fragen der Deprivation und Dissozialität in Lebensbewältigung und Verhalten. Sie kümmert sich im Rahmen sozialer Arbeit vorrangig um Konfliktbewältigung, Krisenmanagement und soziale Intervention. Elemente aus der sozialpädagogischen Arbeit können durchaus auch in spielpädagogischen Kontexten in Erscheinung treten. Dort liegt der Hauptakzent jedoch anders: Der Schwerpunkt liegt – so würde ich es jedenfalls formulieren – in der Entfaltung von Kompetenzen, die im heutigen Alltag oft zu wenig gefördert werden und die zur Persönlichkeitsentwicklung wichtig sind. Dazu zählt u.a. die Entfaltung vielseitigen Interesses, die Ausbildung von Phantasie und Kreativität, die Aneignung kommunikativer Kompetenzen, die Entfaltung von Räumen der Imagination in Szene und Spiel, die Befähigung zu vielfältigem Ausdruck in Sprache und Kunst.

  1. Der Anschluss an den Kulturbegriff

Als weitaus tragfähiger erweist sich deshalb eine kulturpädagogische Begründung. Über den Kulturbegriff lassen sich die angesprochenen Zielsetzungen weit besser abbilden. Lernen als eine Form der Kulturaneignung zu verstehen, bedeutet, die Dialektik von Individuierung und Enkulturation für Bildungsprozesse zu erschließen. Dies muss ich kurz verdeutlichen: Individuierung meint den Prozess der Persönlichkeitsentwicklung als der Herausschälung einer eigenen unverwechselbaren Persönlichkeit. Aber dieser Prozess kann nur im Rahmen des Hineinwachsens in eine Kultur bestehen. Umgekehrt betrachtet ist das Hineinwachsen in eine Kultur kein bloßer Anpassungsvorgang, sondern ein Prozess, der der Selbstständigkeit und Ausbildung von Individualität gewährleisten muss. Beide Seiten sind aufeinander angewiesen, so dass man von einer Dialektik sprechen kann. Es geht also um die Entfaltung von Fähigkeiten und Dispositionen, die den Einzelnen in die Lage versetzen, sich kreativ und kritisch mit der Wirklichkeit auseinander zu setzen und dabei ein Lernen zu kultivieren, in dem das Aneignen, die produktive Auseinandersetzung und der schöpferischen Ausdruck miteinander verbunden werden. Aber gerade dies könnte man auch durchaus als den Kern eines tragfähigen Bildungsverständnisses reklamieren.

  1. Unterscheidungen zur Schulpädagogik

Lassen Sie mich noch kurz auf eine mögliche Unterscheidung zur Schulpädagogik hinweisen. Auch die Schule hat einen Erziehungs- und Bildungsauftrag zu erfüllen. Alle Schulfächer und Lernziele, alle Unterrichtsstunden und Abschlussprüfungen sollen idealtypisch gedacht einen gangbaren Weg hin auf ein tragfähiges Bildungsideal aufzeigen, der mit Formen und Inhalten des Lernens ausgelegt wird. Aber durch die institutionellen Rahmenbedingungen, insbesondere durch die Normierungen und Leistungsstandards gerät das schulische Lernen bisweilen in den Sog von Leistungsdruck und Drill, der zumindest im subjektiven Empfinden der Beteiligten kontraproduktiv ausschlägt und eine innere Distanz zur Schule erzeugt. Dann wird auf schmerzhafte Weise sichtbar, dass Bildung eigentlich nicht gegen die Kinder und Jugendlichen, sondern nur mit ihnen zusammen erreichbar ist. Ohne eine dialogische Einbindung des Bildungsangebots kann der Adressat verfehlt werden.

Ich selbst bin nun gewiss nicht verdächtig, eine grundlegende Kritik an der Institution Schule formulieren zu wollen, weil meine Bemühungen immer auch den Möglichkeiten und Perspektiven der Schulreform dienen, um damit den Anspruch von Bildung wiederzugewinnen. Ich weise nur auf Schwierigkeiten hin, die prinzipiell auch für Bildungsangebote im Freizeitbereich entstehen können, dort aber unter anderen Vorzeichen wahrgenommen werden: Wo die Schule durch institutionelle Erwartungen das dialogische Prinzip gefährdet und die Erfüllung des Bildungsauftrags in Zwängen und Pflichten bisweilen unterzugehen droht, muss im Freizeitbereich außerhalb der Schule – hier also in spielpädagogischer Arbeit – mit anderen drohenden Verkrustungen gerechnet werden. Auch im Freizeitbereich sind Gefahren festzustellen, die dort reziprok anders liegen: Die Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit der Teilnahme, die Fluktuation der Teilnehmer und die Abhängigkeit von momentaner Lust und Laune führen zu einer anderen Art von Druck. Dieser Druck wird von den Freizeitpädagogen mehr wie von den Kindern und Jugendlichen selbst empfunden. Im Freizeitbereich muss ständig motiviert und geworben werden, man fühlt sich immer genötigt, sich möglichst nahe an die Wünsche und Erwartungen der Kinder und Jugendlichen anzupassen, weil sie allzu leicht den auch hier nötigen Anstrengungen aus dem Weg gehen und nicht immer gewillt sind, den Weg der Bildung auch mit Anstrengungsbereitschaft zu gehen. Es ist jedenfalls ein weit verbreiteter Irrtum, als könne Lernen immer nur Spaß machen und man könne sich dem Auftrag der Selbstbildung ohne Mühe und Arbeit zuwenden. Lockerheit und Coolness, Fun und Action, Entertainment und Animation müssen anscheinend immer in Aussicht stehen, um Jugendliche für eine Mitwirkung zu gewinnen. Man kann sich dann leicht ausmalen, dass der Bildungsanspruch dadurch ebenfalls ausgehöhlt werden kann.

Vielleicht muss ich hier bewusst ein wenig überzeichnen, um die gegensätzlichen Orientierungen von Schule und Freizeit auch in ihrem möglichen Absturz skizzieren zu können.

II. Veränderungen heutiger Lebenswelt im Spiegel ihrer Auswirkungen auf Kindheit und Jugend

Ich möchte nun in einem zweiten Schritt einen Blick werfen auf aktuelle Veränderungen in Kindheit und Jugend. Dieser Blick muss allen konzeptionellen Überlegungen voraus gehen, denn Bildungsangebote und pädagogisches Handeln beziehen sich immer auf Adressaten, die erreicht werden wollen. Sie müssen anknüpfen an die Voraussetzungen und Vorlieben, an die Interessen und Befindlichkeiten, aber auch an Verengungen und Einseitigkeiten, an Schwierigkeiten und Defiziten in ihren jeweiligen Ausprägungen. Insofern kann die Frage des Förderns und Unterstützens, aber auch des Kompensierens und Gegenwirkens nur dann angemessen beantwortet und in erfolgreiche konzeptionelle Strategien übersetzt werden, wenn die Diagnose stimmt und Ergebnisse aus der Kindheits- und Jugendforschung aufgenommen und ausgewertet werden.

Ich kann dies hier nur sehr ausschnitthaft tun und muss mich auf einige wenige Aspekte begrenzen. Erlauben Sie, dass ich vier Aspekte herausgreife und in ihrer Bedeutung für das Aufwachsen und Erwachsenwerden in unserer heutigen Lebenswelt interpretiere. In der Auswahl dieser Aspekte soll gleichzeitig die Frage vorbereitet werden, wie die Entfaltung von Lebenskompetenzen als Thema einer mobilen Spielpädagogik aufgegriffen werden kann. Ich unterscheide folgende Merkmale:

  1. DIE REDUKTION SOZIALER KONTAKTE
  2. DIE AUSBREITUNG VON BEWEGUNGSARMUT
  3. DIE KONSUMPTIVE ANEIGNUNG VON WIRKLICHKEIT
  4. DIE TENDENZ EINER SCHOLARISIERUNG VON FREIZEIT
  5. Die Reduktion sozialer Kontakte

Ich beginne paradoxerweise mit einem Aspekt, der eher nach einem sozialpädagogischen Kontext aussieht. Ein unübersehbares Merkmal heutigen Aufwachsens betrifft die Dichte sozialer Netze, in die Kinder und Jugendliche eingewoben sind. Die in der Soziologie vielbeschworene Tendenz zur Individualisierung uns Singularisierung unserer Gesellschaft hat längst auch die junge Generation erfasst. Die Veränderung der Familienstrukturen mit dem quantitativen Zunehmen von Einelternfamilien, von Patchworkfamilien, die Verringerung der Geschwisterzahlen und die durch Mobilität erzwungene Ausdünnung verwandtschaftlicher Beziehungen am Wohnort werden verstärkt auch als Vereinzelung im Kindes- und Jugendalter beobachtbar. Die Schule scheint manchmal noch der einzige Ort zu sein, an dem Kontakte zu anderen Kindern geknüpft werden und auf die das Überschreiten familialer Beziehungen begrenzt bleibt. Auch ist die Schule oft der einzige Ort außerhalb der Elternbeziehungen, an denen man anderen signifikanten Erwachsenen begegnet, also solchen Erwachsenen, die eine wichtige Bedeutung für die eigene Biographie gewinnen. Außerhalb veranstalteter und institutionalisierter Lernprozesse gibt es in unserer Gesellschaft kaum noch Orte, an denen sich verschiedene Generationen begegnen, zumindest in einer solchen Weise, die nicht begrenzt bleibt auf punktuelle und funktional zu bewältigende Anlässe wie beispielsweise Einkaufen, Bus fahren oder den Arztbesuch. Intergenerationelle Begegnungen im Gespräch finden außerhalb von Familie und Schule kaum noch statt.

Im Gegenzug breitet sich dagegen eher die „Gesellschaft der Gleichaltrigen“ aus, die ihre eigenen subkulturellen Welten erzeugen. Aber auch die Subkultur Jugendlicher zerfällt heute in eine fast unübersehbar große Vielfalt. Während es in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg noch recht homogene Strömungen gab – Halbstarke, Rockabillies, Hippies und wie sie alle hießen – haben sich heute längst unübersehbar viele Stile herausgebildet, die es noch weniger als früher erlauben, von der einen Jugend zu sprechen. Freilich – es gibt auch Tendenzen der Vereinheitlichung: Globalisierung und Konsumgesellschaft, Medien und Mobilität erzeugen auch einen starken Mainstreem der äußeren Angleichung, die mit den Tendenzen zur Singularisierung und Parzellierung jugendlicher Lebenswelten ein nicht immer klar differenzierbares Konglomerat normativer Ausrichtungen bildet.

Worauf ich hinweisen will, ist Folgendes: Die demographischen Veränderungen, die Endtraditionalisierung unserer Gesellschaft, die Pluralisierung der Lebensformen bis hin zu den Auswirkungen einer teils freiwilligen und teils erzwungenen Mobilität führen zu einer Reduktion tragfähiger und belastbarer sozialer Beziehungen. Kinder und Jugendliche sind davon besonders betroffen. Der beobachtbare Rückzug ins eigene Kinderzimmer verstärkt diese Tendenz zusätzlich. Freizeitpädagogische Konzepte haben diese Veränderungen zu registrieren und in ihre Überlegungen aufzunehmen.

  1. Die Ausbreitung von Bewegungsarmut

Als zweites Merkmal heutiger Bedingungen des Aufwachsens in unserer Gesellschaft will ich kurz auf das Problem einer wachsenden Bewegungsarmut zu sprechen kommen. Der vermehrte Rückzug ins Kinderzimmer und die oft geringer werdenden Möglichkeiten zum gefahrlosen Spiel im Freien und auf der Straße haben in Verbindung mit Veränderungen bevorzugten Spielverhaltens eine Einschränkung körperlicher Bewegung mit sich gebracht. Medienkonsum und Computerspiele sind hier vorrangig zu nennen. Um kein Missverständnis aufkommen zu lassen: Ich will hier nicht sozialromantischen Vorstellungen hinterher weinen und vergangenen Zeiten nachtrauern, als Kinder noch am Bach spielten und auf Bäume kletterten. Es geht vielmehr darum, eine aus medizinischer Sicht besorgniserregende Entwicklung zur Kenntnis zu nehmen: Folgt man diesen Diagnosen, könnte sich die zunehmende Bewegungsarmut zu einem ernsthaften Risiko für den gesundheitlichen Zustand der nächsten Generation auswachsen mit nicht übersehbaren finanziellen Folgekosten für die gesundheitlichen Sicherungssysteme. Die Bundesarbeitsgemeinschaft zur Förderung haltungsgeschädigter Kinder und Jugendlicher stellt jedenfalls fest, „dass 40 – 60 Prozent der Schulkinder unter Haltungsschäden leiden und 20 Prozent unter Schwächen des Herz-Kreislauf-Systems. 30 – 40 Prozent zeigen motorische Auffälligkeiten und Koordinationsschwächen. 20 – 30 Prozent gelten als übergewichtig.“ (Beck 1994, S. 97).

Schlimm ist, dass Bewegungsarmut, falsche Ernährung und psychosoziale Verhaltensauffälligkeiten sich zu einem Syndrom milieubedingter sozialer Verwahrlosung verdichten und damit auch Ausdruck schichtspezifischer Benachteiligung sind. In Hauptschulbildungsgängen sind solche Syndrome jedenfalls verstärkt zu beobachten (Heinrich-von-Stephan-Oberschule, Berlin-Mitte).

Der wachsenden Bewegungsarmut widerspricht nicht, dass Lehrerinnen und Lehrer verstärkt über Zappeligkeit, Ruhelosigkeit und Konzentrationsverlust klagen. Sie sind vielmehr überwiegend Folgen einer einseitigen Lebensweise im Alltag. Bewegungsarmut schließt jedoch nicht nur das orthopädische Risiko einer beschädigten Entwicklung des Skeletts und der Muskulatur ein, resultierend aus der gleichzeitigen unphysiologischen Überbelastung und Unterbelastung des Bewegungsapparats. Es lassen sich vielmehr weitreichendere Konsequenzen für den Aufbau einer allgemeinen Lernfähigkeit formulieren. So wird die Ausbildung eines räumlichen Vorstellungsvermögens, die Ausdifferenzierung der Sensomotorik und koordinativer Fähigkeiten beeinträchtigt, wenn der Körper nicht auch als Organ der Erkenntnis und Erfahrung beansprucht wird. Welterfahrung in Bewegung und Spiel (Altenberger & Maurer 1992) – so lautet ein Buch, in dem die elementare Bedeutung der Entfaltung körperlich und leiblich gebundener Erfahrungsweisen als elementare Prozesse von Weltaneignung beschrieben wird.

Besonders erwähnen möchte ich hier die Bedeutung einer rhythmischen Erziehung, die den wilden Bewegungsdrang in Formen überführt, die kultivierbar sind und die in ihren Möglichkeiten des körperlichen Ausdrucks weit über rein sportliche Aktivitäten hinausführen. Im Gegenteil, die Verengungen sportlicher Aktivitäten werden hier vermieden, weil rhythmische Erziehung viele Verbindungen zur Musik, zur Sprache und zur Mathematik erschließt. Wer bewusst mit Schritt, Atem, Puls arbeiten kann – also mit physiologisch gesteuerten Prozessen unseres Körpers, kann auch besser musizieren, vorlesen und rechnen. Die Querverbindungen dieser Disziplinen und ihre Grundlegung in einer Rhythmisierung des Leibes sind zumindest für die Grundschule noch viel zu wenig erschlossen.

  1. Die konsumptive Aneignung von Wirklichkeit

In einem dritten Schritt möchte ich einen Aspekt aufgreifen, der eine andere Form der Aneignung von Wirklichkeit betrifft. Übereinstimmend wird in zahlreichen Untersuchungen festgestellt, dass sich heute eine konsumierende Form des Aufnehmens von Wissen und Information, von Meinung und Weltdeutung ausbreitet. Ein wesentlicher Faktor ist hier gewiss der Fernsehkonsum, der sich als Muster einer passiven Rezeption vorgefertigter Bilder und der darin enthaltenen Anschauungen und Weltdeutungen auch auf andere Beschäftigungen ausdehnt. Wohl auch die Mehrzahl der Computerspiele und manch technisches Spielzeug verleitet zu einer motorischen und intellektuellen Inaktivität.

Pädagogisch verhängnisvoll ist dabei zweierlei: In den vorgegebenen Szenarien und Spielzügen, die nur vorprogrammierte Reaktionsweisen zulassen, entfaltet sich kein Raum für die Entfaltung eigener Phantasie. Die Bedeutungszusammenhänge sind festgelegt. Virtuell definierte Räume, in denen man sich zu bewegen lernt, enthalten keine Möglichkeiten eigener kreativer Umgestaltung. Fernsehen und Computerspiele reduzieren die Eigentätigkeit und führen zu einer konsumptiven Einstellung, die sich auf andere Bereiche ausbreitet. Hans-Günther Rolff und Peter Zimmermann (1985) schreiben: „Das Ausmaß der Konsumhandlungen von Kindern hat sich vehement über den Bereich der gegenständlichen Waren ausgeweitet in den Bereich der Dienstleistungen hinein. Öffentliche Dienste kann das Kind inzwischen konsumieren wie vor ihm schon die Erwachsenen, sei es beim Spielpädagogen auf dem Abenteuerspielplatz, bei der Erzieherin im Kinderhort oder auf der Ferienparty. Kinder lernen, dass ein gutes Leben darin besteht, die richtigen Waren und Dienstleistungen zu konsumieren, oder wie Fromm es ausdrücken würde, das Sein über das Haben zu definieren. Die Kehrseite dieses Trends zum Massenkonsum besteht in einem merklichen Verlust an Eigentätigkeit.“ (S. 137)

Problematisch ist weiterhin, dass in einer konsumptiven Haltung die Grenzen zwischen eigener Erfahrung und der Erfahrung aus zweiter Hand verwischt werden. Was in Bildern und Filmszenarien angeboten wird, wird von der eigenen Erfahrung nicht mehr unterschieden. Noch einmal Rolff und Zimmermann: „Die vorproduzierte, medial vermittelte Erfahrung wird als eigene genommen. Etwas überspitzt formuliert: Der Mensch wird zu Matrize einer TV-Sendung, er wird Abnehmer, Konsument vorfabrizierter Erfahrungen.“ (S. 141).

Beides, die Reduktion von Eigentätigkeit und die Mediatisierung der Erfahrung führt zu einer mangelnden Entfaltung grundlegender Fähigkeiten des Erkennens und Deutens von Wirklichkeit. Die Einengung der Phantasie und die Besetzung der Vorstellungen mit vorgefertigten Schablonen fördert nicht das Klären und Weiterführen eigener Erfahrung. Erkenntnistätigkeit reduziert sich auf die Imitation und unkritische Adaptation massenkulturell hergestellter Bedeutungszusammenhänge.

Halten wir fest: Große Anteile heutiger Freizeitbeschäftigung von Kindern und Jugendlichen, vor allem im Zusammenhang von Fernseh- und Videokonsum und von Computerspielen ermöglichen kaum eine schöpferische, eigentätige Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit und dienen nicht der Artikulation und Reflexion eigener Erfahrung. Dies beeinträchtigt die Erkenntnistätigkeit und den Aufbau einer erfahrungsgesättigten Anschauung der Lebenswelt.

  1. Die Scholarisierung von Freizeit

Nur teilweise im Widerspruch zu den bislang getroffenen Aussagen über die Verengungen kindlicher und jugendlicher Lebenswelten und damit verbundener Einschränkungen eigener Lernfähigkeit und Lebenskompetenz steht ein Trend, der die Gestaltung der Nachmittage zunehmend beeinflusst und prägt, auch wenn dies nicht für alle Kinder und Jugendlichen in gleichem Umfang gilt und zunächst vielleicht auch ein eher schichtspezifisches Phänomen darstellt. Zu beobachten ist, dass sich die professionellen Angebote zur Vermittlung spezifischer Fähigkeiten und Fertigkeiten stark ausbreiten (vgl. Fölling-Albers 2000). Man könnte fast von einem Boom sprechen. Hierzu zählen nicht nur Institutionen zur Erteilung von Nachhilfe, Instrumentalunterricht und der Sportverein. Computerkurse für Kinder, Trainingskurse für Reiten und Tennis, Entspannungskurse und Maltherapie usw. verdichten sich zu einem Stundenplan, der nur durch die Chauffeursdienste der Eltern bewältigbar ist.

Was nun auffällt, ist Folgendes: Diese in Stundenplänen organisierten Aktivitäten am Nachmittag weisen oft eine enge Curricularisierung auf. Klar definierte Ziele, engmaschige methodische Arrangements, eine fraglose hierarchische Struktur der Lehrer- und Schülerrolle usw. zeigen, dass hier eine Form des Unterweisens bereitwillig akzeptiert wird, die im Rahmen der Schule zu einem großem Aufstand führen würde. Grundschulen, die es sich erlauben würden, ihren Unterricht in solchen geschlossenen Formen zu organisieren, würden sich der Kritik überholter lehrerzentrierter Didaktik aussetzen. Sie müssten sich dem Vorwurf stellen, ihre Schüler als Objekte einseitiger Belehrung zu behandeln und ihnen nicht den Raum zur freien Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu bieten. Nur Schülerzentrierung und Offener Unterricht könnten demokratisches Handeln initiieren und eine Mündigkeit künftiger Bürger erzeugen. Freie Meinungsäußerung, freie Arbeit während des Unterrichts und selbstbestimmtes Lernen wären die Garanten einer zeitgemäßen Didaktik.

Außerhalb der Schule scheinen diese Argumente nicht mehr zu gelten. Wo man sich die Teilnahme an Kursen und Programmen zum Training spezifischer Fertigkeiten käuflich erwirbt, scheint die Unterwerfung unter das Postulat des geschlossenen Curriculums bereitwillig angenommen zu werden. Die didaktische Struktur solcher Angebote wird an der Effizienz des Outputs gemessen, nicht an der Qualität eines offenen Prozesses.

Ich habe es vielleicht ein wenig zugespitzt, dennoch ist der Trend klar zu erkennen: Die Schulen, vor allem die Grundschulen, haben sich den Prozessen der inneren Öffnung und Flexibilisierung ihrer didaktischen Orientierungen verschrieben. Unterstützt durch eine universitäre Didaktik, die den Leitlinien der inneren Differenzierung folgt, wird die Förderung zum selbstständigen Lernen zu einem grundlegenden Maßstab für die Gestaltung und Beurteilung des Unterrichts. Dagegen herrschen in frei wählbaren Kursen und Angeboten, die nachmittags aufgesucht werden, häufig die gegenteiligen Orientierungen vor: Geschlossenheit und Effizienz, Befolgen von Anweisungen und Bezahlen von Gebühren.

Ich will hier nicht weiter darüber resonieren, ob es hier vielleicht einen inneren Zusammenhang gibt, ob die beiden konträren Entwicklungen in und außerhalb der Schule sich wechselseitig nicht sogar gegenseitig hervorbringen und verstärken. Man könnte hier zahlreiche Hypothesen formulieren.

III. Konsequenzen für eine moderne Spielpädagogik

Ich habe versucht, an vier ausgewählten Problemfeldern einige Veränderungen heutiger Kindheit und Jugend aufzuzeigen. Es sind solche Veränderungen, von denen ich annehme, dass sie eine konzertierte Anstrengung all jener einfordert, die im Bildungs- und Erziehungsgeschehen beteiligt sind. Mein Anliegen ist es, immer auch den Gesamtzusammenhang in den Blick zu nehmen, um so wechselseitig sichtbar zu machen, dass in und außerhalb der Schule – von Eltern und von professioneller Seite her – die Bemühungen ineinander verzahnt werden müssen, um die Folgen neuer Sozialisationsbedingungen zu kompensieren oder ihnen doch wenigstens ein Stück weit gelingende Lern- und Erfahrungsprozesse entgegen zu stellen und prophylaktisch drohende Fehlentwicklungen zu mildern.

Auf die Herausforderungen, die die Schule dabei pädagogisch und didaktisch zu bewältigen hat, möchte ich hier nicht näher eingehen. Lassen Sie mich aber einige Konsequenzen für die Konzeption einer mobilen Spielpädagogik formulieren. Ich will meine Thesen in der Reihenfolge der Aspekte formulieren, die ich oben entfaltet habe:

  1. Kontakte stiften

Das Stiften von Beziehungen und Kontakten zwischen Gleichaltrigen ist nicht curricular durchgestaltbar. Freundschaften werden freiwillig geschlossen. Erwachsene können höchstens Gelegenheit dazu geben, dass Kinder und Jugendliche sich finden. Was aber möglich ist, ist das aktive Zugehen auf Kinder und Jugendliche und die Bemühung, sie zu erreichen, sie heraus zu locken aus ihren „Höhlen“, in die sie sich oft zurückgezogen haben. Was zu tun ist, ist zu werben und zu locken, Hemmschwellen abzubauen und Scheu zu überwinden. Wir kennen alle den Prozess, der oft nur in seinen Anfängen schwierig ist, um die Kinder erreichen. Aber auch dann, wenn sie da sind, müssen sie bei der Stange gehalten werden, müssen motiviert und gelobt werden und müssen mit einem attraktiven Angebot so interessiert werden, dass sie wieder kommen. Insofern bahnen sich Kontakte und Beziehungen eher indirekt durch die gemeinsame Erfahrung in der Durchführung von Vorhaben und Projekten an.

Wünschenswert wäre, auch intergenerationelle Kontakte anzubieten. Dies könnte beispielsweise geschehen durch die Einbeziehung von Fachleuten und Experten, die, auf einzelne Aktivitäten und Zeitpunkte begrenzt, sich einlassen auf die Durchführung oder Unterstützung spezifischer Angebote.

  1. Zur Bewegung ermuntern

Mobile Spielpädagogik hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten den Aspekt von Bewegung und körperlicher Aktivität in ihrem Angebot zu berücksichtigen. Es geht nicht darum, Sportunterricht, Leichtathletik und Fitnesstraining anzubieten, sondern ehr solche Aktivitäten anzubahnen, die der Ausbildung von Geschicklichkeit und Koordinationsfähigkeit, der Ausdifferenzierung von Grob- und Feinmotorik dienen. Sodann wäre die Einbeziehung von Elementen einer rhythmischen Erziehung geboten. Gerade die Möglichkeiten einer rhythmischen Erziehung erlauben es, Bewegungsabläufe und ihre Koordination nicht nach streng vorgegebenen Mustern auszugestalten, sondern kreativ zu variieren.

Phantasie und Bewegung ist, so denke ich, auch ein wichtiges Feld jugendlicher Selbststilisierung, das viele Ansatzpunkte bietet.

Auch die Vernetzung mit anderen Einrichtungen der Kinder- und Jugendkultur, der Sozialpädagogik und Museumspädagogik machen Sinn. Insofern kann die mobile Spielpädagogik unterstützend und bereichernd die kulturelle und soziale Arbeit unterstützen.

  1. Projekte durchführen

Was die Mediatisierung der Erfahrung und das Lernen aus zweiter Hand betrifft, hat die mobile Spielpädagogik vielleicht ihre wirksamste Aufgabe. Statt einer Rezeption von Surrogaten der Medienindustrie kann es hier bevorzugt darum gehen, zusammenhängende, schöpferisch durchgestaltete Erfahrungsprozesse anzubieten, die Projektcharakter haben. Hier entfalten sich idealtypisch jene Formen einer Lebenskompetenz, die sonst häufig zu kurz kommen (vgl. Duncker & Götz 1988):

Ansetzen an Bedürfnissen und Interessen
Arbeitsvorhaben entwickeln und anbieten im Rahmen thematisch tragfähiger Strukturen
Ziele formulieren und sinnvolle Arbeitsschritte definieren
glichkeiten und Ressourcen erschließen für eine kreative Umsetzung und Durchführung der Vorhaben
Originelle Ausgestaltung der Produkte und Präsentationen
Rückkoppelung zwischen Prozess und Produktorientierung als interne Evaluation des Sinn- und Erfahrungsgehalts während und nach Abschluss eines Projekts

Dies sind gewiss anspruchsvolle Schritte, zumal unter den Bedingungen einer mobilen spielpädagogischen Arbeit. Ich habe ja schon auf die unsichere Belastbarkeit freizeitpädagogischer Arbeit hingewiesen, die es erschweren könnte, solche Ansprüche auch tatsächlich zu erreichen. Was im Sinne einer Entfaltung von Lebenskompetenz zusammenkommen muss, ist deshalb der Zusammenhang von Spiel und Ernst: Projekte anzusiedeln zwischen Spiel und Ernst könnte bedeuten, sie sowohl mit spielerischem Ernst, aber auch als ernsthaftes Spiel zu betreiben: Sich einlassen auf die Wirkungen eigenen Probehandelns, aber immer gebrochen durch eine spielerische Distanz, die Heiterkeit ermöglicht, immer im Konjunktiv gehalten, dass es nicht nur ist, wie es ist, sondern dass der gewählte Weg eine Möglichkeit ist neben anderen: man probiert aus, wie es sein könnte. Etwas in der Schwebe zu halten kann so die individuell aussteuerbare Identifikation auf Probe ermöglichen und den Rahmen für die Entfaltung von Phantasie abstützen.

Dies scheint mir ein gangbarer Weg zu sein, der auch eine spezifische Einstellung zur pädagogischen Arbeit einschließt. Freizeitpädagogische Arbeit, zu der ich die mobile Spielpädagogik zähle, hat in vielen Punkten mehr Flexibilität und Spielraum als die Schule, die unter normierten Leistungserwartungen steht. Dieser Spielraum sollte nicht für die Inszenierung von vordergründigen Spaßbeschäftigungen genutzt werden, die schnell wieder vergessen werden und in ihrer Wirkung sofort verpuffen. Die Durchführung von Projekten trägt weiter. Aber sie sind auch für Kinder und Jugendliche ein Stück weit mit Anstrengung und Arbeit verbunden. Damit gerät ein Balanceakt in den Blick, der für die pädagogische Arbeit insgesamt konstitutiv ist: Er kann nach zwei Seiten hin misslingen. Zu vordergründig und leicht, zu spaßig und beliebig führt ebenso in die Trivialität und in die Frustration hinein wie auf der anderen Seite eine Überforderung und Überanstrengung. Die Balance kann nur in der Kenntnis der konkreten Bedingungen vor Ort gefunden werden.

  1. Offenheit und Flexibilität bewahren

Zum vierten Punkt einer Verschiebung curricularer Strukturen von der Schule in den Freizeitbereich, also der zunehmenden inneren Öffnung und Flexibilisierung schulischen Lernens einerseits und der oft rigiden, nur fachlich ausgerichteten und käuflich erwerbbaren Trainings- und Kurssysteme am Nachmittag andererseits muss ich wohl nicht mehr viel anfügen. Diese Programme des Nachmittags widersprechen grundlegenden Prinzipien pädagogischer Arbeit, sofern sie nicht auf die Vermittlung eng begrenzter Fähigkeiten, sondern in umfassendem Sinne Bildung versprechen sollten. Ich selbst würde es sehr bedauern, wenn im Sog solcher Marktmechanismen die Arbeit mobiler Spielpädagogik sich gezwungen sähe, sich hier anzupassen und die engen curricularen Strukturen zu übernehmen. Aber ich denke, dass diese Sorge vorläufig unbegründet ist.

Literatur

Altenberger, H. & Maurer, F. (Hrsg.): Welterfahrung in Bewegung und Spiel. Bad Heilbrunn 1992

Duncker, L. & Götz, B.: Projektunterricht als Beitrag zur inneren Schulreform. Langenau – Ulm, 2. Aufl. 1988

Duncker, L.: Lernen als Kulturaneignung. Schultheoretische Grundlagen des Elementarunterrichts. (Reihe Pädagogik, Studien zur Schulpädagogik und Didaktik, Band 9). Weinheim und Basel 1994

Duncker, L.: Spiel und Phantasie. Eine kreative Form von Weltaneignung. In: Spielzeit. Spielräume in der Schulwirklichkeit. Friedrich Jahresheft XIII, hrsg. von Ulrich Baer, Knut Dietrich, Gunter Otto. Seelze 1995, S. 4 – 5

Fölling-Albers, M.: Entscholarisierung von Schule und Scholarisierung von Freizeit? Überlegungen zu Formen der Entgrenzung von Schule und Kindheit. In: Zeitschrift für Sozialisation und Erziehung 20 (2000), Heft 2, S. 118-131

Rolff, H.-G. & Zimmermann, P.: Kindheit im Wandel. Weinheim und Basel 1985

Der Autor:

Prof. Dr. Ludwig Duncker, Jg. 1951, Professor für Erziehungswissenschaft am Institut für Schulpädagogik und Didaktik der Sozialwissenschaften der Justus-Liebig-Universität Giessen

Bei vorstehendem Beitrag handelt es sich um einen Vortrag, der auf der Fachtagung „Spielen – Lernen -Bilden“ im November 2002 in Berlin gehalten wurde. Veröffentlicht war er zunächst in der „Spielmobilszene“ 14/2003. Wir bedanken uns bei Claudius Beck von der BAG Spielmobile für die Erlaubnis, ihn hier einstellen zu dürfen.

Dortmund, im Juli 2003

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Umwelt als Spiel- und Lernraum

Von Wolfgang Zacharias

Prolog

Da wird bei Theodor Fontane in seinen Erinnerungen von den Spielplätzen, „den wichtigsten Orten der Kindheit“ erzählt, im Haus, Keller, Dachboden, tief unten im Heu des Stallbodens, am Hafen und in der weiten Umgebung zwischen Wald, Moor, Dünen und Meer. Die Kinder hatten dort ihre bedeutungsvollen Orte, beispielsweise „Störtebeckers Kul“, für Fontanes Selbstbewusstsein wohl ein zentrales Erlebnis, wie er erzählt: „Dies war ein tiefes Loch, richtiger ein mächtiger Erdtrichter, drin der Seeräuber Störtebecker, der zu Anfang des 15. Jahrhunderts die Nord- und Ostsee beherrschte, mit seinen Leuten gelagert haben soll. Gerade so wie wir jetzt! Das gab mir ein ungeheures Hochgefühl, Störtebecker und ich! Was muss ich für ein Kerl sein!“

Was müsste man für eine Pädagogin, ein Pädagoge sein, um so was bei den Kindern auszulösen. Und gewiss war Klein-Fontane höchst aufnahmefähig für entsprechende geschichtliche Hintergründe, die Hanse und die Seefahrt, und die damit zusammenhängende ganze weite Welt. Bilder, Bücher, Geschichten, Globus, Landkarten, Segeltechniken, wie das Wetter und die Sterne funktionieren und der Kompass – vom Fokus „ich und Störtebecker“ war wohl alles zu erschließen, im Prinzip auch im Sinne schulischer Bildung, wenn auch vielleicht nicht mit ihren Methoden.

Unsere eigene Interpretation in Sachen „gelebter Raum“ bzw. „Umwelt als Lernraum“ sowie Verhältnisse von realen Orten und Atmosphären einerseits, Imagination und Phantasie als ästhetisches Vermögen der Kinder andererseits betreffend: Theodor Fontanes innere Vorstellungswelt war wohl durch lebhafte Phantasietätigkeit illuminiert. Und im Spiel werden sich die Freunde, seeräubernd, ihre Umwelt erobert, ´angeeignet´, wie man heute so sagt, haben, indem sie eine eigene imaginierte, den Alltag überhöhende Welt in diese hineinprojiziert haben – nicht nur als Abenteuer im Kopf. Der Erziehungswissenschaftler Jürgen Oelkers kommentierte:

„Erzählungen, Abenteuergeschichten, bebildert aus Büchern, Realitätsversatzstücken und produktiver Einbildungskraft mit Wirkungen auf das aktivierte Subjekt, die kindliche Weltaneignung waren die Motoren des Wechselspiels zwischen umgebender Realität und vorgestellten wünschenswerten Projektionen.“ (Oelkers 1983)

  1. Blick zurück nach vorn: Die Aktualität von Spiel und Kultur mobil

Einerseits: Wir in München haben 2002 unser „30-jähriges Spielmobiljubiläum“ gefeiert: Wer hätte das gedacht, damals 1972, als wir, initiativ und ehrenamtlich, unbezahlt und experimentell-engagiert, erstmals einige Wochen in den Sommerferien mit dem alten englischen Doppeldeckerbus und anlässlich der Olympischen Spiele in München durch die Stadtteile gefahren sind, abseits und auch etwas alternativ zum internationalen olympischen Rummel (vgl. Mayrhofer/ Zacharias 1973). Daraus ist, entsprechend auch der ersten Initiativen in anderen Städten wie Berlin und Köln, die „mobile Spielanimation“, die „Methode Spielmobil/ Spielbus/ Spielaktion“ geworden: als Teil kommunaler Kinder- und Jugend(kultur)arbeit, als besonders effiziente Form, die Lebenswelten der Kinder und Familien vor Ort anzureichern, qualifizierte und umweltbetonte („sozial-räumlicher Ansatz“) offene Spiel- und Lernräume anzubieten: Das ist mobile Jugendarbeit und ein spielpädagogisches Berufsfeld vor allem in kommunalen Kontexten (vgl. dazu Grüneisl/ Knecht/ Zacharias 2001).

Andererseits: In der bildungspolitischen PISA-Nachfolgediskussion auch entsprechend der spiel- und kulturpädagogischen „PISA-Schieflage“ einer „gePISAckten Bildung“, jedenfalls was die schul- und unterrichtszentrierte Nach-PISA-Diskussion betrifft, sind Stichworte auch neu aufgewertet worden, die z.T. eigentlich längst in Spielmobil- und Spielpädagogik-Kreisen selbstverständlich sind, sozusagen zum „Begründungsinventar“ gehören, wie z.B.

Lebenswelt als Lernwelt (vgl. Deutsches Jugendinstitut, Jens Lipski 2002)
Bildung ist mehr als Schule (vgl. Leipziger Thesen 2002)
Spiel bildet (vgl. Gerd Knecht u.a.)
Vielfalt der Lernformen (vgl. Streitschrift "Zukunftsfähigkeit sichern! Für ein neues Verhältnis von Bildung und Jugendhilfe" des Bundesjugendkuratoriums)
Die Bedeutung des informellen Lernens
Bildung in eigener Regie: Selbstbildung - Bilden heißt "sich bilden" (Hartmut v.Hentig)
Partizipation und Biographiebildung: Das Bild vom "kompetenten Kind" (Dieter Baacke)
Erwerb von Schlüsselkompetenzen durch, mit Spiel, Kultur, Medien (vgl. Modellprojekt der Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung)
"Lernziel Lebenskunst" und "Kultur leben lernen" (vgl. BKJ 2000/ 2002)

Und wie die aktuellen Stich- und Schlagworte so alle heißen, zusammengefasst in der Forderung nach einer neuen „Kultur des Aufwachsens“ als öffentliche Aufgabe (vgl. 10. Kinder- und Jugendberichtbericht 1998, BMFSFJ)

Und wir, die „Münchner“ haben einige zentrale Orientierungen bei der Entwicklung unserer praktischen und konzeptionellen Arbeit begleitet, bei denen diese aktuellen Trends eigentlich schon immer orientierend und selbstverständlich waren, z.B. die Rede vom

"gelebten Raum" und der "gestalteten Zeit" in flexiblen, mobilen und offenen Angebotsformen: Spiel und Kultur vor Ort und für alle, meist auch "umsonst und draußen"
"Ökologie des Spielens und Lernens": Das meint die Betonung des "Mensch-Umwelt-Verhältnisses" als besonders erfahrungsintensiv und aktivitätsstiftend für Kinder und Jugendliche - insbesondere wenn diese Umwelten für alle abwechslungsreich und mit vielfältigen Bewegungsmöglichkeiten, Situationen, Materialien, Objekten, sozialen und kulturellen Phänomenen angereichert sind: für Spiele, Experimente, Gestaltungen, Entdeckungen, Treffs, Spiel-Regelungen, Teilhabeerfahrungen. Zum Beispiel als "Kinderöffentlichkeiten" - wie auch ein prominentes Stichwort der 70er Jahre hieß (Oskar Negt) und als neu entdeckte eigenständige "Kinderkultur" einschließlich Medien (Heinz Hengst) - heute im Horizont von "Medienkindheit" in der "Informationsgesellschaft" und in der Spannweite von "Sinnenreich und Cyberspace" von besonderer Bedeutung.

Übrigens kann man die Spielmobile auch mit dem „sozialökologischen Ansatz“ der Entwicklungspsychologie (Bronfenbrenner, Baacke u.a.) wie auch dem „territorialen bzw. sozialräumlichen Ansatz“ der Sozialpädagogik (Lessing, Deinet u.a.) begründen.

Wir, die Spielmobiler, realisieren das Ziel alltagspraktisch: „Umwelt als Spiel- und Lernraum – Lebenswelten als Spiel- und Lernwelten“: Durch Anreicherung, durch Qualifizierung, durch Inszenierung von Orten und Räumen, und als partnerschaftlich-partizipative „Lobby“ für Kinderrechte und kindliche, spielerische Raumnutzungen: Die bespielbare Umwelt und Stadt.

Exkurs: Die „Ökologie des Spiels“

Anlässlich eines der ersten Spielmobiltreffen in München 1983 ist ein Text zur „Ökologie des Spielens“ entstanden, der eigentlich nach wie vor aktuell und begründend ist – und deshalb ausführlich im folgenden und im Original wiedergegeben werden soll:

„Von einer ,Ökologie des Spielens und Lernens‘ zu sprechen oder von einer ,Ökologie der Erfahrung in Kindheit und Jugend‘, knüpft an Begriffe der Sozialwissenschaften und der Sozialisationsforschung an. Dort wird von einer ,Ökologie der menschlichen Entwicklungen‘ (Urie Bronfenbrenner) gesprochen. Der Begriff ,Ökologie‘ hat dabei nicht die eher engere, biologische Definition als Naturgemeinschaft verschiedenster Lebensformen. Mit auf menschliche Verhältnisse bezogener Ökologie‘ wird an die altgriechische Herkunft des Wortes angeknüpft. ‚Oikos‘ hieß das Haus, der gute Ort, das Gefüge des häuslichen Lebens, in dem Menschen, Dinge, Zeit und Raum eine funktionale Ordnung eingingen: Mit ‚Ökologie‘ im Zusammenhang mit menschlicher Lebenswelt und mit menschlicher Entwicklung ist dann gemeint: Eine vom Menschen selbst gestaltete und gestaltbare Umwelt, Verläufe und Abhängigkeiten in ihr, ihr funktionales Gleichgewicht. Es geht um den Alltag, es geht um einen realen definierbaren Lebensbereich mit sozialen und räumlichen Kriterien.

Urie Bronfenbrenner (1981, S.37), der Vater des ökologischen Denkens in der Pädagogik, bezogen auf das Aufwachsen der Kinder, definiert: ‚Die Ökologie der menschlichen Entwicklung befasst sich mit der fortschreitenden gegenseitigem Anpassung zwischen dem aktiven, sich entwickelnden Menschen und den wechselnden Eigenschaften seiner unmittelbaren Lebensbereiche.‘ Qualitätsmerkmale für wünschenswerte Entwicklungsverläufe sind dann anregungsreiche, erfahrungsintensive Umwelten, unterschiedliche wechselnde Situationen, mit denen sich Kinder und Jugendliche auseinandersetzen können: Sie bilden ein ‚Muster von Tätigkeiten und Aktivitäten, Rollen und zwischenmenschlichen Beziehungen‘, in die das Kind verwickelt ist, sich aktiv einbringt. Den Wechsel zwischen verschiedenen Lebensbereichen, das Aneignen neuer Bereiche nennt Bronfenbrenner ‚ökologischen Übergang‘. Positiv bewältigte ‚ökologische Übergänge‘ bezeichnet Bronfenbrenner als besonders entwicklungsfördernd. Was heißt das nun für uns als Pädagogen und Planer in Sachen SPIEL?

‚Ökologie des Spielens‘ wäre dann eigentlich eine Sichtweise, die versucht, die Vielfalt des Spielens in der Alltagsumwelt zu erhalten, zu erweitern, oder, wo diese aus dem Gleichgewicht ist, diese Vielfalt wieder herzustellen. Das ist eigentlich analog zum traditionellen ökologischen Denken: Gleichgewichte erhalten, regionale Vielfalt erhöhen, Defizite ausgleichen …

Es ist nun die Frage, wo und wie in Kindheit und Jugend Spielen als wichtige Erfahrungsform bedroht ist, aus dem Gleichgewicht, z.B. in Sachen Abstraktheit und Entsinnlichung kommt, und wie wir als Spielplaner und Spielpädagogen darauf reagieren können.

Es geht also darum, Umwelt als vielseitige Spielumwelt instand zu setzen, sowohl

für raum- und materialbetontes Spiel an unterschiedlichen Orten einer Umwelt und zu frei rhythmisierbaren Zeiten,
für freies Spielen ohne Erwachsene (natürliche Situationen) und für Spielen mit Erwachsenen (geplante Situationen),
für Spielen mit Realitätsgehalt (Ernstfälle) wie auch für Phantasiespiele (Fiktionen),
für Spielen mit sinnlich-körperbetonten wie auch inhaltlich-abstrakteren Dimensionen, für wilde und besinnliche Spiele,
für regelhafte wie auch für frei-assoziative Spiele,
für Spielen in unterschiedlichen sozialen Bezügen und Gruppenstrukturen wie auch alleine
für Spiele sowohl mit je aktuellster Technik als auch in naturbelassenen Umwelten und mit natürlichen Materialien, z.B. den vier Elementen Feuer, Wasser, Erde, Luft.

Wo die Bedingungen, die Gelegenheiten für das eine oder andere einfach in der Lebensumwelt der Kinder fehlen und Kinder nicht einmal die Chance, die Wahlfreiheit zu solchen unterschiedlichen Spielerfahrungen in ihrer ‚menschlichen Entwicklung‘ haben, ist die ‚Ökologie des Spielens und Lernens‘ gestört.“

(Der Text von 1983 ist enthalten als Dokument in: Grüneisl/ Zacharias (Hg.): Kulturpädagogisches Lesebuch Nr. 5: 30 Jahre Spiel & Kultur mobil in München, München 2002)

  1. Spiel bildet – Spielen ist mehr

Wenn wir von „Umwelt als Spiel- und Lernraum“ sprechen und dabei vor allem den „gelebten Raum“, aber auch offenen, zugänglichen, vielfältigen, realen, materiellen Raum als „Spiel- und Lernumwelt“ – mit und ohne Spielmobile und SpielpädagogInnen – als entscheidende Qualität des aktiven, experimentellen und raumgreifenden Kinderspiels betonen, dann gilt es, sich eines aktuellen Begriffs von „Spiel“ zu versichern.

2.1. Der „homo ludens“

Der moderne Spielbegriff ist im Bild des „homo ludens“ (Huizinga 1934/ 1954) gefasst. Er ist dann ja durch Schillers „Briefe zur Ästhetischen Erziehung“ (Schiller 1773/ 2002) besonders salonfähig bzw. prominent geworden und als „Urphänomen Spiel“ vielfach thematisiert. So wurde er früh ins Pädagogische, auch mit dem Problem seiner Instrumentalisierung und der Gefahr des „Spieleverderbens“ gewendet. Daran sei zumindest „legitimatorisch“ erinnert, ohne im Detail darauf einzugehen.

Zur Vergewisserung: Der Brockhaus (1999, Bd 13, S.200) definiert Spiel als „Tätigkeit, die ohne bewussten Zweck lediglich aus Freude an ihr selbst ausgeübt wird und mit Lustempfinden verbunden ist. Spiel findet sich bei Tieren und Menschen. Die klassischen Theorien verstehen Spiel als Ein- und Vorübung wichtiger Anlagen und Instinkte, als Erholung und Entlastung oder als Abfuhr von Affekten und Triebregungen“.

Es wird weiterhin benannt: „Spiel als Ausdruck des schöpferischen Treibens des Menschen“, „Spielerisches Handeln als Grundlage kultureller Tätigkeit“, „Die Bedeutung des kindlichen Spiels in der Pädagogik und der Psychotherapie. (Dem lassen sich dann bei Bedarf Gewährsleute zuordnen: Schiller, Huizinga, Fröbel, Winnicott – bitte sehr!)

Spiel in anthropologischer Sicht: „Die Bestrebungen, das Spiel mit Hilfe ,seines Kerns‘ auszuzeichnen, gehen Hand in Hand mit der Behauptung, dieser sei eine fundamentale anthropologische Eigenschaft, so dass das Wesen des Spiels zugleich jenes des Menschen ausmache.“ (Gebauer in Wulf 1997, S.1038) Und das ist das (definitorische) Problem einerseits, die (ganzheitliche) Chance andererseits:

„Die Verschiedenheit der Blickpunkte auf das Spiel ist also nicht das Eine, sondern die Veränderbarkeit der Hinsichten.“(a.a.O., S.1038) Diese polyvalente Komplexität im Begriffsspiel ist ähnlich mehrperspektivisch wie bei Kunst, Kultur, Ästhetik, Bildung. Es gilt also von einem je erweiterten Verständnis auszugehen, ganz allgemein, sowie speziell und je nach Interesse auch eine akzentuierte Perspektive einzunehmen, z.B. Spiel als ästhetisch-gestaltende Aktion- und Erfahrungs-/ Erkenntnisform im Umgang mit sich und der Welt.

Dazu doch ein Definitionsvorschlag, der durchaus in Analogie zu Kunst und Kultur zu setzen und zu lesen ist:

„Spiele bilden Welten, die für sich stehen können und die relative Autonomie besitzen, aber zugleich auch Bezug auf eine (oder mehrere) Welt (oder Welten) außerhalb des Spiels nehmen. Spiele sind, insofern sie Bezug auf eine gegebene Welt nehmen, nachgeordnete Welten. Nachordnung besteht in einem logischen Sinn, nicht in einem kausalen oder zeitlichen. Es ist möglich, dass ein Spiel in eins mit der Alltagswelt, auf die es Bezug nimmt, entsteht. Das heißt nicht, dass Spiele einfache Abbilder oder Widerspiegelungen einer sozialen Welt sind; die Bezugnahme ist komplexer. Aufgrund ihrer paradoxalen Grundstruktur enthalten Spiele keine eindeutigen Aussagen, weder zustimmende noch ablehnende, über die vorgeordnete Welt. Es gibt Spiele, deren Organisationsprinzipien denjenigen gleichen, die das Alltagshandeln regeln. In diesem Fall besteht ein realistisches Verhältnis zwischen beiden Welten.“ (Gebauer in Wulf 1997, S.1042)

Das ist wohl der mögliche, historisch-anthropologische Kern und Aspektereichtum des Spiels in aktueller Interpretation, brisant gerade bezogen auf die neuen digitale Spiel- und Phantasiewelten.

Den anthropologisch-historischen Reichtum an Aspekten des Spiels bzw. dessen Definitionsweite fasst Gunther Gebauer dann so zusammen mit Bezug auf die „Säulenheiligen“ der Spieltheorie der letzten Jahrzehnte:

„Bereits Huizinga hatte als wesentliches Merkmal des Spiels den Ernst herausgestellt. In Batesons Analyse wird diese Charakteristik zu einer spielimmanenten Wahrheit verschärft. Caillois und Geertz zeigen eine Korrespondenz von fundamentalen Prinzipien des Spiels mit jenen der gesellschaftlichen Wirklichkeit auf. Von Norbert Elias wird schließlich die Wirklichkeit des Spiels – die Echtheit und Intensität der Emotionen – als wirklicher und wahrer als das soziale Leben behauptet. Ich habe in meiner Diskussion neuerer Spieltheorien die traditionelle Kennzeichnung des Als-ob und des Scheins umgeformt in eine Beschreibung des Spiels als mimetischer Welt, die, auf die soziale Wirklichkeit bezogen, einige ihrer Aspekte mit besonderem Nachdruck darstellt, indem sie diese wie auf einer Bühne aufführt. Der Eindruck, das Spiel sei wirklicher als die Wirklichkeit, entsteht daraus, dass der Spieler sich mit seiner Aufführung vollkommen identifiziert, dass er mit ihr vollkommen eins wird. Er glaubt an sein Spiel (Bourdieu 1980, S. 135): Er lebt in der illusio seines Spiels.“ (Gebauer in Wulf 1997, S.1047)

Dies erklärt ja dann und aktuell auch die Faszination der Computerspiele bei Kindern und Jugendlichen, vielen vor allem pädagogisch tätigen Erwachsenen unverständlich und so nicht nachvollziehbar: Ihr Problem und oft auch professionelles Defizit im offenen akzeptierenden Umgang mit den „spielkompetenten Kindern“.

Der kunst- und kulturpolitisch aktive Philosoph bestätigt die anspruchsvolle Perspektive des Spiels als Interaktion: „Der homo ludens kann aus einem Spiel aussteigen, und er kann das Spiel modifizieren. Der homo ludens erfindet und legt Strukturen, er richtet sich nach den von ihm erfundenen und etablierten Regeln der Interaktion“. (Nida-Rümelin in Rötzer 1995, S. 139). Natürlich ist das sowohl die gesellschaftliche wie auch bildungsrelevante, z.B. kunst- und kulturpädagogische Bedeutung der Künste und der Spiele.

„So verstanden ist der homo ludens im Vergleich zum homo sociologicus und zum homo oeconomicus näher an der gesellschaftlichen Realität. Der homo ludens vereint Elemente des homo oeconomicus und des homo sociologicus; er ist interessen- wie regelorientiert, aber er geht in einem wesentlichen Punkt über die beiden anderen Paradigmen hinaus. Für ihn hat die eigene Lebensform je individuell ebenso Entwurfscharakter, wie kollektiv gesehen die Gesellschaftsform als Ganze.“ (a.a.O., S.140)

Und mit Blick auf die aktuellen, zukünftigen virtuellen Spielkulturen könnte es, wird es auch zu einem überraschenden „revival“ des „homo ludens“ im Spiel zwischen „Sein und Schein“, bzw. in der medialen Aufwertung des „schönen Scheins“ (Rötzer 1991) und der technologisch möglichen „künstlichen Paradiese“ (Welsch 1996) kommen – als neue „Aktualität des Ästhetischen“ weit über die Kunst hinaus, mit dieser aber als symbolischen Zuspitzung. Und mit der balancierenden Folge einer „Revalidierung“ des Authentischen, Einmaligen, Ereignishaften, Sinnlich-Eindrücklichen, des „Merk-Würdigen“, das im medialen und digitalen Kosmos neue Aufmerksamkeit erhält.

Der Medienspezialist und Medienphilosoph Florian Rötzer zur Zukunft des Spielens im Medienzeitalter und der Netzwerkgesellschaft: „Gegenwärtig deutet einiges darauf hin, dass wir einer Zukunft entgegengehen, in der sich nicht nur kommerzielle Video- und Computerspiele durch die Verbreitung von interaktiven und vernetzten Medien weiter durchsetzen werden, sondern dass sich auch unsere Einstellung zum und unser Verständnis vom Spiel verändern wird,“ Florian Rötzer zitiert Joseph Weizenbaum: „Der Computer ist also ein Spielplatz, auf dem jedes erdenkliche Spiel möglich ist.“ Rötzer spricht auch von der Aussicht auf eine neue „ludische Kultur“, in der sich eben der „homo ludens“ endlich ganz verwirklichen kann. Dies scheint – nach Rötzer – in aller Freiheit möglich durch den elementaren Spielcharakter des Computers und des Internet entsprechend Nutzungsvielfalt und globaler Flexibilität im – symbolischen – Umgang mit Zeiten und Räumen. Es geht um die prinzipielle Zugänglichkeit und Vernetzung von „allen mit allen“ und von „allem mit allem“. (Rötzer 1995, S.177) Eine schöne Aussicht?

2.2. Dimensionen des Spiels mit der Tendenz „Ganzheitlichkeit“

Spielen ist eine mehr oder weniger „ganzheitliche“ Aktions- und Lernform, im Prinzip offen, freiwillig, subjektorientiert.

Dies schließt dann leicht entsprechend organisatorisch-institutioneller Rahmenbedingungen des reflexiven Lernens Vielfalt und Aspektreichtum aus: Die „Polyvalenz“, die Mehrperspektivitität und Deutungsoffenheit des Gegenstands, die den Spielen und Künsten, den Kulturen und symbolischen Formen innewohnen, auch dem je einzelnen Kunstwerk, einem kulturellen Geschehen und dem offenen Spielprozess.

Das übrigens ist ja ein traditionelles kunst- und kulturpädagogisches Dilemma: Die rahmenden Zurichtungen der Lern- und Erfahrungssituation z.B. für Kinder und Jugendliche droht die entscheidenden Potentiale des Gegenstands, ihre profilierende Differenz zu anderen Wissens- und Könnensformen, z.B. der Mathematik, der Naturwissenschaften des funktionalen und interpretierenden Sprachgebrauchs, der Aneignung historischer, geographischer Wissensbestände, zu verwischen, bzw. zu marginalisieren oder auch im spezifisch je subjektiven Gebrauch zu verhindern. Den „Eigensinn“, z.B. des Spielens, der Phantasie und der Entscheidungsfreiheiten dabei.

Das Etikett „Ganzheitlichkeit“ z.B. von Kunst und Spiel hat aufeinander verwiesene, ineinander verwobene Dimensionen. Beispielhaft seien hier einige aufgezählt – ohne Anspruch auf besondere Systematik und Vollständigkeit.

Das Kinderrecht auf "Spiel" mit Partizipationschancen

Die 1989/1990 verabschiedete UN-Kinderrechtskonvention nennt in § 31 Spiel, Kunst, Kultur in je eigenen Formen als unveräußerliches Kinderrecht – ebenso wie „Bildung“ in angemessener Form und für alle. Verbunden ist dies mit dem Recht, bzw. dem zu verwirklichendem Postulat der Teilhabe der Kinder und Jugendlichen an Kunst und Kultur, nicht nur der der Erwachsenen, sondern in der Verwirklichung ihrer eigenen Formen von kulturellem Ausdruck, z.B. der Gestaltungsaktivität des Spiels und der tätigen Weltaneignung. Dieses „Partizipationsgebot“ ist im real existierenden, strukturiertem und institutionellem Alltag von Kindheit und Jugend noch keineswegs ausreichend verankert und realisiert. (vgl. Bartscher u.a. 2002, S.1051 ff.)

Sinn und Sinnlichkeit, Emotion und Reflexion: Das "Ästhetische"

Es sind die wohl entscheidenden Potentiale des „Ästhetischen“, dass im rezeptiven („Anschauung“) und produktiven („Gestaltung“) ästhetische Umgang, bzw. in der ästhetischen Erfahrung mit sich und der Welt Sinne und Bedeutungen, Inhalte im Wahrnehmungsprozess zusammenfallen. Dabei sind sowohl Empfindungen, Emotionen wie auch Erkenntnisse und Wissen miteinander verbunden (vgl. z.B. Seel 1996, Duncker in Neuss 1999). Dies ist „bildend“. Es ist fast ein Gemeinplatz – Kunst und Spiel ganz allgemein betreffend.

Zwei Belegzitate mit Verweis auf entsprechende Diskurskontexte, die das Motiv „Ästhetische Erkenntnis“ bzw. „Ästhetische Erfahrung“ ausgehend vom „Sinn der Sinne“ begründen: „Etwas in einer sinnlichen Erscheinung zu vernehmen“, so formuliert Martin Seel (2000, S.50) die Bedeutung ästhetischer Wahrnehmung als ein spezieller Modus von Wahrnehmen. Als „Ästhetik des Erscheinens“ hat Seel das aktuelle Zentrum des Ästhetischen bestimmt.

Spiel im weiten kulturellen Verständnis ist die kindliche Form ästhetischer Aktivität, ausgehend von sinnlich motivierter und stimulierter Weltaneignung. Und das ist der mögliche immaterielle und bildende Mehrwert: „Denn der Mensch beruhigt sich nicht bei dem puren Faktum seiner sinnlichen Organisation, er sieht etwas darin, einen Sinn, und wenn er ihn nicht findet, gibt er ihm einen und macht etwas daraus.“ (Plessner 1980: 332)

Zeiten und Räume als Möglichkeiten und Wirklichkeiten

Im Spiel geht es immer um eine Art „Quasirealität“, eine vorgestellte Welt zwischen Imagination und Konkretheit, Faktischem und Fiktivem. Zeiten und Räume bleiben dabei entsprechend körperlich-materieller Existenz real, klar: Das Spiel, wie auch die Künste, entheben aber darüber hinaus in „eingebildete“ Zeiten und Räume. Dies sind dann entworfene, andersartige, imaginierte, spekulative Zeiten und Räume über das Hier und Jetzt hinaus, auch über die personelle Fixierung in andere Rollen hinein: Vom „Reich der Notwendigkeit“ in das „Reich der Möglichkeiten“, vom Fixpunkt der Gegenwart in mögliche „andere Welten“, Existenzweisen wie auch in Vergangenheiten und Zukünfte – sozusagen im Medium des Ästhetischen, mit dem Potential der künstlerischen bzw. spielerischen Form und Handlung.

Gestaltende Phantasie in Aktion: Aktive Wahrnehmung und soziale Kreativität

Insbesondere das Spiel der Kinder – wenn man sie lässt und dies als ihre kulturelle Form der Welt-Anschauung bzw. -aneignung akzeptiert – ist ja „Phantasie in Aktion“. Es geht um Gestaltungen bzw. den Ausgleich zwischen „Ich und Welt“ probeweise, experimentell, spielerisch. Dies ist eine durchaus traditionelle Formel für „Bildung“ als z.B. durch positive Rahmenbedingungen, durch pädagogische Unterstützung angeregte, qualifizierte „Selbstbildung“.

Aktivierte, neugierige Wahrnehmung, „mit alle Sinnen“, wie es heute allenthalben heißt, und Formen „ungewöhnlichen Lernens“, mit durchaus „kreativer Intelligenz“ und „Emotionalität“ sind die subjektiven Verfahren, die Phantasien beflügeln. Dies beinhaltet auch – durchaus wertorientiert – die Chance zu sozialer, gesellschaftlicher, sensibilisierender, bzw. entsprechender handlungsmotivierender „Schlüsselkompetenzen“ z.B. in der Summe als „Lebenskompetenz“ bzw. „Lebenskunst“. Derartige kunst- und spielpädagogisch initiierte Bildungsprozesse haben immer auch absichtsvolle oder immanente soziale Dimensionen. Ob man will oder nicht.

Das Symbolische und das Imaginäre spielt immer mit

Künste und Kulturen, Rituale und Spiele bilden also Symbolwelten aus, die so etwas wie die Bühnen gesellschaftlicher Werteverhandlungen und überindividuelle Identitäten ermöglichen und bedeuten: Symbolische Formen des geregelten Zusammenlebens oder kontroverser Auseinandersetzungen (vgl. Cassirer 1953/ 1954, Bourdieu 1974/ 1994).

Im Symbolischen, das sich eben in der gestalteten Spannung zwischen „Sinn und Sinnlichkeit“, „Emotion und Reflexion“, „Notwendigkeit und Möglichkeit“, „Vergangenheit und Zukunft“ im Focus real existierender Gegenwart manifestiert, entwickeln z.B. Künstler und Kinder ihre „Weltbilder“. Sie kommunizieren diese mit Medien und Ausdrucksformen aller möglichen Arten, eben „ästhetisch“. Spiel ist eine der typischen Formen dazu, sozusagen das „Curriculum“ („Wägelchen“) der Einbildungskraft. (vgl. Kamper 1981) und insofern auch selbst eine, die symbolische Form der Idee von Ganzheitlichkeit und Artenvielfalt gleichermaßen.

Spielen mit Inhalten als Methode und Form

Bleibt noch zu betonen: Analog zu den Künsten ist Spiel bzw. das Spielen zunächst und vor allem für Kinder und Jugendliche als aktivierende Bildungsform, als selbstorganisierte Erfahrungsmethode von besonderem, auch pädagogischem Wert. Es ist immer wieder daran zu erinnern, dass zunächst also nicht die Inhalte, die Bedeutungen, die Werte und Ziele dessen, was in Kunst und Spiel bearbeitet wird, die entscheidende, dann auch pädagogische Qualitäten sind, sondern der Modus, diese spezifische Art und Weise des Lernens und Erfahrens als Erkenntnisweise und Wissensaneignung.

Die Frage stellt sich allerdings immer wieder neu, zwischen Inhalt und Form, zwischen Bedeutung und Methode: Spiel bildet, aber wie? Künste bilden, aber wie? Es ist eine Art pädagogischer Dauerbaustelle, immer wieder neu an konkreten Fällen, Phänomenen, Verläufen zu beantworten bzw. zu veranschaulichen.

2.3. Die Artenvielfalt der Lernformen, z.B. im Spiel

Also: Bildung geschieht in vielerlei Form, und das ist eigentlich nichts Neues. Aktuell wieder neu diskutiert wird die „Artenvielfalt der Bildungsformen“, wie sie etwa in de 80er Jahren im internationalen UNESCO-Kontext und im Umfeld des „Club of Rome“ ausformuliert wurde.

Formale Bildung: Curricular definierte Vermittlung, die für Lehrende und Lernende verbindlichen Rahmengebungen folgt. Zu denken ist hier an Literatur-, Musik- und Kunstunterricht mit individuellem Leistungspensum und in festen Gruppen und institutionellem Setting (Schule, Unterricht, Klasse). Die Vermittlung hat eine didaktische Struktur und zielt auch auf abprüfbares Wissen. Spiel ist hier bestenfalls Mittel zum Zweck.
Nicht-formale Bildung: Systematische Bildungsverläufe in freiwilliger beidseitiger und längerfristiger Lehr-/Lernabsicht: Kurs, Gruppe, Projekt mit pädagogischer und fachlicher Anleitung, z.B. außerschulisch. Auch hier ist systematische "Didaktik" im Spiel.
Informelle Bildung: Ein Partner, Lehrender oder Lernender, hat Lehr- bzw. Lerninteresse und ermöglicht Lernerfahrungen, z.B. als Selbstbildungsprozess. Die Lernsituationen sind offen, Inszenierungen, Animation, Spiele, nichtpädagogische Fachkompetenzen wirken als Vorbild und Lernangebot. Spiel- und Medienwelten sind hier immer auch Lernwelten, unabhängig davon, ob sie es sein wollen. Künste, Medien, Spiele bilden, auch wenn sie im Detail und in ihren Angeboten, Produkten und Prozessen gar keine unmittelbare Bildungsabsichten und intentionale Bildungsziele haben und sich die "Mitspieler" bzw. "Lernenden" nicht bewusst und absichtsvoll bilden wollen.
Inzidentelle Bildung: Man lernt etwas mit bildenden Qualitäten, ohne sich in einem im weitesten Sinn z.B. pädagogischen Kontext zu befinden, z.B. durch Begegnungen, Umwelten, Spielräume, durch Szenen, Ereignisse, Erlebnisse, Regelspiele, Entdeckungen, Faszination und Eigeninteresse (durchaus typisch für Kunst, Medien, Kultur und Spiel). 

Diese Weite – man kann es durchaus auch als „Ökologie des Spielens und Lernens“ z.B. in der Vielfalt gerade künstlerischer, kultureller und medialer Formen nennen – gilt es zugrunde zu legen, wenn die Bildungsqualitäten des Spiels in den Blick kommen.

„Bildung ist mehr“ ist übrigens auch der Titel der „Leipziger Thesen“ 2002 aus dem Bereich der Jugendhilfe und Jugendarbeit, der sich einerseits neu dem „Bildungsauftrag“ des außerschulischen Feldes zuwendet, andererseits einen weiten Bildungsbegriff reklamiert (vgl. Bundesjugendkuratorium 2002) und neue Kooperationsformen, Synergien mit der Schule sucht, Bildung aber nicht einfach der Schule zuordnet.

2.4. Lebenswelt als Lernwelt

Soziale, sinnliche, materielle Wirklichkeit ist überall, insbesondere „draußen“ vor den Türen der Wohnungen, der Schulen. In den umgebenden Lebenswelten sind natürlich jede Menge lern- und erfahrungsrelevante Inhalte und Situationen eingelagert und prägend:

Als potentielle Bildungsanlässe und Spielanregungen, Spielräume in realem wie symbolischem Sinn. In seiner komplexesten, also ausgesprochen „ganzheitlichen“ Form findet das Spiel der Kinder heute sowohl draußen in den urbanen und natürlichen Räumen, soweit zugänglich, statt, wie auch zunehmend in den medialen und virtuellen Welten, im Kontext der eher traditionellen Medien (Film, Video, Fernsehen) wie der neuen, digitalen, multimedialen Systemen von Computer und Internet. Die Verbindung, Wechselwirkung und Balancierung dieser Spielwelten wird zu einer notwendigen, zukunftsfähigen kultur- und spielpädagogischen Herausforderung. Und die Wirklichkeit des Spiels realisiert sich immer vor Ort, da wo die Kinder und Jugendlichen leben und lernen.

Es ist sozusagen die „kommunale“ Ebene in der Stadt und auf dem Land, die „Spiel- und Lernraum“ ist, mehr oder weniger attraktiv und qualifiziert. Das nun seit 30 Jahren entwickelte „Münchner Modell“ spiel- und kulturpädagogischer Praxis hat hier seinen konzeptionellen Ansatz. Es versucht, die Lebenswelten der Kinder anzureichern mit spiel- und kulturpädagogischen Angeboten vielerlei Art und in kooperativen Formen, insbesondere auch – soweit möglich und finanzierbar – in Zusammenspiel von Kunst, Kultur, Schule, Jugend, Soziales entsprechend kommunaler Verantwortung im Bereich des Politischen, der Verwaltung und der fachlichen Professionalität. Dazu gibt es seit 1990, mit Fortschreibung 1999, ein „kommunales Gesamtkonzept Kinder- und Jugendkulturarbeit in München“. Es geht um den ja schon länger dauernden Entwicklungsprozess – damals ausgelöst durch den kunstpädagogischen Impuls: Raus aus der Schule, rein in die Spiel- und Lernumwelten der Kinder und Jugendlichen. Das Ziel: die urbane Stadtlandschaft als offene Erfahrungs- und Bildungslandschaft zu qualifizieren, anzureichern und immer wieder in zeiträumlich variablen und auch didaktisch begründeten Strukturen zu inszenieren (vgl. Zacharias 1995).

Das Grundmuster dieses spiel- und kulturpädagogischen Konzepts ist das synergetische Netzwerk Schule, Kultur, Jugend, Soziales, das – so Oberbürgermeister Christian Ude im Vorwort – „den Status der jungen Menschen als eigenständige, mit Rechten und Beteiligungsansprüchen ausgestattete Subjekte stärkt.“(KoFo: Kinder- und Jugendkulturarbeit 1999, S.3) Es geht um „die zunehmende kulturelle Vielfalt in unserer Stadtgesellschaft, die in der Praxis der kulturellen Jugendbildung als Chance zu interkulturellem Verstehen und Zusammenspiel genutzt werden kann. Oder die um die rasante Entwicklung einer medialen, virtuellen Realität, die Kinder und Jugendliche stark in ihren Bann zieht, die diese sich aber auch beneidenswert locker und kompetent aneignen.“ (a.a.O.)

Im Konzept heißt es dann ganz allgemein: „Die authentische Lebenswelt Stadt als erfahrungsstiftende Spiel- und Lernwelt mit sowohl historischer wie zeitaktueller Dimension ist einem ganzheitlichen und sozialökologischen Verständnis von Bildung verpflichtet. Der kommunale Handlungsansatz ist es, Kindern und Jugendlichen die Möglichkeit zu bieten, die städtische Umwelt mit ihren urbanen Funktionen kennen zu lernen, von ihr aktiv Gebrauch machen zu können, sich sicher und mobil in dieser Umwelt zu bewegen. Dafür sind Hilfen und Anstöße notwendig.“ (a.a.O., S. 17)

Das pädagogische Denkmodell und Handlungskonzept ist das „Netzwerk“, das zwischen den Feldern und Bereichen einer Stadt, die mit Kindern, Jugendlichen, Familien zu tun haben, vermittelt mit dem Ziel, Synergien herzustellen.

„In einem überschaubaren und kulturpädagogischem Handeln zugänglichen Territorium, wie dies die Stadt ist, konkretisiert sich das Netzwerk in Dienstleistungen, Einrichtungen, Maßnahmen, Projekten, die ineinander greifen, sich verzahnende Elemente des Ganzen sind. Es präzisiert sich weiter auf der Ebene der Stadtteile, bietet aber auch Anknüpfungspunkte nach außen, in die Region und ist offen für Impulse von außen.“ (a.a.O., S. 18)

Als Elemente dieses urbanen Netzwerks für Spiel und Kultur werden neben schulischer Vermittlung benannt und sind real dann auch als Orte, Programme, Angebote raum-zeitlich zu benennen: Kinder- und jugendkulturelle Szenen; institutionelle Kinder- und Jugendkulturorte; Kulturorte mit didaktisch-pädagogischen Abteilungen und Räumen; Virtuelle Orte, Welten und Netze; Provider Bildung/Kinder und Jugendkultur; Ausstattungspools; mobile Dienste; Produktionen mit Künstlern; Offene Werkstätten, Atelier- und Studiobesuche; Beratung und Fortbildung; Exekutionen und Reisen, kommerzielle Kultur- und Spielorte, bzw. -angebote.

Eins gemerkt: Entsprechend eines weiten Spiel-, Kunst- und Kulturbegriffs sind hier auch immer vielerlei Spielarten des Spielens mit gemeint – Spiel als Kultur des Kindes, Spielen als gestaltende Aktivität und als Motivation zu Selbstbildungsprozessen.

  1. Spiel und Kultur – mit und gegen PISA

Die bildungspolitische Diskurslage 2002, 2003 meint es insgesamt nicht gut mit Spiel, ästhetischer Erziehung und kultureller Bildung, gleich welcher Sparte und mit welchen institutionellen Vermittlungskontexten auch immer. Im internationalen Nationen-Ranking der PISA-Studie (Deutsches PISA-Konsortium) 2001) der vorrangig wirtschaftsorientierten OECD geht es nicht um einen – ganzheitlichen und humanen – weiten Bildungsbegriff, sondern um die Zuspitzung auf kognitives Wissen und Erkennen entsprechend interpretierender Lesekompetenz sowie analytischer Kompetenzen in Sachen Mathematik und Naturwissenschaften. Dies wurde überprüft und ist weitgehend zu vermitteln im Zusammenhang von Schulunterricht. Fachliche und allgemeine (Schlüssel-)Kompetenzen außerhalb des vorgegebenen Spektrums bleiben entsprechend der bildungspolitischen PISA-Folgediskussionen außen vor, obwohl die PISA-Studie selbst davor warnt, ihren Ausschnitt an Bildungswerten für das Ganze zu nehmen. Die Selbstbescheidung der PISA-Autoren ist hier ehrlicher als die öffentliche Aufregung: „Man kann gar nicht nachdrücklich genug betonen, dass PISA keineswegs beabsichtigt, den Horizont moderner Allgemeinbildung zu vermessen, oder auch nur die Umrisse eines internationalen Kerncurriculums nachzuzeichnen. Es ist gerade die Stärke von PISA; sich solchen Allmachtsfantasien zu verweigern.“ (a.a.O. S.21) Kunst, Kultur und Spiel in Vermittlungskontexten werden trotzdem gerade durch die vereinfachende PISA-Rezeption geschädigt und bedroht.

Die PISA-Studie hat, sozusagen im Kleingedruckten veröffentlicht und öffentlich marginal kommuniziert, noch ein weiteres Phänomen untersucht, an dem das deutsche Bildungssystem an letzter Stelle landete – die Abhängigkeit der Bildungschancen vom jeweiligen sozialen und kulturellen Milieu:

Dass Deutschlands Schulsystem die soziale Ungleichheit verschiedener Bevölkerungsteile nicht nur nicht ausgleicht, sondern verschärft, ist ein gesellschaftspolitischer Skandal. Das deckt die PISA-Studie schonungslos auf. Es sind die soziokulturellen Unterschiede, die Bildungschancen ermöglichen oder verwehren – Bildung ist in Deutschland herkunftsabhängig. Wolf Lepenies schreibt dazu in der SZ (8.9.2001): „In der Überraschung über diesen Zusammenhang zeigt sich ein eklatanter Mangel in der Wahrnehmung unserer sozialen Wirklichkeit.“ Die GEW formulierte bereits am 4.12.2001: „Nur bei der sozialen Auslese sind die deutschen Schulen spitze.“

Das überraschenderweise gerade durch die PISA-Studie aufgedeckte zentrale deutsche Bildungsproblem also ist, dass die alltäglichen Lebensbedingungen, die sozialen und kulturellen Ressourcen, die Kinder schulfähig und lebenskompetent machen, fehlen. Sie sind – sozusagen als Fundamente kognitiver Lern- und Wissensleistungen – dem schulischen Unterricht vorgelagert bzw. sowohl in wie außerhalb der Schule notwendigerweise parallel bereitzustellen.

Dies ist, wäre die allgemeinbildende Rolle von Spiel, Kunst, Kultur, des Ästhetischen generell als Teil der Lern- und Bildungslandschaft und zugunsten von „Schlüsselkompetenzen“. Eben das ist eine Konsequenz aus der PISA-Studie, nimmt man die Perspektive einer „Kultur des Aufwachsens in öffentlicher Verantwortung“ ernst und verortet dabei kulturelle Bildung als unverzichtbarer Teil Allgemeiner Bildung in aller Vielfalt von Orten, Inhalten, pädagogischen Institutionen, didaktischen Strukturen und professionellem pädagogischem Personal.

„Umwelt als Spiel- und Lernraum“, die „Inszenierung und Öffnung“ des „gelebten Raums“, die Chance zu authentischen, einmaligen, sinnlich-ganzheitlichen Spielerfahrungen trägt in zweierlei Weise zu einem angemessenen erweiterten Bildungsbegriff, zu einer pluralen „Spiel- und Bildungslandschaft“ bei

Gegen die vereinseitigt kognitive Dominanz von Schule und Unterricht entsprechend des historischen und aktuellen institutionellen "Ist-Zustands"
Gegen die vereinseitigt entsinnlichte Medialisierung und Digitalisierung der virtuellen Spiel- und Lernwelten

Darum geht es spielpädagogisch und im Prinzip nachhaltiger Bildungsvielfalt: Um Balancen, Angebotsreichtum, Ganzheitlichkeit ist den räumlich-konkreten Lebensumwelten der Kinder und Familien, in Stadt und Land.

Literatur

Bartscher, Matthias/ Kriener, Martina: Rechte von Kindern und Jugendlichen, in: Schröer, W./ Struck, N./ Wolff, M. (Hg.): Handbuch Kinder- und Jugendhilfe, Weinheim 2002
BKJ (Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung) (Hg.): Kultur - Jugend - Bildung: Kulturpädagogische Schlüsseltexte 1970 - 2000, Remscheid 2001
BKJ (Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung) (Hg.): Kultur leben lernen, Remscheid 2002
Bloch, Ernst: Das Prinzip Hoffnung, Frankfurt a.M. 1970
Bourdieu, Pierre: Zur Soziologie der symbolischen Formen, Frankfurt a.M. 1974/ 1994
Bundesjugendkuratorium/ Ingrid Mielenz: Bildung ist mehr als Schule, Bonn 2002
Cassirer, Ernst: Philosophie der symbolischen Formen, Teil 1/ 2/ 3, Darmstadt 1953/ 1954
Deutsches PISA-Konsortium (Hg.): PISA 2000, Opladen 2001
Grüneisl/ Mayrhofer/ Zacharias: Umwelt als Lernraum, Köln 1973
Grüneisl, G./ Zacharias, W. (Hg.): 30 Jahre Spiel & Kultur mobil in München, Spiel- und kulturpädagogisches Lesebuch Nr. 5, München 2002 (Bezug: PA/ SPIELkultur e.V., Augustenstr. 47/Rgb., 80333 München, FAX 089/ 268575)
GutsMuths, Johann Christoph Friedrich: Spielalmanach für die Jugend 1802 und 1803, Leipzig/ München 1975
Huizinga, Johan: Homo ludens, Reinbek 1981 (1954)
Kamper, Dietmar: Zur Geschichte der Einbildungskraft, München 1981
KoFo (Koordinationsforum Kinder- und Jugendkultur München): Kommunales Gesamtkonzept Kinder- und Jugendkultur, Fortschreibung 1997/ 1998, Stadtjugendamt/ Sozialreferat München 1999 (Bezug: Stadtjugendamt/ Jugendkulturwerk, Orleansplatz 11, 81667 München)
Mayrhofer, H./ Zacharias, W.: Ästhetische Erziehung: Lernorte für aktive Wahrnehmung und soziale Kreativität, Reinbek 1976
Neuss, Norbert (Hg.): Ästhetik der Kinder, Frankfurt a.M. 1999
to, G.: Die Territorien Ästhetischer Erziehung - Zwischenbilanz als kartographischer Versuch, in: Jentzsch/ Lehmann/ Wolters (Hg.): Das Bild der Welt in der Welt der Bilder, Hannover 1987
Plessner, Helmuth: Gesammelte Schriften III. Anthropologie der Sinne, Frankfurt 1980
Rötzer, F.: Digitaler Schein. Ästhetik der elektronischen Medien, Frankfurt a.M. 1991
Rötzer, Florian: Schöne neue Welten? Auf dem Weg zu einer neuen Spielkultur, München 1995
Scheuerl, Hans: Das Spiel, Weinheim und Basel 1979
Schmidt, Wilhelm: Auf der Suche nach der neuen Lebenskunst, Frankfurt 1991
Schmidt, Wilhelm: Philosophie der Lebenskunst, Frankfurt a.M. 1998
Martin: Ethisch-Ästhetische Studien, Frankfurt 1996
Seel, Martin: Ästhetik des Erscheinens, München 2000
von Hentig, Hartmut: Bildung, München 1996
Welsch, Wolfgang: Grenzgänge der Ästhetik, Stuttgart 1996
Wulf, Christof (Hg.): Vom Menschen. Handbuch Historische Anthropologie, Weinheim/ Basel 1997
Zacharias, Wolfgang: Lebensweltliche Didaktik. Die Entstehung didaktischer Strukturen am Beispiel der Pädagogischen Aktion 1970 - 1980, München 1994
Zacharias, Wolfgang: Kulturpädagogik, kulturelle Jugendbildung - Eine Einführung, Opladen 2001 (a)
Zacharias, Wolfgang: Kultur und Pädagogik, Kunst und Leben, Bonn 2001 (b)

Special Tipp:

Einige der zitierten Veröffentlichungen der Pädagogischen Aktion aus den Siebziger- und Achtziger Jahren sind noch erhältlich bei der Pädagogischen Aktion Spielkultur, Augustenstr. 47/ Rgb., 80333 München, z.B.

Zacharias/ W. und IPA/ BRD (Hg.): Spielraum für Spielräume - Zur Ökologie des Spiels, München 1987, 144 S., viele Abb. (10,00 EUR)
Pädagogische Aktion e.V. (Hg.): Spielen in der Stadt - Arbeit an der Zukunft, (Kulturpädagogisches Lesebuch IV/ Teil 3) München 1988, 160 S., viele Abb. (13,00 EUR), U.a. für die Praxis: 10 Varianten Spielbus München/ Spielmobil, z.B. Winterspielbus, Festespielbus, Alte Spiele, Produktionsspielbus, Wasserbaustelle, Forscherfahrten, Physikspielbus, Geisterspiele, Materialspiele, Weltreise
Pädagogische Aktion e.V. (Hg.): Gelebter Raum - Beiträge zu einer Ökologie der Erfahrung, München 1989, 216 S., viele Abb. (12,00 EUR)

Weitere Informationen im Internet unter www.pa-spielkultur.de/literatur

Der Autor:

Dr. Wolfgang Zacharias ist Kulturrat bei der Landeshauptstadt München und Projektleiter der Pädagogischen Aktion/SPIELkultur e.V. Er ist darüber hinaus in zahlreichen anderen Zusammenhängen engagiert

Bei vorstehendem Beitrag handelt es sich um einen Vortrag, der auf der Fachtagung „Spielen – Lernen -Bilden“ im November 2002 in Berlin gehalten wurde. Veröffentlicht war er zunächst in der „Spielmobilszene“ 14/2003. Wir bedanken uns bei Claudius Beck von der BAG Spielmobile für die Erlaubnis, ihn hier einstellen zu dürfen.

Dortmund, im Juli 2003

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Spielmobile, Bildung, Politik

Von Max Fuchs

Im Folgenden will ich in sieben Punkten einige Überlegungen zu dem mir gestellten Thema vortragen.

  1. Jede bildungs-, jugend- und kulturpolitische Diskussion, die nach dem 8.12.2001 stattgefunden hat und noch stattfinden wird, wird diesen Termin berücksichtigen müssen: Denn an diesem Tag wurde die PISA-Studie der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese Studie hat – und dies mag angesichts des für Deutschland vernichtenden Ergebnisses überraschen – durchaus positive Wirkungen gehabt. Denn endlich wurde Bildung zu einem relevanten Thema in der Politik und in den Medien. Positiv ist auch der bildungstheoretische Ansatz der Studie. Denn es werden ausdrücklich unterschiedliche „Modi der Weltbegegnung“ vorgestellt, zu denen auch Spiel und Kunst gehören. Das grundlegende Konzept der „literacy“ liegt zudem auf der Linie der Bildungsdiskussion in unseren Fachorganisationen. Denn es geht dabei vom Anspruch her um „Lebenskompetenzen“, die sich in der Praxis bewähren müssen.

So positiv diese Anschlussmöglichkeiten an die Studie selbst sind, so negativ sind allerdings die politischen Diskurse. Denn hier dominieren – entgegen expliziten Aussagen und konzeptionellen Grundlagen der Studie – mehrfache Engführungen:

  • Bildung wird auf Schule reduziert,
  • Bildung wird auf das Kognitive und die drei PISA-Fächer reduziert,
  • Bildung wird fast ausschließlich in ihrer ökonomischen Verwertbarkeit diskutiert.
  1. Grundlegendes Ziel vieler Trägerstrukturen – speziell in der Jugendpolitik – ist daher eine Durchsetzung eines weiten Bildungsbegriffs, der Bildung in Beziehung zur Lebensbewältigung oder zur „Lebenskunst“ (so die BKJ) setzt. Doch bestehen erhebliche Gefahren, dass diese Bemühungen nicht aufgegriffen werden. In der Jugendpolitik gibt es insbesondere zwei Gefahren:

a) Die Instrumentalisierung des Kindergartens für eine (kognitiv orientierte) vorschulische Wissensvermittlung.

b) Die Instrumentalisierung der Jugendarbeit als reine außerunterrichtliche Bewahranstalt bzw. als bloße Freizeitgestaltung zur Sicherstellung einer „Ganztagsschule“.

Vor diesem möglichen Schreckensszenario, das leider nicht nur erfunden ist, ist es wichtig, die Bundesländer mit ihren Aktivitäten zur Einrichtung von Ganztagsschulen zu beobachten. Positiv ist uns dabei Rheinland-Pfalz aufgefallen, wo zwar die Schulen das Heft (= Finanzen) in der Hand behalten sollen, jedoch keine Dumpingverträge mit Trägern der Jugendhilfe abschließen dürfen. Hier scheint eine Aushandlung einer Zusammenarbeit von Schule und Jugendarbeit auf „gleicher Augenhöhe“ zumindest im Ansatz vorgesehen zu sein.

  1. Wir müssen jedoch auch unsere eigenen Trägerstrukturen beobachten, wie sie in Verhandlungen mit der Schule eintreten. Sind sie offensiv genug und stellen die Spezifik der außerschulischen Arbeit selbstbewusst heraus? Leider gibt es hier bereits negative Beispiele, wo etwa eine Fachorganisation sich geradezu anbiedert mit Argumenten, die ihre Angebote als „schulnah“ verkaufen, um so die Akzeptanz auf der Schulseite zu steigern. Ich halte dies zwar für verständlich, aber für falsch.
  2. Was tut der Bund in dieser Situation? Bekanntlich sind die Länder sehr darauf bedacht, ihre Kompetenzen im Bildungs- und Kulturbereich nicht angetastet zu sehen. Trotzdem hat der Bund klare Aufgaben und Kompetenzen in allen drei Politikfeldern:

In der Jugend-, Kultur- und Bildungspolitik. In der Jugendpolitik ist insbesondere das Bundesjugendkuratorium (BJK) zu erwähnen, immerhin das vom Bund selbst berufene oberste Beratungsorgan in jugendpolitischen Fragen. Dieses BJK hat sich – mit wohlwollender Unterstützung durch die Jugendministerin – offensiv zu Gunsten eines weiten Bildungsbegriffs und einem eigenständigen Bildungsauftrag der Jugendhilfe positioniert. Repräsentanten der meisten bundesweiten Trägerstrukturen in der Jugendhilfe haben zudem ein Eckpunktepapier erarbeitet, in dem so deutlich wie bislang an keiner anderen Stelle die Eigenwertigkeit der Jugendhilfe in Bildungsfragen herausgearbeitet wird.

  1. Der Zentralbegriff, der unser Arbeitsfeld mit der allgemeinen Bildungsdiskussion verbindet, ist die „nonformale Bildung“, also pädagogisch professionell gestaltete Bildungsmöglichkeiten außerhalb des Unterrichts ohne festgelegtes Curriculum. Sehr schön beschreibt dies der Text in der Tagungsausschreibung:

„Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Spielmobilen schaffen mit ihren Materialien einen spielerischen Lernrahmen, der an der Lebenswelt von Kindern und Jugendlichen orientiert ist. Sie inszenieren Räume, erfinden Rollen, Ereignisse und gestalten Erfahrungswelten, die mit den Kindern reflektiert werden und aus deren Erfahrungen gelernt wird. Spielmobile tragen damit ihren speziellen Teil zu einer Bildungsgesellschaft bei.“

  1. Zur Zeit läuft außerdem das Projekt „Schlüsselkompetenzen durch kulturelle Bildung“, bei dem wir einige strategische Ziele verfolgen:
  • Anerkennung dessen, was man in nonformalen Bildungsprozessen lernt.
  • Anbindung unserer Diskussion an eine lebendige internationale Debatte rund um den Begriff der Schlüsselkompetenz.
  • Entwicklung geeigneter Verfahren, die Lernergebnisse von Jugendlichen in der Jugendkulturarbeit zu sichern und zu beschreiben.

Eine wichtige Initiative im Kulturbereich wird vom Spitzenverband der Bundeskulturverbände, dem Deutschen Kulturrat, vorangetrieben. Es geht hierbei um die Überarbeitung der „Konzeption kulturelle Bildung“, mit der wichtige Bildungsziele und notwendige Maßnahmen vorgestellt werden, so dass weitere Argumente für die Bereitstellung notwendiger Ressourcen gefunden werden.

  1. Die Spielmobile bringen sich offensiv in diese Debatten ein und haben allen Grund, mit ihren Stärken zu wuchern:
  • Auf Grund ihrer Mobilität sind sie geradezu maßgeschneidert, auch dort wirksam zu werden, wo üblicherweise die Dichte von Jugend- und Kultureinrichtungen gering ist.
  • Sie erreichen dadurch sehr viel besser als andere Angebote der Jugend- und Kulturarbeit benachteiligte Stadtteile und Kinder und Jugendliche.
  • Sie sind auf Grund ihrer Arbeitsweise sehr gut dazu geeignet, interkulturelle Angebote zu machen und damit den oft abstrakt diskutierten „Dialog der Kulturen“ praktisch wirksam werden zu lassen.
  • Sie sind ein wichtiges Praxisfeld zur Einübung in die Partizipation.

Kurz: Spielmobile haben allen Grund, sich selbst als wichtigen Bildungs- und Lernort zu definieren.

Wenn unser Bundespräsident präzise formuliert, dass es in der Bildungsarbeit darum geht, Stärken zu stärken und Schwächen zu schwächen, dann darf dies geradezu als Motto der Spielmobile gelten.

Literaturhinweise:

Die Papiere des Bundesjugendkuratoriums sind dokumentiert in:
Münchmeier, R. u. a. (Hg.): Bildung und Lebenskompetenz. Opladen 2002.

Kulturelle Bildung wird zeitgemäß und in aller Breite dargestellt in:
BKJ (Hg.): Kultur leben lernen. Remscheid 2002.

Weitere Informationen finden sich auf der Homepage www.bkj.de.
Für alle Fragen der Qualifizierung konsultiere man die Homepage der Akademie Remscheid

Der Autor:

Prof. Dr. Max Fuchs ist Direktor der Akademie Remscheid; Vorsitzender von Bundesvereinigung Kulturelle Jugendbildung, Deutscher Kulturrat und Institut für Bildung und Kultur. Lehrt Kulturarbeit an der Universität Essen-Duisburg.

Bei vorstehendem Beitrag handelt es sich um einen Vortrag, der auf der Fachtagung „Spielen – Lernen -Bilden“ im November 2002 in Berlin gehalten wurde. Veröffentlicht war er zunächst in der „Spielmobilszene“ 14/2003. Wir bedanken uns bei Claudius Beck von der BAG Spielmobile für die Erlaubnis, ihn hier einstellen zu dürfen.

Dortmund, im Juli 2003

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Nachruf Prof. Dr. Hiltrud von Spiegel

Der ABA Fachverband Offene Arbeit mit Kindern und Jugendlichen trauert um sein langjähriges Mitglied Prof. Dr. Hiltrud von Spiegel. Sie ist am 22. September 2019 nach langer Krankheit im Alter von 68 Jahren verstorben.

Hiltrud von Spiegel gehörte mit zu den frühen Mitgliedern im Verband; dies nämlich bereits seit dem 8. Oktober 1974. Seitdem stand sie dem Verband jederzeit nahe. Beigetreten ist sie während ihrer Tätigkeit in einem Jugendzentrum in Neuss. Dort war sie in den Jahren 1973 bis 1975 beschäftigt. Von 1975 bis 1978 arbeitete sie im Haus der Jugend in Krefeld. Schritt für Schritt hat sie sich beruflich weiterentwickelt. Sie begann als Erzieherin. Später war sie Sozialarbeiterin, um anschließend als Erziehungswissenschaftlerin promoviert zu werden. Ab 1979 war sie Mitarbeiterin an der Fachhochschule Bielefeld. Sie war dort bis 1981 Leiterin des Praktikantenamtes. Danach war sie bis 1997 Fachlehrerin für Sozialpädagogik.

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